Enigma-Patente

Markenschild der Enigma
Arthur Scherbius (1878–1929) erhielt am 23. Februar 1918 sein erstes Patent zur Enigma (Foto 1913).

Als Enigma-Patente werden die Patente bezeichnet, die im Zusammenhang mit der während des Ersten Weltkriegs erfundenen Rotor-Schlüsselmaschine Enigma im Zeitraum von 1918 bis etwa 1930 entstanden sind.[1] Nach der ersten und gleichzeitig grundlegenden Erfindungsmeldung des Deutschen Arthur Scherbius (Bild) mit dem Titel „Chiffrierapparat“, wofür ab dem 23. Februar 1918 das Patent unter der Nummer DE 416 219 erteilt wurde,[2] folgten viele weitere Anmeldungen von in- und ausländischen Erfindern, deren Ideen mehr oder weniger stark in die unterschiedlichen Enigma-Modelle einflossen. Patenterteilungen hierzu gab es außer im Deutschen Reich auch in den Niederlanden, dem Vereinigten Königreich, Frankreich, der Schweiz und in den Vereinigten Staaten. Nachdem die Enigma ab 1926 zunächst von der Reichsmarine und zwei Jahre später auch vom deutschen Heer versuchsweise eingesetzt wurde, verschwand sie daraufhin vom zivilen Markt. Aufgrund ihrer wichtigen militärischen Bedeutung zur Verschlüsselung des geheimen Nachrichtenverkehrs der Reichswehr und später der Wehrmacht erfolgten nach 1930 keine weiteren offenen Patentanmeldungen mehr. Es ist aber davon auszugehen, dass es eine Reihe von Geheimpatenten gibt, mit der die unten unter Weblinks angegebene Liste der Enigma-Patente vervollständigt werden könnte.

DE 416 219 „Chiffrierapparat“ vom 23. Februar 1918

Die Enigma I der Wehrmacht enthielt noch 1945 drei rotierende Walzen, so wie es Scherbius in seinem ersten Enigma-Patent bereits 1918 beschrieben hatte.

Der Erfinder Arthur Scherbius beschreibt noch während der Zeit des Ersten Weltkriegs in seinem grundlegenden Patent[2] bereits mehrere wesentliche Elemente eines „Chiffrierapparates“, der ein Viertel Jahrhundert später im Zweiten Weltkrieg als „Schlüsselmaschine Enigma“ eine so bedeutende Rolle spielen sollte. Sein erster Patentanspruch beschreibt bewegliche „Zwischenleitungsträger“ (auch „Leitungszwischenträger“ genannt), dadurch gekennzeichnet, dass sie sich an festen Kontaktstellen „vorbeibewegen lassen“. Als eine besondere Ausführungsform wird erläutert, dass die Zwischenleitungsträger die „Form eines Zylinders (Walze)“ haben können. Die hier im Jahr 1918 vorgeschlagene Ausführungsform von mit elektrischen Kontakten versehenen beweglichen Rotoren findet sich praktisch unverändert bei den bis 1945 eingesetzten und teilweise noch darüber hinaus bis in die 1970er-Jahre genutzten Enigma-Maschinen wieder.[3]

Der zweite Patentanspruch handelt davon, dass die Weiterdrehung der Walzen „nach Größe, Richtung und zeitlicher Aufeinanderfolge unregelmäßig erfolgt“. Als Ausführungsbeispiel schlägt Scherbius hierzu ein Getriebe vor, mit dessen Hilfe die einzelnen Walzen unterschiedlich weitergeschaltet werden können. Im Beschreibungstext seines Patentes schlägt der Erfinder vor: „Um die Zahl der Schlüssel zu vermehren, werden zweckmäßig mehrere Leitungszwischenträger hintereinandergeschaltet“. Er illustriert seine Idee anhand von drei rotierenden Walzen, wie sie die Wehrmacht noch 1945 bei ihrer Enigma I benutzte. Darüber hinaus erwähnt Arthur Scherbius in diesem grundlegenden Patent sogar schon zehn Walzen und die (bereits ohne Austauschen der Walzen) daraus resultierenden rund 100 Billionen Schlüssel.

Diese beiden kryptographisch starken Konstruktionsmerkmale (Verwendung „vieler“ Walzen und unregelmäßige Weiterdrehung) fanden jedoch niemals Eingang in die tatsächlich realisierte Enigma. Diese begnügten sich mit drei oder höchstens vier Walzen und verwendeten eine regelmäßige Walzenfortschaltung ohne Getriebe. Der Gründungspräsident des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), der promovierte Mathematiker und Kryptologe Otto Leiberich kommentierte diesen kryptographischen Fehler und meinte, mit vier Walzen „und mit einem ungleichförmigen Antrieb wäre die Enigma nie entziffert worden“.[4]

Umgesetzt wurde hingegen ein anderer kryptographisch eher schwacher Unteranspruch, nämlich, dass „jeder hintere Zwischenleitungsträger immer dann um eine Kontaktstelle weiterrückt, wenn der vorliegende Zwischenleitungsträger eine volle Umdrehung gemacht hat“.

