Diskos (Liturgie)

Drei silberne byzantinische Weihebrotschalen (Dumbarton Oaks Collection)

Der Diskos (δίσκοςdískos, deutsch ‚Scheibe, Teller, Schüssel‘) ist ein liturgisches Gefäß, das für die orthodoxe Eucharistiefeier (Göttliche Liturgie) verwendet wird. Er wird auch als Weihebrotschale bezeichnet und entspricht der westkirchlichen Patene. Auf den Diskos wird bei der Gabenbereitung (Proskomidie) das eucharistische Brot gelegt; darüber wird der Asteriskos, ein sternförmiger Bügel, gesetzt. Diskos und Kelch als zusammengehörige Sets wurden seit dem 7. Jahrhundert als δισκοποτήριαdiskopotḗria bezeichnet.

Es handelt sich beim Diskos um eine Schale mit flachem Boden, oft aus Edelmetall. Sie hat oft einen Fuß und einen erhöhten Rand.

Geschichtliche Entwicklung

In der Alten Kirche wurde das eucharistische Brot zunächst auf Leinentüchern getragen und darüber gebrochen. Dies änderte sich im 6. Jahrhundert,[1] wobei die unterschiedliche Gestalt des eucharistischen Brotes (Prosphora aus gesäuertem Teig in der Orthodoxie, ungesäuerte Hostien in Lateineuropa) seit dem Mittelalter zu einer unterschiedlichen Form von Diskos bzw. Patene führten.

Frühbyzantinische Silberschätze

Silberne Diskoi aus dem Frühmittelalter (6./7. Jahrhundert) sind in Syrien in zwei Schatzdeponierungen, dem Schatz von Beth Misona (Cleveland Museum of Art) und dem Schatz von Kaper Koraon (zerstreut auf mehrere Sammlungen, zwei Diskoi im Walters Art Museum), gefunden worden. Der Schatz von Beth Misona besteht aus drei silbernen Kelchen und einer Weihebrotschale, die einen Durchmesser von 32,4 cm hat. Der flache Boden weist ein zentrales Kreuz auf, die umlaufende griechische Inschrift bezeugt, dass Domnos die Schale der Sergioskirche in Beth Misona stiftete.[2] Zwei sehr ähnliche Weihebrotschalen aus dem Schatz von Riha (Dumbarton Oaks Collection) und aus dem Schatz von Stuma (Archäologisches Museum Istanbul) zeigen auf dem flachen Schalenboden jeweils das Motiv der Apostelkommunion. Der Diskos aus dem Schatz von Riha hat einen Durchmesser von 35 cm und ist 3,18 cm hoch. Er wurde zusammen mit einem Kelch und einem liturgischen Fächer deponiert und ausweislich eines Stempels in der Regierungszeit des Kaisers Justin II. (565–578) angefertigt.[3]

Mittel- und spätbyzantinische Weihebrotschalen

Bedeutende byzantinische Diskoi gelangten als Beute aus der Plünderung Konstantinopels während des Vierten Kreuzzugs (1204) in den Westen.

Im Louvre befindet sich ein Diskos aus Sardonyx (spätes 9./frühes 10. Jahrhundert). Er weist in der Mitte ein Medaillon (Email, Cloisonné) mit einer Darstellung des Letzten Abendmahls (Durchmesser insgesamt 12,6 cm) auf. Diese Weihebrotschale ist ein Beispiel dafür, wie virtuos in mittelbyzantinischer Zeit verschiedene kostbare Materialien kombiniert wurden.[4]

Der Domschatz von San Marco (Venedig) besitzt einen Diskos aus Alabaster, der in vergoldetes Silber gefasst und mit Bergkristallen, Perlen und Email verziert ist.[5]

