Die Eingeschlossenen

Film
TitelDie Eingeschlossenen
OriginaltitelI sequestrati
ProduktionslandItalien, Frankreich
OriginalspracheEnglisch
Erscheinungsjahre1962
Länge114 Minuten
Altersfreigabe
Stab
RegieVittorio De Sica
Drehbuch
ProduktionCarlo Ponti
MusikDmitri Shostakowich
KameraRoberto Gerardi
Schnitt
Besetzung

Die Eingeschlossenen (Originaltitel: I sequestrati) ist die von Carlo Ponti produzierte und 1962 herausgebrachte Verfilmung des gleichnamigen Theaterstücks von Jean-Paul Sartre. Unter der Regie von Vittorio De Sica spielen Pontis Ehefrau Sophia Loren, Maximilian Schell, Fredric March und Robert Wagner die Hauptrollen.

Handlung

Hamburg-Altona um 1959. In einer hochherrschaftlichen Villa an der Elbchaussee residiert die Industriellen-Familie von Gerlach[1]. Patriarch ist der Werftbesitzer Albrecht von Gerlach, seine beiden Kinder sind der Sohn Werner und die Tochter Leni. Es gibt noch einen zweiten Sohn namens Franz von Gerlach, doch der gilt seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs als tot. Was niemand außerhalb der vier Wände weiß: Franz, der schon sehr wirr im Kopf sein soll und sich auf einen imaginären Prozess im 30. Jahrhundert vorbereitet, wird seit 13 Jahren von der Familie im Dachgeschoss des Hauses versteckt gehalten. Er trägt noch immer seine Offiziersuniform der Wehrmacht und gilt wegen begangener Erschießungen und Folterungen in der Sowjetunion als Kriegsverbrecher. Albrecht und Leni von Gerlach wollen ihn vor dem Zugriff der Justiz schützen und suggerierten ihm, dass Deutschland noch immer in Schutt und Asche liege. Inzwischen hat Franz Johanna kennengelernt, die Ehefrau seines jüngeren Bruders Werner, der auf Wunsch des kranken Vaters die Leitung der Firma übernehmen soll, wegen deren engen Verbindungen zum untergegangenen NS-Regime aber zögert.

Johanna ist eine ebenso attraktive wie engagierte Theaterschauspielerin, die bevorzugt in Brecht-Stücken auftritt und bislang nichts von dem „verschollenen“ Bruder Werners wusste. Die beiden befreunden sich nach und nach miteinander. Johanna öffnet Franz die Augen und erzählt ihm, dass Nachkriegsdeutschland geteilt und die westliche Hälfte ein prosperierendes Land geworden ist. Sie ist erschüttert darüber, dass ihr Schwiegervater und auch ihre Schwägerin Leni sie und auch Franz stetig belogen haben, und in Franz brennt der Wunsch, aus seinem Eingeschlossenen-Dasein auszubrechen und die ihm verheimlichte Außenwelt endlich kennenzulernen. Eines Abends wagt Franz den Ausbruch und geht durch die Stadt. Hamburg glitzert und glänzt, und Franz kommt aus dem Staunen nicht mehr heraus, ist aber auch zutiefst verbittert über die jahrelangen Lügen, denen man ihn ausgesetzt hat. Prompt gerät er in die Hände der Polizei und wird verhaftet. Johanna kann ihn aufspüren und seine Entlassung aus dem Polizeigewahrsam erreichen. Auf der familieneigenen Werft kommt es zu einer finalen Auseinandersetzung zwischen Vater und Sohn, bei der beide von einem Gerüst in die Tiefe stürzen.

Produktionsnotizen

Mit den Dreharbeiten zu Die Eingeschlossenen sollte ursprünglich im Januar 1962 begonnen werden. Zu diesem Zeitpunkt standen neben Sophia Loren noch Alec Guinness und Kirk Douglas auf der Besetzungsliste.[2] Die Dreharbeiten (Außenaufnahmen) fanden im Frühling 1962 in Hamburg (u. a. in der Mönckebergstraße sowie vor dem Springer-Hochhaus) wie auch im Schulauer Fährhaus zu Wedel und in Schloss Tremsbüttel (beides in Schleswig-Holstein) statt. Die Werftszenen sollten ursprünglich auf der Hamburger Werft Blohm + Voss entstehen, doch erhielt man dafür keine Genehmigung. „Herrn Georg Blohm gefiel die Ideologie des Sartre-Stückes nicht“, wusste Produktionsassistent Jerzy Macc zu berichten. Stattdessen wurde auf der Howaldt-Werft gedreht. Die Herstellungskosten sollen sich auf etwa 6,4 Millionen DM belaufen haben.[3] Ezio Frigerio entwarf die Bauten, Pier Luigi Pizzi die Kostüme. Die Uraufführung fand am 30. Oktober 1962 in Mailand statt.

