Dipeptidylpeptidase 4
| Dipeptidylpeptidase 4 | ||
|---|---|---|
| Bändermodell nach PDB 1PFQ | ||
| Eigenschaften des menschlichen Proteins | ||
| Masse/Länge Primärstruktur | 766 / 728 Aminosäuren | |
| Sekundär- bis Quartärstruktur | löslich / single pass Typ 2 Membranprotein; Homodimer; Heterodimer | |
| Bezeichner | ||
| Gen-Namen | DPP4, ADABP, ADCP2, CD26, DPPIV, TP103 | |
| Externe IDs | ||
| Enzymklassifikation | ||
| EC, Kategorie | 3.4.14.5, Serinprotease | |
| MEROPS | S09.003 | |
| Reaktionsart | Hydrolyse, spaltet Dipeptide vom N-terminalen Ende eines Peptides ab | |
| Substrat | Oligopeptide und auch Polypeptide (bevorzugt Peptide mit Prolinresten in der P1-Position) | |
| Produkte | kürzere Peptide + Dipeptide | |
| Vorkommen | ||
| Homologie-Familie | Dipeptidylpeptidase 4 | |
| Übergeordnetes Taxon | Lebewesen | |
| Orthologe | ||
| Mensch | Hausmaus | |
| Entrez | 1803 | 13482 |
| Ensembl | ENSG00000197635 | ENSMUSG00000035000 |
| UniProt | P27487 | P28843 |
| Refseq (mRNA) | NM_001935 | NM_001159543 |
| Refseq (Protein) | NP_001926 | NP_001153015 |
| Genlocus | Chr 2: 161.99 – 162.07 Mb | Chr 2: 62.33 – 62.41 Mb |
| PubMed-Suche | 1803 | 13482 |
Das proteolytische Enzym Dipeptidylpeptidase 4 (Kurzformen: DPP 4, auch DPP IV, DP IV) wird den Exopeptidasen zugeordnet. Es ist ein Oberflächenprotein und spaltet am N-Terminus eines Peptides Dipeptide ab. DPP4 ist der Rezeptor für MERS-CoV.[1]
Wirkungen
Die Abspaltung der Dipeptide findet bevorzugt statt, wenn sich an zweiter Stelle der Aminosäuresequenz ein Prolin- oder Alaninrest befindet. Wenn an dritter Stelle der Aminosäuresequenz ein Prolinrest steht, wird das Peptid jedoch nicht angegriffen. Jaron (Israel) stellte eine Reihe biologisch aktiver Peptide vor, die als potentielle Substrate der DP IV fungieren können.[2] Sie alle haben die N-terminale Sequenz AS-Pro-…. Einige dieser Substanzen wurden experimentell geprüft und sie konnten als Substrate der Dipeptidylpeptidase 4 bestätigt werden. Dabei stellte sich heraus, dass deren katalytische Hydrolyse (Spaltung) ihre biologische Wirkung aufhebt, mindert oder verstärkt oder dass sich eine biologische Wirkung aus einem inaktiven Präkursor ausbildet oder dass keine Spaltung durch DP IV erfolgt. Dazu einige Beispiele:
GLP-1
Das intestinale Peptidhormon GLP-1(7-39) wird durch die DP IV inaktiviert. Das Abbauprodukt GLP-1(9-39) wirkt als funktioneller GLP-1-Rezeptor-Antagonist.
GIP
Auch das zweite Inkretin des menschlichen Körpers, Glukoseabhängiges insulinotropes Peptid (GIP), wird durch die DP IV gespalten und inaktiviert.[3]
PYY
Gegensätzlich zu GLP-1 wird Peptid YY durch die DP IV aktiviert. Erst durch die hydrolytische Abspaltung eines Dipeptids vom Prohormon entsteht das bioaktive PYY.
Casomorphine
Die Casomorphine sind kurzkettige Peptide, die erstmals aus dem β-Casein der Kuhmilch gewonnen wurden (Henschen, Brantl und Teschemacher, Max-Planck-Institute Martinsried und München). Sie sind in der Sequenz des Proteins enthalten und können aus ihm isoliert werden. Es handelt sich bei den Rinder-Casomorphinen um ein Heptapeptid und ein Pentapeptid. Beide Verbindungen haben physiologisch eine opioide Aktivität (etwa 4 % der des Morphins). Das Pentapeptid entsteht aus dem Heptapeptid durch C-terminale Sequenzverkürzung mittels Carboxypeptidase Y. β-Casomorphin-5 wird durch Dipeptidylpeptidase 4 weiterhin schrittweise abgebaut und dabei inaktiviert:[4]
- β-Casomorphin-5: Tyr-Pro-Phe-Pro-Gly
Einige Abkömmlinge des β-Casomorphin-5 zeigen eine höhere opioide Aktivität im Vergleich zu Morphin (icv-appliziert). Bei den Des-Tyr-Derivaten dieser Verbindungen ist keine opioide Wirksamkeit mehr vorhanden, an ihrer Stelle tritt aber eine neuroleptische Aktivität in den Vordergrund.
Substanz P
Die physiologisch aktive Substanz P wird durch DP IV limitierend hydrolysiert. Dabei kommt es zu einer messbaren Aktivitätserhöhung.[5]
- Substanz P: Arg-Pro-Lys-Pro-Gln-Gln-Phe-Phe-Gly-Leu-Met-NH2
BNP
Brain natriuretic Peptide (BNP) wird ebenfalls durch DP IV gespalten.[6] Hieraus könnten kardiovaskuläre Nebenwirkungen von DPP4-Hemmern resultieren.
