Eculizumab

Eculizumab
Masse/Länge Primärstruktur148 kDa
Bezeichner
Externe IDs
Arzneistoffangaben
ATC-CodeL04AA25
DrugBankDB01257
Wirkstoffklassemonoklonaler Antikörper

Eculizumab (Handelsname Soliris; Hersteller Alexion) ist ein monoklonaler Antikörper, der zur Therapie der paroxysmalen nächtlichen Hämoglobinurie (PNH) sowie von Neuromyelitis-optica-Spektrum-Erkrankungen (NMOSD) eingesetzt wird.

Wirkungsweise und Anwendungsgebiete

Die Paroxysmale nächtliche Hämoglobinurie ist eine seltene klonale erworbene und lebensbedrohliche Erkrankung blutbildender Stammzellen. PNH-Patienten haben einen Defekt im CD59-Protein auf der Zelloberfläche der Blutzellen. CD59 dient dabei als Ankerprotein für andere auf der Zelloberfläche vorhandene Antigene. Die Diagnose kann über den Nachweis eines signifikanten Anteils roter (Erythrozyten) und weißer Blutkörperchen (Monozyten, Granulozyten), die die über dieses Ankerprotein gekoppelten Antigene nicht aufweisen, gestellt werden. Dies geschieht mit Hilfe durchflusszytometrischer Methoden. Klinisch relevant ist bei der PNH das Fehlen bestimmter Proteine auf der Oberfläche von Erythrozyten. Durch diesen Defekt werden die roten Blutkörperchen vom Komplementsystem angegriffen und zu schnell abgebaut; dies führt zu einer Anämie.

Eculizumab wirkt, indem es an das Protein C5 des Komplementsystems bindet und die sog. terminale Aktivierung blockiert. Dadurch wird die Zerstörung der Erythrozyten vermindert und die Symptome der Krankheit werden gebessert.

Eculizumab war ursprünglich nur zur Anwendung bei der paroxysmalen nächtlichen Hämoglobinurie zugelassen, ist inzwischen aber auch zur Behandlung des (atypischen) Hämolytisch-urämischen Syndroms (aHUS) und seit August 2019[1] für die Behandlung der Neuromyelitis-optica-Spektrum-Erkrankungen mit AQP4-Antikörper und einer bestehenden Schubaktivität zugelassen. Eculizumab wird durch intravenöse Infusion mehrmals monatlich verabreicht.

Erfolgreich eingesetzt wurde Eculizumab bei Patienten, die im Mai 2011 an dem von dem Erreger EHEC ausgelösten hämolytisch-urämischen Syndrom erkrankten und auf die Behandlung mit Hämodialyse und Plasmapherese nicht ansprachen. Eine begleitende, nicht-randomisierte Studie ohne Kontrollgruppe ist im Herbst 2011 noch nicht abgeschlossen.[2][3] Aufgrund der aktuellen Entwicklung der EHEC-Infektionen wurde am 30. Mai 2011 seitens der Deutschen Gesellschaft für Nephrologie eine Pressemitteilung ausgegeben, in welcher die Therapie mit Eculizumab als sogenannte „Rescue-Medikation“ bei Versagen der üblichen Therapieverfahren benannt wird, mit dem ausdrücklichen Hinweis, dass Nutzen und Risiko in diesem Anwendungsgebiet zum damaligen Zeitpunkt nicht seriös abgeschätzt werden könnten.[4]

Gegenanzeigen und Nebenwirkungen

Eculizumab soll nicht angewendet werden bei bekannter Überempfindlichkeit gegen Eculizumab oder gegen murine Proteine. Eculizumab darf nicht angewendet werden bei Patienten mit bekanntem erblichen Komplementdefekt, bei nicht ausgeheilter Infektion mit Neisseria meningitidis (Meningokokken) oder bei nicht vorhandener Impfung gegen Neisseria meningitidis. Neisseria-Infektionen sind deshalb so problematisch, weil durch den Wirkungsmechanismus von Eculizumab die Abwehr des Körpers gegen diese Bakterien eingeschränkt ist.[5] Meningokokken können unter anderem Gehirnhautentzündung hervorrufen. Eine Meningokokkenseptikämie bei zwei Patienten war das schwerwiegendste unerwünschte Ereignis während der klinischen Studien mit Eculizumab. Infusionsreaktionen, die das Absetzen von Eculizumab erfordert hätten, wurden bisher nicht beobachtet. Eine vorherige Impfung gegen Meningokokken wird bei Gabe von Eculizumab empfohlen.[6]

Die häufigsten Nebenwirkungen sind Kopfschmerzen, Halsentzündung, Übelkeit, Fieber, Muskelschmerz, Müdigkeit und ein Auftreten von Herpes simplex.

