Digitaler Euro

Digitaler Euro, auch E-Euro genannt, ist das im Juli 2021 beschlossene Projekt der Europäischen Zentralbank (EZB) zur möglichen Einführung von digitalem Zentralbankgeld. Damit soll ein schnelles und sicheres elektronisches Zahlungsmittel gestaltet werden, das den Euro für Privatpersonen und Unternehmen in der bestehenden Form als Bargeld und auf Bankkonten ergänzt und vom Europäischen System der Zentralbanken des Euroraums ausgegeben würde.[1][2][3] Die Untersuchungsphase läuft seit Oktober 2021 bis voraussichtlich Oktober 2023 und bereitet eine Entscheidung zur Einführung vor.

Argumente und Motive für die Einführung eines digitalen Euro

Argumente und Motive für die Einführung eines digitalen Euro sind laut EZB:[1][4][5]

  • Erhalt der Rolle des Zentralbankgeldes als monetärer Anker für das Zahlungssystem[6]
  • Bereitstellung eines kostenlosen digitalen Zugangs zu einem sicheren gesetzlichen Zahlungsmittel im Euroraum
  • erweiterte Zahlungsmöglichkeit durch alternatives Zentralbankgeld neben dem Bargeld und dem Buchgeld auf den Konten bei Geschäftsbanken als Beitrag zu Verfügbarkeit und Inklusion
  • Schaffung von Vertrauen in digitales Bargeld durch hohen Schutz der Privatsphäre
  • Treiber für Innovationen im Massenzahlungsverkehr
  • Eindämmung der Verbreitung fremder Digitalwährungen zur Sicherung der finanziellen Stabilität und geldpolitischen Souveränität der Eurozone[7]

Neben diesen Motiven spielt die Möglichkeit eines weiteren Rückgangs der Nutzung von Bargeld als Zahlungsmittel eine Rolle in der Diskussion um den digitalen Euro.[8]

Vorarbeiten für die mögliche Einführung eines digitalen Euro

Am 2. Oktober 2020 veröffentlichte die EZB einen Bericht, in dem die Einführung eines digitalen Euro aus der Sicht des Eurosystems dargestellt wird.[9][10]

Seit 2020 wurden mehrere Projekte in Zusammenarbeit mit der Europäischen Investitionsbank (EIB) gestartet, bei denen die Ausgabe, Kontrolle und Übertragung von digitalem Zentralbankgeld sowie Wertpapier-Token und Smart Contracts auf einer Blockchain getestet wurden.[11]

2021

Nach einer Vorplanung und der Vorstellung von Ergebnissen einer öffentlichen Konsultation Anfang 2021[12] hat die EZB im Juli 2021 beschlossen, ein Projekt zum digitalen Euro zu starten, das die mögliche Einführung eines digitalen Euro vorbereiten soll.[13] Während der Vorplanung wurden keine technischen Hindernisse identifiziert. Die bis Herbst 2023 geplanten Untersuchungen zielen darauf ab, die Verteilung an Händler und Bürger, Auswirkungen auf die Märkte sowie die erforderliche europäische Gesetzgebung zu beleuchten. Eine Vorentscheidung, den digitalen Euro einzuführen, ist damit nicht getroffen worden.[14]

2022

Im September 2022 kündigt die EZB eine Zusammenarbeit mit fünf Unternehmen an (Amazon, CaixaBank, Worldline, EPI und Nexi), um potentielle Nutzerschnittstellen für den digitalen Euro zu entwickeln.[15]

Bundesbank-Vorstandsmitglied Burkhard Balz sieht den digitalen Euro nicht zuletzt als ein Mittel zur Stärkung der europäischen Souveränität im Zahlungsverkehr. Seiner Ansicht nach könne der digitale Euro so ausgestaltet werden, dass er auch programmierbare Zahlungen in einem hochautomatisierten Umfeld unterstützt.[16]

Im September 2022 veröffentlicht die EZB den ersten Fortschrittsbericht zur Investigationsphase ("Progress on the investigation phase of a digital euro").[17]

