Einhandsegeln

Flagge Unaone, wird oft von Einhandseglern gesetzt

Einhandsegeln bezeichnet das Segeln eines Bootes mit nur einer Person an Bord. Da viele offene Segelboote wie Jollen und kleinere Kielboote von nur einer Person gesegelt werden, ist mit Einhandsegeln im Besonderen eher das (ungewöhnlichere) einhändige Segeln in größeren Booten auf Küstenfahrt oder auf See gemeint.

Der Begriff ist eine Übersetzung des englischen Single-handed sailing (vom englischen Ausdruck für Besatzungsmitglied, hand) und bezeichnet damit die Mannschaftsstärke (vgl. Hand für Koje).

Geschichte

Bernard Gilboy auf seinem 18 Fuß langen Schoner Pacific (1882)

Die erste Weltumrundung eines Einhandseglers fand 1895–1898 durch Joshua Slocum statt. Als erste Frau überquerte die Britin Ann Davison 1952/1953 solo den Atlantik. Der Engländer Robin Knox-Johnston führte 1968–1969 erstmals eine Einhand-Weltumsegelung durch, ohne unterwegs einen Hafen anzulaufen. Die erste Einhandseglerin, die die Welt nonstop umrundete, war 1988 die Australierin Kay Cottee, die in ihrer 11-Meter-Jacht First Lady in 187 Tagen von Sydneys Vorort Watsons Bay um die Erde und zurück in den Hafen von Sydney segelte.

Die Zahl der Weltumsegelungen durch Einhandsegler dürfte inzwischen einige Hundert betragen, wobei keine Institution über solche Reisen Buch führt. Einen regelrechten Boom erlebte das Hochsee-Einhandsegeln durch die Entwicklung leistungsfähiger mechanischer Selbststeueranlagen in den 1970er Jahren.

Der bekannteste deutsche Einhandsegler und zugleich der erste deutsche Einhand-Weltumsegler ist Wilfried Erdmann, der auch als einziger mit derselben Yacht Kathena Nui die Erde in beiden Richtungen (also mit den vorherrschenden Windrichtungen und gegen diese) umrundete. Die erste deutsche Frau, die einhand die Welt umsegelte, war Gudrun Calligaro.

Psychische Herausforderungen

Eine mehrtägige, mehrwöchige oder mehrmonatige Fahrt bedeutet eine besondere psychische Belastung für den Segler. Neben dem Alleinsein wird Schlafmangel zur Gefahr: Müdigkeit führt zu verminderter Konzentrations- und Leistungsfähigkeit und Beeinträchtigung der Wahrnehmung bis hin zu hypnagogen Halluzinationen. Frieren, allgemeines Unwohlsein, Antriebslosigkeit und erhöhte Reizbarkeit sind „normale“ Begleiterscheinungen, Depressionen und Angstzustände können die Folge sein.

Anforderungen an das Boot

Viele Einhandsegler versuchen, möglichst alle Manöver von einem Platz aus durchzuführen. Daher stellt das Einhandsegeln weitere Anforderungen an Konstruktion und Ausstattung eines Bootes. Häufig werden beispielsweise alle Schoten und Fallen in das Cockpit geführt, damit der Einhandsegler sich beim Hissen, Reffen oder Bergen der Segel nicht weit vom Ruder entfernen muss. Selbststeueranlagen gehören zum Standard.

Risiken

Streng genommen ist Einhandsegeln über mehrere Tage weder mit guter Seemannschaft noch mit internationalem Seerecht vereinbar, da während der Schlafphasen des Skippers keine Wache gehalten wird (kein ständiger Ausguck, keine Funkwache). Moderne Navigationselektronik (Radar, AIS) kann mit entsprechenden Alarmsystemen zwar vor drohenden Kollisionen warnen, dies gilt jedoch nicht als Ersatz für den menschlichen Ausguck.

In der Praxis sind Kollisionen von Einhandseglern mit anderen Schiffen allerdings sehr selten, da sie üblicherweise abseits befahrener Schifffahrtsrouten unterwegs sind. Trotzdem schließen viele Yachtversicherungen einen Versicherungsschutz beim Einhandsegeln explizit aus.

Weitere Risiken sind die fehlende Hilfe bei möglichen (z. B. medizinischen) Notfällen sowie die erhöhte Gefahr bei einem Über-Bord-Gehen, da in diesem Fall keine Rettung durch andere Besatzungsmitglieder erfolgen kann.[1]

Rekorde bei Einhand-Weltumseglungen

Ellen McArthur
Francis Joyon
François Gabart

Den Rekord der schnellsten Einhand-Weltumsegelung einer Frau hält Ellen MacArthur, die 2005 nach 71 Tagen nach Ouessant im Nordwesten Frankreichs zurückkehrte. Bis Januar 2008 war das auch Weltbestleistung, dann brach der Franzose Francis Joyon diesen Rekord mit 57 Tagen, 13 Stunden und 34 Minuten. 2016 brauchte der Franzose Thomas Coville 49 Tage, 3 Stunden und 7 Minuten für eine Einhandweltumseglung.[2] Den aktuellen Rekord (2017) hält der französische Segler François Gabart mit einem 30 Meter langen Trimaran MACIF. Der 34-Jährige kreuzte die Start- und Ziellinie vor Brest nach 42 Tagen, 16 Stunden, 40 Minuten und 35 Sekunden.[3] Die längste Zeit alleine auf See verbrachte der Australier Jon Sanders, der die Welt dreimal und nonstop in 657 Tagen umrundete.

