Entry-Inhibitoren

Entry-Inhibitoren sind Arzneistoffe aus der Gruppe der Virostatika. Sie inhibieren (unterbrechen) den Eintritt bestimmter Viren in die Wirtszelle. Es gibt drei Schlüsselstellen im Eintrittsvorgang, an denen Entry-Inhibitoren ansetzen:

  • Bindung des Virus an den Rezeptor der Wirtszelle (Attachment-Inhibitoren)
  • Bindung an Korezeptoren der Wirtszelle (Korezeptor-Antagonisten)
  • Fusion mit der Wirtszelle (Fusions-Inhibitoren)

Wirkung

Alle nachfolgenden Informationen beziehen sich auf das HIV-1. Nach ihrer Wirkweise unterscheidet man die drei Gruppen von Entry-Inhibitoren:

Attachment-Inhibitoren

Das Andocken des HIV-Glykoproteins gp120 an den CD4-Rezeptor ist der erste Schritt beim Eintritt in die Zelle. In der Theorie kann der Andockvorgang durch verschiedene Mechanismen gehemmt werden. Eine Möglichkeit ist die Blockierung des CD4-Rezeptor, die andere die des gp120. Beide Möglichkeiten werden derzeit untersucht. Als Folge daraus gliedern sich die Attachment-Inhibitoren erneut, so dass man mittelfristig sicher nicht von einer Substanzklasse sprechen kann.

Bereits zu Beginn der 1990er Jahre wurde mit CD4-Molekülen experimentiert, die das Andocken von HIV verhindern.[1][2] Anfängliche Erfolge im Labor erwiesen sich aus verschiedenen Gründen als klinisch nicht replizierbar. Neuen Auftrieb bekam die Forschung an Entry-Inhibitoren mit der Entwicklung des ersten klinisch relevanten Vertreters dieser Gruppe T-20. Die meisten neuen Substanzen sind noch nicht besonders weit entwickelt. Deshalb geht es derzeit eher darum, das Prinzip in Studien zu belegen und Wirkstoffe zu finden, deren Pharmakokinetik einen Einsatz in Praxis zulässt.

Derzeit in Entwicklung befindliche Substanzen:

TNX-355 ist ein monoklonaler Antikörper. Er bindet direkt an den CD4-Rezeptor und verhindert so den Eintritt von HIV. TNX-355 scheint nicht die Bindung von gp120 an CD4, sondern eher die Bindung von gp120 an die Co-Rezeptoren CCR5 und CXCR4 zu verhindern. Entwickelt wird TNX-355 von Tanox Biosystem. TNX-355 kann nur intravenös verabreicht werden. Die ersten Studien wurden 2004 durchgeführt.[3][4] Mittlerweile liegen 48-Wochen-Daten einer placebokontrollierten Phase-II-Studie vor.[5] Im Rahmen der Studie wurde Patienten zusätzlich zur ART TNX-335 verabreicht. Das Ergebnis war ein deutlicher und langanhaltender Virusabfall ggü. der Kontrollgruppe.

Eine bislang nicht abschließend geklärte Frage ist, ob die Funktionalität der CD4-Zellen durch den Wirkstoff beeinträchtigt wird. Bislang wurden keine negativen Auswirkungen auf die CD4-Zellen festgestellt. Nach Angaben des Herstellers gibt es eine inverse Korrelation zwischen der Sensitivität für TNX-355 und löslichem CD4. Das lässt annehmen, dass TNX-355-resistente Viren für lösliches CD4 überempfindlich werden.[6]

BMS-488043 ist ein Attachment-Inhibitor der Firma BMS. Er bindet spezifisch und reversibel an gp120 von HIV und verhindert das Andocken an die CD4-Zelle. Die ersten klinischen Ergebnisse wurden 2004 veröffentlicht.[7] Trotz Problemen wie einer sehr hohen Tablettenanzahl und zu erwartender, rascher Resistenzentwicklung, sind die Ergebnisse positiv zu werten.

