Enzische Sprache

Die enzische Sprache (in Eigenbezeichnung Enets) ist eine der samojedischen Sprachen. Diese bilden gemeinsam mit den finno-ugrischen Sprachen die uralische Sprachfamilie. Es gehört wie Nenzisch und Nganasanisch zur Gruppe der nordsamojedischen Sprachen. Es gibt zwei Varianten des Enzischen, die manchmal als eigene Sprachen gewertet werden: Wald-Enzisch (auch Bai) und Tundra-Enzisch (auch Maddu).

Enzisch

Gesprochen in

Autonomer Kreis Taimyr/Russland
Sprecher70
Linguistische
Klassifikation
Sprachcodes
ISO 639-1

ISO 639-2

Geographie

Enzisch wird vom Volk der Enzen auf der Taimyrhalbinsel in Sibirien entlang des Ostufers des Flusses Jenissei in Russland gesprochen.

Demographie

Die Zahl der Muttersprachler beträgt heute weniger als 70 mit leichtem Überhang des Bai-Dialekts. 1999 lebten etwa 200 Enzen, von denen ungefähr 100 Enzisch sprachen. Im 18. Jahrhundert soll Enzisch mit über 3000 Sprechern seinen Höchststand erreicht haben. Alle heute noch lebenden Enzen sprechen ebenfalls Russisch und/oder Nenzisch, teilweise auch Nganasanisch.

Da sich Russisch immer mehr als Sprache durchsetzt und kaum noch Kinder Enzisch lernen, gibt es keine Hoffnung, das Überleben der Sprache zu sichern. Die Enzen verfügten niemals über eine eigene Schriftsprache, in den Schulen wurde nie auf Enzisch gelehrt. Bis heute existiert keine vollständige Grammatik des Enzischen.

Sprachstruktur

Von allen anderen samojedischen Sprachen sind Nenzisch und Nganasanisch dem Enzischen am nächsten. Den größten Einfluss erfuhr Enzisch durch das Nenzische, in jüngerer Vergangenheit durch Russisch.

Enzisch verfügt über Nomen, Adjektive, Numerale, Pronomen, Verben, Adverbien, Postpositionen, Konjunktionen, Interjektionen und konnektive Partikeln. Es kennt kein grammatisches Geschlecht und verfügt über drei Numeri: Singular, Plural und Dual. Kasus werden hauptsächlich durch Suffigierung angezeigt, es existieren sieben Fälle: Nominativ, Genitiv, Akkusativ, Lativ, Lokativ, Ablativ und Prolativ. Modi des Enzischen sind Indikativ, Konjunktiv, Imperativ, Optativ, Quotativ und Interrogativ.

Phonologie

Enets verfügt über 8 Vokalphoneme:

vornezentralhinten
ungerundetgerundetungerundetgerundetungerundetgerundet
geschlosseniɨu
mitteleəo
offenɑɒ

Die Zahl der Konsonantphoneme beträgt 22:

bilabiallabio-dentalalveolarpalatalvelarlaryngal
stlsthstlsthstlsthstlsthstlsthstlsth
Plosivepbtdcɟkɡʔ
Frikativeszçʝx
Nasalemnɲŋ
laterale Approximantenl
Vibrantenr
Approximantenʋj

Die Tabelle nach IPA enthält diese 22 Phoneme, nach Künnap verfügt Enzisch allerdings über 25 Konsonantphoneme. Er nutzte bei der Erstellung seiner Grammatik das UPA. Bei den drei fehlenden Phonemen handelt es sich um zwei Affrikaten und einen dritten alveolaren Frikativ, der teilweise stimmhaft artikuliert wird.

Morphologie

Enzisch ist eine agglutinierende Sprache, in der ausschließlich Suffixe existieren.

Kasusbedeutungen werden mit Suffixen an Nomen, Adjektiven, Pronomen und substantivierten Verben ausgedrückt. Diese werden stets mit numeralen Markern kombiniert:

SingularPlural
Nominativ-
Genitiv
Akkusativ-
Lativ-d/-t-xəz/-gəz/-kəz
Lokativ-xVn/-gon/-kon-xən/-gən/-kən
Ablativ-xVz/-gəz/-kəz-xət/-gət/-kət
Prolativ-on/-mon-ən/-on

Possession wird im Enzischen durch Genitiv oder Possessiv-Suffixe angezeigt, für verschiedene Numeri und Kasus werden auch unterschiedliche Possessiv-Suffixe verwendet. Singular/Dual und Plural haben ihre eigenen Possessiv-Suffixe, während es im Singular Possessiv-Suffixe für Nominativ, Genitiv und Akkusativ gibt. In Dual und Plural gibt es Possessiv-Suffixe für Nominativ, Akkusativ und Genitiv.

Syntax

Enzisch ist eine typische SOV-Sprache, die finite Verbform steht immer am Ende des Satzes. Das Objekt befindet sich stets im Umfeld des Wortes, zu dem es gehört. Adverbialpositionen sind kontextabhängig. Wenn das Adverb ausschließlich das Verb modifiziert, steht es direkt davor, wenn es den gesamten Satz modifiziert, kann es entfernt vom Verb stehen. Inversion kann im Enzischen vorkommen, was zur Folge hat, dass das Adverb dem Verb folgt. Zeitadverbien stehen üblicherweise am Anfang eines Satzes. Das Objekt steht üblicherweise näher am Verb als am Adverb. Attribute stehen grundsätzlich vor ihren Hauptwörtern, um den Unterschied zum Prädikat herauszustellen. Quantitative Attribute stehen für gewöhnlich vor den qualitativen.

Verbale Negation wird durch Kombination von Hauptverb mit vorangehendem teilweise auxiliarem Negativverb ausgedrückt, Komparative mithilfe von Adjektiven im Nominativ und dem zu vergleichenden Wort im Ablativ.

Interrogative können im Enzischen sowohl mit speziellen Interrogativwörtern als auch nur durch Intonation angezeigt werden.

Literatur

  • Florian Siegl: Materials of Forest Enets, an indiginous language of northern Siberia. University Press, Tartu 2011, ISBN 978-9949-19-672-2 (= Dissertationes Philologicae Uralicae Universitatis Tartuensis, 9).
  • Ago Künnap: Enets. Lincom Europa, München 1999.
  • И. П. Сорокина, Д. С. Болина: Энецкий-русско и русско-єнецкий словарь. Просвещение, Санкт-Петербург 2001, ISBN 5-09-002526-6.
  • И. П. Сорокина: Энецкий язык. Наука, Санкт-Петербург 2010, ISBN 978-5-02-025581-4.
  • Д. С. Болина: Русско-єнецкий разговорник. Просвещение, Санкт-Петербург 2003, ISBN 5-09-005269-7.
  • И. П. Сорокина, Д. С. Болина: Энецкий словарь с кратким грамматическим очерком : около 8.000 слов. Наука, Санкт-Петербург 2009, ISBN 978-5-98187-304-1.
  • Tibor Mikola: Morphologisches Wörterbuch des Enzischen. Szeged 1995 (= Studia Uralo-Altaica 36).

Weblinks