Echtes Herzgespann

Echtes Herzgespann

Echtes Herzgespann (Leonurus cardiaca), Illustration

Systematik
Euasteriden I
Ordnung:Lippenblütlerartige (Lamiales)
Familie:Lippenblütler (Lamiaceae)
Unterfamilie:Lamioideae
Gattung:Leonurus
Art:Echtes Herzgespann
Wissenschaftlicher Name
Leonurus cardiaca
L.

Das Echte Herzgespann (Leonurus cardiaca), auch Löwenschwanz oder Herzspannkraut genannt, ist eine Pflanzenart aus der Gattung Leonurus innerhalb der Familie der Lippenblütler (Lamiaceae).

Beschreibung

Ausschnitt eines Blütenstand mit Quirlen
Zottiges Echtes Herzgespann (Leonurus cardiaca subsp. villosus)
Bestand des Echten Herzgespann

Vegetative Merkmale

Das Echte Herzgespann ist eine ausdauernde krautige Pflanze, die Wuchshöhen von 30 bis 120 Zentimetern erreicht. Der vierkantige Stängel ist hohl und außen behaart. Die gegenständig angeordneten Laubblätter sind in Blattstiel und Blattspreite gegliedert. Die Blattspreite ist von mittelgrüner Farbe und an der Unterseite flaumig behaart. Der Blattumriss ist handförmig in drei bis sieben Spalten geteilt. Der Blattgrund ist herzförmig. Die oberen Blätter besitzen meist nur drei Lappen und einen keilförmigen Grund.

Generative Merkmale

Die Blütezeit erstreckt sich von Juni bis September. Die Blüten entspringen den oberen Blattachseln und stehen dort in Scheinquirlen.

Die zwittrigen Blüten sind zygomorph mit doppelter Blütenhülle. Die Blütenkrone ist mit einer Länge von 8 bis 12 Millimetern deutlich länger als der fünfnervige Kelch. Die rosafarbene bis cremeweiße Blütenkrone zeichnet sich durch eine helmförmig gebogene, außen behaarte Oberlippe und eine dreiteilige Unterlippe mit bräunlicher Zeichnung aus.

Die Chromosomenzahl beträgt 2n = 18.[1]

Vorkommen

Das Gewöhnliche Echte Herzgespann kommt von Europa bis zum Iran vor. In Nordamerika und Neuseeland ist es ein Neophyt.[2] Das Zottige Echte Herzgespann kommt von der Krim bis zum Iran vor.[2]

In Deutschland ist das Echte Herzgespann gebietsweise im Rückgang begriffen. In Baden-Württemberg gilt es sogar als stark gefährdet.[3]

Das Echte Herzgespann gedeiht auf stickstoffreichen, frischen, mild-neutralen, locker-humosen Lehm- oder Tonböden[1] in staudenreichen Wildkrautfluren, vor allem in Dörfern, an Mauern und Zäunen. Es ist in Mitteleuropa eine Charakterart der Assoziation Löwenschwanz-Schwarznessel-Flur (Leonuro-Ballotetum nigrae) im Verband der Klettengesellschaften (Arction lappae).[1][4]

Systematik

Die Erstveröffentlichung von Leonurus cardiaca erfolgte durch Carl von Linné. Der botanische Gattungsname Leonurus leitet sich aus dem Griechischen ab, bedeutet Löwenschwanz und weist auf die Form des Blütenstandes hin. Das Artepitheton cardiaca bezieht sich auf die Verwendung bei Herz-Krankheiten.

