Eichsfeldplan

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In der Baumwollspinnerei (1986)
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Bau des Zementwerks Deuna (1974)

Der Eichsfeldplan war ein Entwicklungsplan der SED für das Eichsfeld im Norden Thüringens, der auf ihrem fünften Parteitag 1958 verabschiedet wurde.

Geschichtlicher Hintergrund

Das Eichsfeld war in den 1950er-Jahren eine katholische, wenig industrialisierte, verarmte Region im direkten Grenzgebiet zu Westdeutschland, die durch die innerdeutsche Grenze von den nahe gelegenen Großstädten Kassel und Göttingen abgeschnitten wurde. Dadurch befürchtete man, dass sich das Volk gegen die Machthaber in der DDR auflehnen könnte. Um dem zuvorzukommen, sollte das Eichsfeld „proletarisiert“ werden, durch Industrialisierung und Zuzug von Menschen aus anderen Teilen der DDR. Durch den Ausbau der sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Infrastruktur sollte das katholische Milieu gebrochen werden.[1]

Nachdem auf dem V. Parteitag der SED 1958 die Weichen für den Eichsfeldplan gestellt worden waren, verabschiedete am 14. Mai 1959 die SED-Bezirksleitung Erfurt den Plan der industriellen und kulturellen Entwicklung des Eichsfeldes.[2]

Umsetzung

Als zukünftiges industrielles Zentrum wurde das Dorf Leinefelde ausgewählt. Es lag ausreichend weit von der innerdeutschen Grenze entfernt und bot annehmbare Geländeverhältnisse in der bergigen Region sowie einen guten Eisenbahnanschluss Richtung Halle und Erfurt. 1961 wurde in Leinefelde die Baumwollspinnerei gegründet, die 4000 Mitarbeiter beschäftigte. Sie verarbeitete sowjetische Baumwolle aus Zentralasien und stellte den Großteil der in der DDR verarbeiteten Garne und Zwirne her. Für die 4000 Mitarbeiter entstand eine neue Wohnstadt in Leinefelde. Das Dorf wuchs von etwa 2500 Einwohnern nach dem Zweiten Weltkrieg auf 16.000 Einwohner vor der Wiedervereinigung an. 1969 erhielt Leinefelde anlässlich des 20. Jahrestags der DDR die Stadtrechte. Die Stadt blieb die einzige Sozialistische Stadt im Bezirk Erfurt.

Weitere ausgebaute Industriebetriebe im Obereichsfeld waren das durch die Ereignisse nach der Wende bekanntgewordene Kaliwerk in Bischofferode, das Kombinat Solidor Heiligenstadt und die neu errichtete Zementfabrik in Deuna. Dazu kamen kulturelle Einrichtungen wie das Kreiskulturhaus Heiligenstadt und die jetzige Obereichsfeldhalle in Leinefelde.

Im Zusammenhang mit dem Eichsfeldplan kam es ab dem Jahr 1960 zu einer umfassenden Gebietsplanung für die Kreise Heiligenstadt und Worbis, wofür das Büro für Gebiets-, Stadt- und Dorfplanung Weimar beauftragt wurde. Nach einer Analyse der natürlichen Bedingungen und gesellschaftlichen Einrichtungen sollte eine koordinierte Planung der Wirtschaft (Industrie und Landwirtschaft), Infrastruktur (öffentlicher Verkehr, Versorgung und Einrichtungen) und Wohnungsbau erfolgen.[3]