Melittin
Sehr interessant sind Arbeiten der Gruppe um Kreil aus Salzburg, das Gift der Honigbiene betreffend. Aus einem Vorläuferpeptid (Promelittin) wird durch Dipeptidylpeptidase 4 das Bienengift Melittin freigesetzt, indem Schritt für Schritt 10 Dipeptide der Sequenz AS-Pro und AS-Ala abgespalten werden:[7]
- Promelittin: Ala-Pro-Glu-Pro-Glu-Pro-Ala-Pro-Glu-Pro-Glu-Ala-Glu-Ala-Asp-Ala-Glu-Ala-Asp-Pro-Glu-Ala-Melittin
Bradykinin
Bradykinin ist trotz der N-terminalen Arg-Pro-Sequenz nicht durch DP IV hydrolysierbar, da in AS3-Position ein Pro steht.[8]
- Bradykinin: Arg-Pro-Pro-Gly-Phe-Ser-Pro-Phe-Arg
Inhibitoren


Durch Hemmung der katalytischen Aktivität der Dipeptidylpeptidase 4 ist es möglich, die Wirkung dieses Enzyms auszuschalten. Dies führt zur Forderung nach der Entwicklung effektiver und spezifischer Inhibitoren der Dipeptidylpeptidase 4. Grundsätzlich sind die Spaltprodukte der Enzymwirkung potentielle Enzymhemmer, insbesondere die Verbindungen AS-Pro. Effektiver sind die decarboxylierten Derivate, also die AS-Pyrrolidide. Kürzlich sind die β-Aminoacylamide interessant geworden. Insbesondere Sitagliptin wurde im Oktober 2006 in den USA als Wirkstoff gegen Diabetes Typ II zugelassen, und als Arzneistoff unter dem Handelsnamen Januvia vertrieben. Das Hormon Glucagon-like Peptid 1 (GLP-1) regt die Freisetzung des Insulins an. Des Weiteren blockiert es die Freisetzung des Hormons Glukagon, welches im Glucosestoffwechsel zur Erhöhung des Glucosespiegels im Blut führt. Dipeptidylpeptidase 4 baut GLP-1 ab. Inhibitoren der DP IV verhindern diesen Abbau und bewirken damit die Förderung der Insulinfreisetzung indirekt, ebenso wie die reduzierte Bildung von Glucose auf dem Weg der Gluconeogenese. Da dieser Mechanismus im Darm abläuft, ist eine orale Applikation möglich.
Studien zeigten, dass die Substanz εZ(4-NO2)-Lys-Pro eine die Wundheilung fördernde Wirkung besitzt, verbunden mit einer Stimulation der Bildung von Granulationsgewebe. Die Verbindung εZ(4-NO2)-Lys-Pro ist ein Dipeptidylpeptidase-4-Inhibitor. Ein kausaler Zusammenhang zwischen wundheilungsfördernder Wirksamkeit und der DP IV-Hemmung führt zu der Schlussfolgerung: Die differenten kurativen Effekte werden zwar durch identische Rezeptoren (DP IV) ausgelöst, sie sind jedoch eine Folge unterschiedlicher Applikationsorte (bei den DP IV–Hemmern als Pharmaka gegen Diabetes Typ 2 erfolgt eine orale Anwendung in Tablettenform über den Darm. Im Gegensatz dazu wird bei der Wundheilung der Applikationsort durch die zu behandelnde Wunde bestimmt.).[9]
2010 veröffentlichte Untersuchungen zeigten, dass die CD26 (DP IV-Protein) nicht unbedingt direkt mit der HIV-Infektion verknüpft ist, aber sie ist an der Reduktion der Immunantwort bei der AIDS-Krankheit beteiligt.[10] Im Jahre 2012 wurde berichtet, dass die CD26/DP4 im Mausmodell eine mit hoher Wahrscheinlichkeit schützende Funktion bei Atemwegsentzündungen (z. B. allergisches Asthma) hat.[11]
PETIR (Peptidase Target Immune Regulation) ist eine Forschungsplattform zur Entwicklung von Therapeutika für die Behandlung von chronischen Entzündungen, Allergien und Autoimmunerkrankungen. PETIR-Therapeutika sind Strukturen, die die Eigenschaften der Hemmung der beiden Zielenzyme Dipeptidylpeptidase IV und Aminopeptidase N in einer einzigen niedermolekularen chemischen Verbindung vereinen.[12] Durch Hemmung der Zielenzyme wird eine hocheffektive Verringerung der allgemeinen inflammatorischen Reaktion initiiert, die auf der gleichzeitigen Senkung des Aktivierungszustandes chronisch aktivierter Immunzellen und der parallelen Reaktivierung der immunsuppressiven regulatorischer T-Zellen beruht. Entsprechende Therapeutika werden für die lokale Therapie mittelschwerer und schwerer Formen der Acne vulgaris entwickelt. Das Präparat IP10.C8 beeinflusst sowohl Wachstum und Differenzierung von Sebozyten als auch Keratinocyten und ist ein sehr potenter Hemmer der lokalen Entzündungsreaktion. Darüber hinaus wirkt die Substanz gegenüber Propionibacterium acnes bakteriostatisch und stellt durch den parallelen Angriff dieser Hauptpathogenitätsfaktoren eine Alternative zu den derzeitigen Behandlungsmöglichkeiten der Akne dar.
Studien zeigen, dass Erkrankungen wie Alzheimer, Arteriosklerose, und MS im Stoffwechsel Schlüsselenzyme besitzen, nämlich die Glutaminyl-Cyclase (QC) und die iso-Glutaminyl-Cyclase (isoQC), diese verhindern durch einen Pyroglutamat-Ringschluss die katalysierte Abspaltung der N-terminalen Glutaminsäure durch Aminopeptidasen bzw. die Eliminierung des Dipeptids Glu-Pro aus den Substraten durch Dipeptidylpeptidase IV.[13]
Wesentliche Rollen der DP IV
- Inhibitoren der DP IV sind Arzneimittel gegen Diabetes Typ 2
- Inhibitoren der DP IV fördern die Wundheilung
- Die DP IV ist an der Immunschwäche bei AIDS beteiligt
- Bifunktionelle Inhibitoren sind Entzündungshemmer und Pharmaka gegen Akne
- Die DP IV ist am Mechanismus bei der Alzheimer-Krankheit, Arteriosklerose und Multipler Sklerose beteiligt
- Die DP IV besitzt eine schützende Funktion gegenüber Atemwegsentzündungen (allergisches Asthma)
Nach der Nahrungsaufnahme werden im Magen verschiedene Hormone freigesetzt, sogenannte Inkretine, die die Freisetzung von Insulin im Körper steigern. Die DPP 4 spaltet diese Inkretine und stoppt somit deren Wirkung. Daraus folgt, dass Inhibitoren der DPP 4 potentielle Medikamente gegen Diabetes mellitus Typ II sind, da eine vermehrte Freisetzung von Insulin helfen kann, den chronisch erhöhten Blutzucker zu senken. Als Ergebnis der Erforschung der Dipeptidylpeptidase-4 und deren Inhibitoren sind bereits zwei Arzneistoffe, Sitagliptin und Vildagliptin, durch den Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) der Europäischen Arzneimittelagentur als Therapeutika zur Behandlung des Diabetes mellitus Typ 2 zugelassen worden.[14]
Gegen Diabetes mellitus Typ I würde eine Hemmung dieses Enzyms nichts bewirken: Hier kann überhaupt kein Insulin mehr produziert werden, da die Inselzellen der Bauchspeicheldrüse vollkommen zerstört sind.
