Eierstock

Der paarig angelegte Eierstock – in der medizinischen Fachsprache auch als Ovar (lateinisch Ovarium; Plural Ovarien) bezeichnet – ist ein weibliches Geschlechtsorgan. Als Gonade (Keimdrüse, Fortpflanzungsdrüse) entspricht er dem Hoden männlicher Individuen und ist der Produktionsort der Eizellen bzw. Eier, die zyklisch freigesetzt werden (Ovarialzyklus). Darüber hinaus werden im Eierstock weibliche Geschlechtshormone (Östrogene und Progesteron) produziert.[1] Eierstöcke sind von Geburt an angelegt und zählen somit zu den primären Geschlechtsmerkmalen.

Schematische Darstellung der inneren weiblichen Geschlechtsorgane mit Gebärmutter (Uterus), Gebärmutterhals (Zervix), Eileitern, Eierstöcken (Ovar) und Vagina.

Säugetiere

Größe

Die Eierstöcke sind bei den meisten Säugetieren eiförmig. Der Eierstock der Frau ist 4 × 2 × 1 cm groß und hat eine Masse von 6 bis 8 g.[2]

Bei einer mittelgroßen Hündin ist der Eierstock etwa 2 cm lang und 1,5 cm dick. Bei einer weiblichen Hauskatze ist er 8 bis 9 mm lang. Bei der Kuh sind die Eierstöcke ca. 3 cm breit und 2 cm dick und wiegen 15 bis 19 g. Bei der Stute sind die Eierstöcke 5–8 × 2–4 cm groß und wiegen jeweils 50–80 g. Bei einer Zuchtsau wiegen die Eierstöcke jeweils etwa 8–14 g und sind etwa 5 cm lang.[3]

Aufbau

Vorgänge im Eierstock während der Eizellenreifung

Am Eierstock werden unterschieden: zwei Seitenflächen (Facies medialis und lateralis), ein freier (Margo liber) und ein Gekröserand (Margo mesovaricus) sowie ein oberer (Extremitas tubaria, bei vierfüßigen Säugetieren nach vorn gerichtet) und ein unterer Pol (Extremitas uterina, bei vierfüßigen Säugetieren nach hinten gerichtet).[2]

Das Ovar wird von einem einschichtigen isoprismatischen Epithel (Müller- oder Keimdrüsenepithel, Epithelium superficiale) überzogen. Es ist eine modifizierte Tunica serosa, die direkt in die darunter liegende weiße Bindegewebskapsel (Tunica albuginea) übergeht. Das Gewebe des Eierstocks besteht aus der äußeren Rinde und dem innen liegenden Mark. Bei Pferden sind die Verhältnisse umgekehrt, die Rinde ist zentral gelegen und erreicht nur im Bereich einer Einziehung, der Ovulationsgrube, die Oberfläche des Organs.[4]

Die Eierstockrinde (Cortex ovarii, Zona parenchymatosa) enthält die in Follikeln liegenden Eizellen, die von spinozellulärem Bindegewebe – einem speziellen Bindegewebe, das nur im Ovar vorkommt – umgeben sind. Während man jahrzehntelang davon ausging, dass Frauen nur mit einer bestimmten Anzahl Eizellen geboren würden[5] und dass sie nach deren Verbrauch unfruchtbar sein würden, wiesen amerikanische Forscher Anfang 2012 nach, dass sich Eizellen produzierende Stammzellen in weiblichen Eierstöcken befinden.[6]

Das Eierstockmark, Medulla ovarii oder Zona vasculosa, besteht aus Bindegewebe und enthält die Blutgefäße und Lymphgefäße sowie Nervenfasern des Plexus ovaricus.[2] Im Eierstockmark lassen sich bei einigen Tierarten (Rind, Meerschweinchen) Reste der primären Keimstränge nachweisen. Dieses Netz aus feinen Kanälchen wird Rete ovarii genannt.[7]

Lage

Die Eierstöcke der Frau liegen im „kleinen Becken“ an der Teilungsstelle der Arteria iliaca communis. Sie liegen dabei intraperitoneal in der Eierstockgrube (Fossa ovarica).Sie lassen sich mit zwei Fingern (einer durch die Scheide, der zweite durch die Bauchwand) ertasten und sind druckschmerzhaft. Benachbart sind:[2]

