Erich Wustmann

Erich Wustmann (* 9. November 1907 in Niedersedlitz bei Dresden; † 24. Oktober 1994 in Bad Schandau) war ein deutscher Völkerkundler und Reiseschriftsteller.

Leben und Wirken

Grab von Erich Wustmann auf dem Friedhof in Bad Schandau

Wustmanns Familie zog bereits ein Jahr nach seiner Geburt nach Bad Schandau, 1913 dann nach Ostrau. Nach dem Schulbesuch absolvierte er 1922–25 eine Lehre als Bäcker. 1926 war er Gasthörer in Vorlesungen für Ethnologie und Germanistik an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg und der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg. Zugleich arbeitete er als Schriftleiter eines Dresdner Zeitschriftenverlages und begann mit ersten Fotoarbeiten.

Schon 1927/28 führte ihn einer erste Expedition nach Skandinavien. Mit einem Faltboot legte er über 4.000 Kilometer entlang der norwegischen Küste bis über den Polarkreis nach Narvik zurück und verzeichnete erste Begegnungen mit dem Volk der Sami. 1932 kehrte Wustmann nach Norwegen zurück und überquerte den Jostedalsbreen, den größten europäischen Festlandsgletscher.

1934 heiratete er Hildegard Fischer aus Pirna. Wustmann, der schon seit den 1920er Jahren Mitglied der Sozialistischen Arbeiter-Jugend und entschiedener Gegner des Nationalsozialismus war, emigrierte 1935 mit seiner Frau nach Nordnorwegen. Hier lebte er teilweise bei den Rentier-Nomaden, wirkte als Journalist, produzierte Kultur- und Werbefilme und veröffentlichte ab 1935 seine ersten Bücher. 1936 wurde in Karasjok Wustmanns Tochter Synnöve geboren. Weitere Reisen führten Wustmann nach Finnland (1936), auf die Färöerinseln (1938) und nach Island (1938).

Mit Ausbruch des Zweiten Weltkrieges wurde Wustmann mit seiner Familie 1939 nach Deutschland ausgewiesen. Er kehrte nach Ostrau zurück, wo im gleichen Jahr seine zweite Tochter Ingrid geboren. Wustmann wurde 1941 zur Wehrmacht einberufen und wurde anfangs als ziviler Truppenbetreuer eingesetzt. Als Soldat geriet er mit Kriegsende 1945 kurzzeitig in amerikanische Gefangenschaft.

Wustmann blieb in Ostrau wohnhaft und arbeitete von hier aus freischaffend. Von 1945 bis 1953 wirkte er als Berater am Archiv für deutsche Polarforschung in Kiel. Aufgrund erlittener Erfrierungen nach einer Faltbootfahrt musste er jedoch sein Tätigkeitsfeld in den polaren Gebieten aufgeben. Wustmann wandte sich in der Folge der Erforschung der indigenen Völker in Südamerika, Afrika und Asien zu.

1955/56 absolvierte er eine erste Forschungsreise nach Brasilien und Peru. Es folgten Expeditionen und Forschungsaufenthalte im Amazonasgebiet, Peru und Bolivien (1958/59), in Indien (1961), auf den Kanaren (1961), in Ägypten (1963/64), in Norwegen und Lappland (1967), erneut im Amazonasgebiet und in Kolumbien (1969/70) und in Ecuador (1977). Dabei wurde Wustmann teilweise von seiner Frau und seiner Tochter Ingrid begleitet.

Im Ergebnis seiner Reisen lernte Wustmann 36 indigene Völker kennen. Seine von den Reisen mitgebrachten ethnografischen Gegenstände stelle er Museen in Dresden und Leipzig zur Verfügung. Die gewonnenen Erkenntnisse publizierte er in zahlreichen Büchern (105 Titel in 23 Verlage), die eine Gesamtauflagenhöhe von über 2,2 Millionen Exemplaren in 14 Ländern erschienen. Hinzu kamen zahlreiche Vorträge und Artikel in Fachzeitschriften. Wustmanns schriftliches Wirken zeichnete sich dabei durch eine hohe Authentizität mit einer Mischung aus Fakten und eigenen Erlebnissen aus. 1983 erschienen unter dem Titel Durch Tundra, Wüste und Dschungel seine Memoiren.

1984 moderierte Wustmann die populäre 16-teilige Fernsehserie Unter Indianern, Lappen und Beduinen im DDR-Fernsehen. Kaum ein Jahr später zog er sich aus der Öffentlichkeit zurück und lebte sehr zurückgezogen in Bad Schandau, da ihm eine zunehmende Aphasie (Wortfindungsstörung) mehr und mehr zu schaffen machte. Im Karl-May-Museum in Radebeul war bis zum 2. November 2008 anlässlich seines 100. Geburtsjahres die Sonderausstellung Erich Wustmann Von der Elbe bis zum Rio Xingu zu sehen.

