Erich Markowitsch

Erich Markowitsch (* 9. April 1913 in Berlin; † 9. April 1991) war antifaschistischer Widerstandskämpfer, deutscher Politiker (KPD/SED) und Wirtschaftsfunktionär. Er war Mitglied des Ministerrates der DDR.

Leben

1913–1945

Markowitsch war der Sohn einer Arbeiterfamilie. Der Vater war jüdischer Abstammung.[1] Markowitsch besuchte die Volksschule und die Oberschule in Frankfurt am Main. Er arbeitete als Hafen- und Lagerarbeiter. 1929 trat er dem KJVD, 1930 der KPD und der RGO bei. Ab 1932 war er Funktionär der KPD in Hamburg.

Auch nach der „Machtergreifung“ der Nationalsozialisten betätigte sich Markowitsch weiterhin für die KPD. Er wurde im April 1933 verhaftet und später in Hamburg zu sechs Jahren Zuchthaus verurteilt, die er in Fuhlsbüttel verbüßte. Nach Verbüßung der Zuchthausstrafe kam Markowitsch jedoch nicht frei, sondern wurde in das KZ Sachsenhausen verbracht. 1942 wurde er ins KZ Auschwitz deportiert, wo er bis zu der als „Evakuierung“ bezeichneten Auflösung des Lagers Zwangsarbeit im Buna-Werk der I.G.-Farben im KZ Auschwitz-Monowitz verrichten musste.[2] Anschließend war er von Dezember 1944 bis April 1945 im KZ Buchenwald inhaftiert und dort Mitglied des illegalen Internationalen Lagerkomitees. Der Auschwitz-Überlebende David Salz (* 1929), der mit 13 Jahren ins KZ Auschwitz-Monowitz kam und sich als 16-jähriger Elektriker ausgab, berichtet, dass es ihm dank älterer Inhaftierter, insbesondere dank Markowitsch und dem Schneider Franz Kowalski, die ihm zusätzliches Essen organisierten und ihn vor den brutalsten Kapos in Schutz nahmen, gelang, das KZ zu überleben.[3]

1945–1991

Nach der Befreiung war Markowitsch 1945 Mitbegründer der Antifa-Jugend in Weimar.[4] Er trat im selben Jahr in die Deutsche Volkspolizei ein. Markowitsch wurde Leiter des Kriminalamtes Thüringen Ost und später Leiter einer Polizeischule. 1946 wurde er Mitglied der SED. Er war als Kaderleiter der Maxhütte Unterwellenborn und als Werkleiter der Erzgruben West in Badeleben tätig. Zwischen 1950 und 1954 absolvierte Markowitsch ein Fernstudium an der Parteihochschule „Karl Marx“.

Von 1954 bis 1959 war Markowitsch Werkdirektor des im Aufbau befindlichen VEB Eisenhüttenkombinat „J. W. Stalin“ in Stalinstadt (heute: Eisenhüttenstadt). 1957 nahm er ein Fernstudium der Metallurgie an der Fachschule für Roheisen in Unterwellenborn auf. 1959 wechselte Markowitsch in die Regierung (Ministerrat) der DDR. Von 1959 bis 1961 wirkte er als Leiter der Abteilung Berg- und Hüttenwesen in der Staatlichen Plankommission der DDR. Von Juli 1961 bis Dezember 1965 war Markowitsch stellvertretender Vorsitzender bzw. Erster stellvertretender Vorsitzender des Volkswirtschaftsrates und Mitglied des Ministerrates der DDR. Er war auch Mitglied des Wissenschaftlichen Rates für die friedliche Nutzung der Atomenergie beim Ministerrat der DDR. 1963 übernahm er zusätzlich den Vorstand der SDAG Wismut (bis August 1967).

Von Dezember 1965 bis Juli 1967 fungierte Markowitsch als Leiter des neugegründeten Staatlichen Amtes für Berufsausbildung im Range eines Ministers. Von 1967 bis 1969 war Markowitsch wieder Werkdirektor im Eisenhüttenkombinat Ost und von 1969 bis 1975 schließlich Generaldirektor des Volkseigenen Bandstahlkombinates „Hermann Matern“ Eisenhüttenstadt.

Von 1956 bis 1959 war Markowitsch Mitglied des Büros der SED-Kreisleitung Stalinstadt und ab 1956 auch Mitglied des Nationalrates der Nationalen Front. Von 1958 bis 1963 war er Abgeordneter der Volkskammer der DDR und Mitglied ihres Haushalts- und Finanzausschusses. Ab 1969 gehörte er als Mitglied der SED-Bezirksleitung Frankfurt (Oder) an.

