Differentielle Rotation

Von differentieller Rotation (Superrotation) spricht man, wenn die Winkelgeschwindigkeit eines rotierenden Körpers/Systems je nach Breitengrad des betrachteten Punktes oder seiner Entfernung von der Rotationsachse unterschiedlich ist, der Körper sich also nicht überall gleich schnell dreht. Dies ist bei Festkörpern nicht möglich.

Eine differentielle Rotation ist immer verbunden mit einer Scherung.

Beispiele

Differentielle Gasrotation auf dem Jupiter, beobachtet von Voyager 1 (Vollgroesse Video hier)

Allgemein

Zum Beispiel befinden sich die Oberflächen der Sonne, des Jupiter und des Saturn in differentieller Rotation. Die Regionen nahe am Äquator drehen sich merklich schneller als jene im Bereich der Pole. Üblicherweise haben Galaxien, Akkretionsscheiben und Protosterne ebenfalls eine differentielle Rotation.

Erde

Die differentielle Rotation zwischen Erdkern und Erdmantel wird als Folge von Strömungen durch den Geodynamo angenommen, der das Erdmagnetfeld aufbaut. Das heißt, dass die Superrotation wahrscheinlich eine Folge, aber nicht die Ursache des Geodynamos ist.

Unser Sonnensystem

Ein Beispiel für differentielle Rotation ist das Sonnensystem: fast alle Masse ist im Zentralkörper – der Sonne – vereint und die Planeten kreisen in nahezu Kreisbahnen (allgemein: in Keplerbahnen) um sie. Die keplerschen Gesetze beschreiben die Bewegung: Je näher sich ein Körper zur Zentralmasse befindet, desto schneller (sowohl Bahngeschwindigkeit als auch Winkelgeschwindigkeit) muss er sich bewegen, wenn er sich in einer konstanten/stabilen Bahn bewegen will. Für diese Bahnen ergibt sich:

: Bahngeschwindigkeit
: Gravitationskonstante
: große Halbachse/Radius
: Sonnenmasse (Planetenmasse vernachlässigbar gegenüber )

mit folgt also:

: Winkelgeschwindigkeit

Es ergibt sich also:

Die Eigenrotation der Sonne und der Gasplaneten

Bei der Sonne und den Gasplaneten weisen die äquatorialen Regionen eine kürzere Rotationsperiode als die Pole auf.

Die Ursache ist vermutlich, dass es sich nicht um starre Himmelskörper handelt und der Drehimpuls auf Grund thermischer Prozesse in die Regionen mit dem größten Radius gedrängt wird, weil alle Materie, die sich auf Grund thermischer Bewegungen überdurchschnittlich schnell in Umlaufrichtung bewegt, durch die gleichzeitig höheren Fliehkräfte nach außen drängt.

Die Milchstraße

Differentielle Rotation einer Galaxie.

Im Jahr 1927 hat der niederländische Astronom Jan Hendrik Oort gezeigt, dass unsere Galaxie, die Milchstraße, sich in differentieller Rotation befindet: die Sterne in Nähe des Zentrums besitzen eine größere Winkelgeschwindigkeit als jene in den Außenregionen (Rotationskurve, Oortsche Rotationsformeln).

Aus den Bahngeschwindigkeiten lassen sich über das Newtonsche Gravitationsgesetz Rückschlüsse auf die Masseverteilung einer Galaxie ziehen. Dabei zeigt sich, dass die Bahngeschwindigkeiten innerhalb einer Galaxie nach außen hin nicht abnehmen, was aufgrund der Verteilung der sichtbaren Materie zu vermuten wäre, bei einigen Galaxien steigen sie sogar leicht an. Die Unterschiede zwischen beobachteten Bahngeschwindigkeiten und berechneten Werten führten letztendlich zu der Vermutung, es müsse neben der sichtbaren noch eine andere Form von Materie geben, die nichtbeobachtbare Dunkle Materie.
Eine andere Theorie versucht diesen Unterschied durch eine Modifikation des Newtonschen Bewegungsgesetzes zu erklären (sog. Modifizierte Newtonsche Dynamik).

Literatur

  • Günther Rüdiger: Differential rotation and stellar convection – sun and solar-type stars. Gordon and Breach, New York 1989, ISBN 2-88124-066-6
  • Hans C. Zebedin: Neue Versuche zur Bestimmung der differentiellen Rotation von Filamenten. Diss., Univ. Graz 1993

Auf dieser Seite verwendete Medien

Spiral arms.ogv
Autor/Urheber: Ingo Berg, Lizenz: CC BY-SA 3.0
Spiralarme einer Galaxie die durch ein vereinfachtes Modell von Dichtewellen erzeugt werden. In diesem Beispiel verändern die Spiralarme ihre Position nicht, Sterne können sich jedoch hinein und heraus bewegen.
Jupiter from Voyager 1 PIA02855 thumbnail 300px max quality.ogv
Jupiter seen by Voyager 1 probe with blue filter. One image was taken every Jupiter day (approximately 10 hours). These pictures were taken from 01/06 to 02/03, 1979 ; and Voyager 1 flew from 58 million to 31 million kilometers from Jupiter during that time. The small, round, dark spots appearing in some frames are the shadows cast by the moons passing between Jupiter and the Sun, while the small, white flashes around the planet, are the moons themselves.

This Theora OGG movie was downscaled to half size and then transcoded at the maximum possible quality from the original NASA GIF animation at http://photojournal.jpl.nasa.gov/browse/PIA02855.gif linked from http://photojournal.jpl.nasa.gov/animation/PIA02855, see Source below for details.

Suggested for English Wikipedia:alternative text for images: animated view of planet getting larger. These pictures were taken every 10 hours over 28 days in 1979; each frame shows Jupiter at the same local time with the Great Red Spot appearing stationary within its cloud belt while clouds move right to left past it; other cloud belts move left to right. The small, round, dark spots appearing in some frames are the shadows cast by the moons passing between Jupiter and the Sun, while the small, white flashes around the planet, are the moons themselves.