Auszeichnungen und Ehrungen

  • 1956: Ehrenbürger von Bad Schandau
  • 1958 Friedrich-Gerstäcker-Preis für Taowaki
  • Die Grundschule in Bad Schandau trägt seinen Namen.
  • Das Museum in Bad Schandau präsentiert Wustmanns Werk in einer Dauerausstellung.
  • Erich-Wustmann-Gymnasium, Dresden-Prohlis (2004 geschlossen)

Werke

  • Wie Peter Große das Schilaufen erlernte. Reutlingen 1935
  • Kinder der Wildmark. Reutlingen 1935
  • Die heiligen Berge. Leipzig 1936
  • In Lappzelt und Rentierpulk. Stuttgart 1936
  • Ole Gynt, der Lofotfischer. Reutlingen 1936
  • Jagdabenteuer im Eismeer. Stuttgart 1937
  • Die Pelztierjäger von Petsamo. Reutlingen 1937
  • Wunder ewigen Eises. Stuttgart 1938
  • Gunhild, die Reiterin. Reutlingen 1939
  • Tollkühne Färinger. Stuttgart 1939
  • Licht über den Bergen. Reutlingen 1940
  • Faltbootfahrt von Fjord zu Fjord. Stuttgart 1940
  • Unter der Mitternachtssonne. Radebeul 1941
  • Niels und sein Abenteuer. Reinbek 1948
  • Ein Mädel zwischen Land und Meer. Reutlingen 1948
  • Kitzi und andere Tiergschichten. Stuttgart 1949
  • Paradies der Vögel. Radebeul 1949
  • Inga und Rija. Reutlingen 1950
  • 1000 Meilen im Rentierschlitten. Radebeul 1949
  • Kinder auf Island. Stuttgart 1952
  • Marbu, der Bär. Radebeul 1953
  • In die Welt mit Palette und Zelt. Worpswede 1953
  • Ingrid und der Bär. Reutlingen 1954
  • Kristina auf Lundholmen. Bamberg 1954
  • Wo das Eis die Grenze schuf. Radebeul 1954
  • Die Verwegenen. Stuttgart 1955
  • Isbjörn. Radebeul 1955
  • Klingende Wildnis. Erlebnisse in Lappland. Kassel/Eisenach 1956
  • Taowaki, das Mädchen von Amazonas. Reutlingen 1956 (Lizenz: Zürich 1970)
  • Weiter Weg in Tropenglut. Radebeul 1957
  • Crao, Indianer der roten Berge. Radebeul 1958
  • Orchidee vom Rio Teia. Ein Mädchenleben in Urwaldhütte und Fazenda. Reutlingen 1958 (in Lizenz: Halle 1989, ISBN 3-354-00529-7)
  • Karaja, Indianer vom Araguaia. Radebeul 1959
  • Arapu. Ein Indianerjunge vom Xingu. Reutlingen 1959 (in Lizenz: Halle 1988, ISBN 3-354-00324-3)
  • Xingu, Paradies ohne Frieden. Radebeul 1959
  • Yahua, die Blasrohrindianer. Radebeul 1960, DNB 455775095
  • Kondor und Muschelhorn. Reutlingen 1960
  • Bahia – unter Palmen und braunen Menschen. Radebeul 1962
  • Wilde Reiter im Sertao. Eine Erzählung aus dem brasilianischen Urwald. Reutlingen 1962 (in Lizenz: Halle 1987, ISBN 3-354-00166-6)
  • Indios im Hochland der Kordilleren. Radebeul 1963
  • Las Canarias. Inseln ewigen Frühlings. Radebeul 1963
  • Katako. Geschichte einer Indianerin. Reutlingen 1963
  • Ich bin Mary-Sol. Reutlingen 1964
  • Hrenki und das Große Lied. Bayreuth 1968 (in Lizenz: Zürich 1972, ISBN 3-545-35108-4; Halle 1986, ISBN 3-354-00115-1)
  • Vitoschi. Bayreuth 1972
  • Unterwegs zu Zwergindianern in Kolumbien. Radebeul 1973
  • Candida, Tochter der Taowaki. Reutlingen 1973, ISBN 3-7709-0334-X.
  • Indianer, wo bist du?. Berlin [Ost] 1973
  • Gloria. Ein Mädchen aus dem Dschungel. Reutlingen 1977
  • Lenita. Unter Palmen und Tropensonne. Bayreuth 1979, ISBN 3-7855-1807-2.
  • Abschied von den Indianern. Radebeul 1981
  • Erlebt in Wald und Dschungel. Berlin [Ost] 1982, ISBN 3-358-01143-7.
  • Manuela. Reutlingen 1982, ISBN 3-7709-0509-1.
  • Durch Tundra, Wüste und Dschungel. Halle/Leipzig 1983, ISBN 3-354-00115-1.
  • Die junge Sonne Koata. Eine indianische Liebesgeschichte. Halle/ Leipzig 1985, ISBN 3-354-00237-9.

Literatur

  • Thomas Münzberger: Erich Wustmann – literarische Faltbootfahrten zwischen Elbe und Nordmeer. In: Herbert Kropp (Hrsg.): Binsenbummeln und Meeresrauschen V. (März 2010), Halbjahresschrift für Flußwandern, Salzwasserfahrten, Freiluftleben und Kleinbootsegeln. Faltenreich Verlag, Oldenburg 2010, ISBN 978-3-9811182-6-1, S. 117–127.

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Grab Erich Wustmann auf dem Friedhof in Bad Schandau, Zaukenweg