Ernst Bücken

Ernst Bücken (* 2. Juni 1884 in Aachen; † 28. Juli 1949 in Overath) war ein deutscher Musikwissenschaftler und Hochschullehrer.

Leben

Bücken, Sohn eines Textilwerkdirektors,[1] begann zunächst mit einem Jurastudium in Bonn. Nach seinem Wechsel an die Münchner Universität studierte er Musikwissenschaft bei Adolf Sandberger, Klavier bei Walter Braunfels und Anna Hirzel-Langenhan und Komposition bei Walter Courvoisier. Daneben belegte er Vorlesungen in Germanistik und Philosophie bei Franz Muncker, Georg von Hertling, Oswald Külpe und Ernst von Aster.[2] Mit seiner Dissertationsschrift über Anton Reicha, sein Leben und seine Kompositionen wurde er 1912 zum Dr. phil. promoviert.[1] 1920 habilitierte er sich in Köln und wurde 1925 an der Universität zu Köln zum a. o. Professor ernannt und lehrte in Köln bis in die Kriegsjahre. Ab 1936 war Bücken auch Dozent an der Schulmusikabteilung der Hochschule für Musik und Tanz Köln.

Bedeutend ist das in den Jahren 1927–1934 von ihm herausgegebene und mit einigen eigenen Beiträgen versehene „Handbuch der Musikwissenschaft“ („Bücken-Psalter“), das sich ähnlichen Projekten der Literatur- und Kunstwissenschaft zur Seite stellen sollte.

Während der Weimarer Republik war Bücken kurzfristig Mitglied im Zentrum.[3] Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten trat er zum 1. Mai 1933 der NSDAP bei (unter der Mitgliedsnummer 2.026.645).[4][1] 1933 wurde er auch Mitglied in der Deutschen Akademie.[3] In den Folgejahren trat er dem NS-Dozentenbund bei und publizierte verschiedene systemkonforme Schriften, darunter 1934 Musik aus deutscher Art, erschienen in den Schriften zur völkischen Bildung oder im selben Jahr ein Beitrag im Westdeutschen Beobachter Aufbruch in der Musikwissenschaft. Gegen voraussetzungslosen Intellektualismus – Musikpolitik als Blickpunkt,[1] worin er vom „schweren Ringen unserer völkisch-rassischen Kräfte mit andern nationalen Mächten“ sprach.[5] Im Wintersemester 1934/35 hielt er eine Vorlesungsreihe über Zersetzung und Wiederaufbau der Musik seit Wagner. Im Rahmen der Reichsmusiktage 1938 hielt er bei der musikwissenschaftlichen Tagung[6] ein Referat über Musikstil, Musikpolitik und Musikkultur.[7] In seiner 1941 erschienenen Musik der Deutschen, eine Kulturgeschichte der deutschen Musik ging er kaum auf die Entwicklung der Musik in Deutschland nach 1933 ein, hielt sich aber nach Fred K. Prieberg „an die musikpolitischen Vorgaben des Regimes“, wobei sich auf S. 294 folgende Stelle findet, in der „jüdische Namen nur zwecks negativer Bewertung“ genannt werden:[8]

„(…) Krankhafte Erscheinungen waren die Musikrichtungen vom Expressionismus und von der Atonalität bis zum Futurismus und zum Konstruktivismus, die sich in dem durch den verlorenen Krieg erschütterten und geschwächten Kulturorganismus leichter und schneller einrichten konnten, als in normalem Zustand. ›Erfinder‹ wie Hauptförderer dieser künstlich zu Zeitereignissen aufgeputschten Musikströmungen waren durchweg Juden, die damals ›ihre‹ große Musikepoche anbrechen sahen. Kein deutscher Musikgenius wurde von seinen Pionieren mit solchen Fanfaren begrüßt, wie der Mischling Franz Schreker von seinem Rassegenossen Paul Bekker. Kein wirklich großer Bahnbrecher ist so gefeiert worden, wie Arnold Schönberg (…)“[9]

1945 wurde Bücken in den Ruhestand versetzt.[1]

Bückens Musik der Deutschen (1941) wurde 1946 in der Sowjetischen Besatzungszone in die Liste der auszusondernden Literatur aufgenommen.[10] Sein 1934 erschienenes Buch Musik aus deutscher Art (Schaffstein, Köln 1934) wurde 1952/53 in der DDR in die Liste der auszusondernden Literatur aufgeführt.[11]

Werke (Auswahl)

  • (Hrsg.) Handbuch der Musikwissenschaft, 10 Bände, 1927–1934.
  • Anton Reicha: sein Leben und seine Kompositionen, Dissertation München 1912.
  • Der heroische Stil in der Oper, Leipzig 1924.
  • (Hrsg.) Die großen Meister der Musik, 12 Bände, Potsdam: Athenaion 1932–1939.
  • Musik aus deutscher Art, Köln 1934.
  • Die Musik der Nationen – eine Musikgeschichte, 1937 (Kröners Taschenausgabe Bd. 131)
  • Wörterbuch der Musik, Leipzig 1940 (Sammlung Dieterich Bd. 20).
  • Musik der Deutschen, Köln 1941.

