Epitome Iuliani

Die Epitome Iuliani (gelegentlich: Epitome Juliani (constitutiones novellae Justiniani de graeco in Latinum translate per Julianum, virum eloquentissimum, antecessorem civitatis Constantinopolitanae) oder Juliani epitome latina Novellarum Justiniani) ist eine spätantike Privatrechtssammlung Kaiser Justinians aus dem Jahr 556 n. Chr. Sie enthält 124 Nachtragsgesetze[1] zu seinem Gesamtgesetzgebungswerk, dem später so genannten Corpus iuris civilis, die Novellae. Zurückzuführen ist die Urheberschaft auf einen Julian, der an den Rechtsschulen von Beirut und Konstantinopel als Rechtslehrer (antezessor) tätig war, Novellenkurse hielt und einen Index zur Einweisung in fremdsprachige Texte schuf.[2]

Geschichte

Vornehmlich im weströmischen Rechtsbetrieb[3] verwendet, war die Epitome eine wesentliche Grundlage des byzantinischen Rechtsunterrichts.[4] Nach Erkenntnissen der modernen wissenschaftlichen Forschung wurden die bereits 534 promulgierten Gesetze Justinians in der Epitome erstmals zusammengestellt. Möglicherweise noch im selben Jahr erschien die geringfügig umfangreichere, aber ansonsten weitgehend gleichlautende Sammlung des Authenticum.[5][6][7]

Das Werk wird Julian, einem griechischen Muttersprachler und Rechtslehrer (antecessor) zugeschrieben. Dieser war zunächst im Lehrbetrieb in Beirut, später in Konstantinopel tätig und hatte sich als Verfasser von summae und weiterer epitomae einen Namen gemacht.[8] Es wird vermutet, dass er im Studienjahr 556/557 in der byzantinischen Hauptstadt einen auf dem Werk beruhenden Novellenkurs in der lateinischen Muttersprache des Kaisers abhielt und zwar für lateinischsprachige Studenten. Zur Einweisung in den fremdsprachigen Unterrichtstext hatte er einen Novellenindex (Novellarumein Kapitelverzeichnis) geschaffen. Das Kapitelverzeichnis ist erhalten gebliebenen[9] und findet sich in sechs der sieben ältesten erhaltenen Handschriften Julians.[10][11]

In den nachfolgenden Jahrzehnten bildete sich um die Epitome Iuliani ein Sammelsurium von westlich geprägten[12] Kommentaren und Repertorien,[8] etwa die Constitutiones de rebus ecclesiasticis, die Capitula ex lege Iustiniana oder die Novellensumme De ordine ecclesiastico. Zumeist gründen sie auf Exzerpten aus der artikelgegenständlichen Handschrift. Weitere römischrechtliche Texte enthalten die Kompilationen der Regulae ecclesiasticae, der Collectio in V libris und der Collectio in IX libris.

Ausgaben

Literatur

  • Wolfgang Kaiser: Fragmente der Epitome Iuliani: I. Hs Paris BN Baluze 270 ff. 68–69. II. Hs Karlsruhe, Badische Landesbibl. Fragm. Aug. 145. In: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte: Romanistische Abteilung. Band 126, 2009, S. 440–460.
  • Wolfgang Kunkel, Martin Schermaier: Römische Rechtsgeschichte. 14. Auflage, UTB, Köln/Wien 2005, S. 208–223 (§ 11: Die Rechtsentwicklung der Spätzeit bis auf Justinian).
  • Wolfgang Kaiser: Wandlungen im Verständnis der Epitome Iuliani von der Spätantike bis zur Gegenwart. In: Martin Avenarius (Hrsg.): Hermeneutik der Quellentexte des Römischen Rechts. Nomos, Baden-Baden 2008, S. 300–353.
  • Wolfgang Kaiser: Die Epitome Iuliani. Beiträge zum römischen Recht im frühen Mittelalter und zum byzantinischen Rechtsunterricht (= Studien zur Europäischen Rechtsgeschichte. Band 175); Zugleich: Universität, Dissertation, München 1996/97, Vittorio Klostermann, Frankfurt am Main 2004, ISBN 3-465-03297-7.
  • Max Conrat (Cohn): Geschichte der Quellen und Literatur des römischen Rechts im früheren Mittelalter. Hinrichs, Leipzig 1891, S. 121–130 und 192–203.
  • Ulrich Manthe: Geschichte des römischen Rechts. C.H. Beck, München 2000, ISBN 3-406-44732-5, S. 118–122.

Weblinks

Anmerkungen

  1. Nach Abzug zweier Doppelungen, waren es inhaltlich 122 Gesetze.
  2. Detlef Liebs: Die Jurisprudenz im spätantiken Italien (260–640 n. Chr.) (= Freiburger Rechtsgeschichtliche Abhandlungen, Neue Folge, Band 8). Duncker & Humblot, Berlin 1987, ISBN 3-428-06157-8. S. 220–223.
  3. Paul Koschaker spricht in diesem Zusammenhang nicht von der Ausübung einer „Rechtswissenschaft“, die es in diesem Sinne noch nicht gegeben habe, sondern vom Betrieb der „Rechtsunterweisung“; vgl. Paul Koschaker: Europa und das Römische Recht. 4. Auflage, C.H. Beck’sche Verlagsbuchhandlung. München, Berlin 1966. S. 55 ff. (58).
  4. Ulrich Manthe: Geschichte des römischen Rechts. C.H. Beck, München 2000, ISBN 3-406-44732-5, S. 119.
  5. Wolfgang Kunkel, Martin Schermaier: Römische Rechtsgeschichte. 14. Auflage, UTB, Köln/Wien 2005, S. 221–223 (§ 11: Die Rechtsentwicklung der Spätzeit bis auf Justinian).
  6. Tony Honoré: Justinian’s Codification. In: Simon Hornblower, Antony Spawforth (Hrsg.): The Oxford Classical Dictionary. 2003, S. 803.
  7. Timothy G. Kearley: The Creation and Transmission of Justinian’s Novels. In: Law Library Journal. Band 102, Nummer 3, 2010, S. 377–397 (PDF).
  8. a b Detlef Liebs: Die Jurisprudenz im spätantiken Italien (260-640 n.Chr.) (= Freiburger Rechtsgeschichtliche Abhandlungen. Neue Folge, Band 8). Duncker & Humblot, Berlin 1987, S. 220 ff.
  9. Detlef Liebs: Die Jurisprudenz im spätantiken Italien (260-640 n.Chr.) (= Freiburger Rechtsgeschichtliche Abhandlungen. Neue Folge, Band 8). Duncker & Humblot, Berlin 1987, S. 264–266.
  10. Gustav Hänel (Hrsg.): Iuliani Epitome Latina Novellarum Iustiniani. Hinrichs, Leipzig 1873, S. 3–19.
  11. Max Conrat: Geschichte der Quellen und Literatur des römischen Rechts im früheren Mittelalter. Hinrichs, Leipzig 1891, S. 122.
  12. Max Conrat: Geschichte der Quellen und Literatur des römischen Rechts im früheren Mittelalter. Hinrichs, Leipzig 1891, S. 121–130 und 192–203.