Enigma-Nachbau

Eine originale Enigma I

Unter einem Enigma-Nachbau versteht man die Nachbildung oder nachträgliche Modifikation einer zur Verschlüsselung des Nachrichtenverkehrs eingesetzten elektromechanischen Rotor-Schlüsselmaschine Enigma.

Je nach Verwendungszweck kann es sich dabei um eine mehr oder weniger originalgetreue Reproduktion handeln. Es gibt nahezu perfekt gestaltete Kopien, die von einer fabrikneuen Original-Maschine kaum zu unterscheiden sind.[1] Hierbei ist der Zweck, das Original bezüglich aller Aspekte, auch Optik, Haptik und Akustik, so genau wie möglich zu imitieren.

Oft begnügt man sich aber damit, nur die Funktion der Maschine nachzubilden, oder sogar nur Teile davon, nicht aber ihr physisches Erscheinungsbild. Statt eines Nachbaus reicht dann eine Simulation oder Emulation. Beispiele hierfür sind Computer-Simulationsprogramme wie im Artikel Enigma-Simulation beschrieben. Ebenso sind dort neuzeitliche mechanische Kopien und elektronische Bausätze zu finden. Ferner gibt es auch Attrappen der Enigma, die oft täuschend echt deren äußeres Erscheinungsbild nachahmen, jedoch über keine innere Mechanik oder Elektrik verfügen und daher nicht zum Schlüsseln geeignet sind.[2] Sie können als Requisiten oder Schmuckstücke dienen.

Geschichtlich unterschiedlich bedeutsame Enigma-Nachbauten wurden während des Zweiten Weltkriegs und kurz danach von verschiedenen Nationen hergestellt:

Amerikanisch

Amerikanische M1 Enigma Analog

Der amerikanische Enigma-Nachbau (englisch M1 Analog Machine)[3] emuliert die Funktion der Enigma, sieht jedoch deutlich anders aus. Er verfügt über spezielle Funktionen, die zur Kryptanalyse der Enigma und deren Bruch dienten.

Britisch

Britische Checking machine

Die britische Checking machine bildete, ähnlich wie die amerikanische M1, nur einen Teil der Enigma-Funktionalität nach, ohne ihr äußerlich zu ähneln.

Auch die britische Letchworth-Enigma hatte keinerlei Ähnlichkeit mit der deutschen Enigma. Sie war zunächst als Gedankenexperiment für deren Walzensatz ersonnenen worden und diente in der praktischen Umsetzung innerhalb der Turing-Bombe zur Ermittlung des jeweils verwendeten Tagesschlüssels.

Die Schlüsselmaschine Typex wurde ab 1934 von den Briten unter Federführung von Oswyn Lywood zunächst unter dem Namen „RAF‑Enigma“ für die Royal Air Force (RAF) entwickelt. Dies geschah im Geheimen und unter Verletzung der Enigma-Patentrechte. Dabei wurden wesentliche kryptographische Verbesserungen implementiert, wodurch sie sich im praktischen Einsatz ihrem deutschen Vorbild entscheidend überlegen zeigte.

Israelisch

Bei der israelischen Enigma handelt es sich um von den israelischen Verteidigungsstreitkräften (IDF) für ihre Zwecke speziell modifizierte ursprünglich deutsche Originale, die von britischen Streitkräften erbeutet worden waren und den Israelis zur Verfügung gestellt wurden. Diese modifizierten die Maschinen und brachten unter anderem hebräische Buchstaben an (statt lateinische); setzten diese Enigmas jedoch niemals ein.[4]

Japanisch

Bei der San-shiki Kaejiki liegen die Walzen flach nebeneinander

Der japanische Nachbau basiert auf der deutschen Enigma-D[5] und verfügt über eine Tastatur und Lampenanzeige mit japanischen Schriftzeichen. Anders als beim deutschen Original sind die Walzen nicht auf einer gemeinsamen horizontalen Achse angeordnet, sondern liegen flach nebeneinander mit senkrecht nach oben zeigenden Achsen und haben nur 25 Kontakte (statt der originalen 26).[6]

Norwegisch

Bei „Norenigma“[7] handelt es sich um von Norwegern erbeutete deutsche Maschinen, die sie nach Neuverdrahtung der rotierenden Walzen (I bis V) und der Umkehrwalze (UKW) eine Zeit lang für eigene Verschlüsselungszwecke nutzten.

