Elektrische Siemens-Lok von 1879
![](http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/2/24/First_electric_locomotive%2C_built_in_1879_by_Werner_von_Siemens.jpg/220px-First_electric_locomotive%2C_built_in_1879_by_Werner_von_Siemens.jpg)
![](http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/9/96/Berliner_Gewerbeausstellung_1879_Lageplan.jpg/220px-Berliner_Gewerbeausstellung_1879_Lageplan.jpg)
![](http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/8/8f/Erste_Elektrische_Lokomotive_von_Siemens%2C_Berlin_1881.png/220px-Erste_Elektrische_Lokomotive_von_Siemens%2C_Berlin_1881.png)
![](http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/5/5a/1879_Siemens_%26_Halske_Wernerwerk_Electric_locomotive.jpg/220px-1879_Siemens_%26_Halske_Wernerwerk_Electric_locomotive.jpg)
Auf der Berliner Gewerbeausstellung 1879 stellte Werner von Siemens die weltweit erste elektrische Lokomotive vor, die Ausstellungsbesucher auf einem Gleisoval beförderte.
Geschichte
Werner von Siemens, 1888 geadelt, entwickelte einen elektrischen Generator, basierend auf dem dynamoelektrischen Prinzip, den er sich 1866 patentieren ließ. Am 17. Januar 1867 hielt er einen Vortrag vor der Berliner Akademie der Wissenschaften, in dem er die erste wissenschaftliche Beschreibung des dynamoelektrischen Prinzips gab. Auf diesen Grundlagen wurden Elektromotoren gebaut, die zunächst stationär eingesetzt wurden.
Siemens versuchte nun, den Elektromotor auch in Fahrzeugen einzusetzen und ließ von seinem Konstrukteur Hemming Wesslau eine elektrische Lokomotive für die Senftenberger Stadtgrube Marie III entwerfen. Der vorgelegte Entwurf vom Juli 1878, nach dem die Lokomotive mit zwei Gummischeiben an einem Eisenband in Mittellage angetrieben werden sollte, und folgende Anpassungen konnten den Grubenbesitzer Carl Westphal aber nicht überzeugen. Er zweifelte an der Zuverlässigkeit, sorgte sich um die Investitionskosten und konnte sich mit Siemens nicht einigen. Es wurde zunächst keine Lokomotive nach diesen ersten Entwürfen gebaut.[1][2]
Siemens ließ den Entwurf seiner elektrischen Lokomotive weiter überarbeiten. Nun wurden die Achsen über ein Zahnradgetriebe angetrieben, das Eisenband wurde zur Stromübertragung herangezogen. Nach einem Entwurf vom Oktober 1878 wurde nun eine Lokomotive gebaut, um sie auf der Berliner Gewerbeausstellung 1879 der Öffentlichkeit vorzustellen.[3] Diese Ausstellung fand auf dem ULAP-Gelände am Lehrter Bahnhof statt. Dort wurde eine rd. 300 Meter lange Rundstrecke im Maschinenhof, in der Nähe des Eingangs gebaut. Die kleine Lokomotive bekam drei offene Personenwagen für je sechs Personen. Zur Ausstellungseröffnung präsentierte Werner Siemens persönlich[4] am 31. Mai 1879[5] seine Entwicklung.
