Ernst Gotthilf

Ernst Gotthilf (* 1. Oktober 1865 in Temesvár, Kaisertum Österreich; † 17. September 1950 in Oxford, Großbritannien) war ein österreichischer Architekt vornehmlich des neoklassizistischen Reformstils.

Biographie

Ernst Gotthilf war ein Sohn des 1885 geadelten jüdischen Großindustriellen Eduard Gotthilf de Miskolcz und der Josefine Stern. Seine Ausbildung als Architekt begann er am Polytechnikum in Zürich und wechselte anschließend nach Wien an die Technische Hochschule und die Akademie der bildenden Künste. Nachdem er zwei Jahre bei Helmer und Fellner praktiziert hatte, machte er sich mit 27 Jahren selbständig.

Seine ersten Aufträge waren vor allem Miethäuser und Wohn- und Geschäftshäuser. Prominentester Auftraggeber in dieser Periode war das Gremium der Wiener Kaufmannschaft mit ihrem Krankenhaus in der Peter-Jordan-Straße.

1909 gründete Ernst Gotthilf mit Alexander Neumann (1861–1947) eine Bürogemeinschaft, die bald führend in Wien war. Sie errichteten Miethäuser, Villen und Palais und machten sich auch als Planer von Bankgebäuden einen Namen. Auch während des Ersten Weltkriegs war es ihnen möglich, Bauaufträge auszuführen. Erst nach Kriegsende und dem damit verbundenen Verlust finanzkräftiger Auftraggeber gingen kaum noch Aufträge ein.

Ernst Gotthilf emigrierte nach dem Anschluss Österreichs an das Dritte Reich 1938 nach England, wo er sich in Oxford niederließ. Seine Frau Elisabeth geb. Zifferer (1874–1965), Tochter des damals bekannten Wiener Stadtbaumeisters Donat Zifferer (1845–1909) und der Frauenrechtlerin Rosa Zifferer geb. Schüler (1851–1911), starb ebenfalls in England.

Auszeichnungen

Ernst Gotthilf erhielt im Laufe seiner Tätigkeit zahlreiche Auszeichnungen und Ehrentitel:

  • Goldene Füger-Medaille
  • Baurat (um 1908)
  • Ritterkreuz des Franz-Joseph-Ordens (um 1913)
  • Beeideter Sachverständiger und Schätzmeister für das Landes- und Handelsgericht (1914)
  • Oberbaurat (1918)
  • Ehrenmitglied der Zentralvereinigung der Architekten Österreichs (1919)
  • Professor (1923)

Mitgliedschaften

Weiters war Ernst Gotthilf Mitglied des Zentralverbandes der Architekten der im Reichsrat vertretenen Königreiche und Länder – dort übte er auch das Amt des Vizepräsidenten aus – und Mitglied des Architektenclubs der Genossenschaft der bildenden Künstler Wiens.

Werke

Ernst Gotthilf führte alleine und mit seinem Partner Alexander Neumann neben den hier genannten Bauwerken noch zahlreiche weitere Aufträge – vor allem Miethäuser sowie Wohn- und Geschäftshäuser aus.