Einige Autoren unterschieden zwei Unterarten, die von manchen Autoren auch als Arten angesehen werden:[2]

  • Gewöhnliches Echtes Herzgespann (Leonurus cardiaca subsp. cardiaca): Bei dieser Unterart sind die Stängel nur an den Kanten angedrückt kurzhaarig und die Blätter oberseits fast kahl oder nur zerstreut behaart.
  • Zottiges Echtes Herzgespann (Leonurus cardiaca subsp. villosus(Desf. ex d'Urv.) Hyl., Syn.: Leonurus villosusDesf. ex d’Urv.; Leonurus quinquelobatusGilib.): Bei dieser Unterart sind die Stängel dicht abstehend zottig und mit 1 bis 2 mm langen Haaren besetzt. Die Blätter sind dicht und weich behaart. Diese Unterart wird auch als Zierpflanze verwendet und von Imkern als Bienenfutterpflanze genutzt. Sie ist im Gebiet zwischen der Krim und dem nordwestlichen Iran beheimatet und tritt in Mitteleuropa als Neophyt auf.[2]

Inhaltsstoffe

Inhaltsstoffe des Echten Herzgespanns sind im Wesentlichen Iridoidglykoside (wie Ajugol, Ajugosid, Galiridosid) und Flavonoide (Rutosid, Quercitrin, Hyperosid). Ferner enthält Herzgespann Bitterstoffe vom Diterpentyp (Labdanditerpene und Diterpenlactone (Leocardin)), Betaine (Stachydrin), phenolische Substanzen (15 wurden gefunden) und Hydroxyzimtsäuren (10 wurden gefunden, darunter Chlorogensäure, Rosmarinsäure, Kaffeesäure und Kaffeesäurerutinosid), außerdem geringe Mengen ätherisches Öl.[5][6][7][8] Auch Leonurin, Cholin und Ursolsäure wurden nachgewiesen.[9]:89

Nutzung

Das Echte Herzgespann war früher eine Zierpflanze und Nutzpflanze des Bauerngartens.

Verwendung in der Küche

Herzgespann ist kein typisches Gewürzkraut. Man soll jedoch mit frischen oder getrockneten Blättern Linsen- und Erbsensuppe würzen können. Früher wurde es auch zum Würzen des Bieres verwendet.

Verwendung in der Heilkunde

Drogenauszüge aus den oberirdischen Pflanzenteilen (Kraut) werden bei nervösen Herzbeschwerden eingesetzt sowie zur unterstützenden Behandlung der Schilddrüsenüberfunktion. In der Volksmedizin wird das Herzgespannkraut aufgrund der ihm nachgesagten spasmolytischen, sedierenden, blutdrucksenkenden und uteruskontrahierenden Wirkungen bei Verdauungsbeschwerden, Wechseljahresbeschwerden und auch als Beruhigungsmittel verwendet,[10][11] ferner bei Asthma bronchiale und ausbleibender Menstruation.[9]:89–91 Herzgespannextrakt gilt als Tonikum in den Wechseljahren und bei Herzschwäche.[7][8]

Die Grundlagenforschung am isolierten Tierherz durch Rauwald und Dhein belegt, dass die Wirkstoffe des Herzgespanns die Menge des Blutes steigern, das den Herzmuskel versorgt (den Koronarfluss), wodurch das Herz besser versorgt wird. Zugrunde liegt ein calciumantagonistischer Wirkmechanismus, welcher zu einer Blutdrucksenkung sowie zur Verlangsamung der Herzfrequenz und so zur Entlastung des Herzens führt. Welche Stoffe genau diese Wirkungen hervorrufen und ob diese einzeln oder nur in ihrem Zusammenspiel helfen, war zum Zeitpunkt dieser Studie noch offen und bedarf der weiteren Forschung.[12]

Es ist umstritten, ob diese Pflanzenart bereits in der Antike verwendet wurde. Sicher ist man sich dagegen, dass sie in Mitteleuropa im späten Mittelalter und der frühen Neuzeit Verwendung fand. Schon in einem der ersten gedruckten, dem in deutscher Sprache verfassten Kräuterbuch Gart der gesuntheit (1485), wird es Cordiaca[13] genannt und bei Magendrücken und Herzbeschwerden empfohlen.[9]:76 Paracelsus und Leonhart Fuchs meinen, in Wein eingelegtes Herzgespann helfe gegen zu starkes Herzklopfen sowie gegen Krämpfe und Lähmung der Gliedmaßen, in letzterem Fall auch als warme Kompresse. Ein wässriger Dekokt aus Herzgespann sei hilfreich bei Epilepsie. Herzgespann wirke auch diuretisch und führe die ausbleibende Menstruation herbei. Das 1554 erschienene Cruyede boeck von Rembert Dodoens empfiehlt eine in Wein gesottene Zubereitung des Herzgespanns gegen Schwermut und zur Herzstärkung, ein destilliertes Mazerat aus Wein bei Herz- und Menstruationsbeschwerden.[9]:82–83 Nicholas Culpeper schreibt in Herbal (1652), dass Herzgespann ein fröhliches Gemüt verleihe, indem es melancholische Dämpfe vertreibe und das Herz stärke. Er empfiehlt Herzgespannpulver in Wein bei Schwangerschaftsbeschwerden.[9]:86

