Divico
Divico (* um 130 v. Chr.; † nach 58 v. Chr.) war ein Anführer des helvetischen Teilstammes der Tiguriner.
Geschichte
107 v. Chr. besiegten gemäss Cäsar (De bello Gallico, I, 12-14) die Tiguriner unter Divico die Römer unter Lucius Cassius Longinus in der Schlacht bei Agen.[1] 58 v. Chr. führte er in hohem Alter als Nachfolger des Orgetorix die Helvetier nach Genf, wo Gaius Iulius Caesar sie zum Ausweichen nach Norden zwang. Nach einem römischen Überfall an der Saône führte Divico die Gesandtschaft an, die mit Cäsar verhandelte (vgl. Caes. Gall. I 13,2-14,7).
Cäsar überlieferte aus diesen Verhandlungen den Satz, dass die Helvetier keine Geiseln stellten, sondern gewohnt seien, solche zu nehmen, wie die Römer ja aus eigener Erfahrung wüssten: Ita Helvetios a maioribus suis institutos esse, uti obsides accipere, non dare consuerint; eius rei populum Romanum esse testem. (Caes. Gall. I 14,7). Mit diesem Bezug auf die Niederlage der Römer gegen die Tiguriner liess Divico die Verhandlungen scheitern, in denen Cäsar den Helvetiern gegen Stellung von Geiseln und Schadensersatzleistungen für angerichtete Plünderungen und Verwüstungen Friedensschluss angeboten hatte. Kurz darauf wurden die Helvetier in der Schlacht von Bibracte vernichtend geschlagen; die Überlebenden zwang Caesar, in ihre Heimat zurückzukehren und ihre Dörfer wieder aufzubauen.
Heroisierung im 19. Jahrhundert
Im 19. Jahrhundert stand Divico als Nationalheld der modernen Schweiz in Konkurrenz zu Wilhelm Tell. Zahlreiche Historiengemälde verherrlichten seine Taten, auch die Literatur nahm den Stoff auf. Conrad Ferdinand Meyer verfasste etwa das Gedicht «Ein Joch am Leman» zur Verherrlichung von Divicos Sieg über die Römer.
Einerseits war Divico vor der Rezeption der Tell-Legende durch Schiller beim gebildeten Bürgertum bekannter, da Cäsars Schriften zur Pflichtlektüre im Gymnasium gehörten. Andererseits repräsentierte er ganz andere Tugenden: Er galt als mutig, furchtlos, stolz, trotzig und weise – und er entstammte dem Adel bzw. der Führungsschicht. Tell hingegen war für das konservative Bürgertum eine suspekte Figur, ein Tyrannenmörder, Revolutionär, ein «Mann aus dem Volk», ein Einzelkämpfer.
Im 20. Jahrhundert verdrängte jedoch Wilhelm Tell Divico fast völlig, nur im Rahmen der Geistigen Landesverteidigung erlebte er eine Renaissance. Während dieser Zeit wurde vor allem der trotzige Widerstandswille hervorgehoben, den Divico gegenüber Cäsar an den Tag gelegt haben soll. Damit wurde ein Bezug hergestellt zum Widerstand der Schweiz gegen das übermächtige Dritte Reich während der Zeit des Nationalsozialismus. In der Nachkriegszeit versank Divico zunehmend in der Vergessenheit, insbesondere seit im Geschichtsunterricht in den Schweizer Schulen in den 1980er-Jahren immer weniger auf die Geistige Landesverteidigung eingegangen wurde.
Einzelnachweise
- ↑ T. Livius: Periochae 65
Weblinks
- Daniel Nerlich: Divico. In: Historisches Lexikon der Schweiz.
- De bello Gallico: Niederlage der Tiguriner. Verhandlungen und erste Feindberührung mit den Helvetiern.
- Gilbert Kaenel: Agen, Schlacht bei. In: Historisches Lexikon der Schweiz.
