Emma Pieczynska-Reichenbach

Emma Pieczynska-Reichenbach (* 19. April 1854 in Paris; † 10. Februar 1927 in Le Mont-sur-Lausanne) war eine Schweizer Abolitionistin und Frauenrechtlerin.

Leben und Leistungen

Emma Reichenbach wurde mit fünf Jahren zur Vollwaise.[1] Sie wuchs bei Pflegefamilien in Genf und Neuenburg auf. Sobald sie alt genug dazu war, reiste sie nach Paris, wo sie den polnischen Intellektuellen Stanislas Pieczynski kennenlernte und heiratete. 1875 folgte sie ihm nach Polen. Entsetzt von dem schlechten Bildungsstand der Mädchen in Polen gab sie Unterricht in Lesen und Schreiben. 1881 kehrte sie für eine Kur in die Schweiz zurück. In Leukerbad lernte sie die US-amerikanische Ärztin und Suffragette Harriet Clisby kennen, die sie mit den Ideen der Frauenrechtsbewegung vertraut machte.

Nach ihrer Scheidung holte sie in Genf die Matur nach und studierte ab 1885 Medizin an der Universität Genf. 1889 reiste sie in die USA, wo sie erstmals die organisierte Frauenbewegung kennenlernte. 1891 kehrte sie in die Schweiz zurück und nahm erneut ihr Studium auf. In Bern lernte sie Helene von Mülinen kennen, deren Lebensgefährtin sie wurde. Die beiden Frauen lebten bis 1918 in der Wegmühle, einer Campagne in Bolligen bei Bern, welche zu einem Treffpunkt der Frauenbewegung wurde. Die nächsten fünf Jahre, von 1919 bis 1924, verbrachte Pieczynska, weiterhin zusammen mit v. Mülinen, an der Wylerstrasse 10 in Bern.

Sie nahm am Ersten Schweizerischen Kongress für die Interessen der Frau in Genf teil. Aufgrund krankheitsbedingter Gehörlosigkeit konnte sie nicht promovieren. Ihre These, eine Arbeit über die Sexualerziehung, veröffentlichte sie erst 1898 unter dem Titel L'école de la pureté (Die Schule der Reinheit).

Etwa zur selben Zeit lernte sie Josephine Butler, die Gründerin der Internationale Föderation zur Abschaffung der Prostitution kennen und wurde bald in den Vorstand der Vereinigung gewählt. 1891 gründete sie die Union des femmes de Genève (Genfer Frauenunion).

Gemeinsam mit von Mülinen und anderen gründete sie 1900 den Bund Schweizerischer Frauenvereine (BSF). 1906 war sie an der Gründung der Schweizerischen Konsumentenliga und 1915 der Nationalen Erziehungskommission beteiligt.

Werke

  • L'école de la pureté, 1898
  • La fraternité entre les sexes, 1906
  • Tagore Educateur, 1921 [dtsch. Übersetzung: Tagore als Erzieher, 1923]
  • Pages choisies, 1938

Literatur

  • Anne-Marie Käppeli: Pieczynska, Emma. In: Historisches Lexikon der Schweiz.
  • Doris Brodbeck: Hunger nach Gerechtigkeit. Helene von Mülinen (1850–1924), eine Wegbereiterin der Frauenemanzipation. Chronos, Zürich 2000, ISBN 3905313537
  • Anne-Marie Käppeli: Sublime croisade. Ethique et politique de féminisme protestant, 1875-1928. Zoé Genf 1990, S. 79–102.

Einzelnachweise

  1. Pieczynska, Emma. Abgerufen am 19. März 2021.