Dissidenten

Dissidenten
Dissidenten bei der Verleihung des Praetorius Musikpreises 2012 in Niedersachsen in der Kategorie Internationaler Friedensmusikpreis

Dissidenten bei der Verleihung des Praetorius Musikpreises 2012 in Niedersachsen in der Kategorie Internationaler Friedensmusikpreis

Allgemeine Informationen
Herkunft
Genre(s)Weltmusik, Indie-Rock
Aktive Jahre
Gründung1980
Auflösung
Websitewww.dissidenten.com
Aktuelle Besetzung
Friedo Josch
Uve Müllrich
Marlon Klein (seit 1981)
Ehemalige Mitglieder
Keyboard
Michael Wehmeyer (1980–1981)
Gesang, Gitarre
Hamid Baroudi (1984–1990)
Gesang, Bass (Gembri)
Houssaine Kili (1984–1988)

Dissidenten ist eine deutsche Weltmusik-/Indie-Rock-Band. Sie ist insbesondere durch ihre Zusammenarbeit mit Künstlern aus dem Mittleren Osten, Nordafrika und Indien bekannt geworden. Das Rolling Stone Magazine bezeichnete sie als „Godfathers of World-Beat“.[1] Der Name der Band bezieht sich auf den Begriff Dissident für Andersdenkende oder Oppositionelle.

Bandgeschichte

Bis 1980 unternahmen Uve Müllrich und Michael Wehmeyer bei der Münchner Krautrock- und Weltmusikband Embryo „Experimente zwischen Orient und Okzident“.[2] 1980 hatten die beiden Musiker gemeinsam mit Friedemann Josch (Ex-Missus Beastly) in Indien „Embryo’s Dissidenten“ gegründet. 1981 änderte die Gruppe ihren Namen in „Dissidenten“; Marlon Klein ersetzte Michael Wehmeyer.

Den ersten (in Kleinauflage) eigenfinanzierten Singles folgte eine Tournee durch Asien bis Ende 1981. Inspiriert durch persönliche Reisen und die Erfahrungen mit der Band Embryo spielte das Trio zahlreiche Konzerte in Nordafrika, Spanien, Italien und im gesamten Mittelmeerraum. Die Gruppe konnte sowohl mit Single-Dance-Hits in Diskotheken als auch durch die meist ausverkauften Konzerte große Erfolge feiern.

„Godfathers of World Beat“

1982 verlegten die „Dissidenten“ ihr Domizil nach Zentral-Indien, wo sie als Gäste im Palast von Maharaja Bhalkrishna Bharti of Gondagaon[3] im Bundesstaat Madhya Pradesh ihr erstes Album vorbereiteten. In dieser 'exotischen' Umgebung erfolgten die Aufnahmen von „Germanistan“, inspiriert vom Perkussionisten Trilok Gurtu, produziert in Zusammenarbeit mit dem „Karnataka College of Percussion“, der Sängerin R. A. Ramamani und dem Saxophonisten Charlie Mariano.

Ein Jahr später zog die Gruppe nach Marokko, um im Sultanspalast in Tanger „Sahara Elektrik“ aufzunehmen. Unterstützt wurden sie von „Lemchaheb“, dem bekannten Autor/Komponisten Paul Bowles und Abdessalam Akaaboune als Produzenten. „Fata Morgana“ wurde ein Dancehit in Europa (insbesondere in Spanien und Italien) und Kanada, wo das Album Platz 1 der „Independent Charts“ erreichte. Im Anschluss tourte die Band in ausverkauften Sälen durch Spanien; später folgten Aufnahmen mit John Peel in London.

Das Trio beschloss, 1986 in Spanien zu verbringen, produzierte „Life At the Pyramids“ und erzielte erste Erfolge in den Vereinigten Staaten und im United Kingdom. Die nachfolgende Welttournee wurde am „1988 New Music Seminar“ im „Palladium“ in New York City eröffnet. Am 5. November 1987 traten die Dissidenten live im New Jersey-Sender WFMU auf.

