Dienstaufsichtsbeschwerde

Die Dienstaufsichtsbeschwerde ist im deutschen Verwaltungsrecht ein form- und fristloser Rechtsbehelf, mit dem die Verletzung einer Dienstpflicht eines Amtsträgers gerügt werden kann und der sich an die Dienstaufsicht oder die vorgesetzte Dienststelle oder an den Dienstvorgesetzten wendet. Gegensatz ist die Fachaufsichtsbeschwerde.

Allgemeines

Bei anfechtbaren Verwaltungsakten ist gemäß § 37 Abs. 6 VwVfG eine Belehrung über die Behörde oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf einzulegen ist, den Sitz und über die einzuhaltende Frist erforderlich (Rechtsbehelfsbelehrung), hierbei kommt eine Dienstaufsichtsbeschwerde ebenso nicht in Betracht wie bei mangelnder Fachkompetenz oder falscher Rechtsanwendung. Die Dienstaufsichtsbeschwerde im engeren Sinne wendet sich vielmehr lediglich gegen das dienstliche Verhalten eines Amtsträgers.[1] Die Sachbehandlung („Sachaufsichtsbeschwerde“) richtet sich gegen die Rechtsanwendung der Verwaltung.

Rechtsfragen

Die Dienstaufsichtsbeschwerde ist eine besondere Form der in Art. 17 GG vorgesehenen Petition.[2] Sie ist formlos an den Disziplinarvorgesetzten des Amtsträgers oder gleich an die Dienstaufsichtsbehörde zu richten. Die Beschwerde muss in angemessener Frist beschieden werden, allerdings hat der Beschwerdeführer keinen Anspruch auf eine nähere Begründung. Die Dienstaufsichtsbeschwerde ersetzt nicht die etwa bei Verwaltungsakten vorgesehenen Rechtsbehelfe.

Inhalt der Dienstaufsichtsbeschwerde

Das dienstliche Verhalten Beschäftigter im öffentlichen Dienst betrifft ausschließlich deren Auftreten gegenüber dem Bürger. Die Dienstaufsichtsbeschwerde rügt daher das persönliche Fehlverhalten (etwa Unhöflichkeit, beleidigende oder herablassende Äußerungen) oder das unangemessene Auftreten, wenn Behördenvertreter sich etwa im Ton vergreifen oder gar handgreiflich werden.[3]

Hierarchie

Bei der Dienstaufsichtsbeschwerde ist stets die Hierarchie innerhalb einer Behörde bzw. die Hierarchie der Behörden untereinander zu berücksichtigen, denn sie richtet sich an den Vorgesetzten eines Amtsträgers; letzterer darf die Dienstaufsichtsbeschwerde grundsätzlich nicht selbst beantworten (Interessenkollision). Der Adressat einer Dienstaufsichtsbeschwerde kann sein

Auch Behörden untereinander sind streng hierarchisch gegliedert. Die Finanzämter unterstehen beispielsweise der Oberfinanzdirektion, eine städtische/kommunale Behörde wie etwa das Liegenschaftsamt oder Sozialamt untersteht dem (Ober-)Bürgermeister.

Aus dem Petitionsrecht des Art. 17 GG ergibt sich die Möglichkeit, dass sich Betroffene mit Beschwerden auch an die Volksvertretung wenden; das ist konkret bei Dienstaufsichtsbeschwerden der Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages oder der Landtage (etwa Petitionsausschuss des nordrhein-westfälischen Landtags).

Strafprozessrecht

Gegen polizeiliche Strafverfolgungsmaßnahmen ist gemäß § 163 StPO eine Aufsichtsbeschwerde zulässig. Dabei wendet sich eine Sachaufsichtsbeschwerde gegen eine Maßnahme (etwa gegen eine Beschlagnahme oder Durchsuchung); sie ist an die Staatsanwaltschaft zu richten. Die Dienstaufsichtsbeschwerde rügt das Verhalten (etwa mutwillige Beschädigungen bei einer Durchsuchung), hierüber entscheidet der Dienstvorgesetzte des Polizeibeamten (Polizeipräsident).

Rechtsfolgen

Da Art. 17 GG keinen Anspruch auf Abhilfe vorsieht, fehlt der Dienstaufsichtsbeschwerde das vollstreckungsrechtliche Element, das einem echten Rechtsbehelf innewohnt.[4] Art. 17 GG gibt dem Petenten lediglich ein Recht auf Entgegennahme, sachliche Prüfung und Bescheidung der Petition, jedoch keinen Anspruch auf Erledigung im Sinne des Petenten.[5] Einen unmittelbaren Einfluss auf das dienstliche Verhalten des betroffenen Amtsträgers gibt es nicht. Erkennt jedoch dessen vorgesetzte Stelle die Kritik der Beschwerde an, kann sie im Rahmen einer Disziplinarmaßnahme auf den Amtsträger einwirken. Auf Dienstaufsichtsbeschwerden ergehende Bescheide sind keine Verwaltungsakte.[6]

International

In Österreich ist die Dienstaufsichtsbeschwerde ähnlich gestaltet wie in Deutschland. Sie kann grundsätzlich von jedermann, „der sich durch das Vorgehen eines Organs ... für beschwert erachtet,“ erhoben werden.[7] Sie dient dazu, „einen vermeintlichen Missstand der Oberbehörde – oder dem Dienstvorgesetzten des Organs – zur Kenntnis zu bringen, damit sie Abhilfe schaffen“.[8] Die Schweiz kennt die Aufsichtsbeschwerde. Die Aufsichtsbeschwerde (auch Aufsichtsanzeige) gemäß Art. 71 VwVG ist ein bloßer Rechtsbehelf, mit dem die Aufsichtsbehörde auf Missstände hingewiesen werden kann. Der Einreicher hat keinen Anspruch darauf, dass seine Eingabe behandelt wird oder dass in der Folge Anordnungen getroffen werden; der Anzeigende hat mithin keine Parteirechte (Art. 71 Abs. 2 VwVG).

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Lutz Meyer-Goßner: Kommentar StPO. Hrsg.: Lutz Meyer-Goßner/Bertram Schmitt. 58. Auflage. 2015, S. vor § 296, Rn. 22.
  2. BVerwG NJW 1977, 118
  3. Mike Wienbracke: Verwaltungsprozessrecht, 2014, S. 2.
  4. Robert Pest: Das Verzögerungsverbot im Strafverfahren, 2017, S. 452.
  5. BVerfG, Beschluss vom 22. April 1953, Az. 1 BvR 162/51, BVerfGE 2, 225, 230.
  6. BVerwG NJW 1977, 118 f.
  7. VwGH 94/19/1174 RS 1.
  8. VwGH 90/18/0158 RS 4.