Elektronische Fahrradkettenschaltung

Die Elektronische Fahrradkettenschaltung umfasst elektronisch gesteuerte und elektromechanisch bewegte Schalt-Komponenten am Fahrrad. Über ein Bus-System werden Schaltwerk und Umwerfer elektronisch gesteuert und deren Parallelogramm elektromechanisch betätigt.

Hintergrund

Im Radsport werden die beweglichen Teile der Mechanik immer weiter verbessert und leichter gebaut. Mit zunehmend mehr Gängen und dadurch schmaleren Ritzeln und Ketten wurde die Schalthebel- und Schaltwerkmechanik immer anspruchsvoller und exakter. Ziel der Entwicklung ist es auch, ein möglichst schnelles „Hoch-“ und „Runter-“Schalten über mehrere Gänge hinweg auch unter Last zu ermöglichen.

Vorteile im Vergleich
Mechanische SchalteinheitElektronische Schalteinheit
  • Geringes Gewicht
  • Günstigerer Preis
  • Günstigere Ersatzteile, leicht verfügbar
  • Kommt ohne Akku und Elektronik aus
  • Dadurch Umweltschonender herzustellen
  • Genauerer Schaltvorgang
  • Dadurch filigranere Schaltwerke möglich
  • Kürzerer Schaltvorgang
  • Weniger mechanische Belastung aller Teile
  • Ganganzeige im Fahrradcomputer

Entwicklung

Batterie-Pack und Kontrolleinheit einer Shimano Di2 unter dem Innenlager eines Carbon Rahmens

Elektronisch gesteuerte und betriebene Getriebe wurden zunächst für Rennräder entwickelt, sind mittlerweile aber für alle Fahrradtypen verfügbar. Die elektronischen Systeme sind um das anderthalb- bis zweifache teurer als die analogen mechanischen Gruppen der Hersteller.

Bereits seit Ende der 1990er Jahre wurde von den Herstellern mit elektronischen Systemen experimentiert. 2004 wurden im Profi-Rennradsport erstmals „funktionsfähige Teile gesichtet“ (Tour).[1] Ab Mitte der 2010er Jahre hielten elektronische Schalteinheiten auch Einzug im semiprofessionellen Rennbereich. Außer im Straßenradsport nutzen auch Amateure im Cyclocrossbereich die Technik.

Shimano

Shimanos Handelsname für elektromechanische Kettenschaltungen lautet Di2 (Digital Integrated Intelligence). 2009 stellte Shimano erstmals unter dem Namen DuraAce Di2 elektronische Komponenten vor. Über ein eigenes Bus-System im Brems-Schalthebel („Flight Deck“) kommunizieren der Fahrradcomputer, ein Sensor im Kurbelarm und das Schaltwerk und Umwerfer miteinander. Später wurde auch die Ultegra Gruppe als Di2-Variante angeboten.

2014 folgte mit der XTR Di2 die elektronische Schaltung auch bei Mountainbikes. Shimano bezog dazu den MTB-Profi Julien Absalon in die Entwicklung ein.[2] Die Gruppe basiert auf der XTR-Gruppe M9000/M9020.[3] Die XTRDi2-Schaltung lässt sich mit nur einem Schalthebel bedienen, optional ist der Einsatz eines zweiten Schalthebels möglich. Als Kurbel werden 1-fach, 2-fach- und 3-fach-Varianten angeboten, um jeweils für Cross-Country, Tour/All-Mountain, Enduro etc. die passende Übersetzung zu ermöglichen.

Neuere Fahrradcomputer der Firma Garmin bieten eine Integration für Di2. Die Computer können Ganganzeige oder die Felder für Übersetzung, Kettenblatt-Ritzelkombination und den Akkuzustand anzeigen.

Campagnolo

Campagnolo baute zunächst bei seiner Spitzengruppe Super Record elektronische Komponenten ein. Später folgte die in der Campagnolo-Rangordnung darunter liegende Gruppe als Record EPS. Die Record 11 EPS (Electronic Power Shift) wurde so konstruiert, dass das Schalten über mehrere Übersetzungen in einem Schaltschritt tastenprogrammierbar ist. Das System besteht aus den elektronischen Ergopower-Hebeln, den motorgetriebenen Akteuren Schaltwerk und Umwerfer, einem kleinen Interface im Sichtfeld des Fahrers sowie dem Akkupack („Power Unit“ mit Überwachungs- und Anzeigefunktion) am Unterrohr. Campagnolo nutzt Kabel mit fünfpoligen Steckern.