1989 zogen die „Dissidenten“ wieder nach Marokko, um „Out Of This World“ mit dem „Royal National Orchestra of Morocco“ und bekannten Künstlern – unter anderem Cherif Lamran und Mahmoud Saadi (beide Mitglieder von „Lemchaheb“) sowie „Jil Jilala“ und „Nass El Ghiwane“ – aus Marokko aufzunehmen (erstmals unter dem US-amerikanischen Label „Sire/Warner“). Im darauffolgenden Jahr verlegte die Gruppe ihren Wohnsitz nach zehn Jahren zurück nach Berlin, wo sie ihr Album „Live in New York“ veröffentlichten, aufgenommen beim Eröffnungskonzert der Welttournee in New York. Danach konzentrierten sich die Bandmitglieder auf ein (nicht als Album veröffentlichtes) Film/Musik Projekt zum Thema „Musik der nordamerikanischen Indianer“.[4]

Für „The Jungle Book“, das Aufnahmen aus dem indischen Alltagsleben in Dancetracks integrierte, nahmen sich die „Dissidenten“ fast drei Jahre Zeit, wiederum in Zusammenarbeit mit dem „Karnataka College of Percussion“ aus Bengaluru, Trilok Gurtu und Ramesh Shotham. Das Album wurde 1994 von Europäischen DJs in deren jährlichen „World Music Charts“ auf Platz 2 gewählt, gefolgt von einem Remix von Sven Väth („Jungle Book Part II“) als Techno Dance Track.

Nach einer anschließenden, das Album unterstützenden Tournee verbrachte Marlon Klein den Rest des Jahres in Los Angeles und produzierte Gary Wrights Alben „Human Love“ und „First Sign of Life“ mit einem Gastauftritt von Ex-Beatle George Harrison. 1983 gründeten die „Dissidenten“ ihr eigenes Musiklabel „Exil Musik“ und veröffentlichten 1997 „Instinctive Traveler“, ihr erstes Album mit zumeist englischsprachigen Songs, gefolgt von einer Tournee mit Festivalauftritten beim „Stuttgart Jazz Open“, den Leverkusener Jazztagen und dem „Festival De La Diversidad“ in Barcelona.

1998 tourten sie mit Gastmusikern und Sängern wie Izaline Calister, Noujoum Ouazza und Manickam Yogeswaran, unter anderem mit einem Auftritt beim „Glastonbury Festival“. Im selben Jahr veröffentlichten sie ihr zweites Livealbum „Live in Europe“.

20 Jahre Dissidenten

Auftritt mit Gästen bei der Gala zur Verleihung des Praetorius Musikpreis 2012 im Schauspielhaus Hannover

Anlässlich ihres zwanzigjährigen Bestehens entwickelte die Gruppe mit dem amerikanischen Komponisten Gordon Sherwood („New York Symphonics“ & „Beggars Opera“) und dem Dirigenten Peter Feranec („Bolschoi-Orchester“ & „Oper Oslo“), in Zusammenarbeit mit dem „Danubian Orchestra and Choir“, ihr bislang ambitioniertestes künstlerisches Projekt: Die dokumentarische Oper „Das Gedächtnis des Wassers!“ („The Memory of Waters“) für Orchester, 28-stimmigen Chor, Band und Computer. Die Oper wurde beim „Internationalen Donaufestival“ in Ulm[5] uraufgeführt, live übertragen vom SWR, mit weiteren Aufführungen, beispielsweise beim „Festival de Navarra“ (Spanien) mit dem „Orchestra & The Coral de Cámara de Pamplona“ im Juli 2004 mit 50 Musikern und Sängern. Für diese Aufführungen entwarf die Medienkünstlerin und Fotografin Stefanie Seidl aus Berlin die szenische Videogestaltung.

Für die Expo 2000 in Hannover komponierte Uve Müllrich eine Aufführung für 96 Bayerische Blaskapellen und entwarf in Zusammenarbeit mit dem Münchner Bildhauer eine Klanginstallation aus den Glockenklängen von 96 Bayerischen Kirchen.

In Brasilien belegte „Arabian Nights“ mit 750.000 verkauften Exemplaren Platz 1, der Soundtrack „Sassaricando“ wurde eine Million Mal seit seiner Veröffentlichung 1988 verkauft.

2001 produzierte Marlon Klein in Durban (Südafrika) „The Zulu Choir Phikelela Sakhula“, „The Real Happy Singers“ und das Album „Love Letter“ sowie für den IMAX-Film „Ski to the Max“ von Willy Bogner junior zwei Songs. Friedo Josch produzierte und war Gastmusiker für Foxy Browns „Na Na Be Like“ auf deren Album „Broken Silence“.

In der zehn Jahre (1991–2001) umfassenden „World Music Charts Europe“ belegte „The Jungle Book“ Platz 2 unter 6500 nominierten Alben. Das eigentliche Jubiläumsalbum – „2001: A World Beat Odyssey“ – umfasste neun von DJs und Produzenten (u. a. von „Badmarsh“, „Lemongrass“, Shantel und „Slop Shop“) remixte Hits der „Dissidenten“. Im April 2003 wurde „Dissidenten Remx.ED 2.0: A New World Odyssey“ veröffentlicht. Wie bei dem Trio mittlerweile Tradition traten bei der anschließenden Tournee als Gäste einige der DJs als Gastkünstler auf.

