Eduard von Winterstein

Eduard von Winterstein (Private Aufnahme)
(c) Bundesarchiv, Bild 183-73766-0003 / Gahlbeck, Friedrich / CC-BY-SA 3.0
Eduard von Winterstein (Mitte) als Nathan der Weise, 1960
Berliner Gedenktafel am Haus Hafersteig 38, in Berlin-Biesdorf

Eduard von Winterstein (* 1. August 1871 in Wien; † 22. Juli 1961 in Berlin, eigentlich: Eduard Clemens Franz Freiherr von Wangenheim-Winterstein) war ein deutscher Film- und Theaterschauspieler aus der Familie von Wangenheim-Winterstein.

Leben

Seine Eltern waren der Gutsbesitzer Hugo von Wangenheim-Winterstein (* 21. September 1834; † 19. Dezember 1924) und dessen zweite Ehefrau, die aus Ungarn stammende Schauspielerin Aloysia (Luise) Dub (1832–1904, später: von Wangenheim-Dub).[1] Nach Schauspielunterricht bei seiner Mutter kam Winterstein 1889 nach Gera zur Bühne, wo er laut seiner 1942 veröffentlichten Jugenderinnerungen einen „unverdient Vergessenen“ erleben durfte, den Schauspieler Theodor Lobe.[2] Zur Eröffnung des Theaters in Annaberg am 2. April 1893 spielte er dort die Titelrolle im Egmont. „Ich war in Annaberg wie neu geboren, war ein ganz anderer Mensch geworden. In diesem kleinen Städtchen war ich erst wirklich zum Schauspieler geworden. […] So wurde die Annaberger Zeit eine der schönsten in meinem Beruf“, schrieb er in seiner Autobiographie. An diesem Theater lernte er auch die Schauspielerin Minna Mengers kennen, die er 1894 auf der Wartburg heiratete (gemeinsamer Sohn: der Schauspieler Gustav von Wangenheim, 1895–1975). Das Theater in Annaberg-Buchholz trägt seit 1981 den Namen Eduard-von-Winterstein-Theater.

Seit 1895 spielte er am Schillertheater, später am Deutschen Theater in Berlin. Bei seinem Umzug begeisterte sich Winterstein für seine Wahlheimat mit folgenden Worten:

„Berlin! Das war in jener Zeit viel mehr als heute das heiß ersehnte Paradies, nach dem jeder deutsche Schauspieler mit allen Kräften strebte. […] Hier in der Millionenstadt blühte ein reges Theaterleben auf. Der Theateralmanach von 1895 nennt für Berlin vierundzwanzig Theater. […] Ich hatte mit meiner Familie vorläufig Unterkunft bei Verwandten in der Großbeerenstraße gefunden. […] Ich war glücklich, daß ich gerade in Berlin in dieser Rolle (als Tellheim in Minna von Barnhelm) debütieren sollte.“[3]

Ab 1913 übernahm Winterstein auch Filmrollen, in denen der stämmige Schauspieler bald zur Idealbesetzung von energischen Respektspersonen wie Generälen, Richtern, Gutsherrn und Direktoren wurde. Anders als beim Theater beschränkten sich Wintersteins Auftritte im Film jedoch meist auf wenige Szenen.[4] Er spielte in über 160 Filmen und besprach diverse Sprechplatten, darunter auch noch im hohen Alter die Ringerzählung aus Nathan der Weise für das DDR-Schallplattenlabel Eterna.

In der Zeit des Nationalsozialismus wurde er bei Kriegsende vom Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda auf die Gottbegnadeten-Liste gesetzt. In der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg gehörte Winterstein zum Ensemble des Deutschen Theaters. Dort spielte er annähernd vierhundert Mal die Rolle des Nathan.

Die Familiengrabstätte in Berlin
Die Familiengrabstätte in Berlin

Winterstein hat sich bewusst für ein Leben in der DDR entschieden, ein Umstand, den sich die DDR-Kulturpolitik zunutze machte. Nach seinem Tod widmete das Neue Deutschland ihm eine Sonderseite, auf der auch ein Text Wintersteins mit dem Titel „Wahl des Besseren“ abgedruckt war. Dessen Schlusspassage lautet:

„Ich habe viel Wandlungen erlebt: unter drei Kaisern, dem ersten Weltkrieg, der Pseudodemokratie des zweiten Reiches, der Weimarer Republik, den fürchterlichen zwölf Jahren des Nationalsozialismus und den durch ihn hervorgerufenen völligen Zusammenbruch des Deutschen Reiches, bis ich mich aufatmend aus freiem Entschluß und Willen dem neuen fortschrittlichen Geist anschloß und mich jetzt mit Stolz einen Bürger der Deutschen Demokratischen Republik nenne und dies aus Einsicht, Gründen, Wahl des Besseren.“[5]

Winterstein ist in der Familiengrabstätte auf dem Zentralfriedhof Friedrichsfelde bestattet.

Bedeutung

Winterstein hat insgesamt länger als siebzig Jahre als Schauspieler auf der Bühne gestanden. Sein Wirken ist mit der deutschen Theatergeschichte des 20. Jahrhunderts und insbesondere der Geschichte des Deutschen Theaters in Berlin eng verbunden. Seine größten Verdienste hat er sich als Darsteller von Rollen aus Theaterstücken Lessings erworben.