Hypotensive[14] und uteruskontraktive[15][16] Wirkungen wurden gezeigt.

In der Homöopathie wird Herzgespann gemäß den homöopathischen Arzneimittelbild angewendet.

Herzgespann im Aberglauben

Nach Bocksch gab es in Mecklenburg einen volkstümlichen Heilzauber, bei dem Herzgespann in einer Kanne Bier zum Sieden gebracht und gegen Geschwülste eingesetzt wurde.[17]

Literatur

  • Peter Schantz: Weißdorn und Herzgespann – Medizinhistorische Untersuchungen zur europäischen Tradition dieser Arzneipflanzen vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Kassel 2009.
  • Manfred Bocksch: Das praktische Buch der Heilpflanzen. München 1996.
  • Penelope Ody: Praxishandbuch Heilpflanzen. München 2001.
  • Otto Wilhelm Thomé; Flora von Deutschland, Österreich und der Schweiz. Gera, 1885 (Bildquelle)
  • Werner Rothmaler (Begr.), Eckehart J. Jäger, Klaus Werner (Hrsg.): Exkursionsflora von Deutschland. Band 4. Gefäßpflanzen: Kritischer Band. 10., bearb. Auflage. Elsevier, Spektrum Akademischer Verlag, München/ Heidelberg 2005, ISBN 3-8274-1496-2.
  • Erich Oberdorfer: Pflanzensoziologische Exkursionsflora für Deutschland und angrenzende Gebiete. 8. Auflage. Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart 2001, ISBN 3-8001-3131-5.
  • Helmut Gams in Gustav Hegi: Illustrierte Flora von Mitteleuropa. Band V. Teil 4: Labiatae – Solanaceae. 2. Auflage. (unveränderter Nachdruck von 1927 mit Nachtrag). Carl Hanser/ Paul Parey, München/ Berlin/ Hamburg 1964, ISBN 3-489-78021-3, S. 2392–2393.

