Die Unehelichen

Film
OriginaltitelDie Unehelichen. Eine Kindertragödie
ProduktionslandDeutschland
OriginalspracheDeutsch
Erscheinungsjahr1926
Länge96 Minuten
Stab
RegieGerhard Lamprecht
DrehbuchGerhard Lamprecht
Luise Heilborn-Körbitz
MusikWilly Schmidt-Gentner
KameraKarl Hasselmann
Besetzung

Die Unehelichen ist ein deutsches Sozialdrama von Gerhard Lamprecht aus dem Jahr 1926, das er in eigener Firma, der Gerhard-Lamprecht-Film Produktion GmbH., für die National-Film A.G. in Berlin realisierte. Das Drehbuch hatte er zusammen mit Luise Heilborn-Körbitz nach amtlichem Material des „Vereins zum Schutze der Kinder gegen Ausnutzung und Mißhandlung“[1] erstellt.

„Die Unehelichen“ setzte die 1925 mit „Die Verrufenen“ begonnene Reihe seiner „Milljöh“-Filme fort[2], in denen er sich kritisch mit den prekären Lebensbedingungen im proletarischen[3] Berlin beschäftigte[4].

„Kinder, die ein Jahr zuvor in den ‚Verrufenen‘ noch Randfiguren waren, macht Lamprecht hier zu Haupthelden seines Films“.[5] Darauf weist auch der Untertitel seines Films „Eine Kindertragödie“ hin.

Kinderschicksale und Kindergestalten in den Stummfilmen der Weimarer Republik, so wie sie beispielsweise [ …] in Gerhard Lamprechts „Die Unehelichen. Eine Kindertragödie“ (1926) geschildert werden, stellen als Kontrastfolie zur Lebenssphäre der Erwachsenen die bürgerlich-konservativen Werte und Prinzipien ihrer Umwelt in Frage.[6]

Lamprecht wurde für sein sozialkritisches Werk von dem Grafiker, Maler und Fotografen Heinrich Zille (1858–1929) beraten. Auch während der Dreharbeiten für „Die Unehelichen“ und „Menschen untereinander“ (beide 1926) arbeitete Lamprecht erneut mit Zille zusammen.[7]

Handlung

Die drei Arbeiterkinder Peter, Lotte und Frieda wachsen bei einer hartherzigen Pflegemutter auf und werden von deren Mann, einem brutalen Alkoholiker, regelmäßig geprügelt. Eines Tages tötet er ein Kaninchen, das die Kinder lieben, und jagt sie vorübergehend aus dem Haus in den Regen. Lotte erkrankt an Fieber und stirbt, da die Pflegemutter nicht rechtzeitig nach dem Arzt ruft. Peter trägt auf dem Totenschein heimlich „verhungert“ ein und erreicht so, dass den Pflegeeltern das Sorgerecht entzogen wird. Frieda wird in einer liebevollen Müllersfamilie untergebracht, Peter bei Frau Berndt, wo er endlich zu Ruhe und Sorglosigkeit findet. Sein leiblicher Vater taucht nun auf und versucht ihn als Arbeitskraft zu sich zu nehmen, doch Peter flieht immer wieder von ihm. Schließlich darf er bei Frau Berndt bleiben.[8]

Produktion

Hauptrollen waren wieder mit bereits bewährten Schauspielern wie Paul Bildt und Bernhard Goetzke, Käthe Haack, Margarete Kupfer und Lili Schoenborn besetzt, die Kinder waren Laiendarsteller und spielten sich selbst.[9] Zu einiger Bekanntheit brachte es Fee Wachsmuth als Kinderdarstellerin,[8] sie wurde auch in weiteren Filmen eingesetzt, z. B. 1928 in „Mutter Krausens Fahrt ins Glück“ von Piel Jutzi. Dort heißt sie einfach „Das Kind“.[10]

Die Filmbauten schuf Otto Moldenhauer, Karl Hasselmann fotografierte[11], die Aufnahmeleitung hatte Ernst Körner.

Der Film, der im National-Atelier Berlin-Tempelhof entstand, wurde am 17. August 1926 der Zensur vorgelegt. Premiere war am 6. September 1926 in Berlin. Für die Uraufführung stellte Willy Schmidt-Gentner die Begleitmusik zusammen und dirigierte sie[12]. Das Werk hat eine Länge von 2132 Metern in 7 Akten.

In Amerika wurde der Film zwei Jahre später, am 2. April 1928, in New York uraufgeführt; dort lief er unter dem Titel "Children of No Importance".

Rezeption

‘Unübersehbar aufklärerischen und belehrenden Charakter hat «Die Unehelichen», will das Publikum aufrütteln und zum Handeln bewegen, wirkt ausgesprochen modern in seinem Engagement für Jugendschutz und immer noch bewegend in der Schilderung sozialer Verhältnisse’[13].