Literatur

  • Willi Kahl: Bücken, Ernst. In: Die Musik in Geschichte und Gegenwart. Band 2, erste Auflage, Bärenreiter, Kassel 1986, S. 430–431, CD-Rom-Ausgabe, S. 10447–10448.
  • Christian Thomas Leitmeir: Ein "Mann ohne Eigenschaften"? Theodor Kroyer als Ordinarius für Musikwissenschaft in Köln (1932–1938), in: Klaus Pietschmann; Robert von Zahn (Hg.): Musikwissenschaft im Rheinland um 1930. Bericht über die Tagung der Arbeitsgemeinschaft für rheinische Musikgeschichte in Köln, September 2007 (Beiträge zur rheinischen Musikgeschichte; Bd. 171). Merseburger, Kassel 2012, S. 93–136.
  • Ernst Klee: Das Kulturlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. S. Fischer, Frankfurt am Main 2007, ISBN 978-3-10-039326-5, S. 87.
  • Fred K. Prieberg: Handbuch Deutsche Musiker 1933–1945, CD-Rom-Lexikon, Kiel 2004, S. 814–815.
  • Peter Schmidt: Ernst Bücken (1884–1949), in: Kölner Sammler und ihre Bücherkollektionen in der Universitäts- und Stadtbibliothek Köln. Gelehrte, Diplomaten, Unternehmer (Schriften der Universitäts- und Stadtbibliothek Köln; Bd. 13). Universitäts- und Stadtbibliothek Köln, Köln 2003, S. 181.
  • Reichshandbuch der deutschen Gesellschaft – Das Handbuch der Persönlichkeiten in Wort und Bild. Erster Band, Deutscher Wirtschaftsverlag, Berlin 1930, ISBN 3-598-30664-4
  • Thomas Synofzik: Zwischen Stilkunde und Nationalideologien – Ernst Bücken (1884–1949), in: Klaus Pietschmann; Robert von Zahn (Hg.): Musikwissenschaft im Rheinland um 1930. Bericht über die Tagung der Arbeitsgemeinschaft für rheinische Musikgeschichte in Köln, September 2007 (Beiträge zur rheinischen Musikgeschichte; Bd. 171). Merseburger, Kassel 2012, S. 208–219.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b c d e Fred K. Prieberg: Handbuch Deutsche Musiker 1933–1945, Kiel 2004, S. 814.
  2. Willi Kahl: Bücken, Ernst, in: Die Musik in Geschichte und Gegenwart, CD-Rom-Ausgabe, S. 10447.
  3. a b Gernot Gabel und Wolfgang Schmitz (Red.): Kölner Sammler und ihre Bücherkollektionen in der Universitäts- und Stadtbibliothek Köln. Univ.- und Stadtbibliothek, Köln 2003, S. 184.
  4. Bundesarchiv R 9361-IX KARTEI/4980471
  5. Zitat bei Fred K. Prieberg: Handbuch Deutsche Musiker 1933–1945, Kiel 2004, S. 814–815.
  6. Thomas Phleps: Ein stiller, verbissener und zäher Kampf um Stetigkeit – Musikwissenschaft in NS-Deutschland und ihre vergangenheitspolitische Bewältigung, in: Isolde v. Foerster et al. (Hg.), Musikforschung – Nationalsozialismus – Faschismus, Mainz 2001, S. 471–488. online Uni Giessen
  7. Fred K. Prieberg: Handbuch Deutsche Musiker 1933–1945, Kiel 2004, S. 815.
  8. Zitate Fred K. Prieberg, in: Handbuch Deutsche Musiker 1933–1945, Kiel 2004, S. 815.
  9. Zitiert bei Fred K. Prieberg: Handbuch Deutsche Musiker 1933–1945, Kiel 2004, S. 815.
  10. Liste der auszusondernden Literatur 1946.
  11. Liste der auszusondernden Literatur 1953.