Funktionsmechanismus
Das Enzym DPP 4 kommt ubiquitär im menschlichen, aber auch im tierischen Organismus vor. Es ist eine Proteinase, die vom N-terminalen Ende eines Peptids Zweiergruppen von Aminosäuren (Dipeptide) abspaltet. Da sich im Aktiven Zentrum des Enzyms die Aminosäure Serin befindet, gehört es zu den Serinproteinasen. Es kann nur vom Aminogruppen-Ende (N-Terminus) eines Peptids Dipeptide abspalten, nicht jedoch vom Carboxygruppen-Ende, dem C-Terminus (siehe Peptidbindung).
Ein beispielhaftes Peptid als Substrat für die DPP 4 sieht folgendermaßen aus, wobei Xaa2, Xaa1 und X'aa1 für beliebige Aminosäuren stehen und der senkrechte Strich für die Stelle, an der das Enzym die Peptidbindung spaltet. Mit P2, P1 und P'1 werden die Positionen der Aminosäuren relativ zur Spaltungsstelle beschrieben:
N-Xaa2-Xaa1-|-X'aa1-… P2 P1 P'1
N-Xaa2-Xaa1-C + N-X'aa1-…
Die DPP 4 spaltet bevorzugt Peptide, wenn sich ein Prolinrest (Pro) in P1-Position befindet.[15]
Die Substratspezifität in P1-Position (Xaa1)
Neben Peptiden mit Prolin in P1-Stellung, spaltet die DPP 4 auch noch Peptide mit anderen Aminosäuren in dieser Position.[16][17]
Zunächst wurde festgestellt, dass neben Prolin- auch Hydroxyprolin- und Dehydroprolinreste sehr gut akzeptiert werden. Auch Substrate mit Pipecolinsäureresten (Pip) in P1-Stellung sind ähnlich aktiv. Im Schema 1 wird ein „Prolinstammbaum“ vorgestellt[18] der auf direktem Wege vom Prolin bis zum Glycin führt. Versuchsweise wurden die einzelnen Di-Peptid-para-Nitroanilide (pNA) in P1-Stellung gegen die angeführten Aminoacylreste des „Stammbaums“ ausgetauscht. Hierbei konnte gezeigt werden, dass alle diese Derivate mehr oder weniger aktive Substrate darstellen. Erfolgreich geprüft wurden in Ala-Xaa1-pNA besonders Xaa1 = Thz, Oxa, Pipecolinsäure (Pip) und Azetidin-2-carbonsäure (Aze).

Ferner wurden geprüft die Xaa1-Reste von: Glycin (Gly), 2-Aminobutansäure (Abu), Norvalin (Nva), Sarcosin (Sar), N-Ethyl-Glycin, N-(n-Propyl)-Glycin, N-Methyl-2-Aminobutansäure, N-Methyl-Alanin und N-Ethyl-Alanin. Interessant ist, dass es im Hinblick auf die Wirksamkeit der DPP 4 Substrate eine Abstufung in folgender Richtung gibt:
- Prolin > Alanin > Glycin
Hinsichtlich des kcat/KM-Wertes ist das Aze-Derivat vergleichbar mit dem entsprechenden Pro-Substrat. In dem einen Fall handelt es sich um einen Fünf- im anderen Fall um einen Vierring. Ebenfalls interessant war die Prüfung der Verbindungen Ala-Xaa1-pNA mit Xaa1 = a-5MeOxa, und s-5MeOxa. Ala-(s-5MeOxa)-pNA fungierte als Substrat, Ala-(a-5MeOxa)-pNA nicht [s = syn, a = anti]. Der Prolinring ist nicht planar gebaut, sondern liegt in einer Konfiguration analog dem Schema 2 (links) vor.

Demzufolge sind auch die Positionen im Ringsystem des Prolins unterschiedlich zu bewerten. Daraus erklärt sich, warum Xaa2-Hyp-pNA ein Substrat ist, Xaa2-(a-5MeOxa)-pNA aber mittels DPP 4 nicht enzymatisch hydrolysiert wird.
Es wird beobachtet, dass in Substraten vom Typ Xaa2-Pro-X’aa1 die Spaltungsrate von der Natur des Restes X’aa1 abhängt. Offensichtlich verschiebt sich in diesem Falle der geschwindigkeitsbestimmende Schritt (siehe unten) von der Deacylierung (k3) in vorangehende Schritte. Denkbar ist eine Behinderung des Einstroms dieser Substrate in das aktive Zentrum der DPP 4. Der langsamste Schritt sollte hier möglicherweise vor dem eigentlichen katalytischen Prozess liegen. Hier ist im einfachsten Fall (bei Annahme von ka sehr viel kleiner als k3 und k3 sehr viel kleiner als k2 und k1)[20]
- kcat = k3ka und M = k-ak3/kak1
ka = Geschwindigkeitskonstante des Einstroms des Substrates in das aktive Zentrum, k-a = Geschwindigkeitskonstante des Ausstroms des Substrates aus dem aktiven Zentrum, k1 = Geschwindigkeitskonstante tetraedrischen Intermediats, k2 = Geschwindigkeitskonstante des Acylierungsschrittes (TI1 ® Acylenzym), k3 = Geschwindigkeitskonstante des Deacylierungsschrittes (TI2 ® Dipeptid).
Die Substratspezifität in P2-Position (Xaa2)
Auch wurde die Bedeutung des N-terminalen Aminosäurerestes in P2-Stellung (Xaa2) eruiert. Untersucht wurden u. a. in Xaa2-Pro-pNA die Reste von: Pro, Abu, Leu, Val, Ala, Ile, Glu, Phe, Tyr, Ser, Gln, Lys, Asp, Asn sowie N,N-Dimethyl-Glycin [(N,N)-DMG], N,N,N-Trimethyl-Glycin [(N,N,N)-TMG] und S,S-Dimethyl-sulfonium-essigsäure [(S,S)-DMS]. Alle Substanzen fungierten als Substrate der DPP 4 (siehe Tabelle 1).