In seinen „Milljöh“-Filmen „Die Verrufenen“, „Die Unehelichen“ und „Menschen untereinander“ beschäftigt er sich gesellschaftskritisch mit den ärmlichen Lebensbedingungen der proletarischen Welt und setzt dafür z. T. normale Leute[14] und Kinder als Schauspieler ein. 1925 gründet er die Gerhard Lamprecht-Filmproduktion[15].

‘"Die Verrufenen" (1925) nach Heinrich Zille […] oder „Die Unehelichen“ (1926) waren solide Milieubeschreibungen, waren auch erfolgreiche Kinounterhaltung im positiven Sinn des Wortes. Nahezu zwangsläufig stieß er [ Lamprecht ] auf teilweise vehemente Ablehnung einer ideologisch gebundenen[16] Kritik. Die linke Filmkritik sollte später – 1929 bei der Aufführung von Jutzis „Mutter Krausens Fahrt ins Glück“ – mehrfach auf Lamprechts Arbeiten kritisch Bezug nehmen und sie als Beiträge einer bürgerlichen Verkitschung des Elends von Millionen denunzieren.’[17]

Paul Gerhard Zeidler brachte noch im gleichen Jahr das „Buch zum Film“, einen “packenden Roman nach dem gleichnamigen Gerhard Lamprecht-Film” im Orania-Verlag Berlin-Oranienburg auf den Markt.

Der Sozialpsychologe Siegfried Bernfeld widmet den „Unehelichen“ 2012 ein Kapitel im vierten Band seiner Werke, der Arbeiten Bernfelds zur Heim- und Fürsorgeerziehung enthält.[18]

Wiederveröffentlichung

Der Film wurde im November 2012 in der Edition Filmmuseum mit einer Musikbegleitung von Donald Sosin und einem 16seitigen booklet mit Texten von Rolf Aurich und Wolfgang Jacobsen auf DVD veröffentlicht[19], die Ausgabe am 28. Januar 2013 von Hans Helmut Prinzler rezensiert.

Literatur

  • Walter Gasper: „Berliner Milieufilme“ von Gerhard Lamprecht, bei artCore 28. Februar 2013[25]
  • Paul Gerhard Zeidler: Die Unehelichen. Erstausgabe; packender Roman nach dem gleichnamigen Gerhard Lamprecht-Film; Ausgabe 1. bis 5. Tausend; 173 Seiten, ca. 20 × 13 cm; Taschenbuch. Oranienburg, Orania-Verlag, 1926.
  • Antti Alanen: filmdiary 7. Okt. 2013: DIE UNEHELICHEN Eine Kindertragödie[20]
  • Herbert Birett: Stummfilmmusik. Eine Materialsammlung. Deutsche Kinemathek Berlin, Berlin 1970.
  • Ioana Craciun-Fischer, Universität Bukarest: »Die Dekonstruktion des Bürgerlichen in den Stummfilmen der Weimarer Republik am Beispiel des Films „Asphalt“ (1929) von Joe May«. Vortrag vor der Konrad-Adenauer-Stiftung e.V. am 12. September 2013[23]
  • Hans-Helmut Prinzler: Der ‘Zillefilm’ von Gerhard Lamprecht. Filmeinführung in der Akademie der Künste 13. März 2008[27]
  • Rolf Aurich: Mosaikarbeit. Gerhard Lamprecht und die Welt der Filmarchive. Herausgegeben in Zusammenarbeit mit der Deutschen Kinemathek – Museum für Film und Fernsehen, Edition Text + Kritik, München 2013, 212 Seiten, ISBN 978-3-86916-226-3
  • Rolf Aurich und Wolfgang Jacobsen: 16-seitiges dreisprachiges booklet zur DVD in der Edition Filmmuseum Nr. 77 von 2012.
  • Nadine Bender: Das proletarische Berlin im Film der Weimarer Republik. Magister-Hausarbeit im Fach „Neuere deutsche Literatur und Medienwissenschaft“ beim Fachbereich Germanistik und Kunstwissenschaften der Philipps-Universität Marburg, Marburg 2003
  • Hans Helmut Prinzler: Zwei Filme von Gerhard Lamprecht, Rezension vom 28. Januar 2013[28]
  • Jochen Hardt und Sven Olaf Hoffmann: Kindheit im Wandel – Teil II: Moderne bis heute. Göttingen, Vandenhoeck & Ruprecht, 2006 (= Praxis der Kinderpsychologie und Kinderpsychiatrie. Ergebnisse aus Psychoanalyse, Psychologie und Familientherapie 55. Jahrgang. Herausgegeben von Ulrike Lehmkuhl, Berlin, und Annette Streeck-Fischer, Göttingen)
  • Sybille Buske: Fräulein Mutter und ihr Bastard: eine Geschichte der Unehelichkeit in Deutschland, 1900–1970 (= Band 5 von Moderne Zeit). Göttingen: Wallstein Verlag, 2004. ISBN 3-89244-750-0. Länge 400 Seiten. Hier: S. 92 u. 384
  • Jörg Becker: Die besseren Darsteller (Kinder im Film), in: ray magazin 9/10[21]
  • Siegfried Bernfeld: Sozialpädagogik. Werke, Band 4. Buchreihe: Bibliothek der Psychoanalyse. Herausgegeben von Daniel Barth und Ulrich Herrmann. Verlag: Psychosozial-Verlag. 541 Seiten, Broschur, 148 × 210 mm. Erschienen im Juni 2012. ISBN 978-3-8379-2075-8, Bestell-Nr.: 2075[22]
  • Günther Dahlke und Günter Karl (Hrsg.): Deutsche Spielfilme von den Anfängen bis 1933. Henschel Verlag Berlin 1993.
  • DW.DE (Deutsche Welle): Wiederentdeckt: Regisseur Gerhard Lamprecht[24]
  • Michael Hanisch: Der Kalligraph. Der Regisseur und Filmhistoriker Gerhard Lamprecht, in: film-dienst 20/1997[26]