Korezeptor-Antagonisten

HIV benötigt zusätzlich zum CD4-Rezeptor einen Korezeptor, um in die Zelle eindringen zu können. Mitte der 1990er Jahre wurden die beiden wichtigsten Korezeptoren CXCR4 und CCR5 entdeckt.

HIV-Varianten benutzen neben CD4 entweder CCR5- oder CXCR4-Rezeptoren für den Zelleintritt. Nach diesem „Rezeptortropismus“ werden HIV-Varianten als R5 (CCR5) bezeichnet; Viren, die für den Zelleintritt CXCR4 nutzen, heißen X4-Viren. R5-Viren infizieren vorwiegend Makrophagen (M-trope Viren). X4-Viren infizieren hauptsächlich T-Zellen (T-trope Viren). Studien belegen, dass X4-Viren mit einem schnellen CD4-Zell-Abfall und einer Krankheitsprogression assoziiert sind.[8] Viren, die beide Rezeptoren benutzen, werden als Dualtrope bezeichnet. Darüber hinaus gibt es Mischpopulationen von R5- und X4-Viren. In den frühen Infektionsstadien findet man zumeist R5-Viren, später die virulenteren X4-Viren.

Je nach Ansatzpunkt lassen sich CCR5- und CXCR4-Antagonisten unterscheiden. Sie blockieren den jeweiligen Korezeptor. Die Entwicklung von CCR5-Antagonisten ist weiter fortgeschritten als die der CXCR4-Antagonisten.

Durch den Selektionsdruck der einseitigen Suppression von R5-Viren (bei Mischpopulationen) wird es voraussichtlich zu einem Shift zu Gunsten der X4-Viren kommen. Derzeit wird angenommen, dass dadurch allerdings keine X4-Viren „entstehen“.[9] In einer klinischen Studie mit Maraviroc kam es – trotz des Shifting-Effektes – sogar zu einer Erhöhung der CD4-Zellen, gegenüber der Placebo-Behandlung.[10]

Befürchtungen, dass die Blockade des CCR5-Rezeptors andere Konsequenzen haben könnte, werden durch den Umstand widerlegt, das Menschen mit einem entsprechenden Defekt völlig gesund sind. Auch die Angst vor Autoimmunreaktionen durch das Andocken, konnte im Tierversuch nicht bestätigt werden.[11] In einer Analyse aller Phase-I-II-Studien unter Maraviroc wurden keine negativen Auswirkungen auf Immunfunktionen festgestellt.[12]

Berichte von Tumorerkrankungen (meist maligne Lymphome) in einer Studie mit Vicriviroc,[13] geben eher Grund zur Sorge. In anderen Studien wurde diese Häufung nicht beobachtet.

Fusions-Inhibitoren

Fusions-Inhibitoren verhindern das Eindringen von HIV in die Immunzellen, indem sie das Verschmelzen der Virushülle mit der Zellmembran blockieren.

Nebenwirkungen

Bisher verfügbare Substanzen sind mit mäßigen Nebenwirkungen assoziiert. Aufgrund der deutlichen Heterogenität lässt sich keine globale Aussage für alle Entry-Inhibitoren treffen. Die Zukunft wird zeigen, ob auch Wirkstoffe mit neuen Ansätzen innerhalb der Substanzgruppe ähnlich gut vertragen werden.

Anwendungsgebiete

Sie werden zur Bekämpfung von Viren eingesetzt. Bisher existieren Wirkstoffe gegen HIV.

Resistenzen

Theoretisch besteht auch bei Entry-Inhibitoren die Gefahr der Resistenzbildung. Labortests schließen auch Klassenübergreifende Kreuzresistenzen nicht aus. Allerdings existieren zu diesem Thema bislang keine Studien am Menschen.