| X-Pro-p-nitroanilid X = | kcat in s−1 | Km in 105 M |
|---|---|---|
| Pro | 51,5 ± 0,3 | 0,92 ± 0,03 |
| α-Aba | 72,7 ± 0,7 | 1,53 ± 0,05 |
| Leu | 65,4 ± 0,6 | 44,9 ± 0,9 |
| Val | 1,75 ± 0,04 | 1,28 ± 0,08 |
| Ala | 54,6 ± 0,4 | 1,66 ± 0,05 |
| Ile | 28,5 ± 4,9 | 39,5 ± 0,3 |
| Glu | 1,23 ± 0,67 | 2,10 ± 0,07 |
| Phe | 71,3 ± 1,7 | 4,27 ± 0,25 |
| Tyr | 62,9 ± 2,2 | 4,03 ± 0,34 |
| Ser | 61,0 ± 0,8 | 3,99 ± 0.24 |
| Gln | 69,8 ±4,7 | 4,90 ± 0.98 |
| Lys | 54,8 ± 1,2 | 5,16 ± 0,25 |
| Gly | 78,4 ± 0,7 | 10,2 ± 0,52 |
| Asp | 30,1 ± 0,3 | 5,85 ± 0,22 |
| Asn | 51,4 ± 1,0 | 11,8 ± 0,83 |
| Sar | 97,3 ± 0,02 | 13,0 ± 0,12 |
| (N,N)-DMG | 0,9 ± 0,02 | 145 ± 10 |
| (N,N,N)-TMG | 1,5 ± 0,2 | 7040 ± 1200 |
| (S,S)-DMS | 0,3 ± 0,02 | 1135 ± 80 |
Wie weit entfernt kann die N-terminale Aminofunktion von der Peptidbindung zwischen P1 und P2 sein? Dazu wurden in Xaa2-Pro-pNA Aminosäurereste von Ala, β-Ala, γ-Abu und ε-Ahx verwendet. Die Derivate von Ala, β-Ala und γ-Abu sind Substrate der DPP 4 mit fallender Tendenz. Die ε-Ahx-Verbindung wird nicht hydrolysiert.[21]
| X-Pro-p-nitroanilid X = | kcat in s−1 | Km · 105 in M |
|---|---|---|
| Ala | 54,6 ± 0,4 | 1,66 ± 0,05 |
| β-Ala | 6,7 ± 0,1 | 154 ± 8,5 |
| γ-Abu | 0,9 ± 0,03 | 352 ± 30 |
| ε-Ahx | keine hydrolytische Aktivität | |
Die Rolle der Aminoacylreste in P’1-Position (X’aa1)
Um die Bedeutung der Aminoacylreste in P’1-Position zu klären, wurden kinetische Studien mit den Tripeptiden Ala-Pro-X’aa1 durchgeführt. Überraschenderweise zeigt sich, dass keine enzymatische Hydrolyse stattfindet, wenn X’aa1 = Pro-, Hyp-, Dehydroprolyl-, Pipecolyl-, Aciridyl-Reste sind oder allgemein die zu spaltende Peptidbindung –CO–NH– durch –CO–N(R)– ersetzt ist (R ungleich H).
Die „Erkennungsstruktur“ der Substrate der DPP 4
Auf Grund des umfangreichen kinetischen Datenmaterials wurden intensive Studien der Computersimulation durchgeführt. Ein Resultat dieser Bemühungen war die Formulierung einer Struktur, die alle Substrate besitzen müssen, um im aktiven Zentrum der DPP 4 als Substrate erkannt zu werden. Diese „Erkennungsstruktur“ ist in der Abbildung 1 gezeigt.

Von Bedeutung ist die interne H-Brücke. Jede Behinderung ihrer Ausbildung führt zur Inaktivität als Substrat,.[22] Die Tatsache, dass jede Substitution an der NH-Gruppe der zu spaltenden Peptidbindung diese verhindert, ist der Grund, warum alle Peptide die das Strukturmerkmal –CO–N(R)– mit R ungleich H haben einer enzymatischen Hydrolyse nicht zugänglich sind. Es ist zu erwarten, dass die interne H-Brücke verhindert wird durch:
- eine cis-Peptidbindung und
- den optischen Antipoden
Es ist bekannt, dass Prolinpeptide über eine messbare cis-Konfiguration an der zu spaltenden Peptidbindung verfügen. Wir haben das Verhältnis von trans- zu cis-Bindung am Beispiel des Substrates Ala-Pro-pNA ermittelt und die enzymatische Hydrolyse mit Hilfe der schnellen Kinetik („Stopped-Flow-Methode“) verfolgt. Es zeigt sich ein biphasischer Umsatz nach der Zeit. In der ersten Phase kann ein schneller von der Enzymkonzentration abhängiger Abbau bis zu dem Prozentsatz, der für das Vorhandensein der trans-Peptidbindung gefunden wurde, beobachtet werden, danach erfolgt ein langsamer Reaktionsverlauf, der bestimmt wird, von der Enzym-unabhängigen cis-trans-Umwandlungsgeschwindigkeit. Demnach erfolgt erwartungsgemäß eine Spaltung nur über die trans-Bindung, die cis-Bindung ist inaktiv.
Die Stereospezifität
Ferner sind die Substrate in P1-Position absolut stereospezifisch. Ala-L-Pro-pNA z. B. ist ein gutes Substrat, Ala-D-Pro-pNA wird enzymatisch nicht hydrolysiert. Bei Verbindungen vom Typ D-Xaa2-Pro-pNA findet ebenfalls keine Hydrolyse statt. D-Xaa2-Ala-pNA aber sind Substrate der DPP 4. Tabelle 3 demonstriert dies am Beispiel des Ala-Ala-pNA, D-Ala-Ala.pNA und Aib-Ala-pNA. Das Phänomen, dass D<-Phe-Pro-pNA und D-Tyr-Pro-pNA unkompetitive Inhibitoren der Hydrolyse von Ala-Pro-pNA sind (die Ki-Werte sind: 0,35 ± 0,04 mM und 0,52 ± 0,04 mM), wonach beide Inhibitoren keine kompetitive oder gemischte Hemmer sind, und bei Ala-Ala-pNA als Substrat die Verbindungen keinen inhibitorischen Effekt zeigen, ist im Zusammenhang mit den in dieser Arbeit diskutierten theoretischen Schlussfolgerungen zu sehen.
| Verhältnis | in | in | in |
|---|---|---|---|
| 0,92 ± 0,13 | 18,27 ± 1,81 | 19,95 ± 0,91 | |
| 0,86 ± 0,15 | 40,39 ± 4,28 | 47,33 ± 2,47 | |
| 0,95 ± 0,20 | 2,23 ± 0,34 | 2,38 ± 0,15 | |
| = Ala-Ala-pNitroanalinid, = D-Ala-Ala-pNitroanalinid, = Aib-Ala-pNitroanalinid | |||
Auffallend ist, dass die Stereoselektivität in P2, wie die Tabelle 3 zeigt, sich nicht auf den KM-Wert, wohl aber gravierend auf die kcat-Werte aufwirkt. Auf diesen Effekt, der überraschend ist, soll weiter unten eingegangen werden.