„Die 300 Meter lange Bahn befindet sich hinter der Maschinenhalle. Der eigentliche Motor ist in der Maschinenhalle angebracht. Der Zug besteht aus einer Locomotive und drei zierlichen Waggons, in der Form zweier mit dem Rücken einander berührender Bänke, wie sie auf den Dächern der Omnibus- und Pferdebahnwagen gebräuchlich sind. Auf jeder Bank können bequem drei erwachsene Personen sitzen, so daß der Zug außer dem Lokomotivführer, der seinen Platz oben auf der Lokomotive hat, 18 Personen auf jeder Fahrt zu befördern vermag. Die Fahrgeschwindigkeit des Zuges ist vorläufig die der Pferdeeisenbahn; das ganze 300 Meter lange Schienengeleise wird in zwei Minuten durchfahren. Der Lokomotivführer kann den Zug in jedem Moment durch einen Ausschalter, mit dem er den elektrischen Strom absperrt, zum Stehen bringen. Die fast einstündige Probefahrt am Samstag ist zufriedenstellend ausgefallen.“
Die elektrische Bahn stellte einen Höhepunkt und Publikumsmagnet während der vier Monate andauernden Berliner Gewerbeausstellung dar.[7] Bis zum 30. September 1879 wurden insgesamt 86.398 Personen mit einer Geschwindigkeit von 7 km/h befördert.[5]
Die Lokomotive wurde mit einer Gleichspannung von 150 V betrieben, die elektrische Energie wurde über die beiden Schienen und ein dazwischen isoliert angeordnetes Eisenband geführt. Sie besaß einen in Längsachse gelagerten Rotor und seitlich herausragende Erregerspulen. Das Gleis hatte eine Spurweite von 490 mm.[7]
In den folgenden Jahren wurde diese elektrische Ausstellungsbahn auch in anderen Städten vorgeführt. Das Interesse war so groß, dass Siemens mehrere gleichartige Bahnen bauen musste. Ausstellungsorte waren unter anderem Brüssel (zum 50. Jahrestag der Belgischen Unabhängigkeit im Jubelpark 1880), London Sydenham (Crystal Palace 1880), Frankfurt am Main (Allgemeine Patent- und Musterschutz-Ausstellung im Palmengarten 1881), Kopenhagen (Tivolipark 1882) und Moskau (Allrussische Industrie- und Handwerksausstellung 1882).[8][9][10]
Eine erhaltene Original-Lokomotive befindet sich im Bestand des Deutschen Museums in München.[11] Im Deutschen Technikmuseum Berlin ist eine Nachbildung der Lok ausgestellt.[12]
Weitere Entwicklung
Die Siemens-Lokomotive von 1879 kann als erste betriebstaugliche elektrische Lokomotive angesehen werden. Nach den erfolgreich betriebenen Ausstellungsbahnen konnten elektrische Lokomotiven allmählich auch bei anderen Bahnen eingeführt werden. In den Folgejahren ging man dazu über, den Strom über Oberleitungen oder seitliche Stromschienen zu leiten.
Grubenlok Dorothea
![](http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/1/15/Siemens_mining_locomotive_001.jpg/220px-Siemens_mining_locomotive_001.jpg)
Siemens konnte 1882 die elektrische Lokomotive Dorothea für die Grubenbahn des sächsischen Königlichen Steinkohlenwerks Zauckerode bauen. Im Gegensatz zur Siemens-Lok von 1879, die den Strom über die Fahrschienen bezog, erhielt die Dorothea Stromabnehmer für eine Oberleitung. Sie war die erste Elektrolok der Welt, die in den Dauerbetrieb ging. Diese Lokomotive wurde mehrfach konstruktiv verändert, 1892 umgebaut und stand bis 1927 im Dienst. Sie ist heute im örtlichen Museum Haus der Heimat in Burgk (Freital) ausgestellt.
Straßenbahn Lichterfelde
![](http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/9/90/First_electric_tram-_Siemens_1881_in_Lichterfelde.jpg/220px-First_electric_tram-_Siemens_1881_in_Lichterfelde.jpg)
Bereits 1881 gelang es Siemens, die weltweit erste elektrische Straßenbahn zwischen dem Bahnhof Lichterfelde (Anhalter Bahn) und der Preußischen Hauptkadettenanstalt einzurichten. Bei dieser Bahn wurde der Strom über die elektrisch gegeneinander isolierten Schienen geleitet.
Rezeption
An die erste Vorstellung einer betriebstüchtigen Elektrolokomotive am 31. Mai 1879 wurde 100 Jahre später von beiden Staatsbahnen im geteilten Deutschland erinnert. Die Deutsche Bundesbahn veranstaltete vom 24. Mai bis 27. Mai 1979 eine Ausstellung 100 Jahre elektrische Eisenbahn im Ausbesserungswerk München-Freimann, die Deutsche Reichsbahn folgte vom 15. September bis 23. September 1979 mit einer Fahrzeugschau 30 Jahre DDR, 50 Jahre Raw Dessau, 100 Jahre elektrische Lokomotive am Bahnhof Dessau-Süd (neben dem Reichsbahn-Ausbesserungswerk Dessau). In München-Freimann fuhr ein Nachbau der Siemens-Lokomotive von 1879 auf einer Rundstrecke.
Literatur
- Manfred Benzenberg, Anton Joachimsthaler: 1879–1979 – 100 Jahre Elektrische Eisenbahn. 3. Auflage. Josef Keller Verlags KG, Starnberg 1980, ISBN 3-7808-0125-6.