  • lateral (seitlich): Nervus obturatorius (bei Zysten oder Eierstockentzündungen treten dadurch häufig Schmerzen am Oberschenkel auf) und Musculus obturatorius internus
  • dorsal (rückenwärts): Harnleiter und Arteria iliaca communis
  • kranioventral (kopf-bauchseitig): Eileiter und Arteria iliaca communis
  • medial: intraperitoneale Organe wie Jejunum, Ileum, Wurmfortsatz (Appendix vermiformiszum rechten Eierstock), Colon sigmoideum, bei starker Füllung auch die Harnblase, bei Schwangeren die Gebärmutter

Entsprechend der embryonalen Anlage liegen die Eierstöcke der meisten Quadrupeden (Vierfüßer) hinter der jeweiligen Niere. Bei den Paarhufern kommt es, dem Hodenabstieg vergleichbar, zu einem Eierstockabstieg (Descensus ovarii). Bei ihnen liegen die Eierstöcke weiter hinten (kaudal) und bauchwärts (ventral) vor dem Eingang in das Becken. Bei Großtieren lassen sich die Eierstöcke rektal (man geht mit dem Arm über den After vor) ertasten.[3]

Befestigung des Eierstocks

Eierstock eines Schafes
1 Eierstock, 2 Tertiärfollikel, 3 Ligamentum ovarii proprium, 4 Eileiter, 5 Arteria und Vena ovarica im Mesovarium

Die Eierstöcke werden durch drei Bänder, die aus Serosa bestehen, befestigt:[2]

Mesovarium, Mesosalpinx und Ligamentum ovarii proprium bilden bei vielen Säugetieren die Eierstocktasche (Bursa ovarica). Dieser abgegrenzte Bauchfellraum umgibt den Eierstock teilweise wie beim Pferd oder ganz. Die Öffnung der Bursa ovarica ist entweder groß (Rind) oder ein kleiner Schlitz (Foramen bursae ovaricae bei Hund und Nagetieren). Man nimmt an, dass die Eierstocktasche vrhindert, dass Eizellen in die Peritonealhöhle gelangen.[8]

Versorgung des Eierstocks

Die Blutversorgung erfolgt über die direkt aus der Aorta entspringende Arteria ovarica, bei der Frau auch über den Eierstockast (Ramus ovaricus) der Arteria uterina. Das venöse Blut fließt über die Vena ovarica ab, ein Nebenabfluss existiert über die Venengeflechte (Plexus venosi) der Nachbarorgane.[2]

Die Nervenversorgung erfolgt über Fasern des vegetativen Nervensystems. Sie bilden an der Arteria ovarica ein Nervengeflecht, den Plexus ovaricus.[2]

Der Lymphabfluss erfolgt primär zu den Lendenlymphknoten (Nodi lymphatici lumbales), Nebenwege gibt es zu den Lymphknoten der Beckenwand.[2]

Die Gefäße und Nerven verlaufen im Mesovarium und treten über die Gefäßpforte (Hilus ovarii) in das Organ ein.[9]

Erkrankungen und Funktionsstörungen

Brenner-Tumor

Eine Entzündung des Eierstocks wird als Oopheritis bezeichnet. Sie tritt zumeist in Kombination mit Entzündungen des Eileiters auf und wird dann als Adnexitis bezeichnet.[10] Eine Verstopfung der abführenden Blutgefäße führt zu einer Ovarialvenenthrombose, die vor allem in der Nachgeburtsperiode auftritt.[11]

Der Eierstock kann Sitz verschiedener Tumoren sein. Eierstocktumoren machen etwa 15 % aller Tumoren der Frau aus, etwa ein Viertel davon sind bösartig. Das Ovarialkarzinom und der Klarzelltumor sind bösartige Tumoren. Das Kystadenom, das Oberflächenpapillom, die Struma ovarii, das Kystadenofibrom, der Adenomatoidtumor und der Brenner-Tumor sind gutartige Tumoren der Eierstöcke. Fibrome des Eierstocks können mit Bauchwassersucht einhergehen (Meigs-Syndrom). Das Zystom ist ein Drüsengeschwulst, bei der sich ein Sekrethohlraum bildet.[12]