Auf der Konferenz „Towards a legislative framework enabling a digital euro for citizens and businesses“ Anfang November 2022 in Brüssel bekräftigte Christine Lagarde, Präsidentin der Europäischen Zentralbank, dass der digitale Euro kein eigenständiges Projekt sei, das sich auf den Bereich des Zahlungsverkehrs beschränkt. Vielmehr handle es sich um eine politikübergreifende und wahrhaft europäische Initiative, die das Potenzial habe, die Gesellschaft als Ganzes zu beeinflussen.[18]

Im Dezember 2022 veröffentlicht die EZB den zweiten Fortschrittsbericht zur Investigationsphase.[19]

2023

Im Januar 2023 bittet die EZB erfahrene Experten auf dem Gebiet des Zahlungsverkehrs/Finanzwesens, ihr Interesse an der Mitarbeit bei der Ausarbeitung eines Regelwerks zum digitalen Euro zu bekunden.[20]

Stellungnahmen zur möglichen Einführung eines digitalen Euro

Der Verbraucherzentrale Bundesverband sieht den digitalen Euro als öffentliches Gut und damit die Chance, den digitalen Zahlungsverkehr verbraucherorientierter zu gestalten.[21]

Die Gesellschaft für Informatik sieht in der Einführung des Digitalen Euro bei gleichzeitigem Rückgang des Bargeldes eine Gefahr für die Informationelle Selbstbestimmung und Privatsphäre; es drohe der Gläserne Mensch.[22]

Kreditwirtschaft

Aus der Sicht der deutschen Kreditwirtschaft ist der globale Trend in Richtung digitalem Zentralbankgeld unübersehbar und stellt sowohl eine Chance als auch eine Herausforderung dar. Die geplante Einführung eines digitalen Euro wird als ein wichtiger Beitrag zur Digitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft und zur Sicherung der Souveränität und Wettbewerbsfähigkeit Europas gesehen. Das in einem Grundlagenpapier vorgeschlagene Ökosystem digitalen Geldes soll über digitales Bargeld hinausgehen und aus drei Elementen bestehen:[23][24]

  • Retail-CBDC für den privaten Gebrauch
  • Wholesale-CBDC für Banken und Sparkassen
  • Giralgeldtoken[25] für den Einsatz in der Industrie

Der Bundesverband deutscher Banken unterstützt die Einführung eines digitalen Euros. In einem Positionspapier aus dem Februar 2023 betonen die privaten Banken die Weiterentwicklung des Bargelds, ihre Rolle bei seiner Ausgabe, seine Innovationsoffenheit und streben eine Risikominimierung bei der Einführung an. Bei den Risiken werden von den privaten Banken besonders die für ihr Geschäft (Disintermediation, sinkende Erträge, Schwächung ihrer Kundenbeziehung) erwähnt und dass eine Schwächung ihrer Investionsmöglichkeiten ein Scheitern des digitalen Euro nach sich ziehen könnte.[26]

Der Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken begrüßt die Pläne der EZB für einen digitalen Euro, kritisiert aber, dass die Bedürfnisse der Wirtschaft an ein künftiges digitales Zahlungsmittel noch nicht ausreichend berücksichtigt wurden.[27][28][29]

Industrie

Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) mahnt in einem Ende September 2022 veröffentlichten Positionspapier, dass bei der Etablierung eines digitalen Euro die Industriebedarfe berücksichtigt werden müssen. Die Programmierbarkeit[30] von Zahlungen ist dabei eine zentrale Forderung.[31]

Eurogroup

Für Paschal Donohoe, Präsident der Eurogroup, einem Gremium der Finanzminister aus den Euro-Mitgliedsstaaten, steht im Mittelpunkt des digitalen Euro-Projekts das Ziel, die Verbindung zwischen Bürgern und Zentralbankgeld aufrechtzuerhalten: als Zentralbankgeld wäre der digitale Euro eins zu eins in Euro-Banknoten konvertierbar.[32]

Entgegen der Industrie will die Eurogroup nicht, dass der digitale Euro mit Zusatzfunktionen ausgestattet werden kann.[33][34]

