Dyson-Sphäre

Kugelschnitt-Diagramm einer idealisierten Dyson-Sphäre mit einem Radius von 1 AE in Anlehnung an Dysons Originalkonzept

Eine Dyson-Sphäre [ˈdaɪ̯sn̩ ˌsfɛːrə] ist ein hypothetisches Konstrukt, entwickelt um die Energie eines Sterns oder eines Schwarzen Loches[1] optimal nutzen zu können. Benannt ist sie nach dem Physiker Freeman Dyson.

Hintergrund

Die Struktur einer Dyson-Sphäre wurde erstmals von dem Physiker Freeman Dyson in der Juni-Ausgabe der Zeitschrift Science im Jahr 1960 beschrieben.[2] Dyson thematisierte in dem Artikel die Suche nach fortgeschrittenen außerirdischen Intelligenzen anhand von Infrarotquellen. Die Energie eines Zentralgestirns muss nach ihrer möglichst vollständigen Nutzung durch eine Zivilisation gemäß dem Energieerhaltungssatz auch wieder abgegeben werden. Dabei würde das Spektrum der emittierten Strahlung des Zentralgestirns zu langwelligerer Infrarotstrahlung verschoben.

Der Originalvorschlag von Dyson ging nicht weiter auf die Details der Konstruktion eines solchen Objektes ein. Er konzentrierte sich auf das fundamentale Thema, nämlich wie eine fortgeschrittene Zivilisation ihre Energiegewinnung auf das für ein Planetensystem erreichbare Maximum ausweiten könne. Eine solche Zivilisation würde als Typ II nach der Kardaschow-Skala, welche von dem Astronomen Nikolai Kardaschow entwickelt wurde, klassifiziert.

Freeman Dyson wurde nach eigener Angabe von ähnlichen Ideen in Olaf Stapledons Science-Fiction-Roman Star Maker aus dem Jahre 1937 inspiriert. Eine noch frühere mögliche Anregung sowohl für Stapledon als auch für Dyson ist die Bernal-Sphäre, die erstmals 1929 von John Desmond Bernal beschrieben wurde.[3] Dyson selbst bezeichnete seine Theorie später als „joke“ (Scherz).[4]

Eigenschaften

Der Stern innerhalb einer Dyson-Sphäre wäre nicht direkt sichtbar, jedoch würde diese selbst eine dem Energieausstoß des Sterns entsprechende Energiemenge in Form von Infrarotstrahlung emittieren. Dyson schlug vor, dass Astronomen nach solchen anormalen „Sternen“ suchen, um hochentwickelte außerirdische Kulturen zu entdecken.

Die symmetrische Konstruktion um das Zentralgestirn herum ermöglicht einen antriebslosen Betrieb der Dyson-Sphäre, sodass lediglich Kurskorrekturen notwendig wären.

Typen

Es wurden mehrere Arten von Dyson-„Sphären“ vorgeschlagen.

Schwarm

Dyson-Schwarm gebildet aus einer Vielzahl von Einzelobjekten
Dyson-Schwarm-Animation
Die Dyson-Scheibe nutzt die kinetische Energie ihres Rohmaterials.
Abschattung beim ekliptischen Dyson-Schwarm

Die aus derzeitiger Sicht realistischste und am ehesten Dysons ursprünglichen Vorstellungen entsprechende Form ist der Dyson-Schwarm. Er besteht aus einer großen Zahl unabhängiger Solarkollektoren, die den Stern umkreisen. Sie könnten sich in Größe und Form unterscheiden und gegebenenfalls eigenständige Habitate bilden. Es wurde eine Vielzahl von Vorschlägen für mögliche Verteilungsmuster gemacht, jedes mit seinen eigenen Vorzügen und Nachteilen. Zum Beispiel nutzt ein Dyson-Schwarm in Scheibenform die kinetische Energie seines Rohmaterials am besten aus, das vorwiegend aus Asteroiden besteht, die nahe der Ebene der Ekliptik in ungefähr der gleichen Umlaufrichtung kreisen. In jedem Fall würden einige Kollektoren einen Teil ihres Umlaufs im Schatten anderer verbringen und somit die Effizienz des Schwarms etwas herabsetzen. Das Verhältnis des Erdbahnradius von 149.600.000 km zum Sonnendurchmesser von 1.392.700 km beträgt rund 107,4. Das bedeutet, dass beim Erdbahnradius der Kernschatten eines als kreisscheibenförmig angenommenen Solarkollektors rund 107,4-mal so lang wie der Durchmesser des Solarkollektors ist. In einer Entfernung vom 1074-fachen des Durchmessers des Solarkollektors kann daher die maximale Abschattung nur noch 1 % betragen, da von dort aus gesehen der scheinbare Durchmesser des Solarkollektors 10-mal kleiner ist als der scheinbare Durchmesser der Sonne.

