Eisenbahnunfall von DuPont

Darstellung der Unfallstelle. Die ziehende Lokomotive liegt ganz links im Bild auf der Richtungsfahrbahn Süd der Interstate 5. Die zweite Lokomotive am Zugschluss (rechts oben) ist als einziges Fahrzeug nicht entgleist. Ein Waggon (blau) liegt unter der Brücke. Pfeil = Fahrtrichtung des Zugs. E-Marken = Böschungen
Neubaustrecke (rot), Bestands­strecke (grün) und Unfallort (Pfeil)

Der Eisenbahnunfall von DuPont war die Entgleisung eines Amtrak-Zuges am 18. Dezember 2017 um 07:33 Uhr Ortszeit (15:33 UTC) im US-Bundesstaat Washington, rund 70 Kilometer südlich von Seattle. Drei Menschen starben.

Ausgangslage

Geografische Lage

Die Unfallstelle liegt etwa 5 Kilometer südwestlich von DuPont, 30 Kilometer südwestlich von Tacoma im Pierce County und etwa 70 Kilometer südlich von Seattle.[1] Hier überquert die Bahnstrecke die Autobahn Interstate 5 (I-5), die entlang der Westküste der USA zwischen der mexikanischen und der kanadischen Grenze verläuft.

Infrastruktur

Die Bahnstrecke ist eingleisig und nicht elektrifiziert. Zwischen Tacoma und DuPont wurde sie 2010 bis 2017 neu gebaut, der sogenannte Point Defiance Bypass. Das Wegerecht („Right of way“) liegt hier bei dem Unternehmen Sound Transit, gebaut wurde vom Verkehrsministerium des Staates Washington.[2] Der Point Defiance Bypass wurde für eine Höchstgeschwindigkeit von 79 mph (= 127 km/h) ausgelegt. An der Unfallstelle besteht allerdings eine örtliche Geschwindigkeitsbegrenzung auf 30 mph (48 km/h). Die Strecke ist mit dem Zugsicherungssystem PTC ausgestattet, das aber hier noch nicht aktiviert war.[3] Diese Strecke ersetzt eine längere der The Burlington Northern and Santa Fe Railway (BNSF), die bisher von den Cascade-Zügen genutzt wurde, kurvenreich entlang dem Puget Sound verläuft[4], aber keine automatische Zugsicherung aufweist.[5] Zuschüsse des Bundes waren an die Bedingung geknüpft, dass die Strecke Mitte 2017 fertiggestellt werde und staatlicherseits war zugesagt, sie noch im selben Jahr zu eröffnen.[6]

Die neu ausgebaute Strecke verläuft sehr geradlinig durch DuPont, anschließend begleitet sie in etwa 25 Metern Abstand die I-5 an deren Nord(west)seite. Für deren Überquerung entfernt sich die Bahnstrecke dann auf 50 Meter von der I-5, um mit einer scharfen Linkskurve auf die Brücke, die über die Autobahn führt, weiterzuleiten. Diese Kurve durchmisst einen Kreisbogen von etwa 45° bei einem Kurvenradius von 140 Meter. Die anschließende, etwa 30 Meter lange Stahlbrücke hat in Längsrichtung versetzte Träger und überspannt die hier 3-spurige Richtungsfahrbahn Süd der I-5 mit einem spitzen Winkel von etwa 40°.

Der Zug

Der Amtrak-Cascades-Zug 501 fuhr um 6 Uhr Ortszeit in Seattle mit dem Ziel Portland ab. Im Zug befanden sich fünf Eisenbahner, ein Techniker des Herstellers Talgo[7] und 77 Fahrgäste.[8][9] Der Zug bestand aus der führenden dieselelektrischen Lokomotive der Baureihe Siemens Charger, 12 Talgo-Reisezugwagen und der P42-Lokomotive von General Electric mit der Betriebsnummer 181, die am Ende des Zuges mitlief.[10] Siemens Charger haben eine Höchstgeschwindigkeit von 200 km/h. Der Amtrak Cascades war der erste planmäßige Personenzug, der die Neubaustrecke befuhr.[11]

Unfallhergang

Der Zug befuhr die vor der Brücke liegende Kurve mit stark überhöhter Geschwindigkeit. Wie die Nationale Behörde für Verkehrssicherheit nachträglich feststellte, war der Zug mit 130 km/h in die Kurve eingefahren.[12] Der Zug wurde deshalb aus der Kurve getragen, entgleiste – bis auf die am Zugschluss laufende, zweite Lokomotive – komplett und ein Teil der Eisenbahnfahrzeuge gelangte auf die Autobahn, wo sie mit fünf Pkw und zwei Lkw kollidierten.[13]

Folgen

Bei dem Eisenbahnunfall starben drei Passagiere[14][15], mehr als 100 Menschen wurden darüber hinaus verletzt, darunter auch eine Reihe Autofahrer.[16] Sie wurden in umliegende Krankenhäuser gebracht.

