Doris Reisinger

Doris Reisinger (* 1983 in Ansbach,[1] geb. Wagner[2]) ist eine deutsche Theologin, Philosophin und Autorin sowie ehemaliges Mitglied der Geistlichen Familie „Das Werk“ (FSO). Sie brachte als Betroffene sexuellen Missbrauchs in der römisch-katholischen Kirche ab 2014 das Thema vor allem als Buchautorin in die Öffentlichkeit. Seither wirbt sie auch in Interviews und Vorträgen vor Verantwortlichen und Seelsorgern um ein neues Bewusstsein für das Phänomen geistlichen Missbrauchs in der Kirche.[3]

Leben

Doris Wagner entstammt einer frommen, christlichen Familie und wuchs in Oberkotzau auf. Als sie 15 Jahre alt war, konvertierte sie mit ihrer ganzen Familie vom Luthertum zum Katholizismus. Sie engagierte sich in der Stadtkirche St. Marien in Hof.[4] Bereits als Jugendliche wurde ihr bewusst, dass sie in ein Kloster eintreten wollte.[5] Wagner trat kurz nach ihrem Abitur am Jean-Paul-Gymnasium Hof 2003 der Geistlichen Familie „Das Werk“ bei und arbeitete jahrelang in der Niederlassung der Gemeinschaft in Rom.[6] Am 11. November 2007 legte sie in der Kirche Santa Maria in Traspontina vor dem Erzbischof von Bologna Carlo Kardinal Caffarra ihr Ordensgelübde ab.[4] 2011 verließ sie „Das Werk“. Sie heiratete einen ehemaligen Pater der Geistlichen Familie.[7]

Nach ihrem Austritt erstattete sie gegen einen ehemaligen Mitbruder Anzeige wegen Vergewaltigung in Deutschland und Österreich.[7] Die Staatsanwaltschaften in Deutschland und Österreich stellten die Verfahren ein.[8] Die Anzeige in Deutschland war vor der Reform des Sexualstrafrechts 2016 erfolgt.[9] 2014 veröffentlichte sie ihre Erfahrungen in einem Buch mit dem Titel Nicht mehr ich – Die wahre Geschichte einer jungen Ordensfrau und enthüllte darin ihre Erfahrungen als Missbrauchsopfer.

2018 verfasste sie gemeinsam mit Klaus Mertes das Buch Spiritueller Missbrauch in der katholischen Kirche, das im Herder Verlag erschien. Anfang 2019 führte sie mit Kardinal Christoph Schönborn, dem Erzbischof von Wien, zum Thema des Missbrauchs in der katholischen Kirche ein Gespräch vor der Kamera, das in einen Dokumentarfilm eingebettet und vom BR Fernsehen ausgestrahlt wurde.[10][11][12]

2019 promovierte sie mit einer Arbeit zum Originalbegriff in der Analytischen Philosophie an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. 2019/2020 nahm sie einen Lehrauftrag an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Sankt Georgen wahr.[13] Anschließend war sie wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität in Frankfurt am Main. Seit März 2020 ist sie „Fellow“ der Forschungsgruppe „Gender, Sex, and Power: Towards a History of Clergy Sex Abuse in the U.S. Catholic Church“ am Cushwa Center der Notre Dame University, Indianapolis.[14]

Doris Wagner ist eine der fünf Protagonistinnen des im Herbst 2018 veröffentlichten Films #Female Pleasure sowie eine der Protagonistinnen in der 2019 ausgestrahlten Arte-Dokumentation Gottes missbrauchte Dienerinnen.[15] Auch in dem Kinodokumentationsfilm Verteidiger des Glaubens des deutsch-britischen Regisseurs Christoph Röhl über Papst Benedikt XVI. kommt Doris Wagner mehrfach zu Wort.