Wirkstoffe

Literatur

Attachment-Inhibitoren

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  • D Norris, J Morales, E Godofsky et al.: TNX-355, in combination with optimized background regimen, achieves statistically significant viral load reduction and CD4 cell count increase when compared with OBR alone in phase 2 study at 48 weeks. Abstr. ThLB0218, XVI IAC 2006, Toronto

Korezeptor-Antagonisten

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Fusions-Inhibitoren

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  • S. Jiang, H. Lu, S. Liu, Q. Zhao, Y. He, AK. Debnath: N-substituted pyrrole derivatives as novel human immunodeficiency virus type 1 entry inhibitors that interfere with the gp41 six-helix bundle formation and block virus fusion. In: Antimicrob Agents Chemother, 2004, 48, S. 4349–4359. PMID 15504864
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  • M. Delmedico, B. Bray, N. Cammack et al.: Next generation HIV peptide fusion inhibitor candidates achieve potent, durable suppression of virus replication in vitro and improved pharmacokinetic properties. Abstract 48, 13th CROI 2006, Denver.

Einzelnachweise

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  2. RT Schooley, TC Merigan, P Gaut et al.: Recombinant soluble CD4 therapy in patients with the acquired immunodeficiency syndrome (AIDS) and AIDS-related complex. In: Ann Intern Med, 1990, 112, S. 247–253. hPMID 2297203
  3. JM Jacobson, DR Kuritzkes, E Godofsky et al.: Phase 1b study of the anti-CD4 monoclonal antibody TNX-355 in HIV-infected subjects: safety and antiretroviral activity of multiple doses. Abstract 536, 11th CROI 2004, San Francisco.
  4. DR Kuritzkes, J Jacobson, WG Powderly et al.: Antiretroviral activity of the anti-CD4 monoclonal antibody TNX-355 in patients infected with HIV type 1. In: J Infect Dis, 2004, 189, S. 286–291. PMID 14722894.
  5. Norris 2006
  6. T Duensing, M Fung, S Lewis, S. Weinheimer: In vitro characterization of HIV isolated from patients treated with the entry inhibitor TNX-355. Abstract 158 LB, 13th CROI 2006, Denver.
  7. G Hanna, L Lalezari, J Hellinger et al.: Antiviral activity, safety, and tolerability of a novel, oral small-molecule HIV-1 attachment inhibitor, BMS-488043, in HIV-1-infected subjects. Abstract 141, 11th CROI, 2004, San Francisco.
  8. RI Connor, KE Sheridan, D Ceradini, S Choe, NR. Landau: Change in coreceptor use coreceptor use correlates with disease progression in HIV-1--infected individuals. In: J Exp Med, 1997, 185, S. 621–628. PMID 9034141
  9. M Westby, M Lewis, J Whitcomb et al.: Emergence of CXCR4-using human immunodeficiency virus type 1 (HIV-1) variants in a minority of HIV-1-infected patients following treatment with the CCR5 antagonist maraviroc is from a pretreatment CXCR4-using virus reservoir. In: J Virol, 2006, 80, S. 4909–4920, PMID 16641282.
  10. H Mayer, E van der Ryst, M Saag et al.: Safety and efficacy of maraviroc, a novel CCR5 antagonist, when used in combination with optimized background therapy for the treatment of antiretroviral-experienced subjects infected with dual/mixed-tropic HIV-1: 24-week results of a phase 2b exploratory trial. Abstract ThLB0215, XVI IAC 2006, Toronto.
  11. C Peters, T Kawabata, P Syntin et al.: Assessment of immunotoxic potential of maraviroc in cynomolgus monkeys. Abstract 1100, 45th ICAAC 2005, Washington.
  12. A Ayoub, E van der Ryst, K Turner, M. McHale: A review of the markers of immune function during the maraviroc phase 1 and 2a studies. (Memento vom 7. August 2008 im Internet Archive) Abstract 509, 14th CROI 2007, Los Angeles.
  13. R Gulick, Z Su, C Flexner et al.: ACTG 5211: phase 2 study of the safety and efficacy of vicriviroc in HIV-infected treatment-experienced subjects. Abstract ThLB0217, XVI IAC 2006, Toronto.