Literatur

  • Christian Stöber: „Lehren ziehen, Erfahrungen sammeln und ein Beispiel schaffen für den Aufbau des Sozialismus“ – SED-Herrschaft in den 1950er-Jahren und die Entstehung des Eichsfeldplans. In: Eichsfeld-Jahrbuch, Jg. 22 (2014), S. 281–312.
  • Grenzlandmuseum Eichsfeld e.V. (Hrsg.): Ausstellungsbegleitband, Duderstadt 2010.
  • Petra Behrens: Regionale Identität und Regionalkultur in Demokratie und Diktatur. Heimatpropaganda, regionalkulturelle Aktivitäten und die Konstruktion der Region Eichsfeld zwischen 1918 und 1961 (Historische Grundlagen der Moderne; Bd. 6). Nomos VG, Baden-Baden 2012, ISBN 978-3-8329-7655-2 (zugl. Dissertation, Universität Hannover 2010). Darin besonders das Kapitel 5.6: Der Eichsfeldplan als Mittel der sozialistischen Umgestaltung der Region, S. 232–241.
  • Christian Stöber: Rosenkranzkommunismus. Die SED-Diktatur und das katholische Milieu im Eichsfeld 1945 - 1989, Ch. Links Verlag, Berlin 2019.

Quellen

  • Lutz Heydick u. a. (Hrsg.): Historischer Führer. Bezirke Erfurt, Gera, Suhl. Urania-Verlag, Leipzig 1977, ISBN 3-332-00186-8, S. 76.
  • Kreistag Worbis (Hrsg.): Eichsfeldplan : Massnahmeplan zur weiteren kulturellen Entwicklung des Kreises Worbis bis 1960., Worbis 1959 + Beiheft

Einzelnachweise

  1. Christian Stöber: „Lehren ziehen, Erfahrungen sammeln und ein Beispiel schaffen für den Aufbau des Sozialismus“ – SED-Herrschaft in den 1950er-Jahren und die Entstehung des Eichsfeldplanes. in: Eichsfeld-Jahrbuch 2014, 22. Jg., Mecke Verlag Duderstadt
  2. Adelheid von Saldern: Inszenierte Einigkeit: Herrschaftspräsentation in DDR-Städten. Franz Steiner Verlag Stuttgart 2003, Seite 240 (Quelle: ThHStA Weimar, BPA SED EF/Kl WBS 4.13-050, Beschluss des Büros der Bezirksleitung vom 14. Mai 1959)
  3. Kurt Weinrich: Gebietsplanung Eichsfeld. In: Eichsfelder Heimathefte 3. Jg 1961 Heft 3, S. 27–37

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Es folgt die historische Originalbeschreibung, die das Bundesarchiv aus dokumentarischen Gründen übernommen hat. Diese kann allerdings fehlerhaft, tendenziös, überholt oder politisch extrem sein.
Deuna, Bau des Zementwerks ADN-ZB Ludwig-6-8-74- Bez. Erfurt: Baustelle der Integration- Zementwerk entsteht in Deuna- Spezialisten aus der VR Polen und der DDR bei Arbeiten an einem Mühlenzylinder in dem das Rohmaterial gemalen wird. Im Eichsfeldkreis Worbis, der sich mit dem Bau der Baumwollspinnerei und- Zwirnerei Leinefelde und der Entwicklung einer Reihe anderer Betrieb seit der Gründung der DDR von einem Notstandsgebiet zu einem Territorium wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Emporstrebens entwickelt hat, wird gegenwärtig ein großes Zementwerk errichtet. Am Bau sind Spezialisten aus der UdSSR - die auch die Ausrüstung liefert - den Volksrepubliken Polen, Ungarn und Bulgarien, der CSSR und der SFRJ sowie der DDR beteiligt. Nach seiner Fertigstellung wird das Wrk jährlich 2,4 Mio Tonnen Zement liefern. Bitte auch die Motive N0806-9 u. 11 N beachten!
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ADN-ZB-Ludwig 25.4.1986 pra-Bez. Erfurt: Wettbewerb. Eine zusätzliche Produktion von 59,1 Tonnen Baumwollgarne konnten die Werktätigen der Baumwollspinnerei Leinefelde nach dem ersten Quartal 1986 abrechnen. An Kreuzspulmaschinen aus der CSSR arbeitet die Automatenspulerin Evelyn Seeboth.