Literatur

  • Isabella Lindner: The Euro on its way to internationalization – Potential Geopolitical Impacts. In: Klemens H. Fischer (Hrsg.): European Security Put to the Test. Perspectives and Challenges for the Next Decade. (= AIES Beiträge zur Europa- und Sicherheitspolitik. Volume 6). Nomos Verlag, 2021, ISBN 978-3-8487-8558-2.
  • Annelieke A. M. Mooij: A digital euro for everyone. Can the European System of Central Banks introduce general purpose CBDC as part of its economic mandate? In: Journal of Banking Regulation. 2022. doi:10.1057/s41261-021-00186-w
  • Annelieke A. M. Mooij: European Central Bank Digital Currency: the digital euro – What design of the digital euro is possible within the European Central Bank's legal framework? BRIDGE Network – Working Paper 14, May 2021.
  • Thomas Mayer: A Digital Euro to Compete with Libra. In: The Economists' Voice. Band 16, Heft 1, 2019.
  • Peter Bofinger: Grundzüge der Volkswirtschaftslehre. 5. Auflage. Pearson, München 2019, ISBN 978-3-86894-368-9, S. 561–578, Kap. 28: Digitalisierung des Geldes und die Zukunft der Geldpolitik.
  • Philipp Sandner, Jonas Groß: Der digitale Euro aus geopolitischer Perspektive. In: Johannes Beermann (Hrsg.): 20 Jahre Euro. Zur Zukunft unseres Geldes. Siedler, München 2022, ISBN 978-3-8275-0165-3, S. 409–436.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b Ein digitaler Euro. In: ecb.europa.eu. Abgerufen am 10. Juli 2021.
  2. Digitales Geld: Wie der digitale Euro funktioniert. In: br.de. Abgerufen am 10. Juli 2021.
  3. Zur Möglichkeit der Einführung eines digitalen Euro. (PDF) Deutscher Bundestag, Fachbereich Europa, 8. Oktober 2018, abgerufen am 16. Februar 2022.
  4. Fabio Panetta: Ein digitaler Euro für den Zahlungsverkehr von morgen. Europäische Zentralbank | Eurosystem, 18. November 2021, abgerufen am 4. März 2022.
  5. Argumente für einen digitalen Euro: Hauptziele und Gestaltungsaspekte. (PDF) Europäische Zentralbank - Eurosystem, Juli 2022, abgerufen am 1. Oktober 2022.
  6. Der digitale Euro und die Bedeutung von Zentralbankgeld. Europäische Zentralbank | Eurosystem, 5. Oktober 2022, abgerufen am 11. März 2023.
  7. Wozu ein digitaler Euro? In: forbes.at. 4. Juli 2022, abgerufen am 14. März 2023.
  8. Wie stehen private Haushalte in Deutschland zum digitalen Euro? Erste Ergebnisse aus Umfragen und Interviews. (PDF) Deutsche Bundesbank, Monatsbericht Oktober 2021, abgerufen am 7. März 2022.
  9. Bericht über einen digitalen Euro. Europäische Zentralbank | Eurosystem, 2020, abgerufen am 16. Februar 2022.
  10. Fabio Panetta: We must be prepared to issue a digital euro. The ECB Blog, 20. Oktober 2020, abgerufen am 4. März 2022.
  11. Experiment on the use of Central Bank Digital Currency. (PDF) Banque de France, 29. April 2021, abgerufen am 16. Februar 2022 (englisch).
  12. Bericht des Eurosystems über das öffentliche Konsultationsverfahren zu einem digitalen Euro. (PDF) Europäische Zentralbank | Eurosystem, April 2021, abgerufen am 16. Februar 2022.
  13. Das Eurosystem startet Projekt zum digitalen Euro. Deutsche Bundesbank | Eurosystem, 15. Juli 2021, abgerufen am 16. Februar 2022.
  14. Das Eurosystem startet Projekt zum digitalen Euro. In: PRESSEMITTEILUNG. Europäische Zentralbank, 14. Juli 2021, abgerufen am 3. August 2021.
  15. ECB selects external companies for joint prototyping of user interfaces for a digital euro. Europäische Zentralbank - Eurosystem, 16. September 2022, abgerufen am 1. Oktober 2022.