- E. Hoffmann: Die Telegraphie und Elektro-Technik auf der Berliner Gewerbe-Ausstellung im Jahre 1879. Sonderdruck aus: Archiv für Post und Telegraphie 1879, Nr. 14. Berlin 1879. (Zitat S. 17–19 bei technik-in-bayern.de)
- Die elektrische Eisenbahn in Berlin. In: Das Neue Universum 1880, S. 36ff. (Online bei epilog.de)
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Benzenberg/Joachimsthaler: 100 Jahre Elektrische Eisenbahn, S. 15
- ↑ Werkbahnen im Lausitzer Braunkohlenbergbau LMBV Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungsgesellschaft mbH, Senftenberg 2019, S. 10, abgerufen am 16. Dezember 2023 (PDF).
- ↑ Benzenberg/Joachimsthaler: 100 Jahre Elektrische Eisenbahn, S. 16
- ↑ Elektrische Eisenbahnen. In: Oesterreichische Eisenbahn-Zeitung. Organ des Club österreichischer Eisenbahn-Beamten, 2. September 1883, S. 8 (online bei ANNO).
- ↑ a b Zum fünfundzwanzigjährigen Gedenktag der ersten elektrischen Bahn 1879 – 31. Mai 1904. In: Zeitschrift für Elektrotechnik / Zeitschrift für Elektrotechnik. Organ des Elektrotechnischen Verein(e)s in Wien, Heft 26/1904, S. 446 (online bei ANNO).
- ↑ Elektrische Eisenbahn. In: Wiener Zeitung, 10. Juni 1879, S. 5 (online bei ANNO).
- ↑ a b Aufs Gleis gesetzt – Siemens präsentiert die erste elektrische Eisenbahn der Welt. Auf Siemens.com, abgerufen am 6. Dezember 2023.
- ↑ Benzenberg/Joachimsthaler: 100 Jahre Elektrische Eisenbahn, S. 19
- ↑ Auskunft der Stadt Frankfurt vom 11. Dezember 2023: Das Bild wurde während der Allgemeinen Patent- und Musterschutz-Ausstellung 1881 aufgenommen. Die Ausstellungsbahn selber befand sich auf einem Grundstück, das erst später dem Palmengarten zugeschlagen wurde.
- ↑ Siemens in Russland, Bild des Ausstellungszuges von 1882. Auf: siemens.com, abgerufen am 12. Dezember 2023.
- ↑ Elektrische Lokomotive, Siemens & Halske, 1879. Auf: digital.deutsches-museum.de, abgerufen am 6. Dezember 2023.
- ↑ Bild der Siemens-Lokomotive von 1879 (Nachbau) Auf: berlin.museum-digital.de, abgerufen am 6. Dezember 2023.
Auf dieser Seite verwendete Medien
Elektr. Lokomotive von Siemens - Foto von 1879
Die Lokomotive wurde 1879 von Siemens & Halske mit der Werksnummer 1 für den Braunkohlenbergbau „Stadtgrube“, Senftenberg gebaut. Neben der Gewerbeausstellung in Berlin wurde die Lok auch auf Ausstellungsbahnen in Brüssel, London, Kopenhagen und Moskau gezeigt und ist seit 2007 in der Aussenstelle Theresienhöhe im Deutschen Museum in München ausgestellt.
Das gezeigte Bild zeigt einen Ausschnitt eines Originalfotos, das sich in meinem Besitz befindet. Es wurde im August 1879 anlässlich der Hochzeitsreise meiner Urgroßeltern August und Marie Kienitz beim Besuch der Gewerbeausstellung aufgenommen. Sieben Personen der vorderen Sitzreihe gehörten zur Hochzeitsgesellschaft, sie sind mir namentlich bekannt. Die Personen Nr. 1 bis 3 von links nach rechts sind Hermann Kienitz, Spediteur aus Görlitz (1818–1900), meine Urgroßmutter Marie Kienitz geb. Rehde (1857–1923), mein Urgroßvater August Kienitz, Spediteur aus Görlitz (1851–1914) mein Urgroßvater, Die Personen 4 bis 7 sind Geschwister meiner Urgroßeltern bzw. Ehepartner der Geschwister, die ich auch namentlich kenne. Wer Interesse an weiteren Daten dazu hat, kann mich unter der Email-Adresse ongong@web.de erreichen. E. WießnerAutor/Urheber: Loracco, Lizenz: CC BY-SA 4.0
Die erste elektrische Grubenlokomotive war die zweite elektrische Lokomotive überhaupt. Sie lief 45 Jahre, von 1882 bis 1927 im Oppelschacht in Zauckerode, und erhielt den Namen Dorothea. Das Bild zeigt die Lokomotive in Gestalt ihres Umbaus von 1892. Die Seitenverkleidung ist entfernt.