Uve Müllrich entwickelte 2003 zusammen mit dem Medienkünstler und Journalisten Tom Hagenauer die „Donaureise“, eine CD und Klanginstallation für die Landesgartenschau in Tuttlingen an der Donau.

Marlon Klein nahm mit Jasper van’t Hof, Nicolas Fiszman, Philippe Alleart, Mabinthy Sakho, Simangele Khumalo, Frank Itt, Izaline Calister, Eric Vloeimans, Dra Diarra und Peter Weniger sowie Tony Lakatos und Ian Hillman an der „Pili Pili Jubilee Tour 2004“ teil, die mit weiteren Auftritten im Sommer verlängert wurde.

Das von Marlon Klein produzierte Album „DAN_TXA“ – eine gemeinsame Produktion mit „Tomás San Miguel and Txalaparta“ (einer baskischen Gruppe) und einem Konzert am „Basque Music – Vitoria Jazz Night Festival“ in Cannes – erreichte im Januar/Februar 2006 Platz 9 der „Top 20“ CDs in den „World Music Charts“. Vom 30. September bis 18. November 2006 tourten „Dissidenten“ und „Freundeskreis“ in Deutschland und Spanien.

2007 und 2008 war die Band zusammen mit ihren Freunden der marokkanischen Band „Jil Jilala“ in Tanger/Marokko mit der Produktion ihres Albums The Tanger Sessions beschäftigt. Ab Sommer 2008 war diese Formation europaweit auf Festivals zwischen Spanien und Helsinki zu hören. Im September entstand während zweier Live-Konzerte in Berlin die Live-CD/DVD Dissidenten & Jil Jilala Live in Berlin. Seit 2008 ist der Embryo-Gitarrist Roman Bunka, sowie der von den Guano Apes kommende Henning Rümenap im Line-up der Band. 2010 spielten die Dissidenten bei den beiden größten afrikanischen Festivals, dem L'Boulevard in Casablanca und dem Mawazine Festival in Rabat. Später im Jahr waren Konzerte in Russland, Nordamerika und Europa geplant.

Am 24. März 2012 verlieh die Niedersächsische Kulturministerin Johanna Wanka im Schauspielhaus Hannover den Dissidenten den Praetorius Musikpreis 2012 des Landes Niedersachsen in der Kategorie Internationaler Friedensmusikpreis.[6]

Diskografie

Alben

JahrAlbumtitelLabelAnmerkungen
1982GermanistanExil/Indigo, GermanyMit dem Karnataka College of Percussion
1983Germanistan TourExil, GermanyLive-Aufnahme mit dem Karnataka College of Percussion
1984Sahara ElektrikExil Musik, GermanyWeitere Veröffentlichungen: Amok Canada (1986), Materiali Sonori Italy (1987)
1985Life at the PyramidsExil Musik, GermanyWeitere Veröffentlichungen: Dro Spain & Materiali Sonori Italy (1986), Melodie France (1987), Amok Canada (1988)
1986Sahara Elektrik / Life at the PyramidsExil Musik, GermanyCD-Veröffentlichung; weitere Veröffentlichungen: Globestyle UK (1989), Exil Germany/World (1990)
1986Arab ShadowsNuevos Medios, SpainWeitere Veröffentlichung: Materiali Sonori Italy (1987)
1987Dissidenten & Lem ChahebMexicoKollaboration mit Lem Chaheb
1990Out of This WorldSire / Warner Bros. WorldCD-Veröffentlichung
1990Life at the PyramidsExil Musik Germany/WorldCD-Veröffentlichung
1991Live in New YorkExil Musik GermanyCD-Veröffentlichung, Live-Aufnahme
1992The Jungle BookExil/Indigo
1992GermanistanExil Germany/WorldCD-Veröffentlichung
1993The Jungle BookExil Germany/WorldCD-Veröffentlichung
1997Instinctive TravelerExil/IndigoCD-Veröffentlichung
1998Live in EuropeExil/IndigoCD-Veröffentlichung, Live-Aufnahme
2005La memoria de las aguasExilCD-Veröffentlichung, mit Orchestra & Choir Pamplona
2008Tanger SessionsFuego/ExilCD-Veröffentlichung, mit Jil Jilala
2013How Long Is Now? Unplugged Live in BerlinFuego/ExilCD-Veröffentlichung, Live-Aufnahme
2014The Memory of the Waters (Live at Brucknerfest)Fuego/ExilCD-Veröffentlichung, Live-Aufnahme mit Gordon Sherwood
2017We don’t shoot!ExilCD-Veröffentlichung, Live-Aufnahme mit Mohamed Mounir
2022Live Series - Zürich/Fabrik (12/1984)FuegoLive-Aufnahme
2022Live Series - Berlin/Fabrik (10/1984)FuegoLive-Aufnahme
2022Live Series - Amsterdam/Melkweg (04/1984)FuegoLive-Aufnahme
2023Live Series - Rome (05/1985)FuegoLive-Aufnahme
2023Live Series - Festival San Pedro de Alcantara (1982)FuegoLive-Aufnahme
2024Live Series - Göttingen (06/1987)FuegoLive-Aufnahme
2024Live Series - Bari (05/1987)FuegoLive-Aufnahme
2025Live Series - Barcelona 'Fiesta de la Mercè' (09/1986)FuegoLive-Aufnahme