Die Sequenz der Enzymkatalyse
Es wird angenommen, dass im Verlaufe der Enzymkatalyse die Reaktionsfolge, dargestellt in Schena 3, durchlaufen wird:

Danach ist zwischen einem Acylierungsprozess und einem Deacylierungsprozess zu unterscheiden. Das Substrat dringt in das aktive Zentrum ein (siehe Erkennungskomplex) und es bildet sich ES. Daraus folgt das tetraedrische Intermediat des Acylierungsprozesses TI1. Nach Abspaltung des ersten Spaltproduktes entsteht durch Anlagerung eines Wassermoleküls das zweite tetraedrische Intermediat TI2 (Deacylierungsprozess). Nach Spaltung von diesen wird letztendlich das freie Enzym und das zweite Spaltprodukt (Dipeptid) freigesetzt. Das erste tetraedrische Intermediat TI1 ist asymmetrisch. Theoretisch kann sich hier eine S- und/oder eine R-Form ausbilden. TI2 ist dagegen symmetrisch. Hier entstehen keine antipodischen Strukturen.
Zunächst erhebt sich die Frage, wo bei den Substraten der geschwindigkeitsbestimmende Schritt lokalisiert ist, ob im Bereich der Acylierung oder der Deacylierung. Es wurden daher Untersuchungen mit den Substraten Ala-Ala-anilid und Ala-Pro-Anilid mit verschieden substituierten Arylringen im pH-Optimum durchgeführt. Der Hansch-Approach (QSWA = Quantitative-Struktur-Wirkungs-Analyse) brachte keine Korrelation bei den substituierten Derivaten der Reihe Ala-Pro-Anilid, wohl aber eine solche in der Reihe Ala-Ala-Anilid.
Substrat : Ala-Ala-NH-C6H4-R QSWA : lgkcat = 0,807s ± 0,186 R : -H, p-F, p-Cl, p-Br, p-CH3, p-OCH3, p-OC2H5, p-NO2, m-Cl, m-CH3, m-CF3, m-NO2
Substrat : Ala-Pro-NH-C6H4-R QSWA : keine Korrelation
Daraus geht hervor, dass der geschwindigkeitsbestimmende Schritt bei der Alaninreihe in der Acylierung liegt, in einem Bereich also, wo die substituierten Aniline noch nicht abgespalten sind (k2). In der Prolinreihe dagegen sollte der geschwindigkeitsbestimmende Schritt in der Deacylierung liegen (k3). Die Messungen wurden beim pH-Optimum (siehe unten) durchgeführt.
Die Frage ist nun: lässt sich die Konformation des tetraedrischen Intermediats TI1 ermitteln? Zu diesem Zwecke wurde eine QCAR Analyse (Quantitative Conformation Activity Relationships) in der Alaninreihe durchgeführt. Die Resultate lassen vermuten, dass die Effekte dann auftreten, wenn der –NH-Ar-Rest aus dem tetraedrischen Intermediat TI1 austritt (k2). Aus der QCAR-Analyse folgt nämlich eine mögliche Konformation mit einer „Behinderung“ der Wasserstoffatome a und b, die, entsprechend der Struktur in Schema 4 bei der Rotation des aromatischen Ringes auftritt.

Das Schema 5 demonstriert die beiden Antipoden des TI1. Nur die Form links führt zur sterischen Hinderung der oben genannten Wasserstoffatome, nicht aber die rechts dargestellte Struktur. Dies könnte ein Hinweis auf die Stereospezifität des tetraedrischen Intermediates TI1 sein (im Zusammenhang mit den Ergebnissen der D-Isotopemessungen – siehe unten).
Die Untersuchungen zur pH-Wert Abhängigkeit, demonstriert an der DPP 4 aus Schweinenierenrinde, ergab ein pH-Optimum von ca. 6,7. Das Temperaturoptimum liegt bei etwa 30 °C. Die Studien ergaben ferner, dass für die Aktivität der Substrate eine positive Ladung am N-Terminus nötig ist. Dabei ist die Protonierung der N-terminalen primären Aminogruppe notwendig. Sie ist aber keine Bedingung. Für die Substraterkennung ist die Existenz einer positiven Ladung genügend, wie aus der Tabelle 1 hervorgeht. Streng genommen handelt es sich bei der DPP 4 also nicht um eine Aminopeptidase, sondern um eine Oniumacylaminoacyl-Peptidase. Die katalytische Abspaltung von Dipeptiden aus einem Oligo- oder Polypeptid vom N-terminalen Ende ist aber, physiologisch gesehen, ein essentieller Prozess.

Sekundäre D-Isotopieeffekte und Solventisotopieeffekte in D2O
Im Schema 4 und Schema 5 (links) ist ein mögliches Modell des TI1 dargestellt. Seine Bestätigung sollte durch D-Isotopieeffekte möglich sein, wenn einerseits ein H/D-Austausch im Asymmetriezentrum der P1 Aminosäure erfolgt und andererseits ein H/D-Austausch im aromatischen Ring in o-Stellung erfolgt. Es zeigt sich, dass in beiden Fällen sekundäre D-Isotopieeffekte zu messen sind.
Bei Ala-Ala-pNA (L-Ala-L-Ala-d1-pNA) sind im pH-Optimum bei Zimmertemperatur sekundäre D-Isotopieeffekte messbar. Sie betragen in kcat = 1,27 und in KM = 1,24. Wird das Substrat im aromatischen Ring vollständig deuteriert (Ala-Ala-NH-C6D4-pNO2), so ergeben sich sekundäre D-Isotopieeffekte in kcat und in KM von 1,05 ± 0,03.
Interessant ist, dass ein sekundärer D-Isotopieeffekt in kcat/KM, entsprechend dem Schema 6 in Abhängigkeit vom pH-Wert auftritt. Der Kurvenverlauf ist bemerkenswert. Bei fallenden pH-Werten von etwa 7,5 bis etwa 5,0 ist kein Isotopieeffekt messbar. Ab pH 5,0 beobachtet man einen steigenden sekundären D-Isotopieeffekt mit fallendem pH-Wert, verbunden mit einem Übergang von k3 nach k2 als geschwindigkeitsbestimmenden Schritt.

Dieses Resultat unterstreicht die hohe Wahrscheinlichkeit der in dem Schema 4 dargestellten Struktur.