Ab 1975 war Markowitsch Vorsitzender des Freundschaftskomitees DDR-Portugal, Mitglied des Präsidiums der Liga für Völkerfreundschaft und Mitglied der Zentralleitung des Komitees der antifaschistischen Widerstandskämpfer.

Im Juni 1981 forderte Markowitsch auf der 67. Internationalen Arbeitskonferenz in Genf einen Beitrag der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) zur wirksamen Kontrolle der Tätigkeit multinationaler Unternehmen in den Entwicklungsländern.[5]

Markowitsch starb 1991 an seinem 78. Geburtstag. Seine Urne wurde im Ehrenhain für Verfolgte des NS-Regimes des Friedhofs Baumschulenweg in Berlin beigesetzt.

Markowitsch als Zeuge in den Auschwitzprozessen

Markowitsch war Zeuge der Nebenklage aus der DDR im ersten Auschwitz-Prozesses („Strafsache gegen Mulka und andere“, Az. 4 Ks 2/63) in Frankfurt am Main. Am 4. Februar 1965 kam es vor dem Frankfurter Schwurgericht zum Eklat. Markowitsch hatte bei seiner Einvernahme unter anderem ausgesagt, dass Mulka die Selektion arbeitsunfähiger Zwangsarbeiter aus Monowitz veranlasst hatte. Einer der Verteidiger im Prozess, Hans Laternser, „interessierte sich nicht für [Markowitsch’] Zeit im Lager Monowitz, sondern wollte seine vermeintliche Rolle beim Mauerbau zur Sprache bringen“ und den Zeugen diskreditieren.[6] Der Vertreter der Nebenkläger für die in der DDR lebenden Opfer, Rechtsanwalt Friedrich Karl Kaul, beanstandete die Fragen Laternsers an seinen Zeugen Markowitsch als unsachlich. Sie hätten mit dem Beweisthema nicht das mindeste zu tun. Das Gericht zog sich zur Beratung zurück. Noch bevor es seine Entscheidung verkünden konnte, stellte Laternser dann – ohne jegliche Beweise vorzubringen – sogar den Antrag, Markowitsch zu verhaften, da der dringende Tatverdacht bestehe, dass „der Zonenminister am Erlass des Schießbefehls gegen Flüchtlinge an der Berliner Mauer mitgewirkt“ habe und somit „als Schreibtischtäter und Mordgehilfe anzusehen“ sei. Kaul wies diese Provokationen gegen den Auschwitz-Überlebenden als „Sudeleien zurück, durch die das ganze Verfahren beschmutzt werden“ solle.[7] Auch die westdeutsche Nebenklage widersprach dem Antrag Laternsers, da durch ihn „sachfremde politische Momente in diese Verhandlung hineingetragen werden und die von ihm gestellten Fragen in gar keiner Weise dem ernsten Hintergrund dieses Prozesses entsprechen und in keinster Weise der Wahrheitsfindung dienen können“.[8] Das Gericht ließ die Fragen Laternsers nicht zu und lehnte seinen Antrag ohne Begründung ab.[9] Auch im zweiten Auschwitzprozess in Frankfurt am Main (1965–1966) sagte Markowitsch als Zeuge aus und belastete den SS-Sanitätsdienstgrad Gerhard Neubert schwer.[10]

Trivia

Im Oktober 1964, im Rahmen der Olympischen Sommerspiele in Tokio, reisten Markowitsch und Kulturminister Hans Bentzien mit 15 weiteren Vertretern aus Wissenschaft und Politik als Ehrengäste des NOK der DDR nach Japan. Die Delegation besuchte mehr als drei Wochen lang unter anderem japanische Universitäten und Industriebetriebe.[11]

Markowitsch war Schirmherr der im Oktober 1966 in Berlin stattfindenden Welt- und Europameisterschaften im Gewichtheben und hielt die Eröffnungsansprache in der Dynamo-Sporthalle.[12]

Der Rundfunk der DDR produzierte 1976 das Radiofeature „E. M. und das Glück des Lebens“, das den Lebensweg Markowitsch’ nachzeichnete. Es wurde am 12. April 1976 im Berliner Rundfunk gesendet.[13]

Schriften (Auswahl)

  • Investitionsaufgaben der Industrie im Jahr 1965. Erkenntnisse und Erfahrungen für die Durchsetzung der Investitionsverordnung und der Projektierungsverordnung. Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1965.

