Egon Hartmann (Architekt)

Hochhaus in Erfurt, von Südwesten betrachtet
Häuser von Block B der Karl-Marx-Allee, ehemals Stalinallee, in Berlin
Reichenberger Brunnen auf Vorplatz von Kongress am Park in Augsburg

Egon Hartmann (* 24. August 1919 in Reichenberg, Tschechoslowakei; † 6. Dezember 2009 in München) war ein deutscher Architekt und Stadtplaner.

Leben

Hartmann wurde als einziges Kind von Franz und Anna Hartmann, geb. Müller, geboren. Er besuchte bis 1934 die Volks- und die Staatsrealschule in Reichenberg, von 1934 bis 1938 dann die Höhere Staatsgewerbeschule in Reichenberg, wo er den Abschluss zum Bauingenieur absolvierte. Anschließend war er Mitarbeiter beim Architekten Henry König in Berlin, bevor er von 1939 bis 1945 am Zweiten Weltkrieg teilnahm, zuletzt als Leutnant der Reserve. Im Wintersemester 1942/43 studierte er an der Hochschule für Baukunst und Bildende Kunst in Weimar. Im August 1944 heiratete Hartmann Waltraude, geb. Pohl. Aus der Ehe gingen vier Kinder hervor. Im November 1944 erlitt er mit dem Verlust des Unterkiefers die schwerste Kriegsverletzung und musste bis Oktober 1945 im Kieferlazarett in Prag, später in Gotha zubringen. Von 1946 bis 1948 setzte Hartmann sein Studium in Weimar fort und schloss als Diplomarchitekt ab. Von 1948 bis 1949 war er Assistent bei Prof. Gustav Hassenpflug an der Hochschule in Weimar. Einem Ersten Preis beim Wettbewerb um die Schule Unterwellenborn folgte der Eintritt in das Landesprojektierungsbüro Thüringen in Weimar. Hartmann war an zahlreichen städtebaulichen Wiederaufbaustudien und Generalbebauungsplanungen in der Sowjetischen Besatzungszone bzw. der DDR beteiligt. Nach Plänen von Hartmann wurde 1950/51 in Erfurt ein Verwaltungshochhaus als „Ministerialdienstgebäude“ errichtet; es war das erste in der DDR gebaute Hochhaus außerhalb Berlins und steht heute unter Denkmalschutz.[1] 1951 gewann er den ersten Preis im Wettbewerb für die städtebauliche und architektonische Gestaltung der Ost-Berliner Stalinallee. Als Chefarchitekt und technischer Leiter des staatlichen Projektierungsbüros für Stadt- und Dorfplanung in Weimar verantwortete er die Erarbeitung von Flächennutzungs- und Bebauungsplänen für über 30 thüringische Städte und Stadtzentren. 1952 wurde Hartmann der Nationalpreis I. Klasse für Kunst und Literatur der DDR verliehen.

1954 siedelte er in die Bundesrepublik über, wo er zunächst im Hochbauamt Mainz angestellt war. 1958 errang er beim wichtigen westdeutschen Wettbewerb „Hauptstadt Berlin“ einen zweiten Platz. 1959 zog Hartmann nach München, 1962 wurde er an der Technischen Hochschule Darmstadt promoviert mit einer Arbeit über die Entwicklung der Stadt Mainz, die von Max Guther und Karl Gruber betreut wurde.[2] In München arbeitete er in verschiedenen Büroarbeitsgemeinschaften und plante für München drei Entlastungsstädte sowie die Fußgängerzone in der Altstadt und 1963 legte er einen Stadtentwicklungsplan vor. 1963 wurde er Baudirektor im städtischen Baureferat München. Ab 1964 leitete er dort die Konzeption der Satellitenstadt Neuperlach. Mit dem Endergebnis des neuen Stadtteils war er jedoch nie vollständig einverstanden. 1967 baute er sein eigenes Wohnhaus in München-Neuforstenried. 1976 ging Hartmann in den Ruhestand, in dem er sich der bildenden Kunst widmete und zahlreiche Reisen unternahm. 1980 schuf er den Reichenberger Brunnen in Augsburg, der an bedeutende Persönlichkeiten aus Reichenberg erinnert.[3]

Hartmanns „vier berufliche Stationen Weimar/Erfurt, Berlin, Mainz und München sind alle paradigmatisch für den Städtebau der Moderne in Deutschland“, so Sophie Wolfrum 2010 in ihrem Nachruf in der Bauwelt, und Hartmann eine „Schlüsselperson des Nachkriegsstädtebaus in Deutschland“, doch „eine präzise architekturkritische Würdigung seiner Arbeiten steht noch aus“.[4]