Eine Unterfunktion der Keimdrüsen wird als Hypogonadismus bezeichnet. Funktionsstörungen des Eierstocks sind Ovarialinsuffizienz, Ovarialzysten und das polyzystische Ovarialsyndrom. In der Menopause kommt der Ovarialzyklus zum Erliegen. 1896 wendeten Richard Werth und Leopold Landau Eierstockpräparate bei Ausfallserscheinungen an.[13]

Das gleichzeitige Auftreten von Hodengewebe im Eierstock bezeichnet man als Ovotestis. Die fehlende Anlage während der Embryonalentwicklung nennt man Gonadendysgenesie oder Agonadismus. Die Dermoidzyste ist eine embryonale Fehlentwicklung, bei der ein mit Oberhautgewebe ausgekleideter Hohlraum entsteht.

Eierstock bei Vögeln

Eierstock mit Dotterkugeln (1) und Ovidukt (2) eines Haushuhns

Bei Vögeln ist zumeist nur der linke Eierstock ausgebildet. Bei wenigen Arten sollen auch Anteile des rechten Eierstocks erhalten bleiben. Der rechtsseitige Eileiter (Oviductus) wird zwar auch beim Embryo angelegt, bildet sich aber ausnahmslos bis zum Schlüpfen wieder zurück. Die Eierstöcke liegen bei Vögeln vor den Nieren. Im Gegensatz zum kompakten Organaufbau der Säugetiere erscheint der Eierstock der Vögel traubenförmig. Er besteht aus vielen Dotterkugeln, die dem späteren Eigelb entsprechen und mit kurzen Stielen aufgehängt sind. In der Legezeit wachsen ständig gelbe Dotterkugeln heran, so dass der Eierstock eine beträchtliche Größe erreichen kann. Bei einer Legehenne erreicht der Eierstock eine Masse von 60 g und besteht aus 4 bis 6 großen Dotterkugeln und bis zu 1600 kleinen Follikeln. In der Legepause sind die Dotterkugeln sehr klein und gräulich.[14]

Eierstöcke bei anderen Arten

Auch andere vielzellige Tierarten besitzen zumeist Eierstöcke oder eierstockartige Gonaden, dies gilt sowohl für Arten mit getrennten Geschlechtern als auch für zwittrige Arten.

Eine Besonderheit sind Schleimaale: Bei ihnen sind Eierstöcke und Hoden nicht ausdifferenziert, beide Arten von Keimzellen (Eizellen und Spermien) werden folglich in einer einzigen Gonade produziert. Trotzdem ist Selbstbefruchtung ausgeschlossen, da die Produktion zeitversetzt stattfindet.

Zu den kompliziertesten Eierstöcken gehören die der Plattwürmer.[15] Die meisten Plattwürmer besitzen zwei Arten von Ovarien:

  • Keimstöcke (auch Germarien, Ez. Germarium): Die eigentlichen Eierstöcke, in denen die befruchtungsfähigen Eizellen gebildet werden.
  • Dotterstöcke: Hier werden die sogenannten Dotterzellen gebildet, welche später den Embryo mit Nahrung versorgen.

Keim- und Dotterstöcke können, je nach Art, in großer Anzahl über das gesamte Bindegewebe verstreut liegen. Eizellen und Dotterzellen werden zu Eiern zusammengefügt. Liegen Keim- und Dotterstöcke räumlich auseinander, so sind sie über entsprechende Verbindungen (Eileiter bzw. Dottergänge) mit einem Raum verbunden, dem Ootyp. Dort findet dann die Vereinigung statt, bevor die Eier in die Gebärmutter wandern.

Männliche Kröten besitzen rudimentäre Eierstöcke, die Bidderschen Organe, die sich nach Entfernen der Hoden in funktionsfähige Eierstöcke umwandeln können.[16]

Bei Pflanzen, Pilzen und Algen heißen die entsprechenden Organe Archegonien bzw. Oogonien, bei Samenpflanzen auch Nucellus.