Die Prüfer der FSK standen gerade unter dem Eindruck der Medienproteste gegen den fast gleichzeitig erschienenen italienischen Film Die vier Tage von Neapel. Der Vertreter der Verleihfirma bat von sich aus den Ausschuss, einige Textschnitte vorzunehmen und eine Szene mit Franz Josef Strauß zu entfernen, damit er als Verleiher der Produktionsfirma gegenüber „einen festeren Stand“ habe. Die FSK-Prüfer beanstandeten nach der Vorführung mehrere Szenen, insbesondere die Kritik des Sohnes des Großindustriellen an Flick und Krupp und seine Aussage: „Jedesmal wenn ich einen Mercedes-Benz sehe, rieche ich den Gestank des Gasofens.“ Die Mehrheit des Arbeitsausschusses befand, dies sei „nichts anderes als Hetzpropaganda in ostzonalem Jargon“, und setzte sich damit über den Einwand eines Prüfers hinweg, durch eine solche Auflage könne man in den Ruf geraten, „daß die FSK nazistisch anfällig sei.“

Die deutsche Erstaufführung war am 6. September 1963 in Mannheim. Kurz danach wurden die Auflagen der Selbstkontrolle für die Freigabe durch eine gezielte Indiskretion öffentlich. Dies löste in zahlreichen Presseartikeln heftige Proteste gegen die „Zensur“ der FSK aus. Eine indirekte Folge dieser Proteste war, dass die verunsicherten Prüfer der FSK den zuvor völlig verbotenen Film Die vier Tage von Neapel nun doch freigaben.[4] In Österreich lief Die Eingeschlossenen am 8. November 1963 an.

Sophia Loren erhielt für ihre Leistung 1963 den gerade erst auf den Burda Verlag übergegangenen Bambi-Preis. Im selben Jahr wurde Vittorio De Sica mit dem David-di-Donatello-Preis als bester Regisseur ausgezeichnet.

Kritik

„‚Der Schmutz der Vergangenheit‘ – so sagt De Sica – ‚existiert noch immer. Westdeutschland ist noch immer vom Nationalsozialismus durchsetzt‘. In einem glänzenden Plädoyer, das um das Drama von Sartre herumgebaut wurde, wirft De Sica einen zutiefst gnadenlosen aber verzweifelt lebendigen und strengen Blick (...). Andere Male gefällt sich der Film im theatralischen Handlungsablauf, aber die Worte wirken wie fremd und stehen nicht im Fokus wie im Drama.“

Edoardo Brunno in Filmcritica, Nr. 129 vom Januar 1963

Paimann’s Filmlisten resümierte: „Die Atmosphäre ist von seltener Dichte.“[5]

„Unglücklicherweise hat [der Drehbuchautor] Mr. Mann es verabsäumt, einen Zusammenhang zu diesem melodramatischen Bogen zu schaffen oder das Ganze mit irgendeinem Gefühl scharfsinniger oder sympathischer Art anzureichern. So ist das Einzige, was wir in diesem grimmigen Film bekommen, die große Schauspielkunst von Herrn Schell vis-à-vis einer merkwürdig abstrakten Miss Loren und dem Industriellenmagnaten von Vater, eindringlich gespielt von Fredric March. Ich fürchte, Die Eingeschlossenen müssen dazu verdammt werden, ein enttäuschender Film zu sein und das bei all dem fröstelnd machenden Gefühl für das industrielle Deutschland, das Herr De Sica in diesen Film miteinfließen ließ.“

Bosley Crowther in The New York Times vom 31. Oktober 1963[6]

„Verfilmung eines Bühnenstücks von Sartre: Der innere Verfall einer Großindustriellenfamilie vor dem Hintergrund der unbewältigten deutschen Vergangenheit. Trotz mancher unmöglichen Konstruktion (und von der FSK wie vom Verleih vorgenommener Veränderungen) kann das dialektisch tiefgründige, aber menschlich kalte Drama zumindest nachdenklich machen.“

Einzelnachweise

  1. "Ich glaubte, ich hätte mir den Namen Gerlach ausgedacht. Ich habe mich getäuscht: er war eine Reminiszenz. Ich bedaure meinen Irrtum umso mehr, als es sich um den Namen eines der mutigsten und bekanntesten Gegner des Nationalsozialismus handelt. Hellmuth von Gerlach weihte sein Leben dem Kampf für den Frieden und für eine Versöhnung zwischen Frankreich und Deutschland. 1933 stand er unter den ersten Namen der von den Nazis Geächteten; man beschlagnahmte sein persönliches Vermögen und das seiner Familie. Zwei Jahre später starb er im Exil, nachdem er seine letzten Kräfte eingesetzt hatte, um seinen geflüchteten Landsleuten beizustehen. Es ist zu spät, die Namen der Personen dieses Stückes zu ändern, aber ich bitte seine Freunde und alle, die ihm nahestanden, meinen Ausdruck tiefsten Bedauerns entgegenzunehmen." Jean-Paul Sartre, 'Die Eingeschlossenen', übersetzt von Herbert Liebmann und Renate Gerhardt. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt 1960.
  2. Meldung in DER SPIEGEL vom 17. Januar 1962
  3. SPIEGEL-Reportage vom 23. Mai 1962
  4. Jürgen Kniep: „Keine Jugendfreigabe!“ Filmzensur in Westdeutschland 1949–1990, Wallstein Verlag, Göttingen 2010, S. 166–168
  5. Die Eingeschlossenen in Paimann’s Filmlisten (Memento desOriginals vom 29. Juni 2016 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/old.filmarchiv.at
  6. „unfortunately, Mr. Mann has neglected to give coherence to this melodramatic sweep or endow it with any emotion of a subtle and sympathetic sort. So all we get in this grim picture are the huge histrionics of Mr. Schell vis-à-vis a strangely abstract Miss Loren and the industrial-magnate father, played sternly by Fredric March. I am afraid "The Condemned of Altona" must be condemned to the fate of a disappointing film, for all the chill feeling of industrial Germany that Mr. De Sica has worked into it.“ - nytimes.com/1963/10/31/archives condemned-of-altona
  7. Die Eingeschlossenen im Lexikon des internationalen Films

Weblinks