Polnisch

Der polnische Enigma-Nachbau im Piłsudski-Institut in London

Die geschichtlich extrem bedeutsamen polnischen Enigma-Nachbauten sind Replikate der deutschen Enigma-C aus den 1930er-Jahren. Bis Mitte 1933 wurden mindestens fünfzehn Stück hergestellt,[8] bis 1939 waren es rund siebzig.[9] Sie dienten als Klone der deutschen Maschine und halfen bei der kryptanalytischen Aufklärung der deutschen Enigma-Schlüsselprozeduren und der Entzifferung von Enigma-Funksprüchen in den Jahren 1933 bis 1939.

Schweizer

Im Museum Enter in Solothurn ausgestellte Nema-Maschine der Schweizer Armee

Während des Zweiten Weltkriegs wurden in der Schweiz Enigma‑K-Maschinen aus deutscher Produktion verwendet. Ursprünglich waren hierzu im Juli 1938 zunächst zwölf Exemplare der Enigma‑K an die Schweizer Armee geliefert worden, genauer an die Kriegstechnische Abteilung des Eidgenössischen Militärdepartements. Eine zweite Charge von 65 Stück folgte im Juli 1939. Ein drittes Los von weiteren 196 Stück, das ebenfalls bei der Herstellerfirma Heimsoeth & Rinke (H&R) in Berlin bestellt wurde, konnte oder wollte nur zögerlich geliefert werden. Teilmengen wurden zwischen Mai 1940 und Juli 1942 bedient.[10]

Daher entschlossen sich die Schweizer Stellen zu einem Nachbau. Im Jahr 1943 wurde dazu ein Auftrag an die Firma Zellweger in Uster vergeben.[11] Genau genommen wurde es kein einfacher Nachbau der Enigma, sondern eine erheblich verbesserte Nachfolgerin mit innovativen Konstruktionsmerkmalen, deutlich mehr Walzen als die Enigma, nämlich neun statt nur drei, modifizierter Walzenfortschaltung und natürlich neuer Verdrahtung, von den Schweizern als „Wicklung“ bezeichnet.[12]

Sie erhielt den Namen „Neue Maschine“. Daraus entstand die Kurzbezeichnung Nema (Eigenbezeichnung NEMA). Bereits im selben Jahr konnte Zellweger zwei Prototypen liefern, die im Jahr 1944 in Übungen ausgiebig getestet wurden. Im Frühjahr 1945 wurde eine weiter verbesserte Version als truppentauglich erklärt. Zellweger erhielt den Auftrag 640 Maschinen an die Schweizer Armee zu liefern. Die Geräte erhielten die Bezeichnung „NEMA Modell 45“. Sie wurden 1947 ausgeliefert. Wie sich später herausstellte, hatte die große Walzenanzahl einen praktischen Nachteil, nämlich, dass die Tasten erheblich schwergängiger waren und mehr Fingerdruck benötigten als bei der Enigma. Als Spitznamen erhielt die Nema den Namen „Fingerbrecher“.[13]

Literatur

  • Friedrich L. Bauer: Entzifferte Geheimnisse. Methoden und Maximen der Kryptologie. 3., überarbeitete und erweiterte Auflage. Springer, Berlin u. a. 2000, ISBN 3-540-67931-6.
  • Dominik Landwehr: Mythos Enigma. Transcript-Verlag, Bielefeld 2008, ISBN 978-3-89942-893-3.

