Dorfkirche Groß Welle

Dorfkirche Groß Welle
Ostseite
Kanzelaltar
Sakramentsnische

Die evangelische Dorfkirche Groß Welle ist eine gotische Saalkirche im Ortsteil Groß Welle von Gumtow im Landkreis Prignitz in Brandenburg. Sie gehört zum Pfarrsprengel Lindenberg-Buchholz im Evangelischen Kirchenkreis Prignitz der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz.

Geschichte und Architektur

Die Kirche ist ein sehr schlichter, gut erhaltener frühgotischer Feldsteinquaderbau aus dem dritten Viertel des 13. Jahrhunderts. Das Dachwerk wurde dendrochronologisch auf 1622 (d) datiert, der schiffsbreite Westturm ist nicht ausgebaut. Ein hier ursprünglich vorhandenes Fachwerkoberteil wurde in der Neuzeit durch einen Backsteingiebel ersetzt.[1] Ein umlaufender Sockel ist mit glasierten Formsteinen verziert. An der Nord- und Südseite sind einander gegenüberliegende Portale zu finden, dazu ein Westportal und eine südliche Priesterpforte, alle mit einem starken Rundstabprofil aus Backstein. In der Nord- und Südwand sind je vier originale Spitzbogenfenster angeordnet, auf der Ostseite drei pyramidal angeordnete Lanzettfenster, darüber zwei Spitzbogenblenden und Blendenkreuz; der Westgiebel wurde in Backstein ersetzt. Die nordöstliche Sakristei wurde später abgebrochen.

Das Schiff war ursprünglich mit einem hölzernen Tonnengewölbe geschlossen, dessen Profil vom Dachboden aus zu erkennen ist. Weiterhin ist die ornamentale, im Putz vorgeritzte Rahmung der Ostfenster noch erkennbar, die zum Teil rot gefasst ist. Die Ostfenster sind innen einfasst von einer großen halbkreisförmigen Blende mit Rundstabprofil, die durch die nachträglich eingezogene Holzdecke überschnitten ist. Die Turmhalle ist tonnengewölbt, die Rundbogenöffnung zum Schiff wurde vermauert.

Im Jahr 1992 wurden Dach und Fassade instand gesetzt.[2] In der Friedhofsmauer befindet sich ein zinnenbekröntes spätgotisches Backsteinportal.

Ausstattung

Der Kanzelaltar von 1736 wurde wahrscheinlich von Heinrich Johann Schultz aus Havelberg geschaffen und ist mit einem Gemälde des Abendmahls versehen, in den Gebälkverkröpfungen sind zwei Wappen eingepasst. Die Orgelempore stammt aus dem Jahr 1710. Eine Sakramentsnische mit Tür ist aus dem Mittelalter erhalten; daran wurden spätmittelalterliche Malereifragmente freigelegt, die möglicherweise die Heilige Maria Magdalena darstellen.

Die Orgel ist ein Werk von Wilhelm Remler aus dem Jahr 1884.[2]

Literatur

  • Georg Dehio: Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler. Brandenburg. Deutscher Kunstverlag, München/Berlin 2012, ISBN 978-3-422-03123-4, S. 439.

Weblinks

Commons: Dorfkirche Groß Welle – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Informationen auf askanier-welten.de. Abgerufen am 5. April 2021.
  2. a b Website der Kirchengemeinde. Abgerufen am 5. April 2021.

Koordinaten: 53° 0′ 42,2″ N, 12° 4′ 59,4″ O

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Kanzelaltar Groß Welle - über allem krönt ein Pinienzapfen als ein Zeichen Ewigen Lebens in Gottes Reich1xxx.tif
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Heute wird das Kircheninnere von einem stattlichen Kanzelaltar dominiert. Er wurde im zurückhaltenden protestantischen Barock ausgeführt und ist beispielgebend für die Konzentration der protestantischen Lehrmeinung auf das Wort.

