Erlebnis des Marschalls von Bassompierre

Hugo von Hofmannsthal
*1874 †1929

Erlebnis des Marschalls von Bassompierre ist eine Erzählung von Hugo von Hofmannsthal, die im Herbst 1900 in der Wiener Wochenschrift Die Zeit erschien.[A 1]

Bassompierre verliert die Geliebte durch die Pest.

François de Bassompierre
*1579 †1646

Inhalt

Als der Ich-Erzähler – das ist der Marschall von Bassompierre – im Spätwinter von Fontainebleau nach Paris reitet, begegnet er unterwegs einer schönen jungen Krämerin. Die „sehr hübsche“ Frau tritt aus ihrem Laden und grüßt ihn einladend. Der Marschall erwidert den Gruß und arrangiert ein Tête-à-tête im Zimmer einer Kupplerin. Als er eintritt, sitzt die schöne Frau von ungefähr zwanzig Jahren schon auf dem Bett. Der viel beschäftigte Diener des Königs legt sich zu ihr und schläft fest ein. Als er des Nachts erwacht, steht die Krämerin am Fenster. Nach der Liebesnacht haben beide den sehnlichen Wunsch zu einem nächsten Stelldichein. Die zweite Nacht soll nicht unter dem Dach der Kupplerin verbracht werden, sondern bei einer Tante der schönen Krämerin. Zeit und Ort werden verabredet. Bassompierre kann den vereinbarten Treff in ein paar Tagen kaum erwarten.

Bei Hofe muss er sich unterdessen mit Höflingen über alles Mögliche unterhalten – unter anderem über die grassierende Pest und über das „Strohfeuer, das man in den Totenzimmern brennen müsse, um die giftigen Dünste zu verzehren“. Bassompierre schickt seinen Diener zur Erkundung des Krämerladens aus. Der Kundschafter vermeldet, die Krämerin sei nicht in Sicht, wohl aber der Krämer. Der Marschall überzeugt sich selbst. „Dumpfe zornige Eifersucht“ überkommt ihn, als er mit eigenen Augen sieht, der angebliche Krämer ist ein vornehmer Herr – wahrscheinlich der, den er einst im Dienst des Königs auf dem Château Blois bewachen musste. Als dann der ersehnte Abend herangekommen ist, will Bassompierre das bezeichnete Zimmer der Tante betreten, doch auf sein Klopfen antwortet eine Männerstimme. Der Marschall zieht sich vorsichtig zurück, erspäht aber drinnen Feuer. Bettstroh wird verbrannt. In dem Zimmer liegen zwei nackte Leichen. Dem Leser wird nahegelegt, dass eines der beiden Pestopfer die Krämerin sein könnte.

Form

Das Feuer – wie auch Sprengel[1] in seiner Kurzbesprechung hervorhebt – spielt in der Erzählung eine besondere Rolle. Nicht nur das Bettstroh der gestorbenen Pestkranken wird verbrannt. Hofmannsthal gelingt mit Hilfe der Schilderung des Feuerscheins eine originelle Darstellung des Aktes. Die schöne Krämerin wirft zuvor ein Scheit in den Kamin. Das Feuer, vom größten der Scheite angefacht, lodert auf und sein Schein wirft das Schattenbild des sich umfangen haltenden Paares an die Wand.

Rezeption

  • Zwar tut von Schaukal den Text 1929 als „verkünstelt“[2] ab, doch Walter H. Perl rechnet ihn 1935 der „philosophisch durchdachten und künstlerisch bildhaften Prosa“[3] zu.
  • Broch erinnert 1951 die Weisheit der Charaktere an „Spruchbänder und Arien“[4].
  • Erst in der Buchausgabe nennt Hofmannsthal seine Quellen: „M. de Bassompierre, Journal de ma vie, Köln 1663. – Goethe, Unterhaltungen deutscher Ausgewanderten“.[5] Dazu der Kommentar von Karl Kraus: „Was Ungebildete hier Plagiat nennen, ist in Wahrheit Zitat.“[6]
  • Bei Goethe geht – wie Sprengel[7] findet – der Pesttod der Geliebten nicht ganz so deutlich aus dem Text hervor wie bei Hofmannsthal.
  • Rinkenberger und Scheffer untersuchen die Verwandtschaft von Goethe und Hofmannsthal unter anderem auch am Beispiel der beiden oben genannten Bassompierre-Texte der Dichter.

Literatur

  • Henry H. H. Remak: Novellistische Struktur: Der Marschall von Bassompierre und die schöne Krämerin : Bassompierre, Goethe, Hofmannsthal ; Essai und kritischer Forschungsbericht. Bern : Lang, 1982
  • Peter Sprengel: Geschichte der deutschsprachigen Literatur 1870–1900. Von der Reichsgründung bis zur Jahrhundertwende. 825 Seiten. C. H. Beck, München 1998, ISBN 3-406-44104-1
  • Gotthart Wunberg (Hrsg.): Hofmannsthal im Urteil seiner Kritiker. Athenäum, Frankfurt am Main 1972 (ohne ISBN, 612 Seiten)
  • Norman Rinkenberger, Katrin Scheffer: Goethe und Hofmannsthal. Facetten analogischer Dichtkunst oder Wo versteckt man die Tiefe? 199 Seiten. Tectum Verlag im Juni 2005, ISBN 978-3-8288-8850-0

Erstausgabe

  • Hugo von Hofmannsthal: Das Märchen der 672. Nacht und andere Erzählungen. 123 Seiten. Wiener Verlag, Wien und Leipzig 1905. Mit Illustrationen von Walter Hampel. Inhalt: „Das Märchen der 672. Nacht“. „Reitergeschichte“. „Erlebnis des Marschalls von Bassompierre“. „Ein Brief“.

Ausgaben

  • Hugo von Hofmannsthal: Erlebnis des Marschalls von Bassompierre und andere Erzählungen. 63 Seiten. Die kleinen Bücher der Arche – Band 111/112. Verlag der Arche, Zürich 1950

Zitierte Textausgabe

  • Hugo von Hofmannsthal: Erlebnis des Marschalls von Bassompierre (1900). S. 132–142 in: Hugo von Hofmannsthal, Gesammelte Werke in zehn Einzelbänden, hrsg. von Bernd Schoeller in Beratung mit Rudolf Hirsch, S. Fischer, Frankfurt a. M. 1949 (Aufl. anno 1986), Band Erzählungen. Erfundene Gespräche und Briefe. Reisen. 694 Seiten, ISBN 3-10-031547-2

Anmerkung

  1. In Buchform erschien der kurze Text 1905 in dem Band „Das Märchen der 672. Nacht und andere Erzählungen“ im Wiener Verlag (Zitierte Textausgabe, S. 668, erster Eintrag).

Weblinks

Siehe auch

Einzelnachweise

Quelle meint die zitierte Textausgabe

  1. Sprengel, S. 294 oben
  2. Richard von Schaukal in Wunberg (Hrsg.), S. 354, 4. Z.v.o.
  3. Walter H. Perl in Wunberg (Hrsg.), S. 416, 6. Z.v.o.
  4. Hermann Broch in Wunberg (Hrsg.), S. 449, 13. Z.v.o.
  5. Quelle, S. 142, 2. Z.v.u.
  6. Quelle, S. 668, 12. Z.v.o.
  7. Sprengel, S. 294, 14. Z.v.o.

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Copie d'un portrait du 17e siècle faisant partie du décor de la galerie du Château de Beauregard