Dux provinciae Tripolitanae

Heerführer der Comitatenses und Limitanei im 5. Jahrhundert n. Chr.
Notitia Dignitatum, die Limessektoren/Kastelle unter dem Befehl des Dux von Tripolitanien: Talalatensis, Thentettani, Byzerentani, Tillibarensis, Madensis, Maccomadensis, Tintiberitani, Bubensis, Mamucensis, Basensis, Varensis, Leptitanis, Madensis, Sarcitani

Der Dux provinciae Tripolitanae (Heerführer der Provinz Tripolitanien) – auch Dux et corrector limitis Tripolitani oder Comes et Dux provinciae Tripolitanae – war ein hoher Offizier der weströmischen Armee und spätestens ab dem 4. Jahrhundert einer der Kommandeure der römischen Grenztruppen in Nordafrika.

Sein Zuständigkeitsbereich (ducat) erstreckte sich auf den Limes der Provinz Tripolitania, im Wesentlichen ein Küstenstreifen am Mittelmeer zwischen der Großen- und Kleinen Syrte im Osten und Westen und dem Mons Ater (Gebel as-Soda) im Süden, ein Territorium im Nordwesten des heutigen Libyen. Sein Amtssitz befand sich wahrscheinlich in der Hafenstadt und Provinzmetropole Leptis Magna.

Seine unmittelbaren Vorgesetzten waren der Comes Africae und der Magister Peditum. In der Rangordnung des spätrömischen Reichsadels nahm der Dux die Stellung eines vir spectabilis ein, im 6. Jahrhundert den eines vir clarissimus.[1]

Namentlich bekannte Amtsinhaber:

  • Silvano (dux et corrector, 393)
  • Flavius Macedonius (comes et dux, Ende 4. bis Anfang 5. Jahrhundert)
  • Nestorius (comes et dux, 406)
  • Flavius Ortygius (comes et dux, 408–423)[2]
  • Sergios (543)

Entwicklung

Es scheint, dass der tripolitanische Grenzschutz in der Regierungszeit des Kaisers Philippus Arabs (244–249) neu organisiert wurde. Man unterteilte dabei die Grenze in mehrere Abschnitte für deren Sicherung ein Praepositus zuständig war. Die Stabsstellen befanden sich in den größeren rückwärtigen Kohortenkastellen. Der Limes Tripolitanus verlief entlang einer Straße, die von der Küstenstadt Tacape (Gabès) im Westen bis zum östlich gelegenen Lepcis Magna (al-Khums) reichte. Am Kleinkastell Bezereos streifte sie das unmittelbare Grenzgebiet und lief in der weiteren Folge auf den Höhen des Nafusa- und Garian-Gebirgszugs über die Militärstützpunkte Tentheos und Thenadassa (Ain Wif) wieder an die Küste zurück.

Der erste Nachweis einer eigenständigen Provinz Tripolitania reicht bis in die Zeit der Reichsreform unter Kaiser Diokletian (284–305) zurück. Für kurze Zeit wurde die Leitung der Militär- und Zivilverwaltung in Personalunion ausgeübt.[3] In diesem Sinne regierte von 355 bis 360 der Comes et praeses provinciae Tripolitanae Flavius Titus Archontius Nilus und als sein Nachfolger höchstwahrscheinlich Flavius Nepotianus die Provinz.[4] Um 363 wurden die Provinzstreitkräfte wieder von einem zivilen Statthalter (praeses) namens Ruricio angeführt. Vermutlich ist die Titulatur in der mittelalterlichen Abschrift der Notitia Dignitatum von den Kopisten nicht korrekt bzw. unvollständig wiedergegeben worden, den 393 wurde der dortige Befehlshaber schon als Dux et corrector limitis Tripolitani angesprochen. Er hätte demnach also ebenfalls der Zivilverwaltung der Provinz vorgestanden. Dieser Umstand könnte auf die vermehrten Angriffe von Nomadenstämmen (Austuriani) zurückzuführen sein. Der Zusatz provinciae kommt ansonsten nur bei den Heerführern der weströmischen Provinzen Mauritaniae et Caesariensis und Sequania vor.[5]