Einzelnachweise

  1. a b c Erich Oberdorfer: Pflanzensoziologische Exkursionsflora für Deutschland und angrenzende Gebiete. Unter Mitarbeit von Angelika Schwabe und Theo Müller. 8., stark überarbeitete und ergänzte Auflage. Eugen Ulmer, Stuttgart (Hohenheim) 2001, ISBN 3-8001-3131-5, S. 805.
  2. a b c d Rafaël Govaerts, 2003: World Checklist of Selected Plant Families Database in ACCESS: 1-216203. The Board of Trustees of the Royal Botanic Gardens, Kew. Rafaël Govaerts (Hrsg.): Leonurus cardiaca. In: World Checklist of Selected Plant Families (WCSP) – The Board of Trustees of the Royal Botanic Gardens, Kew, abgerufen am 10. September 2019.
  3. Oskar Sebald, Georg Philippi, Siegmund Seybold, Arno Wörz: Die Farn- und Blütenpflanzen Baden-Württembergs (= Spezieller Teil (Spermatophyta, Unterklasse Asteridae): Buddlejaceae bis Caprifoliaceae. Band 5). Eugen Ulmer, Stuttgart 1996, ISBN 3-8001-3342-3, S. 175–177.
  4. Ernst Freising: Die Pflanzengesellschaften Niedersachsens, Ruderale Staudenfluren und Saumgesellschaften, herausgegeben vom niedersächsischen Landesamt für Ökologie – Naturschutz, Reihe Naturschutz und Landschaftspflege in Niedersachsen 20/4, 1993, Seite 63.
  5. Oleh Koshovyi, Ain Raal, Igor Kireyev, Nadiya Tryshchuk, Tetiana Ilina, Yevhen Romanenko, Sergiy M. Kovalenko, Natalya Bunyatyan: Phytochemical and psychotropic research of motherwort (Leonurus cardiaca L.) modified dry extracts. In: Plants, Band 10, Nr. 2, 2021, Artikel 230, doi:10.3390/plants10020230 (PDF).
  6. Katarzyna Wojtyniak, Marcin Szymański, Irena Matławska: Leonurus cardiaca L. (motherwort): a review of its phytochemistry and pharmacology. In: Phytotherapy Research, Band 27, Nr. 8, 2013, S. 1115–1120.
  7. a b T. Dingermann, K. Hiller, G. Schneider, I. Zündorf: Schneider Arzneidrogen. 5. Auflage. Elsevier 2004, ISBN 3-8274-1481-4, S. 217.
  8. a b K. Hardtke et al. (Hrsg.): Kommentar zum Europäischen Arzneibuch Ph. Eur. 4.03, Herzgespannkraut. Loseblattsammlung, 19. Lieferung 2005, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart.
  9. a b c d e Peter Schantz: Weißdorn und Herzgespann – Medizinhistorische Untersuchungen zur europäischen Tradition dieser Arzneipflanzen vom Mittelalter bis zur Gegenwart, Kassel University Press, Kassel 2009. Abgerufen am 22. April 2013.
  10. I. Barnickel, F. Häfele Textbearbeitung: Irene Barnickel, P. Lemberger, H. Maiolino: Arzneipflanzen. Hrsg.: Botanischer Garten Erlangen der Universität Erlangen – Nürnberg. 2., von W. Weis überarbeitete und ergänzte Auflage. 2001, S. 59.
  11. Europäische Arzneimittelagentur, Ausschuss für pflanzliche Arzneimittel: Assessment report on Leonurus cardiaca L., herba (PDF; 430 kB) vom 16. September 2010.
  12. Bärbel Adams: Geheimnisse des Herzgespannkrautes gelüftet. Pressemitteilung der Universität Leipzig vom 3. August 2007, abgerufen am 22. April 2013.
  13. Vgl. Ute Obhof: Rezeptionszeugnisse des „Gart der Gesundheit“ von Johann Wonnecke in der Martinus-Bibliothek in Mainz – ein wegweisender Druck von Peter Schöffer. In: Medizinhistorische Mitteilungen. Zeitschrift für Wissenschaftsgeschichte und Fachprosaforschung. Band 36/37, 2017/2018, S. 25–38, hier: S. 33 (Cordiaca „herrczgespan“).
  14. Katarzyna Miłkowska-Leyck, Barbara Filipek, Halina Strzelecka: Pharmacological effects of lavandulifolioside from Leonurus cardiaca. In: Journal of Ethnopharmacology, Band 80, Nr. 1, 2002, S. 85–90.
  15. Jiangbo Fan, Fen Wei, Yu Zhang, Hongli Su, Zongzheng Ji, Jianyu He, Shengli Han: Combining Sprague–Dawley rat uterus cell membrane chromatography with HPLC/MS to screen active components from Leonurus artemisia. In: Pharmaceutical Biology, Band 54, Nr. 2, 2016, S. 279–284, doi:10.3109/13880209.2015.1033562.
  16. Xiaofei Shang, Hu Pan, Xuezhi Wang, Hua He, Maoxing Li: Leonurus japonicus Houtt.: ethnopharmacology, phytochemistry and pharmacology of an important traditional Chinese medicine. In: Journal of Ethnopharmacology , Band 152, Nr. 1, 2014, S. 14–32, doi:10.1016/j.jep.2013.12.052.
  17. Manfred Bocksch: Das praktische Buch der Heilpflanzen. München 1996.

Weblinks

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