Der Domschatz von Halberstadt besitzt einen Diskos, der als Hauptwerk der mittelbyzantinischen Goldschmiedekunst gilt.[6] Die silberne Schale wurde im Wachsausschmelzverfahren hergestellt, nachbearbeitet und vergoldet. Sie hat einen Durchmesser von 41,4 cm und ist 3,8 cm hoch. Das zentrale Motiv des Schalenbodens ist der gekreuzigte Christus mit Maria und dem Apostel Johannes, die unter dem Kreuz stehen. Beiderseits der Kreuzesinschrift sind die Erzengel Michael und Gabriel zu sehen, die auf Christus hinweisen. Eine umlaufende Inschrift mit den Einsetzungsworten in griechischer Sprache unterstreicht die liturgische Verwendung der Schale. Wandung und Rand weisen je acht Büsten auf, die Zwischenräume sind mit feinem Rankenwerk gefüllt. Die Wandung ist als Achtpass gestaltet, die jeweils Büsten hervorragender Märtyrer zeigen: Demetrios, Theodor, Merkurios, Eustathios, Nestor, Niketas, Prokopios und Georgios. Der breite flache Rand zeigt Büsten heiliger Bischöfe, die als Theologen und Wundertäter verehrt werden: Basilios, Gregorios, Blasios, Spyridon, Athanasios, Chrysanthos, Johannes Chrysostomos und Nikolaos.[7] Der Diskos von Halberstadt knüpft in Material und Motiven an Weihebrotschalen der vor-ikonoklastischen Zeit an.[8]

Die Plünderung Konstantinopels 1204 bedeutete einen Bruch in der byzantinischen sakralen Kunst. Ausgesprochen luxuriöse liturgische Gefäße sind in spätbyzantinischer Zeit selten und finden sich am ehesten in den Schätzen der Athosklöster. So besitzt das Kloster Vatopedi eine Weihebrotschale des späten 14. Jahrhunderts, die mit Thomas Preljubović in Verbindung gebracht wird. Das zentrale Medaillon des Schalenbodens ist hier als Basse-taille-Email ausgeführt und zeigt eine Beweinung Christi.[9]

Literatur

  • Michael Kunzler: Prosphora. In: Walter Kasper (Hrsg.): Lexikon für Theologie und Kirche. 3. Auflage. Band 8. Herder, Freiburg im Breisgau 1999, Sp. 645.
  • Marlia M. Mango, Laskarina Bouras: Paten and Asteriskos. In: Alexander Kazhdan (Hrsg.): The Oxford Dictionary of Byzantium. Oxford University Press, New York 1991, ISBN 0-19-504652-8.
  • Holger A. Klein: Liturgical Objects. In: Ellen C. Schwartz (Hrsg.): The Oxford Handbook of Byzantine Art and Architecture. Oxford University Press, New York 2021, S. 495–514.

Weblinks

  • Elizabeth S. Bolman: In the service of Salvation. Two early Byzantine patens from Dumbarton Oaks. In: Cleveland Art, September/Oktober 2019, S. 10f. (Online)

Anmerkungen

  1. Peter Plank: Gefäße, liturgische II. Östliche Liturgien. In: Religion in Geschichte und Gegenwart (RGG). 4. Auflage. Band 3, Mohr-Siebeck, Tübingen 2000, Sp. 530–531.
  2. Holger A. Klein: Liturgical Objects, New York 2021, S. 499.
  3. Dumbarton Oaks: Paten with the Communion of the Apostles; siehe Benjamin Fourlas: Image and Chalcedonian Eucharistic doctrine: A re-evaluation of the Riha paten, its decoration and its historical context. In: Byzantinische Zeitschrift. Band 114/3, 2021, S. 1117–1160 (Digitalisat).
  4. Holger A. Klein: Liturgical Objects, New York 2021, S. 505.
  5. Marlia M. Mango, Laskarina Bouras: Paten and Asteriskos. In: Oxford Dictionary of Byzantium, Online-Version von 2005.
  6. Ausführliche Darstellung von Hans Fuhrmann: DI 75, Halberstadt Dom, Nr. 7 bei Deutsche Inschriften Online; Christian Hecht: Von Byzanz nach Halberstadt. Der byzantinische Diskos des Halberstädter Domschatzes. Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt, Halle (Saale), 2011, ISBN 978-3-939414-65-0.
  7. Jörg Richter: Der Domschatz zu Halberstadt. Führer durch die Ausstellung. Verlag Janos Stekovics, Dößel 2009, S. 154.
  8. Holger A. Klein: Liturgical Objects, New York 2021, S. 506.
  9. Holger A. Klein: Liturgical Objects, New York 2021, S. 509.