Messungen der Solvent-D-Isotopieeffekt ergeben im Falle der Substrate Ala-Pro-pNA und Gly-Pro-pNA mit dem in der Deacylierung liegenden geschwindigkeitsbestimmenden Schritt einen Ein-Protonen-Übergang und beim Ala-Ala-pNA, der geschwindigkeitsbestimmende Schritt in der Acylierung liegend, einen Zwei-Protonen-Übergang (Tabelle 4).
| Substrat | pH | beste Anpassung an die Funktion (signifikant entsprechend F-Test) | Parameter | Protonenübergänge |
|---|---|---|---|---|
| Ala-Pro-pNA | 7,5 | kcat kcat/KM | 1 1 | |
| Gly-Pro-pNA | 6,8 | kcat kcat/KM | 1 1 | |
| Ala-Ala-pNA | 7,5 | kcat kcat/KM | (2) 2 |
Inhibitoren
Es wurden eine Reihe von Dipeptiden auf ihre Wirkung als (kompetitive) Inhibitoren der DPP 4 untersucht. Die Tabelle 5 zeigt eine Übersicht.
| Dipeptide | Ki in M |
|---|---|
| Gly-Pro | (1,6 ± 0,2) · 10−3 |
| Val-Pro | (1,0 ± 0,1) · 10−5 |
| Leu-Pro | (7,0 ± 0,7) · 10−5 |
| Ile-Pro | (6,9 ± 0,3) · 10−6 |
| Asp-Pro | (2,0 ± 1,5) · 10−4 |
| Arg-Pro | (4,2 ± 1,0) · 10−5 |
| Phe-Pro | (4,7 ± 1,5) · 10−5 |
| ε-Z(4-NO2)Lys-Pro | (1,1 ± 0,2) · 10−6 |
| β-Ala-Pro | (1,7 ± 0,1) · 10−2 |
| Ala-Ala | (4,1 ± 0,7) · 10−4 |
| Ile-Ala | (1,0 ± 0,1) · 10−5 |
| Ala-D-Ala | (1,8 ± 0,2) · 10−3 |
| Pro-Gly | (9,0 ± 0,4) · 10−3 |
| Gly-Phe | (3,2 ± 0,5) · 10−3 |
| Ile-Val | (4,0 ± 0,1) · 10−5 |
| ε-Z(4-NO2)Lys-D-Pro | (4,4 ± 0,3) · 10−5 |
| ε-Z(4-NO2)Lys-Pip | (2,2 ± 0,1) · 10−5 |
| ε-Z(4-NO2)Lys-D-Pip | (2,0 ± 0,1) · 10−4 |
| ε-N-CapronylLys-Pro | (4,8 ± 0,1) · 10−5 |
| ε-N-PalmitylLys-Pro | (8,1 ± 0,1) · 10−5 |
Von diesen Dipeptiden, die auch Spaltprodukte DPP 4-Katalyse sind, ist das Ile-Pro mit einem Ki-Wert von etwa 7,0 · 10−6 M und das ε-Z(4-NO2)Lys-Pro (Ki etwa 10−6) interessant. Um etwa eine Größenordnung wirksamer sind die entsprechenden Pyrrolidide (Tabelle 6).
| X-Pyrrolidid X = | pH | Ki in M |
|---|---|---|
| Ile | 6,3 | (3,3 ± 0,6) · 10−7 |
| Ile | 7,6 | (1,9 ± 0,4) · 10−7 |
| Phe | 6,3 | (2,5 ± 0,7) · 10−6 |
| Phe | 7,6 | (2,3 ± 0,2) · 10−6 |
| ε-Z(4-NO2)Lys | 6,3 | (3,9 ± 0,5) · 10−7 |
Röntgenkristallstruktur der Dipeptidylpeptidase 4
Gegenwärtig sind intensive Studien auf dem Gebiet der Röntgenkristallstrukturanalyse der DPP 4 im Gange. Das Enzym besteht in der Regel aus zwei identischen Untereinheiten. Jede dieser Untereinheiten besitzt eine N-terminale Peptidsequenz, die das Protein an der Oberfläche einer Zelle verankert. Es wurden auch höhere Aggregate bei der löslichen DPP 4 gefunden, bestehend aus vier identischen Untereinheiten.
Für bestimmte Aussagen ist eine nicht so in das Detail gehende Darstellung der Conolli-Oberfläche günstiger. Hier zeigt sich, dass die DPP 4 eine ungewöhnliche Oberflächenstruktur besitzt. Das aktive Zentrum befindet sich nicht an der Oberfläche außen, sondern in Innern des Proteins. Der Zugang zu dem aktiven Zentrum ist durch einen „Schlauch“ möglich, der eine größere und eine kleinere Öffnung besitzt. Die Frage ist, wie und vor allem wo erfolgt z. B. der Substrateintritt?
Wenn man sich das elektrostatische Potential an der Oberfläche ansieht, so stellt man fest, dass in der Nähe und innerhalb der großen Öffnung ein sehr starkes negatives Potential mit einem Gradienten in Richtung der Öffnung vorhanden ist (Abbildung 3). Die kleinere Öffnung hat demgegenüber kein so starkes negatives Potential. Es ist daher denkbar, dass die Substrate mit dem positiv geladenen N-Terminus der das Potential größerer Bereiche der Erkennungsstruktur der Substrate prägt in diese Öffnung „hineingezogen“ werden (Darstellung einer Untereinheit, humane DPP 4).

Die Struktur des tetraedrischen Intermediats TI1
Aus dem experimentellen Befund, wonach das als Substrat fungierende D-Ala-Ala-pNA über kcat wirkt, wobei KM gegenüber dem des Substrates Ala-Ala-pNA unbeeinflusst bleibt (siehe Tabelle 3), drängt sich die Deutung auf, dass der N-terminale Aminoacylrest (wahrscheinlich mit der positiven Ladung) direkt mit dem tetraedrischen Intermediat in P1-Position in Wechselwirkung tritt. Daher wurde eine hypothetische Konformation wie folgt konstruiert (Schema 7).

Es scheint zwei Typen von Wasserstoffbrücken zu geben, nämlich solchen, die für die direkte Bindung im aktiven Zentrum verantwortlich sind, d. h., das Substrat oder den Inhibitor an die wechselwirkungsaktiven Reste des Proteins heranführen und solchen, die direkter Bestandteil des Funktionsmechanismus sind. Wenn im Laufe des Funktionsmechanismus der Serinproteasen tetraedrische Intermediate TI1 und TI2 (siehe Schema 3) entstehen, ist TI1 asymmetrisch. Beim Aufrichten des Carbonylatoms der zu spaltenden Peptidbindung können sich zwei antipodische Konformationen ausbilden, von der eine das Peptid als Substrat (1), die andere als Inhibitor (2) erkennen sollte (Schema 5).