Einzelnachweise

  1. Interview mit Klaus Kopacz – Eigentlich müsste ich 85.000 Euro verlangen, abgerufen am 3. November 2020.
  2. Réplicas Enigma, abgerufen am 24. Juni 2024 (spanisch, englisch, deutsch).
  3. (US) M1 Analog Machine bei Jerry Proc (englisch), abgerufen am 3. November 2020.
  4. Als die Briten unsichere Enigmas nach Israel verschenkten Klausis Krypto-Kolumne, abgerufen am 3. November 2020.
  5. Friedrich L. Bauer: Entzifferte Geheimnisse. Methoden und Maximen der Kryptologie. 3., überarbeitete und erweiterte Auflage. Springer, Berlin u. a. 2000, S. 147.
  6. Webseite von Jerry Proc (englisch), abgerufen am 3. November 2020.
  7. Norway Enigma im Crypto Museum (englisch), abgerufen: 3. November 2020.
  8. Krzysztof Gaj: Polish Cipher Machine –Lacida. Cryptologia. Rose-Hulman Institute of Technology. Taylor & Francis, Philadelphia PA 16.1992,1, ISSN 0161-1194, S. 74.
  9. Friedrich L. Bauer: Historische Notizen zur Informatik. Springer, Berlin 2009, S. 301. ISBN 3-540-85789-3
  10. Dominik Landwehr: Mythos Enigma. Transcript-Verlag, Bielefeld 2008, ISBN 978-3-89942-893-3, S. 64.
  11. Dominik Landwehr: Mythos Enigma. Transcript-Verlag, Bielefeld 2008, ISBN 978-3-89942-893-3, S. 69.
  12. Dominik Landwehr: Mythos Enigma. Transcript-Verlag, Bielefeld 2008, ISBN 978-3-89942-893-3, S. 250.
  13. Dominik Landwehr: Mythos Enigma. Transcript-Verlag, Bielefeld 2008, S. 70, ISBN 978-3-89942-893-3.

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Bletchley Park IMG 3607.JPG
Autor/Urheber: Magnus Manske, Lizenz: CC BY-SA 3.0
The Checking Machine (see label on top), Bletchley Park
Japanese-enigma.jpg
Autor/Urheber: Photography courtesy of Professor Roger Brown of the National Cryptologic Museum, Lizenz: CC BY-SA 3.0
Japanese copy of the German Enigma machine, on display at the National Cryptologic Museum, Maryland, USA. The Japanese developed an Enigma clone, codenamed GREEN by American cryptographers, although it was little used.
Museum-Enter-6095063.JPG
Autor/Urheber: Bobo11, Lizenz: CC BY-SA 3.0
im Museum Enter ausgestellte Rotor-Chiffriermaschine NEMA der Schweizer Armee
Enigma (crittografia) - Museo scienza e tecnologia Milano.jpg
Autor/Urheber: Alessandro Nassiri, Lizenz: CC BY-SA 4.0
Macchina crittatrice e decrittatrice. Esposta presso il museo nazionale della scienza e della tecnologia "L. Da Vinci" di Milano. La macchina Enigma si presenta come una scatola metallica scura con, sul lato superiore, una tastiera riportante 26 lettere posta inferiormente rispetto ad una sua esatta riproduzione in versione di "spie luminose" (visore), tali, cioè, che una lettera della tastiera superiore si illumina ogni qualvolta viene premuto un tasto in quella inferiore. Aprendo la macchina, sotto il visore sono visibili 28 portalampade: 26 per illuminare le lettere del visore prima descritto, 1usato come provalampade e 1 come tester. Superiormente alla "tastiera luminosa" sono posizionate a sinistra tre feritoie, da ciascuna delle quali si affaccia la corona dentata (anello) di un disco (rotore, tre in tutto) e una corrispondente finestrella che mostra la cifra di un contatore, e a destra un selettore meccanico. Frontalmente, la macchina presenta un pannello (steker) a 52 plug o prese, ove sono inseribili degli spinotti per il completamento di circuiti elettrici (collegamenti tra tastiera e primo rotore).
US M1 enigma analog 3.jpg
Autor/Urheber: Mark Pellegrini, Lizenz: CC BY-SA 2.5
Pictures taken by myself at the US National Cryptologic Museum.
Polish Enigma double.jpg
Autor/Urheber: Pilsudski Institute London, Lizenz: CC BY-SA 4.0
One of the four machines assembled in France in 1940, held in the Jozef Pilsudski Institute in London.