Entstörkondensator

XY-Entstörkondensator­satz; das Bauteil enthält drei Konden­satoren: 25 nF zwischen den schwarzen Leitern und je 2,5 nF zwischen dem grün-​gelben und je einem schwarzen Leiter

Entstörkondensatoren, auch Funk-Entstörkondensatoren oder Sicherheitskondensatoren, sind elektrische Kondensatoren, beispielsweise in Netzfiltern, zur Funkentstörung. Sie leiten hochfrequente Störsignale, hervorgerufen durch das Betreiben elektrischer oder elektronischer Betriebsmittel, gegen die Masse oder den Neutralleiter oder schließen sie kurz und bewirken damit die Herabsetzung der elektromagnetischen Störungen (EMV).

Entstörung hat das Ziel, dass die verbleibenden restlichen Störsignale die vorgeschriebenen Grenzen der EMV-Normen EN 61000-6-3 (Wohngebiete) und EN 61000-6-4 (Industrie) nicht überschreiten. Netz-Funkentstörkondensatoren dämpfen darüber hinaus netzseitige Überspannungen (Bursts).

Entstörkondensatoren werden in bedrahteter Ausführung als Keramikkondensatoren, als Metall-Papier-Kondensatoren (MP-Kondensatoren) und auch als Kunststoff-Folienkondensatoren mit Polypropylenfolien (MKP-Kondensatoren) und Polyesterfolien (MKT-Kondensatoren) als Dielektrikum angeboten.

Für die Oberflächenmontage gibt es Entstörkondensatoren nur als Keramikkondensatoren.

Klassifizierung

Zur Abblockung und Bedämpfung von Störsignalen auf Netzzuleitungen von Geräten kommen Funk-Entstörkondensatoren zum Einsatz, die je nach Anforderungsprofil in die Klassen X und Y eingeteilt werden.

Klasse-X-Kondensatoren sind nach IEC 60384-14 elektrische Kondensatoren, die zwischen Phase und Neutralleiter oder zwischen zwei Phasen geschaltet werden. Sie dürfen eine beliebig hohe Kapazität haben. Oft haben sie Werte von 100 nF bis 1 µF. Ihr Ausfall (Kurzschluss, Unterbrechung, innere Zerstörung) darf nicht zu einem gefährdenden elektrischen Schlag oder zu anderen Gefährdungen wie Feuer führen.

Einteilung von Funk-Entstörkondensatoren der Klasse X
UnterklasseAnwendungImpulsspitzenspannung
im Betrieb
geforderte
Impulsfestigkeit
X1Einsatz bei hohen Spitzenspannungen2,5 kV – 4 kV4 kV für C ≤ 1 µF
X2Allgemeine Anforderungen≤ 2,5 kV2,5 kV für C ≤ 1 µF
X3Allgemeine Anforderungen≤ 1,2 kV

Klasse-Y-Kondensatoren nach IEC 60384-14 sind Kondensatoren, die zwischen Phase respektive Neutralleiter und berührbarem, schutzgeerdetem Apparategehäuse angeschlossen werden und somit die Basisisolierung überbrücken. Für Y-Kondensatoren sind nach dieser Norm nur solche Kondensatoren zulässig, die bei begrenzter Kapazität eine überprüfbare erhöhte elektrische und mechanische Sicherheit aufweisen, da bei ihrer Anwendung im Falle eines Versagens durch Kurzschluss eine Gefährdung von Personen oder Tieren durch elektrischen Schlag auftreten kann.

Einteilung von Funk-Entstörkondensatoren der Klasse Y
UnterklasseArt der überbrückten
Isolation
Bemessungs-
spannungsbereich
(Nennspannungsbereich)
geforderte
Impulsfestigkeit
Y1Doppelte oder
verstärkte Isolation
≤ 500 VAC8 kV
Y2Basis- oder
Zusatzisolation
≥ 150 VAC - ≤ 300 VAC5 kV
Y3Basis- oder
Zusatzisolation
≥ 150 VAC - ≤ 250 VAC
Y4Basis- oder
Zusatzisolation
< 150 VAC2,5 kV
Funkentstörung mit X- und Y-Kondensatoren an Geräten mit und ohne Schutzisolierung

Bauformen

Folgende Formen sind üblich:

  • X- oder Y-Kondensatoren als Einzelbauelemente mit zwei Anschlüssen.
  • XY-Kondensatoren mit drei Anschlüssen als Kombinationskondensatoren mit X- und Y-Kondensatoren in einem Gehäuse. Diese Kondensatoren werden in einem Arbeitsgang gewickelt. Sie sind intern in Stern- oder in Dreieckschaltung miteinander verbunden.