Anfang des 5. Jahrhunderts befehligte – wohl aufgrund der erhöhten Gefährdungslage – ein rangmäßig aufgewerteter Comes et Dux das Provinzaufgebot. 429 überrannten Vandalen und Alanen die Dioecesis Africae. Wie das Keramikspektrum aus dem Kleinkastell Bezereos belegt, scheint der Limes Tripolitanus irgendwann zwischen 430 und 440 n. Chr. aufgegeben worden zu sein. 534, nach der Unterwerfung der Vandalen unter oströmische Herrschaft, unterstellte Kaiser Justinian Nordafrika einem Prätorianerpräfekten. Unter ihm wurde auch wieder ein Dux limitis Tripolitanae provinciae mit Sitz in Leptimagnensi eingesetzt. 543 ließ der Dux Sergios 79 Stammesführer der Laguatan in Lepcis hinrichten, worauf eine Revolte ausbrach die bis 548 andauerte.[6] Später wurde das Ducat der Dioecesis Oriens zugeordnet und ging am Ende des 6. Jahrhunderts im Exarchat von Karthago auf.[7]

Verwaltungsstab

Das Officium (Verwaltungsstab) des Dux umfasste folgende Ämter:[8]

  • Principem ex officis magistrorum militum praesentalium alternis annis (Kanzleileiter aus dem Stab des Heermeisters, er wurde alle zwei Jahre vom Heermeister neu bestellt)
  • Numerarios utrosque (Zahlmeister)
  • Commentariensem utrumque (Buchführer und Rechtskundiger)
  • Cornicularium (Sekretär und Proviantmeister)
  • Adiutorem (Assistent)
  • Subadiuuam (Hilfskraft)
  • Regrendarium (Verwalter oder Archivar)
  • Exceptores (Schreiber)
  • Singulares et reliquos officiales (Leibwächter/Ordonanzen)[9]

In seinem Stab findet sich bemerkenswerterweise auch ein Cornicularius. Dieser war für gewöhnlich auch für die Verproviantierung der Einheiten verantwortlich. Solche Amtsträger werden in der Notitia nur noch bei fünf anderen Comes und Duces erwähnt. In der Spätantike fiel diese Aufgabe für gewöhnlich in die Verantwortung der Zivilverwaltung. Möglicherweise konnte der Dux in Krisenzeiten eigenmächtig über die Versorgungsgüter aus den öffentlichen Speichern verfügen. Es ist auch ein Indiz dafür, dass in der Tripolitana die militärische und zivile Verwaltung in den Händen der Duces lagen.[10]

Truppen

Die Truppenliste des Dux wurde nur in der Notitia Dignitatum überliefert. Sie gewährt einen Einblick in die militärische Organisation der tripolitanischen Grenze, ab ca. 423 n. Chr., am Ende der Regierungszeit des Honorius. Auffällig ist, dass – bis auf zwei – keine Einheitsbezeichnungen angegeben werden, sondern nur die 12 Limesabschnitte und der Rang der befehlshabenden Offiziere (Praepositus limites). Es scheint, dass diese Verbände aus Milizionären bestanden, die dort als Bauern angesiedelt waren und nur bei Einfällen der Wüstenstämme aufgeboten wurden. Praepositus (lat. für Aufseher, Vorsteher, Vorgesetzter) war in der Spätantike der übliche Titel für Kommandanten einzelner Abschnitte des afrikanischen Limes. Jeder dieser Grenzabschnitte dürfte schätzungsweise von 100 bis 200 Mann (Limitanei) gesichert worden sein. Mobile Truppen (Comitatenses) und Flottenverbände waren in der wirtschaftlich für das Reich nur mäßig bedeutenden Tripolitania offenbar keine stationiert.[11]

Distributio Numerorum

Laut der ND Occ. standen dem Dux folgende Einheiten zur Verfügung:[12]