Bei etwa 3,5 % der japanischen Bevölkerung, aber auch bei Han-Chinesen, liegt eine heterozygote Mutation des Gens für den Komplementfaktor 5 vor mit einem Einzelnukleotid-Polymorphismus (G2654A), bei der ein Austausch der Aminosäure Arginin durch Histidin an Position 885 (Arg885His) zu einem schlechten Ansprechen auf Eculizumab bei der Therapie der Paroxysmalen nächtlichen Hämoglobinurie führt.[7]

Herstellung

Eculizumab ist ein humanisierter Antikörper vom Typ IgG2/4 und wird von Lonza gentechnisch in der stabilen Maus-Myelomzelllinie NS0 hergestellt. Eculizumab wurde von dem amerikanischen Biotechnologieunternehmen Alexion entwickelt und ist seit 2007 in den USA und in der Europäischen Union als Orphan-Arzneimittel zugelassen. Es war in der Europäischen Union das erste Arzneimittel, das im zentralisierten Verfahren über ein beschleunigtes Beurteilungsverfahren zugelassen wurde.

Kosten

Der Preis für eine Infusionsflasche (300 mg) beträgt etwa 5.880 EUR. Die Erhaltungsdosis bei PNH beträgt 900 mg Eculizumab ca. alle 14 Tage, bei atypischem HUS sogar 1200 mg. Somit entstehen Kosten von über 600.000 EUR pro Jahr und das bei einer lebenslang notwendigen Behandlungsdauer.[8]

Mit Jahrestherapiekosten von bis zu 600.000 EUR galt es 2013 als teuerstes Arzneimittel der Welt.[9]

Handelsnamen

Eculizumab ist in Deutschland,[10] Österreich und der Schweiz unter dem Namen Soliris im Handel erhältlich.

Siehe auch

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Patientenaufklärung zur Behandlung mit Soliris (Eculizumab). In: Kompetenznetz Multiplesklerose. Kompetenznetz Multiplesklerose, abgerufen am 19. Juni 2020.
  2. EHEC: Zahlen, eine Hypothese und Entsetzen. In: Ärzte Zeitung, 14. November 2011. Archiviert vom Original am 21. Mai 2014. Abgerufen am 18. Juli 2012. 
  3. Anne-Laure Lapeyraque, et al.: Eculizumab in Severe Shiga-Toxin-Associated HUS. In: New England Journal of Medicine. 364, 2011, S. 2561–2563, doi:10.1056/NEJMc1100859.
  4. Pressemitteilung der Deutschen Gesellschaft für Nephrologie vom 30. Mai 2011. Archiviert vom Original am 30. Mai 2011; abgerufen am 31. Mai 2011.
  5. Deutsches Ärzteblatt zu Eculizumab, 20. März 2007 (Memento vom 19. Oktober 2011 im Internet Archive). Abgerufen 31. Mai 2011.
  6. Gensthaler, Siebenandt Eculizumab und Temsirolimus, Pharmazeutische Zeitung, Nr.2, 2008, abgerufen am 31. Mai 2011.
  7. Jun-ichi Nishimura, Masaki Yamamoto, Shin Hayashi, Kazuma Ohyashiki, Kiyoshi Ando, Andres L. Brodsky, Hideyoshi Noji, Kunio Kitamura, Tetsuya Eto, Toru Takahashi, Masayoshi Masuko, Takuro Matsumoto, Yuji Wano, Tsutomu Shichishima, Hirohiko Shibayama, Masakazu Hase, Lan Li, Krista Johnson, Alberto Lazarowski, Paul Tamburini, Johji Inazawa, Taroh Kinoshita, Yuzuru Kanakura: Genetic Variants in C5 and Poor Response to Eculizumab New England Journal of Medicine 2014, Band 370, Ausgabe 7 vom 13. Februar 2014, Seiten 632–639; doi:10.1056/NEJMoa1311084.
  8. https://www.fachinfo.de/pdf/010559
  9. Siegfried Hofmann, Holger Alich: Appetit auf das teuerste Medikament der Welt. In: Handelsblatt. Nr. 134, 16. Juli 2013, S. 15.
  10. Rote Liste Service GmbH (Hrsg.): Rote Liste 2017 – Arzneimittelverzeichnis für Deutschland (einschließlich EU-Zulassungen und bestimmter Medizinprodukte), Rote Liste Service GmbH, Frankfurt/Main, 2017, Aufl. 57, ISBN 978-3-946057-10-9, S. 179.