Die Entstörwirkung von Kondensatoren hängt besonders bei hohen Frequenzen stark von deren Bauweise ab. Daher gibt es auch Sonderbauformen:

  • Durchführungskondensatoren mit einem hindurchgeführten Leiter für den Betriebsstrom.
  • Kondensatoren mit zwei Anschlüssen pro Pol
  • Kondensatoren mit Stirnflächenkontaktierung des Wickels und flachen Anschlüssen.

Verwendung

Y-Kondensatoren werden zur Unterdrückung von Gleichtaktstörungen eingesetzt. Das ist die einzige Ausnahme, wo der Schutzleiter zu anderen Zwecken als zur Schutzerdung, Potentialausgleich oder Abschirmung genutzt werden darf. Bei einem Kurzschluss im Kondensator ist der Außenleiter mit dem Schutzleiter und damit mit dem metallischen Gehäuse des Gerätes verbunden. Daher gelten höhere Sicherheitsstandards als bei X-Kondensatoren, die bei Versagen lediglich einen Kurzschluss auslösen.

X-Kondensatoren werden zur Unterdrückung von Gegentaktstörungen eingesetzt.

X- und Y-Kondensatoren werden in Geräten zur Verbesserung der Störimmunität und der Verringerung der Störaussendung eingesetzt. Dazu zählen z. B. insbesondere:

Sicherheit

Typischer Metallisierter Polypropylen-Folienkondensator (MKP) der Sicherheitsklasse „X2“ in der Beschaltung einer durch Berührung einschaltbaren Leuchte

Um die Schutzfunktion des Schutzleiters nicht zu gefährden sowie wegen des Betriebes direkt am niederohmigen Netz werden an X- und Y-Kondensatoren erhöhte Schutzanforderungen gestellt, die im Staatsauftrag in Deutschland vom VDE und in den übrigen europäischen Ländern von den jeweiligen Landesorganisationen geprüft und zertifiziert werden. Die freigegebenen Kondensatoren durften damit in der Vergangenheit mit den jeweiligen Logos wie z. B. VDE, SEMKO, DEMKO, NEMKO usw. versehen werden. Im Rahmen der Harmonisierung der europäischen Standards einigten sich die Länder der Europäischen Union im Jahre 2000 darauf, die länderspezifischen Sicherheitsvorschriften und deren Zertifikate gegenseitig anzuerkennen und ein gemeinsames Logo (ENEC) zu benutzen. Trotzdem findet man auch auf neueren Entstörkondensatoren, sofern Platz vorhanden ist, weiterhin zum Teil noch viele unterschiedliche Logos, weil in vielen Staaten des amerikanischen Kontinents die Kondensatoren von den Underwriters Laboratories, kurz UL, zertifiziert werden und auch Kanada und weitere nicht-europäische Länder ihre eigenen Zertifizierungsstellen mit ihren Logos haben.

Die speziellen Schutzanforderungen an die Kondensatoren sind erhöhte Spannungsfestigkeit und hohes Impuls-Stoßbelastungsvermögen. X1-Kondensatoren halten einem Spannungspuls von 4000 V stand, X2- von 2500 V und Y-Kondensatoren dem doppelten Spannungspuls. Außerdem dürfen diese Kondensatoren nach UL bei einer Zerstörung keine Stichflamme emittieren und kein leitendes Material absondern, das an anderer Stelle Kurzschlüsse auslösen könnte. Nichtleitende Teile dürfen nur mit geringer Beschleunigung (keine Explosion) abplatzen.