Schale

Eine weitere Form ist die feste Schale, die den Stern vollständig umschließt. Diese Variante ist sehr beliebt in der Science-Fiction (als Beispiel sei die Episode Besuch von der alten Enterprise der Star-Trek-Serie Raumschiff Enterprise: Das nächste Jahrhundert genannt) und wird häufig auch mit einer Atmosphäre auf der Innenseite beschrieben, die einen gewaltigen Lebensraum für biologische Organismen bildet. Mit den heute bekannten physikalischen Gesetzen ist eine solche Atmosphäre jedoch nicht realisierbar, da eine symmetrische, hohle Sphäre in ihrem Inneren kein eigenes Gravitationsfeld hat und die Gravitation der Sonne die Atmosphäre und alle beweglichen Objekte in die Sonne stürzen lassen würde. Eine Atmosphäre auf der Außenseite wäre möglich, jedoch müsste man dort ohne direktes Sonnenlicht auskommen. Außerdem würde beim Erdbahnradius die Gravitation der Sonne nur 5,93·10−3 m/s2 betragen. Aufgrund des Auftretens enormer Tangentialkräfte ist eine rein statische Realisierung mit heutzutage verfügbaren Materialien (z. B. Stahl) auf Grund mangelnder Druckfestigkeit nicht machbar. Es ist unklar, ob mittels neuartiger Werkstoffe (z. B. nanoporöse Metallschäume) die mindestens erforderliche Druckfestigkeit von etwa 10 MN/mm² jemals erreicht werden kann. Denkbar wäre auch, Bestandteile der Schale um die Sonne rotieren zu lassen; die entstehenden Fliehkräfte könnten die Schale entlasten und die benötigte Druckfestigkeit reduzieren.

Über die erwähnte Star-Trek-Episode sagte Dyson: „Actually it was sort of fun to watch it. It's all nonsense, but it's quite a good piece of cinema.“ (etwa: Das war eigentlich ganz unterhaltsam. Es ist zwar alles Unsinn, aber ziemlich gutes Kino.)[4]

Blase

Dyson-Blase, hier zum besseren Verständnis durchsichtig dargestellt

Eine dritte Form ist die „Dyson-Blase“, die nur aus sehr wenig Masse besteht und durch den Strahlungsdruck der Sonne und den Sonnenwind stabil gehalten wird. Ein Stützgerüst ist nicht notwendig. In der nebenstehenden bildlichen Darstellung ist das Zentralgestirn zum besseren Verständnis zu sehen. Tatsächlich würde aber das Material der Blase den größten Teil des sichtbaren Lichts zwecks Energiegewinnung absorbieren und damit den Stern verdecken.

Berechnung der durch den Strahlungsdruck abgestützten Masse

Der Strahlungsdruck hängt von der absorbierten bzw. abgestrahlten Leistung pro Fläche ab. Die Wellenlänge der Strahlung spielt dabei keine Rolle.

Beispielsweise beträgt bei einem Radius von 149.600.000 km (entspricht Erdbahnradius) die Solarkonstante 1367 W/m2 und der resultierende Strahlungsdruck (bei Absorption) 4,56·10−6 N/m2. Das Gegengewicht bildet die Gravitation der Sonne mit 5,93·10−3 m/s2. Um ein Segment der Blase in der Schwebe zu halten, müssten sich beide gegeneinander gerichteten Kräfte aufheben. Dies wäre bei einer Blasenmasse von 7,69·10−4 kg/m2 der Fall. Der Strahlungsdruck stützt das Blasensegment gegen die Gravitation ab. Diese Masse pro Fläche gilt auch für alle anderen Abstände zur Sonne, denn der Strahlungsdruck und die Gravitation nehmen nach außen hin gleichermaßen ab (mit dem Kehrwert des Quadrats des Sonnenabstands). Einzelne Objekte, die durch den Strahlungsdruck der Sonne schweben, ohne sie ausreichend schnell zu umkreisen, werden Statiten genannt (im Gegensatz zu den Satelliten).