Personendaten | |
---|---|
NAME | Divico |
KURZBESCHREIBUNG | Anführer der helvetischen Tiguriner |
GEBURTSDATUM | um 130 v. Chr. |
STERBEDATUM | nach 58 v. Chr. |
Auf dieser Seite verwendete Medien
Divico, der greise Heerführer der Helvetier, trifft mit Julius Cäsar zusammen nach der Schlacht an der Saône (lat. Arar). Heroisierende Darstellung des 19. Jahrhunderts. Links Cäsar, unter ihm ein gefallener und ein gefangener Helvetier, rechts Divico mit einigen Helvetiern. Die entsprechende Szene liest sich bei Cäsar (De Bello Gallico, I) folgendermassen:
13 Hoc proelio facto, reliquas copias Helvetiorum ut consequi posset, pontem in Arari faciendum curat atque ita exercitum traducit. Helvetii repentino eius adventu commoti cum id quod ipsi diebus XX aegerrime confecerant, ut flumen transirent, illum uno die fecisse intellegerent, legatos ad eum mittunt; cuius legationis Divico princeps fuit, qui bello Cassiano dux Helvetiorum fuerat. Is ita cum Caesare egit: si pacem populus Romanus cum Helvetiis faceret, in eam partem ituros atque ibi futuros Helvetios ubi eos Caesar constituisset atque esse voluisset; sin bello persequi perseveraret, reminisceretur et veteris incommodi populi Romani et pristinae virtutis Helvetiorum. Quod improviso unum pagum adortus esset, cum ii qui flumen transissent suis auxilium ferre non possent, ne ob eam rem aut suae magnopere virtuti tribueret aut ipsos despiceret. Se ita a patribus maioribusque suis didicisse, ut magis virtute contenderent quam dolo aut insidiis niterentur. Quare ne committeret ut is locus ubi constitissent ex calamitate populi Romani et internecione exercitus nomen caperet aut memoriam proderet.
14 His Caesar ita respondit: eo sibi minus dubitationis dari, quod eas res quas legati Helvetii commemorassent memoria teneret, atque eo gravius ferre quo minus merito populi Romani accidissent; qui si alicuius iniuriae sibi conscius fuisset, non fuisse difficile cavere; sed eo deceptum, quod neque commissum a se intellegeret quare timeret neque sine causa timendum putaret. Quod si veteris contumeliae oblivisci vellet, num etiam recentium iniuriarum, quod eo invito iter per provinciam per vim temptassent, quod Haeduos, quod Ambarros, quod Allobrogas vexassent, memoriam deponere posse? Quod sua victoria tam insolenter gloriarentur quodque tam diu se impune iniurias tulisse admirarentur, eodem pertinere. Consuesse enim deos immortales, quo gravius homines ex commutatione rerum doleant, quos pro scelere eorum ulcisci velint, his secundiores interdum res et diuturniorem impunitatem concedere. Cum ea ita sint, tamen, si obsides ab iis sibi dentur, uti ea quae polliceantur facturos intellegat, et si Haeduis de iniuriis quas ipsis sociisque eorum intulerint, item si Allobrogibus satis faciunt, sese cum iis pacem esse facturum. Divico respondit: ita Helvetios a maioribus suis institutos esse uti obsides accipere, non dare, consuerint; eius rem populum Romanum esse testem. Hoc responso dato discessit."Les Romans passant sous le joug" – "Die Helvetier zwingen die Römer unter dem Joch hindurch". Das Gemälde aus dem 19. Jahrhundert verherrlicht den Sieg des helvetischen Teilstammes der Tiguriner über die Römer im Jahr 107 v. Chr. bei Agen. Links auf dem Gemälde der helvetische Häuptling Divico. Conrad Ferdinand Meyer zu dieser Szene in seinem Gedicht Das Joch am Leman:
"Die einen liegen tot mit ihren Wunden,
Die anderen treiben wir daher gebunden!
Den Römeraar der Zwillingslegion,
Im Männerkampf, im Rossgestampf entrissen
Schwingt Divico, der Berge Sohn!
Wir bauen nicht mit Mörtel noch mit Steinen,
Zwei Speere pflanzt! Querüber bindet einen!
Zwei Römerköpfe drauf! Es ist getan!"