Auf dieser Seite verwendete Medien

Paten pietre dure Louvre OA11878.jpg
Paten, pietre dure: sard (6th–7th c.), enamel (Constantinople, late 9th–early 10th c.), setting (Constantinople, idem) and plique-à-jour enamel (Paris, ca. 1300), gilded silver and copper.
Byzantine - Paten - Walters 57643.jpg
This paten is one of twenty-three silver altar vessels (formerly known as the "Hama Treasure") believed to have been found in the Syrian village of Kurin (the Greek form of the name is Kaper Koraon). These altar vessels form part of The Walters' rich holdings in Byzantine silver. Although as archbishop, Amphilochios, the donor of this paten enjoyed high social status, his gift is among the least pretentious of the Kaper Koraon vessels although it is one of the largest and heaviest patens from this group.
Byzantinische Weihbrotschale, Domschatz Halberstadt.jpg
Autor/Urheber: Kulturstiftung Sachsen-Anhalt, Foto: Bertram Kober /Punctum, Lizenz: CC BY-SA 3.0
byzantine patene, Treasury of Halberstadt
Byzantine - Paten - Walters 57644.jpg
The celebration of the Divine Liturgy is one of the most important ceremonies in the Christian Church. This paten is part of a silver service (with Walters 57.634, 57.635, 57.642, 57.645, 57.649, 57.646, 57.650, and 57.638) that is one of only four to survive from the first "golden age" of Byzantium (6th century).

Each of the vessels in this service performed a sacred function in the liturgical service. Wafers of the Host (the body of Christ) were placed on patens, or plates.

This silver service was found in Syria in 1910, in the village of Kurin. The Greek form of its name, Kaper Koraon, is inscribed on several pieces in the treasure, including a chalice, which reads: "...treasure of the Church of St. Sergios of the village of Kaper Koraon." Almost all of the vessels record the names of donors who gave pieces from their private dinner services in fulfillment of a vow, to gain divine blessing, or in prayer for salvation.
Byzantine collections of Dumbarton OaksDSCF7902 silver.JPG
Autor/Urheber: Johnbod, Lizenz: CC BY-SA 4.0
Byzantine collections of Dumbarton Oaks
Early Byzantium, Constantinople or Syria, Byzantine period, 6th-7th Century - Paten (Dedicated to Saint Sergius) from the Beth Misona Treasure - 1950.381 - Cleveland Museum of Art.tif
Autor/Urheber: unknown, Lizenz: CC0
These four liturgical silver vessels—a paten and three chalices (1950.378–81)—form what is now called the Beth Misona Treasure, named for the village in northern Syria for which the objects were made. While nothing is known about the exact location and circumstances of the treasure's discovery, the people of the village of Beth Misona were, like other Christian communities in Syria and Palestine, probably forced to bury their church silver to hide it from the Persians or Arabs, who conquered their lands in the first half of the 600s. The paten, which held pieces of Eucharistic bread used during Mass, is decorated with an engraved Latin cross surrounded by a dedicatory inscription that names the paten's donor—Domnos—and its original location, the church of Saint Sergios in Beth Misona. The chalices, which contained the Eucharistic wine used during Mass, feature broad cups decorated with portrait busts of Saints Peter and Paul, Christ, and the Virgin. One chalice bears a dedicatory inscription naming its donor—Kyriakos, Domnos's son—and the priest of the church that received the pious gift—Zeno.