Deutscher und Österreichischer Alpenverein

Der Deutsche und Österreichische Alpenverein (DuÖAV, auch DÖAV bzw. DuOeAV) bestand von 1873 bis 1938 aus dem reichsdeutschen, dem deutsch-österreichischen und dem deutsch-böhmischen Zweig des Alpenvereins.

Entstehung und Aufbau

Der Österreichische Alpenverein (OeAV) wurde 1862 um die Sektion Austria aus Wien als erster Bergsteigerverband des europäischen Festlands und damit als zweitältester der Welt nach dem britischen Alpine Club gegründet. Der Deutsche Alpenverein (DAV) ging aus dem am 9. Mai 1869 in München gegründeten Bildungsbürgerlichen Bergsteigerverein hervor. Die Gründer waren überwiegend unzufriedene Mitglieder des sieben Jahre zuvor gegründeten Österreichischen Alpenvereins, welche die touristische Erschließung der Alpen nicht nur moralisch und akademisch, sondern aktiv, etwa durch den Bau von Hütten und Wegen, unterstützen wollten.

Schuldverschreibung über 50 Kronen der Sektion Austria des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins vom 1. Januar 1907

Auf Anregung des Ötztaler Pfarrkuraten Franz Senn kam es 1873 zur Fusion des DAV mit dem OeAV zum DuOeAV bzw. D.-Ö. A.-V. („Deutsch-Österreichischer Alpenverein“).[1] Bei der Generalversammlung am 9. September 1876 in Bozen wurden die gemeinsamen Statuten des Deutschen und Oesterreichischen Alpenvereins verabschiedet.[2] Der Verein war föderalistisch ausgerichtet und in selbstständige Sektionen gegliedert. Ab 1891 entstand der Gletschermessdienst.[3] 1918 erhielt der Alpenverein 40 km² Grund im Gebiet des Großglockners-Pasterze vom Villacher Holzindustriellen Albert Wirth geschenkt, die später den Grundstock für den Nationalpark Hohe Tauern bildeten. 1927 kam es zu einer Erweiterung der Satzung um den Arbeitsschwerpunkt Erhaltung der Ursprünglichkeit und Schönheit des Hochgebirges.

Antisemitismus

Eine wesentliche Sektion war die Sektion Austria, diese war nicht nur groß, sondern auch liberal und kosmopolitisch eingestellt. Die Sektion Austria hatte einen vergleichsweise hohen Anteil jüdischer Mitglieder und eine sehr gute Ausstattung, da das Austria-Mitglied Mizzi Langer, verheiratete Kauber, in Wien ihr „Touristen-Ausrüstungsgeschäft“ betrieb. Im Jahr 1905 wurde die Sektion Wien des DuOeAV gegründet, es war eine explizit gegen die Sektion Austria gerichtete Gründung, die antisemitisch ausgerichtet, in einem Statut festhielt, dass „nur ausübende Bergsteiger arischer, germanischer Abstammung“ Mitglieder werden können.[4] Die Austria protestierte, aber der Dachverband mit Sitz in Innsbruck nahm die offen judenfeindliche Sektion Wien auf.

In München gründete sich 1899 die Sektion D'Reichensteiner mit einem sogenannten „Arierpunkt“ in der Satzung. Im gleichen Jahr schrieb sich die Berliner Sektion Mark Brandenburg eine Satzung, in der stand, dass nur „christlich getaufte deutsche Staatsbürger“ beitreten dürfen. Immer mehr Sektionen folgten. Die Judenfeindlichkeit in den Satzungen von immer mehr Sektionen ging nicht ohne Widerspruch ab, allerdings nahm der Widerstand kontinuierlich ab. Die Ideologisierung ließ auch die vormals guten Kontakte zu ausländischen Bergsteigervereinen abbrechen, wie etwa zum Himalaya Club of India oder zum Club Alpine Belgie.[4]

Trotz des grassierenden Antisemitismus waren jüdische Bergsteiger und Kletterer sehr aktiv, und oft auch auf einem sehr hohen Niveau. Zu nennen sind vor allem: die Gebrüder Mayer, der Münchner Kaufmann Gottfried Merzbacher (1891/92 Kaukasus-Expedition), Alfred Dessauer, Fritz Pflaum und vor allem Paul Preuß, einer der besten Kletterer seiner Zeit.[4] Rudolf Reiff und Viktor Frankl aus Wien gehörten auch zur aktiven Spitzengruppe.[5]