Der Eisenbahnverkehr war nur kurzzeitig unterbrochen und wurde dann über die alte Strecke geleitet.[17] Das Verkehrsministerium des US-Bundesstaates Washington kündigte an, dass der Personenverkehr über die Neubaustrecke erst wieder aufgenommen werde, wenn das Zugsicherungssystem PTC auf der Gesamtstrecke voll funktionsfähig sei und der Abschlussbericht der NTSB vorliege.[18] Die Wiederaufnahme ist für 2020 geplant.[19][veraltet]

Alle Fahrspuren der zunächst gesperrten I-5 konnten bis zum 21. Dezember nach Räumungs- und Reparaturarbeiten wieder für den Verkehr freigegeben werden.[20]

Der entstandene Sachschaden wurde auf über 40 Millionen US-Dollar geschätzt.[21]

Der vorläufige Abschlussbericht der NTSB bezeichnete den Unfall als „vermeidbar“ und nannte als Faktoren, die zu diesem und dessen Schwere führten:[14][15]:

  • Eine zu plötzliche Geschwindigkeitsbeschränkung,
  • Eröffnung der Strecke bevor das Zugsicherungssystem funktionsfähig war,
  • fehlende Streckenerfahrung des Personals, Ausbildungsmängel, lückenhafte Handbücher,
  • mangelhafte Signalisierung der Strecke und
  • ein nicht den üblichen Sicherheitsanforderungen genügende Zustand des Zuges, der nur aufgrund einer Ausnahmegenehmigung betrieben werden durfte.

Wissenswert

Auf der Strecke Seattle–Portland entgleiste in einem Abschnitt, in dem das Zugsicherungssystem PTC bereits aktiviert war, ebenfalls am 18. Dezember 2017, ein weiterer Zug. Vor diesem zweiten Zug war eine Lokomotive eingesetzt, die noch nicht mit einem Empfangsgerät für PTC ausgestattet war.[22]

Literatur

Einzelnachweise

  1. Amtrak Washington train crash: Deaths as rail carriages fall on US motorway. In: BBC.com. 19. Dezember 2017, abgerufen am 19. Dezember 2017.
  2. Sound Transit: Point Defiance Bypass (Memento des Originals vom 22. Dezember 2017 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.soundtransit.org.
  3. Veronica Rocha, Brian Ries, Amanda Wills: Amtrak train derails in Washington: Live updates. In: CNN.com. 18. Dezember 2017, abgerufen am 20. Dezember 2017 (englisch).
  4. Craig Sailor: One of last great Washington train rides coming to an end (Memento des Originals vom 22. Dezember 2017 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.thenewstribune.com. In: The News Tribune vom 9. Dezember 2017.
  5. Mike Baker: Washington state: No passenger trains on Amtrak derailment route until safety systems are in place. In: Seattle Times vom 21. Dezember 2017. Abgerufen am 22. Dezember 2017.
  6. Mike Baker: Washington state: No passenger trains on Amtrak derailment route until safety systems are in place. In: Seattle Times vom 21. Dezember 2017. Abgerufen am 22. Dezember 2017.
  7. Lauren Meltzer: Amtrak train derailment: At least 3 killed in Washington state crash. In: CBS News vom 18. Dezember 2017. Abgerufen am 22. Dezember 2017.
  8. NN: Amtrak Washington train crash: Deaths as carriages fall on US motorway. In: BBC News vom 19. Dezember 2017. Abgerufen am 22. Dezember 2017.
  9. Jon Ostrower, Joe Sterling und Ralph Ellis: At least 3 dead in Amtrak derailment in Washington state, official says. In: CNN vom 19. Dezember 2017. Abgerufen am 22. Dezember 2017.
  10. Washington train crash: Rail carriage falls on US motorway. In: BBC News Online vom 19. Dezember 2017. Abgerufen am 22. Dezember 2017.
  11. Ted Mann, Alejandro Lazo und Zusha Elinson: Three Are Killed as Amtrak Train Derails in Washington State. In: Wall Street Journal vom 19. Dezember 2017. Abgerufen am 22. Dezember 2017.
  12. Christiane Heil: Viel zu schnell in die Kurve. In: FAZ. 20. Dezember 2017, S. 8.
  13. NN: Amtrak Washington train crash: Investigators focus on speed. In: BBC News vom 19. Dezember 2017. Abgerufen am 22. Dezember 2017.
  14. a b National Transportation Safety Board releases findings on deadly 2017 Amtrak crash. In: Curbed. 21. Mai 2019, abgerufen am 29. März 2020 (englisch).
  15. a b Curtis Tate: National Transportation Safety Board says multiple state and federal agencies failed in 2017 Washington state crash. In: Trains.com. 21. Mai 2029, abgerufen am 29. März 2020 (englisch).
  16. Christiane Heil: Viel zu schnell in die Kurve. In: FAZ. 20. Dezember 2017, S. 8.
  17. Jon Ostrower, Joe Sterling und Ralph Ellis: At least 3 dead in Amtrak derailment in Washington state, official says. In: CNN vom 19. Dezember 2017. Abgerufen am 22. Dezember 2017.
  18. Mike Baker: Washington state: No passenger trains on Amtrak derailment route until safety systems are in place. In: Seattle Times vom 21. Dezember 2017. Abgerufen am 22. Dezember 2017.
  19. Rail - Tacoma - Bypass of Point Defiance. Washington State Department of Transportation, Januar 2020, abgerufen am 29. März 2020 (englisch).
  20. All lanes of I-5 at site of deadly Amtrak train derailment are open for morning commute. In: Seattle Times. 21. Dezember 2017, abgerufen am 29. März 2020 (englisch).
  21. Preliminary Report Railroad Amtrak Passenger Train 501 Derailment DuPont, Washington December 18, 2017 RRD18MR001. National Transportation Safety Board, 4. Januar 2018, abgerufen am 29. März 2020 (englisch).
  22. Christiane Heil: Viel zu schnell in die Kurve. In: FAZ. 20. Dezember 2017, S. 8.

Koordinaten: 47° 4′ 55″ N, 122° 40′ 33″ W

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Schematic site overview. The lead locomotive is the leftmost vehicle, in the southbound lanes of Interstate 5. The train's rear vehicle, a locomotive, is top-right. Note that one car lies, inverted, under the bridge (shown in blue).