Der Stumme

Film
OriginaltitelDer Stumme
ProduktionslandSchweiz, Deutschland
OriginalspracheDeutsch
Erscheinungsjahr1976
Länge110 Minuten
Stab
RegieGaudenz Meili
DrehbuchGaudenz Meili
ProduktionCiné-Group, Bernhard Lang
MusikJonas C. Haefeli
KameraPio Corradi
SchnittEveline Brombacher
Besetzung

Der Stumme ist der Titel eines Spielfilmes nach dem Roman von Otto F. Walter. Bei der deutsch-rätoromanischen Koproduktion des Schweizer Fernsehens DRS aus dem Jahr 1976 führte Gaudenz Meili Regie.

Handlung

Ein stummer Hilfsarbeiter, der in seiner Jugend miterleben musste, wie sein Vater im Affekt die Mutter erschlug, und bei diesem Schock die Sprache verlor, sucht als Erwachsener diesen Vater – und findet ihn bei einem Bautrupp auf einer einsamen Strassenbaustelle im Jura.

„Im tobenden Sturm, tausend Meter hoch in den Wäldern des Schweizer Jura, begibt sich die Geschichte des stummen Jungen Lothar Ferro, genannt Loth. Er ist als Hilfsarbeiter dorthin gekommen zu einer Straßenbaustelle, an der schon zwölf Männer arbeiten, die zusammen in einer Baracke wohnen. Einer von den zwölf ist Loths Vater; nach vielen Jahren im Gefängnis erkennt er den herangewachsenen Sohn nicht. Dieser Vater ist schuld daran, daß Loths Mutter umkam und der Junge die Sprache verlor. Als er am Ende seine Sprache wiederfindet, ist sein erstes Wort: „Vater“.“

Ruth Herrmann, Die Zeit[1]
Wolf Kaiser als Ferro, der Vater

Rezeption

Gaudenz Meili hat, was vorab nun die Qualität seiner Adaptation ausmacht, den Charakter des „Entwicklungsromans“ beibehalten. Dabei wäre die Versuchung gross gewesen, die Geschichte nun einfach geradlinig als eine Geschichte zu erzählen, die sich auf einem Arbeitsplatz, einer entlegenen Baustelle, zwischen Arbeitern abspielt. Dann allerdings wäre der Film zu einem blossen naturalistischen Porträt menschlicher Schicksale geworden. Seine Qualität indessen besteht gerade darin, dass er das schwierige Gleichgewicht zwischen den psychologischen und den arbeitssoziologischen Aspekten aus der Erzählung von Otto F. Walter innebehält.“

Martin Schlappner, Neue Zürcher Zeitung (1976)[2]

„Einen wichtigen Entschluss hat Meili in bezug auf die Sprache gefasst, die bekannte Krux aller deutschschweizerischen Spielfilme: Er lässt die Schauspieler ein von schweizerischen Dialekten, in einzelnen Fällen auch vom Italienischen oder Französischen gefärbtes Schriftdeutsch sprechen.“

Gerhart Waeger, Zoom Filmberater (1976)[3]

„Die Qualität von Meilis szenischer Umsetzung liegt darin, das Gleichgewicht zwischen den psychologischen Aspekten und den erregend spannenden Handlungsmomenten gewahrt zu haben.“

FF dabei (1977)[4]

„Der Film benutzt die Rückblendetechnik, macht so Motive und Haltungen klar und verändert den Schluss des Romans: Nicht das Endgültige, der Tod, sondern das Suchen nach einem Weg lassen dem Zuschauer die Möglichkeit eigener Gedanken offen. Die Bergwelt der Schweiz wir in der Kamera Pio Corradis zum Handlungselement ebenso wie die Nah- und Grosseinstellungen der Gesichter von Wolf Kaiser, Uli Krohm, Hanna Schygulla und Günther Lamprecht.“

Filmspiegel (1977)[5]

„In der Romanadaption ‚Der Stumme‘ nach Otto F. Walter in der Regie von Gaudenz Meili überzeugt Wolf Kaiser neben Hanna Schygulla in einer Charakterrolle.“

Thomas Beutelschmidt, Franziska Widmer (1992)[6]

„Indem er in der Struktur des Romans die Erzähltechnik der Rückblenden, wie sie längst vom Film auf die Literatur übergegriffen hatte, entdeckte, gewann Meili in diesem seinem ersten Spielfilm ein funktionierendes dramaturgisches Grundmuster eines Erzählens auf zwei Ebenen. Mit ihnen stellte sich, alles in allem, die Balance her zwischen Arbeitsrealität (im Steinbruch) und der Innerlichkeit des Stummen, dessen Erinnerungen so in der Perspektive der subjektiven Kamera dargestellt sind.“

Martin Schlappner, Neue Zürcher Zeitung (1994)[7]

„Wir waren alle fasziniert von der Dichte der Sprache und der tragischen Handlung. Erstaunlich, wie dann im Film wichtige Szenen Wort für Wort, Geste um Geste wiedergegeben wurden. Der Film stellt in eindrücklicher Weise ein Ganzes dar.“

Lesezirkel aus der Pfarrei Männedorf-Uetikon am See (2013)[8]

Hintergrund

1973 lud das Schweizer Fernsehen DRS Schweizer Filmemacher zu einer Ausschreibung ein, Vorschläge für die Verfilmung von epischen Werken der Schweizer Literatur zu unterbreiten. 42 Interessenten reichten 112 Projektskizzen ein. 17 Projekte wurden zur zweiten Runde zugelassen, auf Grund der Treatments schliesslich sieben Drehbuchaufträge erteilt. Eine Lektoratskommission wählte schliesslich drei Drehbücher aus, nach denen dann mit Produktionskosten von insgesamt 2,25 Millionen Franken die Filme hergestellt wurden.[9] Von den drei Filmen ist „Der Stumme“ der erste, der über den Bildschirm zu sehen war. (DRS, 13. Oktober 1976)[10]
Die Uraufführung erfolgte im August 1976 am Filmfestival von Locarno.[11]

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Ruth Herrmann, Otto F. Walter: „Der Stumme“, Zeit Online http://www.zeit.de/1959/41/otto-fwalter-der-stumme
  2. Martin Schlappner, „Der Stumme“ - Arbeitswelt und Innerlichkeit, Neue Zürcher Zeitung, 15. Oktober 1976, S. 47.
  3. Gerhart Waeger, Der Stumme, Zeitschrift Zoom-Filmberater, Band 28, 1976
  4. FF dabei, 15. März 1977, S. 21.
  5. Filmspiegel, April 1977.
  6. Thomas Beutelschmidt, Franziska Widmer: Zwischen den Stühlen, Leipziger Universitätsverlag 2005, S. 92.
  7. Martin Schlappner, Otto F. Walter und der Schweizer Film, Neue Zürcher Zeitung, 28. September 1994, S. 46.
  8. http://www.kath-maennedorf-uetikon.ch/bildung-kultur/publikationen/pdf-ordner/chile-poscht-februar-2013
  9. Medienmitteilung Schweizer Fernsehen DRS, Zum Wettbewerb „Epische Schweizer Literatur“ PDF
  10. Martin Schlappner, „Der Stumme“ - Arbeitswelt und Innerlichkeit, Neue Zürcher Zeitung, 15. Oktober 1976, Seite 47.
  11. Medienmitteilung Schweizer Fernsehen DRS, „Der Stumme“ wird ausgestrahlt, 13. Oktober 1976 PDF

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Wolf Kaiser in Der Stumme.jpg
Autor/Urheber: Gaudenz Meili, Lizenz: CC BY-SA 3.0
Wolf Kaiser in Der Stumme