Die Hauptfassade der ehemaligen Sofiensäle (1898–1899)
Als Krankenhaus der Wiener Kaufmannschaft errichtet (1908–1910) und seit 1960 als Wilhelm-Exner-Haus von der Universität für Bodenkultur als Nebenstandort genutzt.
  • 1895: Palais Lanna, Argentinierstraße 20, Wien-Wieden
  • 1898–1899: Neubau der Fassade der Sofiensäle (Marxergasse 17, Wien-Landstraße)
  • 1900: Grabdenkmal für Ferdinand Groß (Wiener Zentralfriedhof)
  • 1902: Heim für obdachlose Familien (Universumstraße 62, Wien-Brigittenau, gemeinsam mit D. Zifferer)[1]
  • 1903: Haus der Wiener Kaufmannschaft (Schwarzenbergplatz 14, Wien-Wieden)
  • 1904: Stiftungshaus des Gremiums der Wiener Kaufmannschaft (Krugerstraße 3, Wien-Innere Stadt)
  • 1905: Apotheke zur Mutter Gottes (Gudrunstraße 150, Wien-Favoriten)
  • 1906: Haus der Basler Versicherung (Lothringerstraße 16, Wien-Innere Stadt)
  • 1906: Frauenabteilung des Sanatorium Löw unter Einbeziehung und Adaptierung des angrenzenden Hauses (Mariannengasse 18–20, Wien-Alsergrund)
  • 1907–08: Villa Siegfried Trebitsch, Maxingstraße 20 (Bauausführung Hugo Schuster)
  • 1908: Verwalterhaus der Universität für Bodenkultur (Gregor-Mendel-Straße 33, Wien-Währing)
  • 1908–1910: Krankenhaus der Wiener Kaufmannschaft (Peter-Jordan-Straße 82, Wien-Döbling, heute: Wilhelm-Exner-Haus der Universität für Bodenkultur)
  • um 1909: Schloss in Kierling (Kierlingerstraße 87, Klosterneuburg)
  • 1909–1912: Wiener Bankverein (Schottengasse 6–8, Wien-Innere Stadt, gemeinsam mit Alexander Neumann)
  • 1909: Zweigstelle des Wiener Bank-Vereins in Istanbul mit Alexander Neumann[2][3]
  • 1912: Heim für obdachlose Familien (Wiesberggasse 13, Wien-Ottakring)
  • 1912–1914: Bürohaus Anker-Hof (Hoher Markt 10–11, Wien Innere Stadt, gemeinsam mit Alexander Neumann)
  • 1913–1915: Länderbank (Am Hof 2, Wien-Innere Stadt, gemeinsam mit Alexander Neumann)
  • 1914–1921: Österreichische Creditanstalt für Handel und Gewerbe (Renngasse 2, Wien-Innere Stadt, heute: Bank Austria Kunstforum)
  • 1915: Wiener Bankverein (Hauptplatz 14, Graz), gemeinsam mit Alexander Neumann
  • 1916: Miethausgruppe (Schwarzenbergplatz 7–8, Wien-Landstraße, gemeinsam mit Alexander Neumann)
  • 1917–1918: Palais Fanto (Schwarzenbergplatz 6, Wien-Landstraße, gemeinsam mit Alexander Neumann, später Sitz des Österreichischen Branntweinmonopols, heute Arnold Schönberg Center)
  • 1922: Bürohaus für die Österreichische Creditanstalt für Handel und Gewerbe (Kaiserfeldgasse 5, Graz)

Literatur

Einzelnachweise

  1. Die Schlußsteinlegung im Heim für obdachlose Familien. In: Neue Freie Presse, Morgenblatt, Nr. 13705/1902, 19. Oktober 1902, S. 12 Mitte. (online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/nfp
  2. Elmar Samsinger: Österreich in İstanbul III: K. (u.) K. Präsenz im Osmanischen Reich. With Abstracts in English. Hrsg.: Lit Verlag. S. 346.
  3. Eintrag über Alexander Neumann. In: Architektenlexikon Wien 1770–1945. Herausgegeben vom Architekturzentrum Wien. Wien 2007.
Commons: Ernst Gotthilf – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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Wien - Sofiensäle (2).JPG
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Die Hauptfassade der ehemaligen Sofiensäle im 3. Wiener Gemeindebezirk Landstraße.
Das Gebäude wurden von 1845 bis 1849 nach Plänen von Eduard van der Nüll und August Sicard von Sicardsburg als „Sophienbad“ (benannt nach der Erzherzogin Sophie) errichtet, dessen Schwimmhalle im Winter als Ballsaal genutzt wurde. Es wurde mehrfach um- und ausgebaut. Von 1898 bis 1899 wurde die Hauptfassade von dem Architekten Ernst Gotthilf-Miskolczy im secessionistischen Stil neu gestaltet. 1909 erfolgte die Einstellung des Badebetriebs und das Gebäude wurde nur mehr für Bälle, Konzerte und Veranstaltungen genutzt. Am 16. August 2001 brannten die Sofiensäle zur Gänze ab. Um 2010 erfolgte ein Neubau mit rd. 65 Wohnungen, etwa 125 Tiefgaragenplätze, einem Festsaal mit rd. 700 m², einer Bar mit 160 m² und einem Salon mit 170 m², wobei die alte Hauptfassade in den Neubau integriert wurde.
Döbling - Wilhelm-Exner-Haus.JPG
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Südansicht des Wilhelm-Exner-Hauses in Oberdöbling, ein Bezirksteil des 19. Wiener Bezirkes Döbling.
Die Gebäude wurde Ende der 1900er Jahre als Krankenhaus für die Wiener Kaufmannschaft nach Plänen des Architekten Ernst Gotthilf von Miskolczy errichtet. 1939 kam es in den Besitz der Stadt Wien, die es später an die deutsche Luftwaffe verpachtete. Nach dem Krieg wurde es zuerst von den Sowjets beschlagnahmt und anschließend von den Amerikanern. Seit 1960 wird es von der Universität für Bodenkultur als Nebenstandort genutzt und in Gedenken an Wilhelm Exner als Wilhelm-Exner-Haus bezeichnet.