Winterstein steht für das von Max Reinhardt und Otto Brahm vertretene Konzept einer realistischen Theaterkunst.

Darstellung Wintersteins in der bildenden Kunst

Filmografie (Auswahl)

Theater

Hörspiele

Ehrungen

Literatur

  • Bernd-Rainer BarthWinterstein, Eduard von. In: Wer war wer in der DDR? 5. Ausgabe. Band 2. Ch. Links, Berlin 2010, ISBN 978-3-86153-561-4.
  • Eduard von Winterstein: Mein Leben und meine Zeit. Henschel, Berlin 1982.
  • Ludwig Eisenberg: Großes biographisches Lexikon der Deutschen Bühne im XIX. Jahrhundert. Verlag von Paul List, Leipzig 1903, S. 1133, (Textarchiv – Internet Archive).
  • Kay Weniger: Das große Personenlexikon des Films. Die Schauspieler, Regisseure, Kameraleute, Produzenten, Komponisten, Drehbuchautoren, Filmarchitekten, Ausstatter, Kostümbildner, Cutter, Tontechniker, Maskenbildner und Special Effects Designer des 20. Jahrhunderts. Band 8: T – Z. David Tomlinson – Theo Zwierski. Schwarzkopf & Schwarzkopf, Berlin 2001, ISBN 3-89602-340-3, S. 426 ff.
  • Kurt Fricke: Spiel am Abgrund – Heinrich George. Eine politische Biographie. Mitteldeutscher Verlag, Halle 2000, S. 131–134. ISBN 3-89812-021-X
  • C. Bernd Sucher (Hrsg.): Theaterlexikon. Autoren, Regisseure, Schauspieler, Dramaturgen, Bühnenbildner, Kritiker. Von Christine Dössel und Marietta Piekenbrock unter Mitwirkung von Jean-Claude Kuner und C. Bernd Sucher. 2. Auflage. Deutscher Taschenbuch-Verlag, München 1999, ISBN 3-423-03322-3, S. 775.
  • Jörg Schöning, Gerke Dunkhase: Eduard von Winterstein – Schauspieler. In: CineGraph – Lexikon zum deutschsprachigen Film, Lieferung 8, 1987.
  • Herbert Ihering, Eva Wisten: Eduard von Winterstein (= Theater und Film. Veröffentlichungen der Deutschen Akademie der Künste zu Berlin. Bd. 1, ZDB-ID 1220460-2). Henschel, Berlin 1961.
  • Gotthard B. Schicker: Eduard von Winterstein – Annabergs erster Egmont. In: Gotthard B. Schicker: Dicknischl. Erzgebirgsleute von damals und heute. Druck- und Verlagsgesellschaft, Marienberg 2008, ISBN 978-3-931770-76-1, S. 67–75.

Weblinks

Commons: Eduard von Winterstein – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Eduard von Winterstein bei DEFA Filmsterne (Memento desOriginals vom 12. April 2012 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.defa-sternstunden.de
  2. Frank Andert: Im Archiv gestöbert: Von Ratibor nach Radebeul – Theodor Lobe. In: Vorschau & Rückblick; Monatsheft für Radebeul und Umgebung. Radebeuler Monatshefte e.V., März 2008, abgerufen am 4. November 2011.
  3. Eduard von Winterstein: Mein Leben und meine Zeit. Ein halbes Jahrhundert deutscher Theatergeschichte. Henschel, Berlin 1951; zitiert in Neue Berliner Illustrierte, 1970 in der Serie Das war und ist Berlin.
  4. Thomas Kramer (Hrsg.): Reclams Lexikon des deutschen Films Reclam, Stuttgart 1995, ISBN 3-15-010410-6.
  5. Neues Deutschland. Ausgabe Nr. 203, vom 25. Juli 1961, S. 4.
  6. Porträt Eduard von Winterstein (II) | Theo Balden | Bildindex der Kunst & Architektur - Bildindex der Kunst & Architektur - Startseite Bildindex. Abgerufen am 9. Juli 2022.
  7. Genossenschaft Deutscher Bühnen-Angehöriger (Hrsg.): Deutsches Bühnen-Jahrbuch 1945/1948, Verlag Bruno Henschel und Sohn, Berlin, 1929, Seite VIII

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Es folgt die historische Originalbeschreibung, die das Bundesarchiv aus dokumentarischen Gründen übernommen hat. Diese kann allerdings fehlerhaft, tendenziös, überholt oder politisch extrem sein.
Zentralbild Gahlbeck 6.6.1960 II. Arbeiterfestspiele des FDGB im Bezirk Karl-Marx-Stadt

Einen der Höhepunkte des Eröffnungstages der II. Arbeiterfestspiele in Karl-Marx-Stadt am 4.6.1960 bildete die Aufführung von G.E. Lessings "Nathan der Weise" mit Nationalpreisträger Eduard von Winterstein in der Titelrolle.

UBz.: Eine Delegation aus dem VEB Getriebewerk Karl-Marx-Stadt bedankt sich bei Eduard von Winterstein nach der Vorstellung für die großartige Darstellung des "Nathan". Rechts der BGL-Vorsitzende Edmund Müller, links Isolde Joachim und (fast verdeckt) der Parteisekretär Werner Fritz.
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Die Familiengrabstätte derer von Wangenheim/Winterstein in Berlin-Friedrichsfelde
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