SRAM

SRAMs Handelsname für elektromechanische Kettenschaltungen lautet eTap. SRAM arbeitete seit Sommer 2013 an einer Alternative zu Di2 von Shimano und EPS von Campagnolo. Zur Eurobike 2015 schließlich stellte SRAM das, in seine Spitzengruppe SRAM Red integrierte System vor. SRAM Red eTap überraschte bei seiner Einführung viele Beobachter, weil es das erste drahtlose Schaltsystem der Fahrradtechnik war. SRAM entwickelte das eigene Bluetooth-Übertragungsprotokoll „Airea“ für seine Gruppe. Schaltwerk und Umwerfer haben je einen eigenen Akku (an beiden Schalteinheiten gleich) und in den Hebeln sind Batterien integriert (Knopfzellen vom Typ CR2032). Der Hersteller gibt eine Lebensdauer von bis zu 2 Jahren an.[4] Zusätzlich können am Griff sogenannte „Satellitenschalter“ eingebaut werden, die per Kabel mit dem jeweiligen Bremsschalthebel verbunden sind und der gleichen Schaltlogik folgen.[5]

Neuere Fahrradcomputer der Firma Garmin bieten eine Integration für SRAM Red eTap. Die Computer können Ganganzeige oder die Felder für Übersetzung, Kettenblatt-Ritzelkombination und weitere ansteuern.

Technik

Ultegra Di2 Schaltwerk

Die elektronische Schaltung basiert auf elektronisch gesteuerten und Schalteinheiten mit digitaler Übertragung, welche die elektromechanisch bewegten Umwerfereinheiten steuern. Bei den einzelnen Systemen werden die Komponenten mit einem Fahrradcomputer verknüpft, der die weiteren Rechenleistungen übernimmt. Teilweise sitzen auch Sensoren an der Kurbel, die die aufgebrachte Kraft des Pedalierers messen. Die so gewonnenen Daten gehen ebenfalls in die Berechnungen ein.

Schalthebel

Die Schalthebel sehen wie mechanische Schalt-Bremshebel aus; in der Bremsmulde befinden sich jedoch Taster, mit denen die Gänge gewählt werden können. Teilweise sind die Tastenkombinationen programmierbar; Campagnolo nennt die Funktion „Multishift“, mit der über mehrere Gänge geschaltet werden kann. Die Signale werden über einen Bus an die weiteren Komponenten übertragen. Die einzelnen Hersteller entwickelten spezifische Bussysteme für ihre Gruppen.

Schaltwerk und Umwerfer

Schaltwerk und Umwerfer sind technisch aus gleichen Teilen aufgebaut. Ein eingebauter Microprozessor steuert einen Digital-Analog-Wandler, der einen Servomotor speist. Der Servomotor bewegt das Parallelogramms des Schaltwerks. Campagnolo nutzt bei seinem EPS System einen stabförmigen Linearmotor.[1]

Fahrradcomputer bzw. Interface

Mit dem Wandel von mechanischen Tachometern zu digitalen Zählern etablierte sich der Begriff „Fahrradcomputer“ für das Gerät mit dem die zurückgelegte Strecke und Geschwindigkeit angezeigt werden. Shimano stellte als erster Hersteller eine elektronische Verbindung von seinen Schalt-Bremsgriffen (STI) zu speziellen Fahrradcomputern her. Bei diesem Flight Deck genannten System wurde auf dem Fahrradcomputer der aktuelle Gang angezeigt. Bei den elektronischen Antriebssystemen übernimmt der Fahrradcomputer diverse Rechenleistungen. So sind automatisierte, sensorgesteuerte Schaltvorgänge möglich.

Akkupack

Steuerung und Motoren benötigen relativ viel Strom. Deshalb arbeiten die Systeme mit getrennt am Unterrohr montierten Akkumulatorenbatterien. Das Campagnolo EPS-System arbeitet mit einer Betriebsspannung von 12 V.

Einzelnachweise

  1. a b TOUR Magazin: Test: Schaltung Campagnolo Super Record EPS – Test-Center. In: TOUR-MAGAZIN.de. Abgerufen am 14. Januar 2017.
  2. BIKE Magazin: Shimano XTR Di2 – Elektrische Schaltung für Biker – Komponenten. In: BIKE-MAGAZIN.de. Abgerufen am 8. Januar 2017.
  3. Shimano XTR Di2 (M9050): erste elektronische MTB-Schaltgruppe. In: MOUNTAINBIKE. (mountainbike-magazin.de [abgerufen am 16. Januar 2017]). Shimano XTR Di2 (M9050): erste elektronische MTB-Schaltgruppe (Memento vom 16. Januar 2017 im Internet Archive)
  4. Die Zukunft ist drahtlos | SRAM Red eTap – die kabellose Gruppe – Roadcycling DE. In: Roadcycling DE. (https://roadcycling.de/rennrad-ausruestung/komponenten-und-zubehoer/sram-red-etap-kabellose-gruppe#52tdAAsGxfMYlKVH. 97 [abgerufen am 15. Januar 2017]).
  5. Test: Sram Red eTap – wunderbar kabellos Schalten. In: velomotion.de. Abgerufen am 8. Januar 2017.

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Ultegra Di2 Fulcrum Racing Quattro