Typische Glühlämpchen, wie sie damals genutzt wurden.

Zur Umstellung zwischen Chiffrieren und Dechiffrieren hatte Scherbius im vorletzten Unteranspruch einen Umschalter vorgesehen. Diese Lösung behielt Bestand bei den ersten Enigma-Modellen (Enigma A und Enigma B), bis 1926 die Umkehrwalze (UKW) erfunden wurde (siehe unten), die den Umschalter entbehrlich machte, und die, beginnend mit der Enigma C, bei allen späteren Modellen eingesetzt wurde.

Der letzte Unteranspruch nennt die Verwendung von „Glühlampen“ zur Anzeige, die noch 1918 mit der Probemaschine realisiert wurde. Die „schreibende Chiffriermaschine“, die, ähnlich wie eine Schreibmaschine den Text mithilfe von Typenhebeln beziehungsweise Tasten und Typenrad auf Papier brachte, wurde ab 1919 bis 1929 in mehreren Modellen für die zivile Telegrafie entwickelt. Dazu gehörten die Handelsmaschine (1923), die Schreibende Enigma (1924) und zuletzt die Enigma-H (1929), die von der Reichswehr als Enigma II bezeichnet wurde. Mit den deutlich leichteren und kompakteren, hauptsächlich für den militärischen Einsatz gedachten „Glühlampenmaschinen“ (Modelle A, B, C, D, G, K, M1, M2, M3, M4, T, Z sowie Enigma I) wurde die Entwicklung von Scherbius’ erster Chiffriermaschine fortgesetzt.

US 1 657 411 „Ciphering Machine“ vom 6. Februar 1923

Zeichnung aus dem Patent US1657411: Ciphering Machine. Angemeldet am 6. Februar 1923, Erfinder: Arthur Scherbius.[5]

DE 452 194 „Elektrische Vorrichtung zum Chiffrieren und Dechiffrieren“ vom 21. März 1926

Die Umkehrwalze hat nur Kontakte auf einer Seite und verursacht die kryptographische Hauptschwäche der Enigma.

Willi Korn (1893–1972) erfand 1926[6] die Umkehrwalze und erreichte dadurch, dass das Schlüsselverfahren involutorisch wurde. Das heißt, wenn bei einer bestimmten Stellung der Walzen ein U in ein X verschlüsselt wird, dann wird bei dieser Stellung auch ein X in ein U verschlüsselt. So vereinfachte er Bedienung und Konstruktion der Maschine, denn man muss nicht mehr zwischen Verschlüsselung und Entschlüsselung unterscheiden. Darüber hinaus erhoffte er sich auch eine Steigerung der Sicherheit, denn der Strom durchfließt die Walzen ja nun zweimal. „Durch diesen Rückgang des Stromes durch den Chiffrierwalzensatz findet eine weitere Verwürfelung statt. Infolge dieser Anordnung ist es möglich, mit verhältnismäßig wenig Chiffrierwalzen auszukommen und trotzdem eine große Chiffriersicherheit aufrechtzuerhalten.“, erläutert Korn die Vorteile seiner Umkehrwalze in der Patentschrift. Dies war jedoch ein Trugschluss mit weitreichenden Konsequenzen.

Weblinks

Übersicht

N. V. "Securitas" in Amsterdam

Gewerkschaft Securitas in Berlin

Chiffriermaschinen Akt.-Ges. in Berlin

Patente im Ausland

Einzelnachweise

  1. Louis Kruh, Cipher Deavours: The Commercial Enigma – Beginnings of Machine Cryptography. Cryptologia, Vol. XXVI, Nr. 1, Januar 2002, S. 11. Abgerufen: 29. April 2015. PDF; 0,8 MB
  2. a b Patentschrift Chiffrierapparat DRP Nr. 416 219. Abgerufen: 3. Feb. 2014. PDF; 0,4 MB
  3. Cipher A. Deavours, Louis Kruh: Machine Cryptography and Modern Cryptanalysis. Artech House, 1985, S. 40. ISBN 0-890-06161-0
  4. Otto Leiberich: Vom Diplomatischen Code zur Falltürfunktion. Spektrum der Wissenschaft, Dossier Kryptographie, 4/2001, S. 15.
  5. Patentschrift Ciphering Machine US Nr. 1 657 411. Abgerufen: 3. Feb. 2014. PDF; 1,3 MB
  6. Patentschrift Elektrische Vorrichtung zum Chiffrieren und Dechiffrieren DRP Nr. 452 194. Abgerufen: 3. Feb. 2014. PDF; 0,5 MB

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This is a photo of Arthur Scherbius, inventor of the Enigma cipher.
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Historische Glühlämpchen, wie sie beispielsweise in der Enigma-Chiffriermaschine verwendet wurden
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