Offiziere/Einheit/Limesabschnitt/KastelleBemerkungAbbildung
Praepositus limitis TalalatensisDieser Limesabschnitt wurde von der Garnison des Kastells Talalati überwacht. Die dort stationierte Einheit war die Cohors VIII Fida equitata, die im Jahr 263 n. Chr. das Kastell errichtete.[13][14]
Schildzeichen unbekannt
Praepositus limitis TenthettaniDieser Abschnitt der Grenze entstand im 3. Jahrhundert und wurde von der Garnison des Kleinkastell Tentheos gesichert. Es war lt. einer Inschrift möglicherweise mit einer Einheit syrischer Bogenschützen, der Cohors I Syrorum sagittariorum belegt.[15]
Schildzeichen unbekannt
Praepositus limitis BizerentaneDieser Limesabschnitt wurde von der Garnison des Kleinkastell Bezereos überwacht. Der Name der dort in der Spätantike stationierten Einheit (Limitanei, gentiles?) ist unbekannt.[16]
Schildzeichen unbekannt
Praepositus limitis TillibarensisDieser Limesabschnitt wurde von der Garnison des Kastell Tillibari überwacht. Eine Cohors II Flavia Afrorum equitata ist zumindest seit severischer Zeit als Stammtruppe in Tillibari belegt. Wie aus der wohl zwischen 425 und 433 n. Chr. entstandenen Notitia Dignitatum Occ. hervorgeht, lag vielleicht noch im späten 4. Jahrhundert eine Abteilung dieser Einheit an diesem Limesabschnitt.[17]
Schildzeichen unbekannt
Praepositus limitis Madensis
Schildzeichen unbekannt
Praepositus limitis MaccomadensisDieser Limesabschnitt schützte das Umland der Stadt Euphranta/Macomades, heute Sirte an der Küste der Großen Syrte.
Schildzeichen unbekannt
Praepositus limitis Tintiberitani
Schildzeichen unbekannt
Praepositus limitis Bubensis
Schildzeichen unbekannt
Praepositus limitis Mamucensis
Schildzeichen unbekannt
Praepositus limitis Balensis
Schildzeichen unbekannt
Praepositus limitis Varensis
Schildzeichen unbekannt
Praepositus limitis Sarcitani
Schildzeichen unbekannt
Milites Fortenses in castris Leptitanis, Leptis MagnaDiese Einheit scheint eine Vexillation der Fortenses gewesen zu sein, die als letzte der Legiones Comitatenses im Truppenregister des Magister peditum angeführt sind. Sie unterstanden dem Comes Africae.[18]
Schildzeichen der Fortenses
Milites Munifices in castris MadensibusMunifices waren Soldaten, die nicht, wie die Immunes, vom schweren Dienst befreit waren. Sie waren wahrscheinlich ebenfalls Angehörige einer Vexillation der Fortenses-Legion. Es ist möglich, dass sie, da in der Notitia kein Kommandant für diese Einheiten angegeben wird, unter dem Kommando des Praepositus am Varenser Abschnitt gestanden haben. Diese Einheit könnte bis zum Einfall der Vandalen im Kastell Gheriat el-Garbia gelegen haben.
Schildzeichen unbekannt

Anmerkungen

  1. M.F. Schwarze 2018, S. 308–309.
  2. IRT 480, Flavious Ortygius, v(ir) c(larissimus) et sp(ectabilis) com(es) et dux p(rovinciae) T(ripolitanae), Codex Theodosianus 12.1.133 und 11.36.33, Ralf Scharf 2005, Fußnote 50, S. 73, Konrad Stauner 2010, S. 160.
  3. Gareth Sears: Late Roman African Urbanism. Continuity and transformation in the city. (= BAR International Series 1693), Archaeopress, Oxford 2007, S. 72.
  4. CIL 08, 22766, CIL 08, 22768, Maurice Euzennat: Quatre années de recherches sur la frontière romaine en Tunisie méridionale. In: Comptes rendus des séances de l’Académie des Inscriptions et Belles-Lettres, 116-1 (1972), S. 7–27; hier: S. 20.
  5. CIL 08, 22768, Itinerarium Antonini 74, 5; Kleinkastell Bezereos bei 33° 30′ 13,33″ N, 9° 29′ 52,96″ O, Florian Schimmer 2012, S. 33–39, hier: S. 33, Christian Witschel 2006, S. 145–222; hier: S. 181, J.M. Reynolds 1976–1977, S. 13.
  6. D.J. Mattingly 2008, S. 2, Procopius, Kriege, Bücher III-IV, Corippus, Iohannidos
  7. ND occ.: 31, Ralf Scharf 2005, Fußnote 46, S. 72, Codex Theodosinaus XII, 1.133; siehe auch XI, 36, 33; ND. Occ. XXXI, 17 ; 480, 529, Codex Iustinus I, 27,2,1a, , Ammianus 28.6.11: militarium curam presidi delata Ruricio, Michael Mackensen: 2015, S. 259–270; hier: S. 268, Konrad Stauner 2011, S. 155, M.F. Schwarze 2018, S. 308–309.
  8. Officium autem habet idem vir spectabilis dux hoc modo
  9. ND occ.: XXXI, 33
  10. Konrad Stauner 2010, S. 133–161.
  11. David Mattingly 1995, S. 188.
  12. sub dispositione
  13. CIL 08, 22765.
  14. Pol Trousset: Recherches sur le limes Tripolitanus, du Chott el-Djerid à la frontière tuniso-libyenne. (Etudes d’Antiquites africaines). Éditions du Centre national de la recherche scientifique, Paris 1974, ISBN 2-222-01589-8. S. 98–102; hier: S. 101.
  15. AE 1992, 01761, David Mattingly 1991, S. 75–82; hier: S. 81.
  16. P. Trousset, 1984, S. 1487.
  17. Notitia dignitatum occ. 25, 33 (Comes Africae) und occ. 31, 21 (Dux provinciae Tripolitanae)
  18. ND occ. 139, 13, 137, 5 und 98/9, 129