Hartmanns Nachlass befindet sich in den Wissenschaftlichen Sammlungen des Leibniz-Instituts für Raumbezogene Sozialforschung (IRS) in Erkner, ein kleinerer Teilnachlass außerdem im Architekturmuseum der Technischen Universität München.[5] Eine Wanderausstellung des IRS über Hartmann wird seit 2018 gezeigt, zuerst im Thüringer Landtag in Erfurt.[6]

Auszeichnungen

Literatur

  • Renate Beck-Hartmann (Hrsg.): Stufen am Wege. Lebensrückblick als Urbanist und Künstler in Ost und West. Selbstverlag, München 2011.
  • Christoph Bernhardt (Hrsg.): Die Wissenschaftlichen Sammlungen des Leibniz-Instituts für Regionalentwicklung und Strukturplanung (IRS) zur Bau- und Planungsgeschichte der DDR. (= Quellen, Findbücher und Inventare des Brandenburgischen Landeshauptarchivs, Band 25.) Frankfurt am Main 2012, ISBN 978-3-631-62325-1, S. 46 f.
  • Rainer Metzendorf: Beim Wiederaufbau Meilensteine gesetzt. Porträt eines Mainzer Stadtplaners. Egon Hartmann zum 75. Geburtstag. In: Mainz, Vierteljahreshefte für Kultur, Politik, Wirtschaft, Geschichte, ISSN 0720-5945, Jg. 14, 1994, Heft 3, S. 114–120.
  • Rainer Metzendorf (Hrsg.): Egon Hartmann und der Wiederaufbau von Mainz. Gebr. Mann, Berlin 2019, ISBN 978-3-7861-2842-7.
  • Urbanist zwischen Ost und West. Ein Gespräch über das Wirken des Architekten und Stadtplaners Egon Hartmann mit dem Historiker Kai Drewes. In: Gerbergasse 18. Thüringer Vierteljahresschrift für Zeitgeschichte und Politik, ISSN 1431-1607, Jg. 2019, Ausgabe 1 (= Heft 90), S. 8–11.
  • Sophie Wolfrum: Urbanist der Moderne. Egon Hartmann 1919–2009. In: Bauwelt, ISSN 0005-6855, Jg. 2010, Heft 4, S. 3.
  • Jörn Düwel: Egon Hartmann. In: Holger Barth, Thomas Topfstedt u. a. (Hrsg.): Vom Baukünstler zum Komplexprojektanten. Architekten in der DDR. Dokumentation eines IRS-Sammlungsbestandes biografischer Daten. (= Dokumentenreihe des IRS, Nr. 3.) Erkner 2000, ISBN 3-934669-00-X, S. 100 f.
  • Wolfgang Leißling: Anspruch und Wirklichkeit. Porträts der Architekten W. Pook und E. Hartmann sowie des Bauingenieurs L. Lamprecht. In: Thüringer Landtag (Hrsg.): Der Thüringer Landtag. Politisches Zentrum eines neuen Bundeslandes. Erfurt 1994, S. 63–76.
  • Rainer Metzendorf: Egon Hartmann und das neue Mainz. In: Mainzer Zeitschrift, Mittelrheinisches Jahrbuch für Archäologie, Kunst und Geschichte, Bd. 106/107 (2011/2012), S. 309–326. (online als PDF)

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Landtagsgebäude. In: www.thueringer-landtag.de. Abgerufen am 10. September 2019.
  2. Jean-Louis Cohen, Hartmut Frank, Volker Ziegler: Ein neues Mainz?: Kontroversen um die Gestalt der Stadt nach 1945. Walter de Gruyter, Berlin / Boston 2019, ISBN 978-3-11-041480-6, S. 249–250 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  3. Egon Hartmann - Stadtplaner in Ost und West. In: www.hdo.bayern.de. 20. August 2019, abgerufen am 10. September 2019.
  4. Wolfrum, Urbanist der Moderne, S. 3
  5. Angaben zum Teilnachlass in der Beständeübersicht des Architekturmuseums der TU München
  6. Informationen des IRS zur Wanderausstellung und den einzelnen Präsentationen

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Das Hochhaus des Thüringer Landtags in Erfurt.
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Wittelsbacher Park Reichenberger Brunnen