Distanzfunktion

Distanzfunktionen sind bestimmte reellwertige Abbildungen metrischer Räume, die die Eigenschaften der zugrunde liegenden Metrik auf einstellige Funktionen übertragen. Das Konzept von Distanzfunktionen wurde 2011 von Chazal, Cohen-Steiner und Mérigot eingeführt und besitzt unter anderem Anwendungsmöglichkeiten in der geometrischen und der stochastischen Maßtheorie sowie im Data-Mining.[1]

Definition

Sei ein nicht-leerer metrischer Raum, dessen Metrik ohne Beschränkung der Allgemeinheit durch eine Norm induziert sei (vgl. Satz von Kunugui).

Eine Distanzfunktion auf ist nun eine Abbildung (die also keine negativen Werte annimmt), mit den folgenden drei Eigenschaften:

  1. Die Funktion selbst ist 1-Lipschitz-stetig: Für je zwei Punkte gilt also
  2. Das Quadrat der Funktion ist 1-semikonkav: Dies ist äquivalent dazu, dass eine konkave Funktion ist.
  3. Die Funktion divergiert, wann immer die Norm es tut: Für jedes Netz in mit gilt auch .

Pseudo-Distanzfunktion

Streng genommen genügt es bereits, die zweite und dritte Eigenschaft der obigen Definition zu fordern, da aus der 1-Semikonkavität des Quadrates einer Funktion bereits die 1-Lipschitz-Stetigkeit der ursprünglichen Abbildung folgt.[2] Allerdings ist die erste Eigenschaft anschaulich genau das, was eine Funktion distanzartig macht: Es lässt sich leicht nachrechnen, dass genau dann 1-Lipschitz-stetig ist, wenn sie mit der Metrik verträglich ist, wenn also für je zwei Elemente stets gilt.

In abschwächender Sprechweise wird eine Funktion daher auch Pseudo-Distanzfunktion genannt, wenn sie 1-Lipschitz-stetig ist und mit der Norm divergiert.

Distanzfunktion zu einer Menge

Der Prototyp einer Distanzfunktion ist der Abstand zu einer kompakten Teilmenge , der durch erklärt wird.[3] Die Kompaktheit bewirkt hier, dass das Infimum stets für mindestens einem Punkt aus tatsächlich angenommen wird. Die 1-Lipschitz-Stetigkeit folgt dann aus der Dreiecksungleichung.

Distanzfunktion zu einem Maß

Sei nun zusätzlich mit einem Maß versehen und eine reelle Zahl, so lässt sich zeigen, dass durch

eine Pseudo-Distanzfunktion erklärt ist, wobei die abgeschlossene Kugel um mit Radius bezeichne.[3]

Für jede reelle Zahl heiße nun die Abbildung

die Distanzfunktion zum Maß mit Parameter .

Differenzierbarkeit

Nach dem Satz von Rademacher sind (Pseudo-)Distanzfunktionen fast überall metrisch differenzierbar, da sie Lipschitz-stetig sind.

Ist speziell euklidisch, dann folgt aus dem Satz von Alexandrow mit der Semikonkavität des Quadrates auch die zweifache (totale) Differenzierbarkeit von Distanzfunktionen fast überall.

Dies ermöglicht eine eingehende Untersuchung von Distanzfunktionen und den zugrunde liegenden Räumen durch die Betrachtung des Gradienten vergleichbar mit der Morsetheorie in der Differentialtopologie.[4]

Einzelnachweise

  1. Frédéric Chazal, David Cohen-Steiner, Quentin Mérigot: Geometric Inference for Probability Measures. In: Foundations of Computational Mathematics. Bd. 11, Nr. 6, 2011, ISSN 1615-3375, S. 733–751, doi:10.1007/s10208-011-9098-0, (online PDF; 628 kB).
  2. Frédéric Chazal, David Cohen-Steiner, Quentin Mérigot: Geometric Inference for Probability Measures. In: Foundations of Computational Mathematics. Bd. 11, Nr. 6, 2011, ISSN 1615-3375, S. 733–751, Proposition 3.1, doi:10.1007/s10208-011-9098-0, (online PDF; 628 kB).
  3. a b Frédéric Chazal, David Cohen-Steiner, Quentin Mérigot: Geometric Inference for Probability Measures. In: Foundations of Computational Mathematics. Bd. 11, Nr. 6, 2011, ISSN 1615-3375, S. 733–751, Section 3, doi:10.1007/s10208-011-9098-0, (online PDF; 628 kB).
  4. Karsten Grove: Critical Point Theory for Distance Functions. In: Proceedings of Symposia in Pure Mathematics. Bd. 54, Nr. 3, 1993, ISSN 0082-0717, S. 357–385, (Grove gebraucht hier den Begriff distance function im Sinne obiger Definition, ohne jedoch die umfassende Theorie von Chazal et al. vorwegzunehmen.).