Auszeichnungen

Literatur

  • Handbuch der Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik. 3. Wahlperiode. Kongress-Verlag, Berlin 1959, S. 338.
  • Erich Markowitsch in: Internationales Biographisches Archiv 17/1978 vom 17. April 1978, im Munzinger-Archiv (Artikelanfang frei abrufbar)
  • Günther Buch: Namen und Daten wichtiger Personen der DDR. 4., überarbeitete und erweiterte Auflage. Dietz, Berlin (West)/Bonn 1987, ISBN 3-8012-0121-X, S. 203.
  • Gabriele Baumgartner, Dieter Hebig (Hrsg.): Biographisches Handbuch der SBZ/DDR. 1945–1990. Band 2: Maassen – Zylla. K. G. Saur, München 1997, ISBN 3-598-11177-0, S. 513.
  • Jörn Schütrumpf: KZ-Häftlinge, Parteilose und NSDAP-Mitglieder. Führungskräfte im entstehenden Eisenhüttenkombinat Ost. In: Rosmarie Beier (Hrsg.): Aufbau West – Aufbau Ost. Die Planstädte Wolfsburg und Eisenhüttenstadt in der Nachkriegszeit (Wissenschaftlicher Begleitband zur gleichnamigen Ausstellung). Hatje, Ostfildern-Ruit 1997, ISBN 3-7757-0661-5, S. 171–179.
  • Rainer Karlsch: Uran für Moskau: Die Wismut – Eine populäre Geschichte. Ch. Links Verlag, Berlin 2007, ISBN 3-86153-427-4, S. 147–151, 153f.
  • Hagen Schwärzel: Markowitsch, Erich. In: Wer war wer in der DDR? 5. Ausgabe. Band 2. Ch. Links, Berlin 2010, ISBN 978-3-86153-561-4.

Einzelnachweise

  1. Tonbandmitschnitte des Auschwitz-Prozesses (1963–1965), Fritz-Bauer-Institut
  2. Fritz Bauer Institut (Hrsg.): „Gerichtstag halten wir über uns selbst …“ Geschichte und Wirkung des ersten Frankfurter Auschwitz-Prozesses. Campus Verlag, Frankfurt am Main 2001, S. 151.
  3. David Salz auf der Seite des Wollheim-Memorial
  4. Gitta Günther, Lothar Wallraf: Geschichte der Stadt Weimar. Böhlau, Weimar 1976, S. 648.
  5. Neues Deutschland, 23. Juni 1981.
  6. Fritz Bauer Institut (Hrsg.): Auschwitz-Prozess 4 Ks 2/63 Frankfurt am Main. Snoeck, Köln 2004, S. 757.
  7. Irmtrud Wojak, Fritz Bauer Institut (Hrsg.): „Gerichtstag halten wir über uns selbst...“ Geschichte und Wirkung des ersten Frankfurter Auschwitz-Prozesses. Campus Verlag, Frankfurt am Main 2001, S. 252.
  8. Christian Ritz: Die westdeutsche Nebenklagevertretung in den Frankfurter Auschwitzprozessen und im Verfahrenskomplex Krumey-Hunsche (PDF; 426 kB). In: Kritische Justiz 1 (2007), S. 51–72 (hier, S. 62).
  9. Siehe auch: Rudolf Hirsch: Häftling 70110. In: ders.: Um die Endlösung: Prozessberichte. Dietz, Berlin 2001, S. 153ff. Hirsch beschreibt in diesem Artikel, wie sehr das Gericht zur Schaubühne des Kalten Krieges wurde.
  10. Neues Deutschland, 6. April 1966.
  11. Hans-Christian Herrmann: Japan – ein kapitalistisches Vorbild für die DDR? In: Deutschland Archiv, Heft 6 (2006), S. 1032–1042 (hier, S. 1033), sowie Neues Deutschland, 9. Oktober 1964.
  12. ND, 16. Oktober 1966
  13. Patrick Conley, Deutsches Rundfunkarchiv: Features und Reportagen im Rundfunk der DDR. Tonträgerverzeichnis 1964–1991. 2. Auflage. Askylt Verlag Berlin 1999, S. 69.
  14. Neues Deutschland, 30. April 1983, S. 3.
  15. Neues Deutschland, 1. Mai 1975, S. 5.