Herr Ziems von der brandenburgischen Denkmalspflege hat den Groß Weller Altar als ein Meisterwerk des Havelberger Bildhauers Heinrich Joachim Schultz erkannt. Der Altar ist ein Musterbeispiel für die gestaltgewordene evangelische Orthodoxie. Seine Form gleicht einem antiken Portikus. Die beiden Säulen symbolisieren Petrus und Paulus: die Stützen der Evangeliumsverkündigung. Über ihnen sind Feuerbehälter angebracht. Sie nähren die Flamme des Heiligen Geistes. Der Kanzelkorb mit seinen Bibelsprüchen predigt Buße. Er erhöht das Wort über das Sakrament und sagt aus, daß durch die Predigt der Glaube an Gott in Jesus Christus und an die Wirksamkeit der Sakramente erst geweckt wird.

Die Balustrade versinnbildlicht die Grenze zum himmlischen Reich.
Dorfkirche Groß Welle Ostseite.tif
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- Ostseite der Kirche von der Dorfstraße aus gesehen mit rekonstruiertem Eingangstor zum Friedhof

- Gedenkstein an die Schlacht am 18. April 1864 bei den Düppeler Schanzen im Deutsch-Dänischen Krieg vom 1. Februar bis 30. Oktober 1864 (vorn) - Kriegerdenkmal für die Gefallenen des 1. Weltkriegs (an der Kirche)

Zeitliche Einordnung 

Die Bedeutung der Dorfkirche von Groß Welle wurde bisher in der Baugeschichte der Mark Brandenburg verkannt. Sie ist ein außergewöhnliches Beispiel frühmittelalterlicher Baukunst in der Prignitz. In dieser Landschaft gehört sie zu den ältesten und interessantesten Kirchen. Die Groß Weller Kirche wird vor 1250 zu datieren sein. Das ist erkennbar aus dem Baubefund und der teilweise noch sichtbaren ersten Raumfassung. Es ist ein behauener Eckbalken oberhalb des Glockenstuhls gefunden worden, der von der ursprünglichen Holzkirche stammen könnte. Ein weiterer Balken mit Holzkante ist auf 1261 datiert; ein dritter auf die Zeit um 1530. Dessen Bearbeitung zeigt, daß er ursprünglich an einer anderen Stelle oder in einer anderen Kirche gedient hat.

Die Wand der Kirche ist 1,60 m stark - die des Turmunterbaus sogar 2,40 m! Der Turm wurde nicht ausgeführt.
Groß Welle church 2016 SW.jpg
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Dies ist ein Foto des brandenburgischen Baudenkmals mit der Nummer
Vasa sacra - Fuß gotisch, Kelch barock mit preußischer Adlerpunze.tif
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Nach der Entdeckung der Sakramentstürbemalung wurden die Vasa sacra im Sakramentsschrein untergebracht. Wegen Diebstahlsgefahr sind sie jetzt jedoch anderswo sicherer weggeschlossen.

Bemalte Sakramentstüren sind nur noch sehr wenige erhalten - meines Wissens vier im Brandenburger Raum. Die anderen drei befinden sich wohl alle in der Lausitz. Die Groß Weller Sakramentstür kann man nicht aus den Angeln heben. Dieser Glücksumstand hat sie über die Jahrhunderte erhalten. Sie wurde nachweisbar an ihrem jetzigen Ort bemalt: Bleimennigetropfen finden sich auf den Türangeln und auf dem Türblatt. Die Malerei ist von erstaunlicher Qualität. Sie ist zwischen 1380 und 1420 zu datieren.

Die Mode, die geweihten Hostien wegzuschließen, hat sich erst Ende des 14. Jahrhunderts durchgesetzt. Ab 1383 lösten die blutroten Hostien, die nach dem Kirchenbrand im damaligen Dörfchen Wilsnack unversehrt gefunden wurden, einen heute schwer vorstellbaren Wallfahrtsbetrieb aus.