Literatur

  • Michael Mackensen: Zur spätrömischen Nutzung des Kleinkastells „Vezereos“ am „limes Tripolitanus“ (Südtunesien). In: Peter Henrich, Christian Miks, Jürgen Obmann, Martin Wieland (Hrsg.): Non solum .... sed etiam. Festschrift für Thomas Fischer zum 65. Geburtstag, Marie Leidorf. Rahden 2015, ISBN 978-3-89646-081-3.
  • Florian Schimmer: New evidence for a Roman fort and ‚vicus‘ at Mizda (Tripolitania). In: Libyan Studies. 43, 2012.
  • Konrad Stauner: Der cornicularius in den Büros der comitalen und ducalen Kommandeure in der Notitia dignitatum. In: Tyche. Beiträge zur Alten Geschichte, Papyrologie und Epigraphik. Band 25, 2010, S. 131–171 (online).
  • David Mattingly: Laguatan, Encyclopédie berbère, 2008, ISBN 978-2-7449-0707-4.
  • Ralf Scharf: Der Dux Mogontiacensis und die Notitia Dignitatum. Eine Studie zur spätantiken Grenzverteidigung (= Reallexikon der Germanischen Altertumskunde. Ergänzungsband 48). de Gruyter, Berlin u. a. 2005, ISBN 3-11-018835-X.
  • David Mattingly: The constructor of Gasr Duib, Numisius Maximus, Tri(unus cohortis I Syrorum sagittariorum). In: Antiquités africaines. Nr. 27, 1991.
  • David Mattingly: Tripolitania. University of Michigan Press, Ann Arbor 1994, ISBN 0-472-10658-9. (Batsford, London 1995, ISBN 0-7134-5742-2)
  • Yan Le Bohec: Armi e guerrieri di Roma antica. Da Diocleziano alla caduta dell’impero. Carocci, Rom 2008, ISBN 978-88-430-4677-5.
  • Adrian Goldsworthy: Storia completa dellesercito romano. Logos, Modena 2007, ISBN 978-88-7940-306-1.
  • Christian Witschel: Zur Situation im römischen Africa während des 3. Jahrhunderts. In: Klaus-Peter Johne, Thomas Gerhardt, Udo Hartmann (Hrsg.): Deleto paene imperio Romano. Transformationsprozesse des Römischen Reiches im 3. Jahrhundert und ihre Rezeption in der Neuzeit. Steiner, München 2006, ISBN 3-515-08941-1.
  • Julio Rodríguez González: Historia de las legiones Romanas, Almena Ediciones. Madrid, 2003, ISBN 84-96170-02-0.
  • Benjamin Isaac: The meaning of the terms Limes and Limitanei. In: The Journal of Roman Studies. Nr. 78, 1988, S. 125–147.
  • Poul Trousset: Bezereos. In: Encyclopédie Berbère. Band 10, Édisud, Aix-en-Provence 1984, ISBN 2-85744-549-0.
  • Joyce Reynolds: The Austuriani and Tripolitania in the early fifth century. Annual Report. In: Libyan Studies. 8, 1977.
  • Ingo Maier: Appendix 4: Numeration of the new edition of the compilation ‘notitia dignitatum’ (Cnd).
  • Ingo Maier: The Barberinus and Munich codices of the ‘Notitia Dignitatum omnium’. Latomus 28.4, 1969, S. 960–1035 und 1022.
  • Julien Guey: Note sur Flavius Archontius Nilus et Flavius Nepotianus. In: Revue des études anciennes 53 (1951) Nr. 3–4 S. 248–252.
  • Giacomo Caputo: Flavius Népotianus. Comes et praeses provinciae Tripolitanae. In: Revue des Études Anciennes 53 (1951) Nr. 3–4 S. 234–247.

Weblinks

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