Einhand-Weltumsegler nonstop gegen den Wind (von Ost nach West)

  • 1970 Sir Chay Blyth, Großbritannien (UK) in 292 Tagen
  • 1994 Mike Golding, Großbritannien (UK) in 161 Tagen
  • 2000 Philippe Monnet, Frankreich in 151 Tagen
  • 2001 Wilfried Erdmann, Deutschland in 343 Tagen
  • 2004 Jean-Luc van den Heede, Frankreich in 122 Tagen (Rekord)
  • 2006 Denise „Dee“ Caffari, Großbritannien (UK) in 178 Tagen

Altersrekorde

Bei den Einhand-Weltumrundungen hat sich mittlerweile ein Wettbewerb um die jüngste Person mit einer abgeschlossenen Weltumrundung entwickelt. Folgende Segler hatten jeweils zum Abschluss ihrer Umrundung den Altersrekord inne (mit Jahr und Alter – Jahre und Tage – beim Abschluss der Umrundung):

Jüngster deutscher Einhand-Weltumsegler ist Paul Graute (1973, 25 Jahre und 35 Tage alt).[5]

Jeanne Socrates ist die älteste Frau, die 2019 mit 76 Jahren als Einhandseglerin die Erde umrundet hat.[6]

Wettbewerbe

Im Jahre 1960 wurde erstmals die Transatlantikregatta Single-Handed Transatlantic Race (STAR) ausgerichtet, die von Plymouth, Großbritannien, nach Newport, Rhode Island, USA, führte. Dieses Rennen wird unter verschiedenen Namen bis in die Gegenwart veranstaltet und ist damit die traditionsreichste Regatta für Einhandsegler.[7] Deutsche Teilnehmer an diesem Rennen waren u. a. Claus Hehner (1972: 28. Platz) und Wolfgang Quix, die sich allerdings nicht gegen die internationale Konkurrenz behaupten konnten. Traditionell wird das OSTAR von Franzosen und Engländern dominiert, wobei seit den 1980er Jahren grundsätzlich Mehrrumpfboote die vorderen Plätze belegten.

Als anspruchsvollste Regatta für Einhandsegler gilt die Vendée Globe, die – wie das OSTAR – in vierjährigem Turnus veranstaltet wird.

Seit 2012 wird in Dänemark die Silverrudder Challenge,[8] eine Einhandregatta „rund Fünen“, ausgetragen. 2012 gingen 15 Segler an den Start, 2015 waren schon 330 Starter gemeldet.

Bekannte Einhandsegler

Bekannte Einhandsegler sind:

Die größten Aktivitäten des sportlichen Einhandsegelns gibt es in Frankreich. Die wichtigsten Einhandregatten werden regelmäßig von französischen Seglern gewonnen. Bekannte Einhand-Regattasegler der jüngeren Geschichte sind:

Einhandsegeln in Film und Belletristik

In All Is Lost spielt Robert Redford einen schiffbrüchigen Einhandsegler – der Spiegel nannte den Film „ein maximal reduziertes Meisterwerk“.[9]

2021 nahm sich der deutsche Schriftsteller Christian Kortmann des Themas an. Über seinen Roman „Einhandsegeln“ schrieb die Zeitschrift Yacht: „Ein Mann allein auf dem Meer, voraus Kap Hoorn. Wie einst Moitessier steht er vor der Entscheidung, zurückzukehren oder einfach allem davonzusegeln. Christian Kortmann erzählt von einem, der den Kurs seines Lebens neu ausrichtet.“[10]

Literatur

  • Michael Steenbuck: Einhandsegeln. Palstek-Verlag, 2018, ISBN 978-3-931617-52-3.
  • Joshua Slocum: Sailing Alone Around the World. Barnes & Noble, New York 2005, ISBN 978-1-59308-303-8 (englisch, [1899]). (bei Google Books: [1])
  • Wilfried Erdmann: Allein gegen den Wind, Delius Klasing Verlag, ISBN 3-7688-1503-X.
  • Wilfried Erdmann: Die magische Route, Delius Klasing, ISBN 978-3-7688-0787-6.
  • Norbert Sedlacek: Im Grenzbereich des Möglichen – Als Einhandsegler um die Welt, Ullstein, 2009, ISBN 978-3-548-28078-3, –Homepage (Memento vom 26. Januar 2016 im Internet Archive)

Einzelnachweise

  1. „Die verzweifelte Suche nach Segler Bodo Rufenach“ (welt.de, 11. Januar 2011)
  2. In 49 Tagen um die Welt. Abgerufen am 24. November 2017.
  3. Solo-Weltumsegelung: Franzose Gabart knackt Rekord. Abgerufen am 17. Dezember 2017.
  4. Robin Lee Graham: Mein Schiff war die Taube. Delius Klasing, Bielefeld 1995, ISBN 3-7688-0881-5.
  5. Solo Circumnavigators — Robin Knox-Johnston. Abgerufen am 14. September 2018 (englisch).
  6. Barbara Barkhausen: „Mit 81 Jahren um die Welt“. Gießener Anzeiger, 7. Februar 2024, S. 8
  7. The Transat. Abgerufen am 5. Oktober 2015.
  8. Silverrudder. Abgerufen am 11. Mai 2016.
  9. Tim Slagman: Filmkritik zu „All is Lost“ mit Robert Redford. In: Der Spiegel. 7. Januar 2014, ISSN 2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 28. März 2022]).
  10. Christian Kortmann – Einhandsegeln :: Bücher :: DÖRLEMANN. Abgerufen am 28. März 2022.

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