Für eine Dyson-Blase mit dem Erdbahnradius ergibt sich bei einer Gesamtfläche von 2,81·1023 m2 eine Masse von 2,16·1020 kg. Das entspricht ungefähr der Masse eines größeren Planetoiden.

Wenn die Dichte des verwendeten Materials 1 g/cm3 betragen würde (etwa die Dichte einer Kunststofffolie), betrüge die Schichtdicke der Dyson-Blase nur 769 nm. Das entspricht der Wellenlänge von rotem Licht nahe dem Infrarot. Die dadurch verringerte Absorptionsfähigkeit dieser dünnen Schicht würde auch den stützenden Strahlungsdruck verringern.

Verstärkung des Strahlungsdruckes

Strahlungs-Leistungs-Bilanz in einer Dyson-Blase

Die gesamte Außenfläche der Blase gibt genau die gleiche Strahlungsleistung ab, wie sie die Sonne erzeugt, kurz 1 PSol. Es stellt sich ein Strahlungsgleichgewicht ein. Das gilt auch bei verändertem Spektrum.

Bei einer beidseitig schwarzen Dyson-Blase hat das zur Folge, dass auch ihre gesamte Innenfläche 1 PSol abgibt, denn bei geringer Schichtdicke hat das Material innen und außen die gleiche Temperatur. Die Druckwirkungen der nach außen und innen abgegebenen Strahlung heben sich gegenseitig auf.

Die nach innen abgegebene Strahlungsleistung wird letztlich von der (jeweils gegenüberliegenden Seite der) Blase selbst wieder absorbiert. Die Innenfläche absorbiert also 1 PSol von der Sonne und zusätzlich 1 PSol von ihrer jeweils gegenüberliegenden eigenen Innenfläche, also zusammen 2 PSol. Der Strahlungsdruck ist demnach doppelt so groß wie bei einem einzelnen Sonnensegel und kann deshalb eine doppelt so große Masse abstützen.

Ein zusätzlicher Strahlungsdruck entsteht durch die an der Innenseite reflektierte Strahlung. Zwar wird letztendlich die gesamte von der Sonne abgegebene Strahlung an der Innenseite der Blase absorbiert, aber zwischenzeitlich können Teile dieser Strahlung einige Male hin und her reflektiert werden. Jede Reflexion erhöht den Gesamt-Strahlungsdruck und damit auch die abstützbare Masse. Bei gut reflektierender Innenbeschichtung, zum Beispiel mit Aluminium, nähme infolge mehrfacher Reflexion die Strahlungsdichte im Inneren der Dyson-Blase sehr hohe Werte an. Eine Aufheizung und Ausdehnung der äußeren Schichten der Sonne wäre allerdings die Folge.

Ring

Dyson-Ring mit einer Sonne im Mittelpunkt, nach dem Vorbild von Larry Niven
Breiten-Stauchung der Ringwelt
Ringwelt-Querschnitte
Ringwelt-Querschnitt, Näherungsgleichung

Der Ring umgibt einen Stern, z. B. mit einem Radius von etwa einer Astronomischen Einheit. Somit stellt der Ring eine unvollständige Schale dar. Wegen der enormen Tangentialkräfte ist eine realistische Konstruktion nur mit einem Gleichgewicht von Fliehkraft und Gravitationskraft möglich, was bedeutet, dass auf der Oberfläche des Ringes Schwerelosigkeit herrscht. Am Rand der Ringwelt zeigen die Fliehkraft und die Gravitation der Sonne nicht genau in die entgegengesetzte Richtung, was zu einer Kraft führt, die die Breite der Ringwelt zu verringern versucht. Wenn man eine Druckfestigkeit von 100 N/mm2 und eine Dichte von 1 g/cm3 annimmt (dieses Verhältnis von Druckfestigkeit und Dichte erreichen schon heute viele Werkstoffe), dann kann diese Ringwelt 4.500.000 km breit sein, was 3 % des Erdbahnradius entspricht. Am Rand der Ringwelt würde eine Beschleunigung von 9·10−5 m/s2 in die Richtung zur Verringerung der Breite der Ringwelt wirken, was 1,5 % der Gravitation der Sonne beim Erdbahnradius entspricht. Wenn die Ringwelt zylinderförmig wäre, dann wäre an ihrem Rand die Fliehkraft größer als die Gravitation der Sonne, die von 1/Radius2 abhängig ist. Wenn die Ringwelt ein Ausschnitt einer Kugeloberfläche wäre, dann wäre an ihrem Rand die Gravitation der Sonne größer als die Fliehkraft, die linear vom Radius abhängt. Die optimale Form der Ringwelt liegt also zwischen diesen beiden Formen, wobei die Richtung der Druckkraft an jedem Ort parallel zur Fläche der Ringwelt liegt, so dass kein Biegemoment auftritt. Ein Beispiel aus der Science-Fiction ist die Ringwelt von Larry Niven, die allerdings wesentlich schneller rotiert, um durch die Fliehkraft künstliche Schwerkraft zu erzeugen, und die nur 1.600.000 km breit ist.