Die Entscheidung, in welcher Richtung sich die Carbonylgruppe aufrichtet, d. h., welches der antipodischen tetraedrischen Intermediate bevorzugt entsteht, wird davon abhängen, in welcher Richtung die Wechselwirkungen der Proteinseitenketten im aktiven Zentrum (z. B. H-Brücken) am wirkungsvollsten sind bzw. die räumliche Anpassung des Effektormoleküls am effektivsten erfolgt. So ist es durchaus möglich, dass ein Inhibitormolekül auch Substrat sein kann. Eine entscheidende Triebkraft der Abtrennung eines Molekülteils aus dem tetraedrischen Intermediat ist, ob das Prinzip der stereoelektronischen Kontrolle nach Delongchamps[23] gültig ist. Es besagt, dass die Spaltung von Estern oder Amiden über ein tetraedrisches Intermediat nur erfolgen kann, wenn beide am zentralen sp3-Kohlenstoffatom verbleibende Heteroatome eines ihrer einsamen Elektronenpaare jeweils antiperiplanar zur spaltenden Bindung ausrichten.
Die Röntgenstrukturanalyse des DPP 4/Pro-Pro-boronsäurekomplexes[24] bestätigt in eindrucksvoller Weise die im Schema 7 angenommene Struktur (Abbildung 4). Außerdem geht aus dem hypothetischen Schema 7 eindeutig hervor, warum die DPP 4 keine N-terminalen Aminosäuren entfernen kann, sondern nur N-terminale Dipeptide abspaltet. Von Interesse ist, dass der Boronsäurekomplex tatsächlich eine tetraedrische Struktur ausbildet, dass eine Wechselwirkung einerseits mit dem Tyr547 des Proteins und einem O-Atom des TI (Abstand = 2,04 A) stattfindet und dass andererseits zwischen dem Asn710 des Proteins und dem Sauerstoffatom der Carbonylgruppe der N-terminalen Peptidbindung eine Wechselwirkung erfolgt (Abstand = 1,93 A). Letztere H-Brücke ist sinnvoll. Sie fördert die Aufrichtung der Carbonylgruppe der N-terminalen Peptidbindung im oben gezeigten Sinne (vergl. Schema 7). Diese Verhältnisse sind in dem Ausschnitt aus der Röntgenkristallstruktur des DPP 4/Boronsäure-Komplexes (Abbildung 4) ersichtlich.

Ähnliche Bilder zeigen die durch Diprotin A (Abbildung 5 – rechts) und tertBuGly-Pro-Ile (Abbildung 5 – links) erzeugten Strukturen. Hier entstehen asymmetrische tetraedrische Konformationen. Sie stellen sich als antipodisch gegenüber der in dem Schema 7 angenommenen Struktur dar. Sollten diese durch die Röntgenstruktur ermittelten realen antipodischen Strukturen charakteristisch für Transition-State-Inhibitoren sein? Durch diese hypothetische Annahme ließe sich erklären, warum die Verbindungen
- Diprotin A (Ile-Pro-Ile)
Diprotin B (Val-Pro-Leu) und
TertBuGly-Pro-Ile,
die grundsätzlich eine Substratstruktur besitzen, Inhibitoren sind. Der Begriff „hypothetisch“ bringt zum Ausdruck, dass die hier gezeigten Röntgenstrukturen (Abbildung 5) die Konformationen von Inhibitoren darstellen, die Konformationen der TI (TI1) von Substraten können unter den experimentellen Bedingungen der Röntgenkristallstrukturanalyse nicht dargestellt werden.

Die Frage: Sind Diprotin A oder Diprotin B Substrate oder Inhibitoren der DPP 4? – wurde im Jahre 1991 von Rahfeld et al. gestellt. Umezawa et al.[25] berichten, dass beide Diprotine als Inhibitoren der DPP 4 wirken. Rahfeld stelle fest, dass sowohl Ile-Pro-Ile als auch Val-Pro-Leu erwartungsgemäß Substrate der DPP 4 sind. Die Autoren sprechen von der Inhibitorwirkung als einem „kinetischen Artefakt“ Die Röntgenkristallstruktur-Studien belegen die Konformation in TI1, die dem Inhibitormolekül zugeordnet werden sollte, denn die Substratstruktur ist mit Sicherheit unter den Kristallisationsbedingungen nicht erfassbar. Umso erstaunlicher ist, dass die Diprotine im wässriger Milieu (kinetische Messungen) nach längerer Zeit (nach ca. 20,5 Stunden unter den in der Literatur angegebenen Bedingungen) vollständig hydrolysiert werden. Offensichtlich stellt sich ein Gleichgewicht der antipodischen TI-Konformationen in verdünnter wässriger Lösung allmählich immer wieder neu ein. Über einen solchen Mechanismus wird der Dualismus bei den Diprotinen klar. Ihre Ki- und KM-Werte sind in der Tabelle 7 gezeigt.
| Parameter | Val-Pro-Leu | Ile-Pro-Ile |
|---|---|---|
| kcat in s−1 | 27,00 ± 0,05 | 1,29 ± 0,02 |
| KM in M | (1,63 ± 0,10) · 10−5 | (3,50 ± 0,30) · 10−6 |
| kcat/KM in M−1·s−1 | (1,66 ± 0,10) · 106 | (3,69 ± 0,30) · 105 |
| Ki in M | (1,88 ± 0,40) · 10−5 | (1,28 ± 0,36) · 10−6 |
Anwendung
Die Dipeptidylpeptidase 4 ist physiologisch und pharmakologisch von Interesse. Einige aktive und spezifische Inhibitoren des Enzyms wurden als potentielle Wirkstoffe gegen Diabetes mellitus Typ II erkannt.[26] Mittlerweile sind die beiden Dipeptidylpeptidase-4-Inhibitoren Sitagliptin und Vildagliptin als Arzneistoffe zur Therapie des Diabetes mellitus Typ 2 zugelassen. Es gibt Hinweise, dass DPP 4 oder verwandte Enzyme eine Rolle bei Prozessen der Wundheilung, möglicherweise in einer Reihe von Krebsarten (Dipeptidyl Peptidase IV und Aminopeptidase N scheinen nach englischsprachigen Veröffentlichungen auch bei der Ausbildung von Thyreoidalcarcinomen involviert zu sein) und in der Pathogenese von AIDS spielen.
Schon vor einigen Jahren wurde die enge Verwandtschaft der Enzyme DP II und PSE (Prolin spezifische Endopeptidase), auch PPCE (Post Proline Cleaving Enzyme) genannt, zur DPP 4 beschrieben. In neuerer Zeit wurde gefunden, dass die DPP 4 Mitglied einer Familie von Dipeptidyl-Peptidasen ist.