Weblinks

Einzelnachweise

  1. 1875 in Deutschland gegründet. Ende des 19. Jahrhunderts wurde in New York nach dem Bekanntwerden eines grausamen Falls von Vernachlässigung und Misshandlung eines Mädchens die „Society for the Prevention of Cruelty to Children“ gegründet, vgl. J. Hardt; S. O. Hoffmann: Kindheit im Wandel – Teil II: Moderne bis heute, S. 281, und Becker in ray 9/10 : ‘In »Die Unehelichen« (1926) ließ Lamprecht alle vier Hauptrollen von Kindern spielen. Dem Drehbuch lag amtliches Material des „Vereins zum Schutz der Kinder vor Ausnutzung und Misshandlung“ zugrunde’.
  2. vgl. Bender S. 90, Dahlke-Karl S. 131 : ‘»Die Unehelichen« bildet mit »Die Verrufenen« und »Menschen untereinander« eine Trilogie, die Lamprechts Hinwendung zu sozialen Fragen bekundet und sein Herz für Kinder erweist
  3. vgl. dazu die Arbeit von Bender 2003, bes. auf den S. 79–83, 88, 90
  4. „Spannend sind die Milieubeobachtungen, die Aufnahmen in den Hinterhöfen und Eckkneipen, im Obdachlosenasyl und beim Lumpensammler, in den Wohnungen und Treppenhäusern, die Blicke der Kinder, der Arbeitslosen, der Kleinkriminellen.“ schreibt H.H.Prinzler in seiner Einführung zu »Die Verrufenen« am 13. März 2008
  5. so Dahlke-Karl S. 130
  6. Vortrag Ioana Craciun-Fischer bei der Konrad-Adenauer-Stiftung e.V. am 12. September 2013[1]
  7. Menschen untereinander. In: prisma. Abgerufen am 4. Juli 2021.
  8. a b Die Unehelichen. In: filmportal.de. Deutsches Filminstitut, abgerufen am 4. Juli 2021.
  9. vgl. hierzu Becker in ray 9/10: „In einem Presseartikel von 1926 – Titel: ‚Das Kind im Film‘ – erinnert der Regisseur daran, ‚dass es gerade französische Filme waren, in denen man zuerst Kinder in entscheidenden Rollen auftreten sah [ … ] Wenn man im Kinotheater mehr als eine bloße Unterhaltungsstätte sieht, so muss man anerkennen, dass diese französischen Filme einen großen Vorzug vor den amerikanischen haben, weil in ihnen die Kinder keine Kinohelden sind, sondern kleine Menschen, mit deren Schicksal man mitfühlt und mitleidet‘.“"
  10. vgl. Becker in ray 9/10 und stummfilm.at[2]@1@2Vorlage:Toter Link/www.stummfilm.at (Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
  11. „Der Kameramann Karl Hasselmann gehörte zum großen Kreis profilierter Bildgestalter im deutschen Film der zwanziger Jahre.“ (H.H.Prinzler, am 13. März 2008), s. a. Dahlke-Karl S. 342
  12. vgl. Birett S. 145 zu B 13 491, VIII 697
  13. so Walter Gasper 28. Februar 2013
  14. gemeint sind wohl Laiendarsteller
  15. vgl. defa.de[3]
  16. "Vorbehalte hatte nur der Kritiker der „Roten Fahne“, Otto Steinicke, der »Die Verrufenen« als bürgerlichen Kitsch bezeichnet, weil sich der Film nicht mit der Klassenfrage beschäftige." berichtet H.H.Prinzler in seiner Einführung am 13. März 2008; vgl. dazu Bender S. 88 ff.
  17. so Michael Hanisch im film-dienst 20/1997
  18. vgl. psychosozial-verlag[4]
  19. zusammen mit Lamprechts »Die Verrufenen (Der fünfte Stand)« als Doppel-DVD (Nr. 77), vgl. Edition Filmmuseum[5]
  20. [6]
  21. [7]
  22. [8]
  23. [9]
  24. [10]
  25. [11]
  26. [12]
  27. [13]
  28. [14]