Matrjoschka-Gehirn

Ein Matrjoschka-Gehirn (engl. Matrioshka brain) ist eine zwiebelförmige Ansammlung von Dyson-Sphären, deren Ziel nicht die Maximierung der bewohnbaren Oberfläche, sondern maximale Energieausbeute ist, mit welcher dann ein riesiger Computer betrieben wird. Die innerste Sphäre würde so nahe wie möglich an den Stern platziert und die äußerste so weit außerhalb, wie noch Energiegewinnung aus der Temperaturdifferenz zwischen der nächstinneren und dem leeren Raum möglich ist.

Das Konzept wurde in den späten 1990er Jahren von dem Informatiker Robert Bradbury entworfen.[5] In der Science-Fiction-Literatur wurde es unter anderem durch Charles Stross in seinem Roman Accelerando bekannt gemacht.

Beobachtung

Die Beobachtung des 1450 Lichtjahre entfernten Sterns KIC 8462852 ergab unregelmäßige Helligkeitseinbrüche in den Jahren 2009, 2011 und 2013. Im Extremfall verlor der Stern bis zu einem Fünftel seiner Leuchtkraft. Neben mehreren anderen Erklärungsansätzen wurde spekuliert, dass der Stern von einem Dyson-Schwarm umgeben sein könnte, der die Leuchtkraft des Sterns in Teilen absorbiere. Allerdings ergaben neue Daten, dass die tatsächliche Ursache der Verdunkelung extrem feiner Staub ist. Dieser schluckt das Licht verschiedener Spektralbereiche unterschiedlich stark, was weder bei einem künstlichen Konstrukt, noch bei Planeten der Fall wäre.[6][7]

Literatur

Weblinks

Commons: Dyson-Sphäre – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Holland, Martin: SETI: Schwarze Löcher viel besser für Dyson-Sphären geeignet als Sterne. In: Heise online. Heise Medien GmbH & Co. KG, 31. August 2021, abgerufen am 6. September 2021.
  2. Freeman J. Dyson: Search for Artificial Stellar Sources of Infrared Radiation. In: Science. Band 131, Nr. 3414, 3. Mai 1960, S. 1667–1668, doi:10.1126/science.131.3414.1667.
  3. Dyson FAQ: Was Dyson First?
  4. a b Videointerview mit Freeman Dyson
  5. Robert J. Bradbury: Matrioshka Brains. 16. August 2004 (online (Memento vom 18. September 2008 im Internet Archive)).
  6. Patrick Illinger, Robert Gast: KIC 8462852: Rätselhafter Stern weckt Alien-Phantasie. In: Süddeutsche Zeitung. Süddeutsche Zeitung GmbH, 15. Oktober 2015, abgerufen am 6. September 2021.
  7. Martin Scheufens: Rätselhafter Stern: Arbeiten Aliens an der Energiewende?Spiegel online, am 16. Oktober 2015

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Abschattung beim ekliptischen Dyson-Schwarm
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Näherungsgleichung für die Form des Ringweltquerschnittes

Wenn x = 1 / ( x^2 + y^2 ) dann y = sqrt( ( 1 / x ) - x^2 ) x = Abstand von der Rotationsachse y = Abstand von der Ringmittelebene x^2 + y^2 = r^2 = Abstandsquadrat vom Schwerpunkt x = ist proportional zur Zentrifugalbeschleunigung

1 / ( x^2 + y^2 ) = ist proportional zur Gravitationsbeschleunigung
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Strahlungs-Leistungs-Bilanz in einer Dyson-Blase
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Eine Grafik der fiktiven Ringwelt nach dem Roman „Ringwelt“ von Larry Niven.