Geschichte
Das Enzym wurde erstmals 1966 von Hopsu-Havu und Glenner beschrieben und als Dipeptid-Naphthylamidase bezeichnet.[27] Unabhängig davon wurde das Enzym 1974 von Horst Schulz und Alfred Barth wiederentdeckt und im Ergebnis diverser Untersuchungen zum Chemismus als Dipeptidylpeptidase IV [DP IV] bezeichnet.[28]
Das Enzym Dipeptidylpeptidase 4 (kurz DPP 4, DP IV oder DPP IV) wurde erstmals 1964/66 von Hopsu-Havu und Glenner beschrieben.[29] Die Autoren bezeichneten das neu gefundene Enzym als Dipeptid-Naphthylamidase. Einige Zeit später wurde das Enzym durch Schulz und Barth unabhängig von Hopsu-Havu und Glenner wiederentdeckt. Entscheidend war zur Enzymreinigung die Ionenaustauscherchromatographie mit Sephadex DEAE A-50.[30][31][32] Im Ergebnis verschiedener Untersuchungen zum Chemismus wurde das Enzym als Dipeptidyl-Peptidase IV [DP IV] bezeichnet. Im Rahmen weiterer Untersuchungen wurde erstmals festgestellt, dass es sich um eine Serinprotease handelt. Erst im Laufe der Zeit wurde erkannt, dass dieses Enzym wesentliche Funktionen im menschlichen und tierischen Organismus ausübt.
Literatur (Auswahl)
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- Barth, A., Neubert, K., Schwarz, G., Fischer, G., Dove, S., Franke, R: Enzymatic Hydrolyses of Alanyl-alanine-anilides by Dipeptidyl Peptidase IV. In: Seydel, J. K. (Hrsg.): QSAR and Strategies in the Design of Bioactive Compounds. Proceedings of the 5th European Symposium on QSAR. Verlag Chemie, Weinheim 1985, ISBN 3-527-26306-3, S. 318–21.
- A. Barth: Der Chemismus der Dipeptidyl-Peptidase-IV – ein Überblick. (PDF) In: Digitale Bibliothek Sachsen-Anhalt. MLU Halle-Wittenberg, Mathematisch-Naturwissenschaftlich-Technische Fakultät, 22. April 2010, abgerufen am 19. April 2011.
Einzelnachweise
- ↑ E. Prompetchara, C. Ketloy, T. Palaga: Immune responses in COVID-19 and potential vaccines: Lessons learned from SARS and MERS epidemic. In: Asian Pacific journal of allergy and immunology. [elektronische Veröffentlichung vor dem Druck] 02 2020, doi:10.12932/AP-200220-0772, PMID 32105090.
- ↑ Jaron: Biopolymers 26, 215, 1987.
- ↑ C. F. Deacon, P. Danielsen, L. Klarskov, M. Olesen, J. J. Holst: Dipeptidyl peptidase IV inhibition reduces the degradation and clearance of GIP and potentiates its insulinotropic and antihyperglycemic effects in anesthetized pigs. In: Diabetes. Band 50, Nr. 7, Juli 2001, S. 1588–1597, doi:10.2337/diabetes.50.7.1588, PMID 11423480.
- ↑ B. Hartrodt, K. Neubert, G. Fischer, H. Schulz, A. Barth: Synthese und enzymatischer Abbau von β-Casomorphin-5. In: Die Pharmazie. Band 37, Nr. 3, März 1982, S. 165–169, PMID 7100234.
- ↑ Eberhard Heymann, Rolf Mentlein: Liver dipeptidyl aminopeptidase IV hydrolyzes substance P. In: FEBS Letters. Band 91, Nr. 2, 15. Juli 1978, S. 360–364, doi:10.1016/0014-5793(78)81210-1.
- ↑ Inger Brandt, Anne-Marie Lambeir, Jean-Marie Ketelslegers, Marc Vanderheyden, Simon Scharpé, Ingrid De Meester: Dipeptidyl-Peptidase IV Converts Intact B-Type Natriuretic Peptide into Its des-SerPro Form. In: Clinical Chemistry. Band 52, Nr. 1, 1. Januar 2006, S. 82–87, doi:10.1373/clinchem.2005.057638.
- ↑ G. Kreil, L. Haiml, G. Suchanek: Stepwise cleavage of the pro part of promelittin by dipeptidylpeptidase IV. Evidence for a new type of precursor--product conversion. In: European Journal of Biochemistry. Band 111, Nr. 1, Oktober 1980, S. 49–58, doi:10.1111/j.1432-1033.1980.tb06073.x, PMID 7002560.
- ↑ T. Kato, T. Nagatsu, K. Fukasawa, M. Harada, I. Nagatsu, S. Sakakibara: Successive cleavage of N-terminal Arg1-Pro2 and Lys3-Pro4 from substance P but no release of Arg1-Pro2 from bradykinin, by X-Pro dipeptidyl-aminopeptidase. In: Biochim. Biophys. Acta. Band 525, Nr. 2, August 1978, S. 417–422, doi:10.1016/0005-2744(78)90237-1.
- ↑ Patent DD248961: Process for manufacturing preparations promoting wound healing, and such preparations.. Angemeldet am 22. Mai 1984, veröffentlicht am 26. August 1987, Anmelder: Jentzsch, K. D., Buntrock, P., Oehme, P., Kuhl, A., Neubert, K., Erfinder: Akademie der Wissenschaften der DDR.
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- ↑ Alfred Barth, Horst Schulz In: Pharmazie. Band 29, 1974, S. 195.
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Auf dieser Seite verwendete Medien
Strukturausschnitt eines boroPro-Liganden in Dipeptidylpeptidase IV (CD 26) doi:10.2210/pdb2ajd/pdb
Ribbon diagram of human dipeptidyl peptidase-4.
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Chemismus der Dipeptidylpeptidase 4: Isotopieeffekt in Abhängigkeit vom pH-Wert
Erkennungsstruktur der Dipeptidylpeptidase-4-Substrate
Dipeptidylpeptidase 4
Allgemeine Struktur der beta-Aminoacylamide
Prolinkonfiguration
Originalbeschreibung: „γ-Puckering“ der fünfgliedrigen Ringe am Beispiel des Thz; für den Oxa-Aminoacylrest ist der Schwefel durch Sauerstoff und für Prolin durch >CH2 ersetzt (links); Stellung der Hydroxylgruppe im Hyp-System (rechts)
Struktur von Sitagliptin
Dipeptidylpeptidase 4: Katalysemechanismus mit Acylierungs- und Deacylierungsprozess
Antipoden des tetraedrischen Intermediats TI1
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Intermediat der Dipeptidylpeptidase 4
Strukturausschnitt eines tBu-GPI Liganden (links, doi:10.2210/pdb2ajb/pdb) und eines Diprotin A Liganden (rechts, doi:10.2210/pdb1nu8/pdb) in Dipeptidylpeptidase IV
Stammbaum der Prolin-ähnlichen chemischen Verbindungen
Hypothetisches Schema in tetraedrisches Intermediat 1