1921 wurde der Nationalsozialist Eduard Pichl Vorsitzender der Sektion Austria des DuÖAV und begann, den Antisemitismus durchzusetzen. Sein erklärtes Ziel war die Vertreibung der Juden aus der Sektion und den Alpen, dabei scheute er kein Klischee, bediente sich aber auch geschickt der Kritik am Massentourismus. Pichl warnte etwa „die Berge sind bald von Schwärmen volksfremder Männer und Weibern bevölkert“, sein Kumpan, der NSDAP-Führer Walter Riehl warnte vor „Kaftanträgern am Glocknergipfel“ und legte nach: „es ist empörend, wenn man auf der Rax blonde Mädel sieht, die von einem Schieberjuden geführt werden“.[6]

Bei soviel unverhülltem Antisemitismus war der Zusammenschluss von Juden in eigenen Verbänden und Sektionen nur mehr eine Frage der Zeit: Im gleichen Jahr wurde die Sektion Donauland gegründet, in der sich viele ausgeschlossene jüdische Bergsteiger sammelten, u. a. Viktor Frankl, Fred Zinnemann, Joseph Braunstein. Sie galt als jüdische Alpenvereinssektion, auch wenn sie sich überkonfessionell verstand und etwa 20 % nichtjüdische Mitglieder hatte. Diese waren entweder mit Juden verheiratet (wie etwa der erste Vorsitzende Karl Hanns Richter) oder waren mit der strikt völkischen Ausrichtung der anderen Sektionen nicht einverstanden. Die Sektion Donauland wurde – trotz antisemitischer Widerstände – 1921 Mitglied des DuOeAV. Sie wuchs sehr rasch und hatte 1923 bereits 3359 Mitglieder, ein Jahr später wurde sie als achtgrößte Sektion im DuOeAV geführt.[7]

1924 wurde diese Sektion aus dem Gesamtverein ausgeschlossen, und 98 der 110 österreichischen Sektionen führten nun auch formell den Arierparagraphen ein. Juden durften weder Mitglied noch auf den Vereinshütten bewirtet werden.[8]

Frauenfeindlichkeit

Frauen wurden wie selbstverständlich in den meisten Sektionen nicht aufgenommen. Dabei gab es schon vor der Jahrhundertwende einen hohen weiblichen Anteil unter den Bergsteigern, insbesondere in Wien. Hermine Kauer etwa war 1880 die erste Frau auf dem Ankogel (3252 m) in den Hohen Tauern, ein Jahr später bestieg sie das Säuleck (3086 m) in der Ankogelgruppe. Darauf wurde dieser abwertend der „Damendreitausender“ benannt. Rose Friedmann gelang 1881 als erster Frau die Durchsteigung der Watzmannostwand, Hermine Tauscher-Geduly bestieg unter anderem das Matterhorn und den Mont Blanc. Andere große Alpinistinnen waren Emilie Meurer, sie kletterte unter anderem im Schmittkamin auf die Fünffingerspitze (2996 m), oder die Schwestern Rolanda und Ilona Eötvös. Zu nennen ist auch Anna Voigt, ihr gelang 1886 die Erstbesteigung der Verpeilspitze (3425 m) in den Ötztaler Alpen.[9] Alpinistinnen der Extraklasse waren Jeanne Immink, Lucy Walker oder Eleonore Noll-Hasenclever.

Der Widerstand gegen Frauen am Fels wurde manchmal auch rabiat ausgetragen, wie ein Gästebucheintrag aus dem Kärntner Dorf Mallnitz beweist: „Am 31. August 1889 bestieg Fräulein Sylva aus Mallnitz mit dem Hannoveranischen Herrn den kleinen Ankogel und musste daselbst gefesselt zurückgelassen werden, da sie sonst bei ihrer Leidenschaft fürs Bergsteigen .... auf den großen Ankogel gestiegen wäre.“[9] Eleonore Noll-Hasenclever war oft führerlos unterwegs, in gemischten Seilschaften übernahm sie meist die Führung. 1913 verlangte ein Bergführer in einer Berghütte, sie solle zurücktreten; Noll-Hasenclever widersprach energisch, fand aber am nächsten Morgen ihre Seile zerschnitten vor.[10]

Bereits 5 Jahre nach der Gründung waren 2 % der Mitglieder weiblich, allerdings haben die meisten Sektionen Frauen ausgeschlossen. Rühmliche Ausnahme ist etwa die Sektion Garmisch-Partenkirchen.[11] Besonders die Sektion Donauland war auch offen für Frauen, da sie sich als liberal verstand. Nichtsdestotrotz waren Frauen nicht gut angesehen und erst nach dem Zweiten Weltkrieg in den meisten Sektionen zugelassen, wobei auch das dauern kann: die Sektion Bayerland nimmt erst seit 1990 Frauen auf, die Sektion Berggeist war nochmals sieben Jahre später dran.[11]