Bis etwa zum Jahr 1990 konnten nur Keramikkondensatoren[1] und spezielle Papier-Kondensatoren die erhöhten Sicherheitsstandards für X- und Y-Kondensatoren erfüllen. Die MP-Kondensatoren gelten wegen des harzdurchtränkbaren Papiers bis heute als eine sichere Lösung, weil die vorgeschriebenen Belastungstests den Kondensator höchstens aufblähen. Die Zerstörung findet immer innerhalb der Umhüllung statt. Der industrielle Druck zur Kostenreduzierung führte ab 1990 zur Entwicklung spezieller Kunststoff-Folienkondensatoren (MKP- und MKT-Kondensatoren). Deren Sicherheit ist heutzutage ebenfalls gegeben und sie besitzen, sofern sie zertifiziert sind, die entsprechenden Zulassungen. Im Gegensatz zu den speziellen Papierkondensatoren wird hier aber das Gehäuse des Kondensators bei der Belastungsprobe fast immer zerstört, womit Sauerstoff an die unter Netzspannung stehende Schadstelle gelangen kann. Die seit der Existenz solcher Sicherheitskondensatoren geübte strenge Interpretation der Vorschriften wurde also zugunsten einer Kostenreduzierung aufgeweicht, weshalb Kunststoff-Folienkondensatoren für diese Anwendung nicht unumstritten sind.[2]

Im normalen Betrieb geborstener Kunststoff-Folienkondensator, Klasse X2

Im Rahmen der Miniaturisierung in der Industrie gewinnen die oberflächenmontierbaren SMD-Bauformen eine immer größere Bedeutung. Das gilt auch für Entstörkondensatoren. Da bislang weder MP- noch MKP- bzw. MKT-Entstörkondensatoren in SMD-Bauform angeboten werden, gewinnen SMD-Keramik-Entstörkondensatoren an Bedeutung. Auch hier wird der ursprünglich strengere Sicherheitsaspekt zugunsten einer Kostenreduzierung aufgeweicht, da es derzeit keine Keramikkondensatoren mit einer ENEC- oder UL-Zulassung gibt.

Normung

Die Bedingungen für die Prüfungen und Messungen der elektrischen und mechanischen Parameter zur Zulassung der Funk-Entstörkondensatoren im europäischen Bereich (ENEC) sind festgelegt in der Norm DIN IEC 60384-14.

Korrekte Beschriftung eines Klasse X Entstörkondensators

Geschichte

In den 1950er Jahren wurden Entstörkondensatoren nach VDE 0870 geprüft.[3] In den 1970er Jahren gab es nur eine Klasse X und eine Klasse Y als spezielle Kategorien für Entstörkondensatoren. Für die Klasse X galten die Bestimmungen der VDE 0560-7, wobei die Klasse Y auch die Anforderungen der VDE 0560 Teil 7/11.67 erreichen musste.[4] Die damalige Klasse X entspricht der heutigen Klasse X2.

Literatur

  • Hans Loth [Roederstein]: Filmkondensatoren. Die Bibliothek der Technik, Verlag moderne Industrie, ISBN 3-478-93046-4
  • DIN EN 60940 (VDE 0565) Leitfaden für die Anwendung von Kondensatoren, Widerständen, Drosseln und vollständigen Filtereinheiten zur Unterdrückung elektromagnetischer Störungen. 11/2015, vde-verlag.de

Weblinks

Einzelnachweise

  1. „Safety Recognized“ Keramikkondensatoren der Firma Murata (PDF; 1,7 MB)
  2. Studie der Firma WIMA zur Entflammbarkeit von Funk-Entstörkondensatoren (Memento vom 28. Februar 2007 im Internet Archive) abgerufen am 19. November 2019.
  3. VEB Keramische Werke Helmsdorf: "Hochfrequenz Kondensatoren." Hermsdorf-Klosterlausnitz 1959.
  4. Components, materials and assemblies. Capacitors Resistors (= Mullard [Hrsg.]: Mullard technical handbook. Band 1, Nr. 3). Burrup, Mathieson & Co, England 1981, S. B-330–1 und C-660–1 (englisch, Online [abgerufen am 16. Januar 2017]).

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Im normalen Betrieb geborstener Kunststofffolien-Kondensator, Klasse X2
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XY-Entstörkondensator, wie er in Haushaltsgeräten mit PE-Anschluss üblich ist.
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Klasse X Kondensator nach VDE 0560-7. Wickelkondensator aus den 1980ern. Die alte Klasse X ist seit Ende der 1980er Jahren die Klasse X2.
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