  16. Bundesbank: Digital-Euro würde Souveränität Europas im Zahlungsverkehr stärken. Handelsblatt, 19. Juli 2022, abgerufen am 3. August 2022.
  17. Progress on the investigation phase of a digital euro. ECB | Eurosystem, September 2022, abgerufen am 7. Januar 2023.
  18. Christine Lagarde: Digital euro – a common European project. BIS - Bank for International Settlements, 8. November 2022, abgerufen am 10. November 2022.
  19. ECB publishes second progress report on the digital euro investigation phase. ECB | Eurosystem, 21. Dezember 2022, abgerufen am 7. Januar 2023.
  20. Call for expressions of interest in participation in the digital euro scheme Rulebook Development Group. European Central Bank | Eurosystem, 3. Januar 2023, abgerufen am 7. Januar 2023.
  21. Der digitale Euro. Für Privatsphäre, Unabhängigkeit und Teilhabe im digitalen Zahlungsverkehr. (PDF) Verbraucherzentrale Bundesverband, 30. Juli 2021, abgerufen am 7. März 2022.
  22. Digitale Währungen schaffen gläserne Menschen. Gesellschaft für Informatik, 22. November 2022, abgerufen am 7. Januar 2023.
  23. Deutsche Kreditwirtschaft legt Grundlagenpapier für "digitalen Euro" vor – EZB muss über digitales Bargeld hinausdenken. Die Deutsche Kreditwirtschaft, 5. Juli 2021, abgerufen am 4. März 2022.
  24. Europa braucht neues Geld – Das Ökosystem aus CBDC, Giralgeldtoken und Triggerlösung. (PDF) Die Deutsche Kreditwirtschaft, 5. Juli 2021, abgerufen am 4. März 2022.
  25. Digitaler Euro und Giralgeldtoken: Europas Geld von morgen. Bundesverband deutscher Banken, 14. Juli 2021, abgerufen am 4. März 2022.
  26. Tobias Tenner, Albrecht Wallraf, Marek Jessen: Positionspapier "Digitaler Euro - als nächster evolutionärer Schritt des Geldes". Bundesverband deutscher Banken, 6. Februar 2023, abgerufen am 13. Februar 2023.
  27. BVR für Schaffung eines innovativen Ökosystems digitaler Geldformen / Euro-Kryptogeld für Wirtschaft sollte von Banken angeboten werden. Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken, 28. Februar 2022, abgerufen am 4. März 2022.
  28. Andreas Bley: Wirtschaft braucht anderen digitalen Euro als Bürgerinnen und Bürger. (PDF) BVR Research, 23. Februar 2022, abgerufen am 4. März 2022.
  29. BVR-Position - Die Digitalisierung des Euro: Chancen nutzen, Risiken begrenzen. Zielbild für ein europäisches Geldsystem der Zukunft. Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR), Februar 2023, abgerufen am 11. März 2023.
  30. Zunehmender Bedarf an programmierbaren Zahlungen. Deutsche Bundesbank und BMF, 21. Dezember 2020, abgerufen am 27. Februar 2023.
  31. Digitaler Euro. Industriebedarfe bei Etablierung nicht vernachlässigen. Bundesverband der Deutschen Industrie e. V., 28. September 2022, abgerufen am 1. Oktober 2022.
  32. Paschal Donohue: The possibility of the digital euro. What makes this project any different, or better, than other innovative digital solutions already available? The answer lies in 'central bank money'. In: politico.eu. 14. März 2023, abgerufen am 14. März 2023.
  33. Stefan Krempl: EU-Finanzminister: Digitaler Euro soll nicht programmierbar sein. In: heise.de. 17. Januar 2023, abgerufen am 27. Februar 2023.
  34. Euro-Gruppe Pressemitteilung: Eurogroup statement on the digital euro project, 16th January 2023. Europäischer Rat, Rat der Europäischen Union, 16. Januar 2023, abgerufen am 27. Februar 2023.