Auflösung und Entwicklung nach dem Zweiten Weltkrieg

Der DuÖAV, der von 1933 bis 1937 seinen Sitz in Stuttgart hatte, konnte sich durch seine zwischenstaatliche Stellung dem direkten Zugriff des Nationalsozialistischen Reichsbundes für Leibesübungen (NSRL) vorerst entziehen. 1938 nach dem Anschluss Österreichs und des Sudetenlandes wurde der DuÖAV, jetzt nur noch Deutscher Alpen Verein (DAV) als Fachverband Bergsteigen in den NSRL eingegliedert. Arthur Seyß-Inquart wurde Vereinsführer. Nach Kriegsende wurde der Verein aufgelöst.

1945 wurde der Österreichische Alpenverein (OeAV) neu gegründet, die Wiedergründung des Deutschen Alpenvereins (DAV) erfolgte 1950 durch die „Zwölf Apostel“ in Würzburg. Der OeAV verwaltete noch bis 1956 das Vermögen und den Grundbesitz (Hütten) der reichs- bzw. bundesdeutschen Sektionen des DAV treuhänderisch, die Rückgabe erfolgte ab 1952 und fand 1956 den Abschluss.[12]

Die Vereine ÖAV und DAV sowie der AVS (Alpenverein Südtirol) bezeichnen sich heute als befreundet und arbeiten eng zusammen. Sie und der Liechtensteiner Alpenverein, der 1909 als Sektion Liechtenstein des DuOeAV gegründet wurde,[13] sind Mitglieder des multilateralen Abkommens Gegenrecht auf Hütten.

Siehe auch

Literatur

  • Rudolph Stratz: Der deutsch-österreichische Alpen-Verein. In: Velhagen und Klasings Monatshefte. Jg. 11 (1896/97), Bd. 2, Heft 12, August 1897, S. 692–703.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Jubiläums- und Jahresbericht der Sektion Landshut des Deutsch-Österreichischen Alpenvereins 1875–1899, 1900
  2. Bericht der Bozner Zeitung vom 11. September 1876, S. 2–3 (Digitalisat).
  3. Bergauf 2/2016. In: alpenverein.at. S. 6–7, abgerufen am 13. Dezember 2016.
  4. a b c Martin Krauß: Der Träger war immer schon vorher da: die Geschichte des Wanderns und Bergsteigens in den Alpen. Nagel & Kimche, München 2013, ISBN 978-3-312-00558-1, S. 60 ff.
  5. Karl Lukan: Ein Stück vom Himmel: als das Bergsteigen noch wild und gefährlich war; Klettergeschichten. Tyrolia-Verl, Innsbruck Wien 2013, ISBN 978-3-7022-3304-4, S. 145.
  6. Martin Krauß: Der Träger war immer schon vorher da: die Geschichte des Wanderns und Bergsteigens in den Alpen. Nagel & Kimche, München 2013, ISBN 978-3-312-00558-1, S. 96 ff.
  7. Martin Krauß: Der Träger war immer schon vorher da: die Geschichte des Wanderns und Bergsteigens in den Alpen. Nagel & Kimche, München 2013, ISBN 978-3-312-00558-1, S. 99.
  8. siehe Weblink Sonderausstellung des Deutschen Alpenvereins
  9. a b Martin Krauß: Der Träger war immer schon vorher da: die Geschichte des Wanderns und Bergsteigens in den Alpen. Nagel & Kimche, München 2013, ISBN 978-3-312-00558-1, S. 55 ff.
  10. Martin Krauß: Der Träger war immer schon vorher da: die Geschichte des Wanderns und Bergsteigens in den Alpen. Nagel & Kimche, München 2013, ISBN 978-3-312-00558-1, S. 69.
  11. a b Frauen in den Bergen - sie waren immer da, aber unsichtbar. In: 150 Jahre Deutscher Alpenverein. 5. Mai 2019, abgerufen am 28. Juni 2023 (deutsch).
  12. Chronik des Alpenvereins 1869-1977, Seite 4. (PDF) In: bibliothek.alpenverein.de. Deutscher Alpenverein, abgerufen am 7. April 2023 (eingescannte Chronik).
  13. Der Alpenverein. Liechtensteiner Alpenverein, abgerufen am 23. Juli 2020.

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