Schriften

  • Nicht mehr ich. Die wahre Geschichte einer jungen Ordensfrau. Edition a, Wien 2014, ISBN 978-3-99001-109-6.
  • Spiritueller Missbrauch in der katholischen Kirche. Mit einem Geleitwort von Klaus Mertes und einem Nachwort von Jochen Sautermeister. Herder, Freiburg 2019, ISBN 978-3-451-38426-4.
  • mit Christoph Kardinal Schönborn: Schuld und Verantwortung. Ein Gespräch über Macht und Missbrauch in der Kirche. Herder, Freiburg 2019, ISBN 978-3-451-39526-0.
  • #NunsToo: Sexueller Missbrauch an Ordensfrauen – Fakten und Fragen. In: Stimmen der Zeit. 236, 6, 2018, S. 374–384 (online).
  • Von der Last ein Opfer zu sein oder: Von der Unmöglichkeit zu vergeben. In: Lebendige Seelsorge. 70, 3, 2019, S. 162–166 (online).
  • Schämst du dich noch? Evas Vertreibung aus dem Paradies prägt unser Frauenbild tiefer, als uns oft bewusst ist. Zeit für einen neuen Blick. Gastbeitrag in Christ & Welt/Zeit online (online).
  • Vortrag „Gewalt gegen Frauen in Kirche und Orden“. 27. und 28. September 2019 in Siegburg.
  • Was ist ein Original? Eine Begriffsbestimmung jenseits genieästhetischer Stereotype. Dissertation. Universität Münster 2019. Transcript, Bielefeld 2020, ISBN 978-3-8376-4989-5.
  • Gemeinsam mit Christoph Röhl: Nur die Wahrheit rettet. Pieper, München 2021, ISBN 978-3-492-07069-0.

Weblinks

Anmerkungen und Einzelnachweise

  1. Roland R. Ropers: Interview mit Doris Wagner. In: Epoch Times. 13. November 2014, in anderen Quellen ist das Geburtsjahr 1984 genannt.
  2. Eintrag DNB 1064946046.
  3. Kurzvorstellung, Herder-Verlag
  4. a b Aus der Hofer Diaspora nach Rom ins Kloster. In: Die Brücke Nr. 172, Katholisches Stadtpfarramt St. Marien (Hg.), Hof 23. Dezember 2007, S. 14–16.
  5. Matthias Drobinski: Doris Wagner: Die ehemalige Nonne schreibt als Missbrauchsopfer gegen das Vergessen an. In: Süddeutsche Zeitung. 7. Februar 2019, abgerufen am 27. März 2019.
  6. Nicht mehr ich. Die wahre Geschichte einer jungen Ordensfrau. Edition a, Wien 2014, ISBN 978-3-99001-109-6.
  7. a b Evelyn Finger, Wolfgang Thielmann, Veronika Völlinger, Marc Widmann: Das Schweigen. In: Zeit Online. 26. September 2018, abgerufen am 28. Oktober 2019.
  8. Thorsten Fuchs: Missbrauchsgipfel im Vatikan. Eine Nonne klagt an. In: Kieler Nachrichten. 21. Februar 2019, abgerufen am 28. Oktober 2019.
  9. Abschlussbericht der Reformkommission zum Sexualstrafrecht.
  10. Bericht der Kirchenzeitung im Bistum Hildesheim
  11. Stefan Meining: Eine Frau kämpft um Aufklärung. Artikel zur Sendung. Bayerischer Rundfunk, 6. Februar 2019, abgerufen am 14. Februar 2019.
  12. Beate Hausbichler: Ex-Nonne Doris Wagner nach Gespräch mit Schönborn: „Das war wahnsinnig ehrlich“. Interview. Der Standard, 16. Februar 2019, abgerufen am 27. März 2019.
  13. Lehrbeauftragte Wintersemester 2019/20. Website der Hochschule. Philosophisch-Theologische Hochschule Sankt Georgen, abgerufen am 3. November 2019.
  14. https://www.doris-reisinger.de/cv
  15. Stefan Reis Schweizer: Ruhig und wütend – eine ehemalige Ordensfrau kämpft für Missbrauchsopfer der katholischen Kirche. In: Neue Zürcher Zeitung. 29. November 2019, abgerufen am 1. Dezember 2019.