Kompilationen und EPs

JahrAlbumtitelLabelAnmerkungen
1985CasablancaExil Musik, GermanyEP
1985Fata MorganaGinger, SpainEP; weitere Veröffentlichungen: Golden Denia France & Materiali Sonori Spain (1986), Sigem Brazil (1987), l'escargot France (1988)
1986Special CompilationExil, GermanyCD
1986InshallahGinger, SpainEP; weitere Veröffentlichung: Materiali Sonori Italy
1987Hits CollectionGlobo, Brazil
1988Polo Mix/AlbumGinger, Spain
1994Love Supreme RemixExil Germany/WorldCD
1994Jungle Book remixe-que, WEA WorldEP
1996Mixed Up JungleExil/Indigo
1997Mixed Up JungleExil Musik, Germany/WorldEP
2001Dissidenten Remix.ed: A Worldbeat Odyssey / 2001: A World Beat OdysseyExil/IndigoCD
2003Dissidenten Remx.ED 2.0: A New World OdysseyExil/Indigo
20032003: A Worldbeat OdysseyExilCD
2022Live Series - Barcelona/Angel-Casas-TV-Show (11/1985)FuegoEP; Live-Aufnahme

Soundtracks

JahrTitelLabel/VeröffentlichungAnmerkungen
1988Sassa RicandoTV Globo, Brazil
1989Wild OrchidWarner Brothers
1991Great JourneysBBC
1992Pankuj ParaharLouis Banks Bombay
1993Dissidenten – Live in IndiaVOX TVLive-Aufnahme
1995Air IndiaAir India
2007The Hippie TrailARTE TV
2016Haja CoraçãoTV Globo, Brazil

Videoclips

JahrTitelLabelDauerAnmerkungen
1985Telephone Arab – KairoExil Musik3:50
1985A Worldbeat Odyssey – BerlinExil Musik7:00
1989Out of This WorldSire/Warner Bros.4:15
1989Live in New YorkExil Musik45:00Live-Aufnahme
199020 Minutes from the Life of DissidentenExil Musik20:00
1991Live at the Pow WowExil Musik5:00Live-Aufnahme
1995Jungle Book RemixExil Musik4:00Remix
2000The Memory of the Waters – UlmExil Musik10:00
2005La memoria de las aguas – PamplonaExil Musik15:00
2008Morock'n RollExil Musik6:00Kollaboration mit Jil Jilala
2008Gun FactoryExil Musik7:00Kollaboration mit Jil Jilala
2009Truth is the only ReligionExil Musik6:00Kollaboration mit Jil Jilala
2025Live Series - Barcelona 'Fiesta de la Mercè' 09/1986Fuego61:07Live-Aufnahme

Literatur

  • Barry Graves, Siegfried Schmidt-Joos, Bernward Halbscheffel: Rocklexikon. 2 Bände. Rowohlt, Reinbek 1999.

Einzelnachweise

  1. Zitat von der Website „Exil-Musik“ (Memento vom 25. Juli 2006 im Internet Archive).
  2. Zitat von der Website „musicline.de“ (Memento vom 28. September 2007 im Internet Archive).
  3. myspace.com:Dissidenten – Biography (Memento vom 13. Juli 2012 im Webarchiv archive.today) (englisch)
  4. Vermutlich der Videoclip „Live at the Pow Wow“.
  5. Website „Jazz- und Klassiktage Tübingen“.
  6. Niedersächsisches Ministerium für Wissenschaft und Kultur zur Verleihung des Praetorius Musikpreis 2012 mitBegründung der Jury (Memento vom 5. Januar 2014 im Internet Archive)

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(c) Foto: Axel Hindemith, CC BY 3.0
Auftritt der Dissidenten mit Gästen (de:Roman Bunka-Oud, Mickam Yogeswaran-Gesang, Noujoum Ouazza-Mandolincello) bei Gala zur Verleihung des Praetorius Musikpreis
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(c) Foto: Axel Hindemith, CC BY 3.0
Dissidenten bei Verleihung des Praetorius Musikpreis, Uve Müllrich hält den Preis in der Hand