Im Juni 1878 entwarf Werner von Siemens erstmals eine Grubenlokomotive für eine Spurweite von 520 mm. Die erste Lokomotive wurde 1879 für ein Untertage-Braunkohlenbergwerk in Senftenberg gebaut. Der Besteller nahm die Lokomotive nicht ab, so dass Siemens die Gelegenheit nutzte, mit ihr auf der Berliner Gewerbeausstellung einen kleinen Personenzug zu ziehen. Dieser beförderte über 90.000 Personen und bewies damit die Praxistauglichkeit der Lokomotive. 1882 bot Siemens die Lokomotive dem Königlich-Sächsischen Steinkohlewerk Zauckerode an. Für die Lokomotive wurde im Werkvertrag ein Preis von 6.000 Mark angesetzt. Die Lok hatte zwei Treibachsen. Der Motor war längs der Fahrtrichtung eingebaut. Die Lokomotive hatte zwei Lokführersitze. Der Lokführer hatte seine Füße rechts und links der Lokomotive auf einer Fußstütze abzusetzen. Er blickte beim Fahren über die Lokomotive hinweg. Stromabnehmer war ein Kontaktwagen, der an einem umgekehrt montierten Ʇ-Träger auf horizontal angebrachten Rollen entlanglief. Um Funkenflug zu vermeiden, wurde auch mit einem rollenlosen Kontaktschlitten experimentiert. Der Verschleiß war aber so groß, dass man trotz der Nachteile wieder zum Kontaktwagen zurückkehrte. Fahrschalter und Bremse waren rechts. Links waren nur Kurbeln, die über eine Kette Fahrschalterwalze und Bremse bewegten. Die Maschine hatte eine Zugkraft von 1,7 kN. Sie wog 1550 kg. Die maximale Stromaufnahme war 70 Ampere, die Spannung betrug am Kontaktwagen 80 – 90 Volt. Die erste Probefahrt fand am 25. August 1882 statt.
Zwischen 1883 und 1902 baute Siemens 52 ähnliche Lokomotiven. Dieser Typ war mit 1500 kg etwas leichter, die Zugkraft war größer, 2,0 kN statt 1,7 kN. Die Steinkohlenwerke kauften 1891 eine solche zweite Lok. 1892 baute Siemens die erste Lok nach dem Vorbild der zweiten Lok um. Nunmehr üertrug ein Kegelradgetriebe mit einer schrägen Welle die Kraft vom Ritzel des Motors auf die Treibachsen. Es blieben von der ersten Lok nur sehr wenige Teile erhalten. Der Einsatz der Lokomotive erwies sich als um 3.000 Mark jährlich billiger als der Einsatz von Zugpferden. 1927 wurde der Oppelschacht abgeworfen. Die Lokomotive wurde an Siemens zurückgegeben. Die Lokomotive wurde aufgearbeitet und 1932 in Berlin ausgestellt. Dort überstand sie den Zweiten Weltkrieg und wurde 1954 nach München in das Siemens-Museum überführt. Heute steht sie im Haus der Heimat in Freital Burgk.Erste Elektrische Lokomotive von Siemens, Berlin 1881
Erste elektrische Straßenbahn von Siemens & Halske, die Bahn Lichterfelde–Kadettenanstalt.
Lageplan der Berliner Gewerbeausstellung 1879
Erste Elektrolokomotive von Werner Siemens, Berlin (vorgestellt auf der Berliner Gewerbeausstellung 1879) — Exponat im Deutschen Museum Verkehrszentrum München, Inv.-Nr. 3720. Stifter: Siemens & Halske AG, Berlin
Technische Daten:
- Gleichstrom 150 V
- Leistungsaufnahme: 2,2 kW
- Höchstgeschwindigkeit: 7 km/h
- Masse: 954 kg
- Zugkraft: 75 kN