Literatur

  • Renate Lüllmann-Rauch: Taschenlehrbuch Histologe. Thieme, Stuttgart · New York, 5. Auflage, 2015, ISBN 978-3-13-129245-2, S. 538–555
  • Uwe Gille: Weibliche Geschlechtsorgane. In: Franz-Viktor Salomon u. a. (Hrsg.): Anatomie für die Tiermedizin. Enke, Stuttgart 2004, ISBN 3-8304-1007-7, S. 379–389.

Weblinks

Wiktionary: Eierstock – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Commons: Eierstock – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Lois Jovanovic, Genell J. Subak-Sharpe: Hormone. Das medizinische Handbuch für Frauen. Aus dem Amerikanischen von Margaret Auer, Kabel, Hamburg 1989, ISBN 3-8225-0100-X, S. 88 ff., 139 ff., 185 ff., 257 ff., 265 ff. und insbesondere S. 383 (Originalausgabe: Hormones. The Woman’s Answerbook. Atheneum, New York 198).
  2. a b c d e f g h Herbert Lippert: Anatomie kompakt. Springer Berlin Heidelberg 2013, ISBN 978-3-642-95726-0, S. 202.
  3. a b Richard Nickel: Lehrbuch der Anatomie der Haustiere. Eingeweide. Paul Parey 2004, S. 394.
  4. Ronald J. Riegel et al.: Bild-Text-Atlas zur Anatomie und Klinik des Pferdes. Band 2. Schlütersche, 2002, ISBN 978-3-89993-073-3, S. 59.
  5. Keine Neubildung von Eizellen. (Memento vom 22. Juni 2013 im Internet Archive) wissenschaft.de; Studie kann im Jahr 2004 aufgestellte Theorie, dass Frauen im Lauf ihres Erwachsenenlebens neue Eizellen bilden können, nicht bestätigen.
  6. Marieke Degen: Das Ende eines Dogmas – US-Forscher finden Stammzellen im Eierstock. In: dradio.de, Deutschlandfunk, Forschung aktuell, 29. Februar 2012 (2. März 2012).
  7. Uwe Gille: Weibliche Geschlechtsorgane. In: Franz-Viktor Salomon u. a. (Hrsg.): Anatomie für die Tiermedizin. 2., erweiterte Auflage. Enke, Stuttgart 2008, ISBN 978-3-8304-1075-1, S. 379–389.
  8. Marina Hosotani et al.: Anatomy and histology of the foramen of ovarian bursa opening to the peritoneal cavity and its changes in autoimmune disease‐prone mice. In: Journal of Anatomy. 2020, Band 238, Nummer 1, S. 73–85doi:10.1111/joa.13299.
  9. Marion Kiechle: Gynäkologie und Geburtshilfe. Elsevier, Urban&Fischer Verlag, 2007 ISBN 978-3-43-742406-9, S. 15
  10. Günther Kern: Gynäkologie. Thieme-Verlag, New York 1985, ISBN 3-13-460604-6.
  11. Jörg Baltzer: Praxis der Gynäkologie und Geburtshilfe. Georg Thieme, Stuttgart 2004, ISBN 978-3-13-129151-6, S. 326.
  12. Guenter Strauss et al.: Praktische Gynäkologie für Studium, Klinik und Praxis. De Gruyter 2011, ISBN 978-3-11-084488-7, S. 347–350.
  13. Paul Diepgen, Heinz Goerke: Aschoff/Diepgen/Goerke: Kurze Übersichtstabelle zur Geschichte der Medizin. 7., neubearbeitete Auflage. Springer, Berlin/Göttingen/Heidelberg 1960, S. 50.
  14. Salomon, Geyer, Gille (Hrsg.): Anatomie für die Tiermedizin. 4. Auflage. Enke, Stuttgart 2020, ISBN 978-3-13-242675-7, S. 808–809.
  15. Adolf Remane, Volker Storch, Ulrich Welsch: Systematische Zoologie. 6., bearbeitete und erweiterte Auflage. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg/ Berlin 2004, ISBN 3-8274-1112-2.
  16. F.D. Brown et al.: Bidder’s organ in the toad Bufo marinus: effects of orchidectomy on the morphology and expression of lamina-associated polypeptide 2. In: Dev Growth Differ., 2002 Dec, 44(6), S. 527–535. PMID 12492511

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