Der Junge muss an die frische Luft (Film)

Film
OriginaltitelDer Junge muss an die frische Luft
ProduktionslandDeutschland
OriginalspracheDeutsch
Erscheinungsjahr2018
Länge100 Minuten
AltersfreigabeFSK 6[1]
Stab
RegieCaroline Link
DrehbuchRuth Toma
ProduktionHermann Florin,
Nico Hofmann,
Sebastian Werninger
MusikNiki Reiser
KameraJudith Kaufmann
SchnittSimon Gstöttmayr
Besetzung

Der Junge muss an die frische Luft ist ein deutscher Spielfilm von Caroline Link, der am 25. Dezember 2018 in die deutschen Kinos kam. Es handelt sich um eine Verfilmung der Autobiografie Der Junge muss an die frische Luft – Meine Kindheit und ich von Hape Kerkeling. Bei der Verleihung des Deutschen Filmpreises wurde Der Junge muss an die frische Luft mit der Lola in Bronze ausgezeichnet. Zudem war er der besucherstärkste aller 2018 in deutschen Kinos gestarteten deutschen Filme.

Handlung

Der Film zeigt Hape Kerkelings Kindheit und Jugend in der Ruhrgebietsstadt Recklinghausen. Anfang der 1970er Jahre zieht die Familie des achtjährigen Hans-Peter vom ländlichen Teil Recklinghausens, wo sie bei den väterlichen Großeltern gelebt hat, in das Haus der mütterlichen Großeltern im Nordviertel der Stadt. Hier wächst Hans-Peter auf. Seine Oma Änne betreibt einen Tante-Emma-Laden. Dort beobachtet und belauscht er die Klatsch- und Tratschgeschichten der Kunden und spielt sie später seiner Oma komödiantisch parodierend vor. Auch seine Familie bringt er mit seinen Parodien auf Menschen aus dem Umfeld oder Prominenten aus dem Fernsehen zum Lachen. Sein Vater ist Schreiner und häufig länger auf Montage, und dann lasten Hausarbeit und Erziehung von Hans-Peter und seinem großen Bruder Matthes auf seiner Mutter Margret, die sich oft überfordert und einsam fühlt.

Oma Änne kauft ihren Enkelkindern ein Pferd samt Kutsche und Stall. Hans-Peter ist ein unsportliches, moppeliges Kind. Als er es beim ersten Mal Reiten auch mit Hilfestellung nicht richtig herum auf sein Pferd schafft, beschließt er, seine Ungeschicklichkeit komödiantisch einzusetzen. Er reitet einfach ein paar Runden falsch herum sitzend und belustigt so die ganze Familie.

Das Zusammenleben der Großfamilie mit Großeltern, Tanten, Onkeln, Cousins und Cousinen ist nicht reibungslos, aber geprägt durch menschliche Wärme und Zusammenhalt, was bei den ausgelassenen und ausschweifenden Familienfeiern zum Ausdruck kommt. Beide Großeltern und besonders die beiden Großmütter kümmern sich liebevoll um die Erziehung des Jungen. Sie sind Bezugspersonen und emotionale Stütze für Hans-Peter. Als er bei einer Karnevalsfeier als Prinzessin verkleidet erscheint, verdrehen einige amüsiert die Augen, aber Oma Bertha erklärt resolut: „Hans-Peter bleibt eben Junggeselle! Und nun ist Schluss!“ Oma Änne sagt ihm kurz vor ihrem Tod eine große Karriere voraus.

Nach einer unglücklich verlaufenen Kieferhöhlenoperation, durch die sie Geruchs- und Geschmackssinn verliert, verschlechtert sich der Gesundheitszustand der Mutter, ihre psychischen Probleme verstärken sich und sie verfällt immer mehr in Depressionen. Hans-Peter gelingt es deshalb immer seltener, sie mit seinen Späßen aufzuheitern. In dieser bedrückenden Situation äußert sein Opa die Feststellung, die den Filmtitel bildet, und verbringt mit Hans-Peter zwei unbeschwerte Wochen in den Bergen. Der Zustand der Mutter verschlechtert sich währenddessen weiter, einen Klinikaufenthalt lehnt sie jedoch ab.

Eines Abends nimmt sich seine Mutter – gesundheitlich geschwächt und zermürbt von ihren depressiven Zuständen – mit einem Medikamentenmix das Leben. Sie verliert das Bewusstsein, während Hans-Peter – den Ernst der Lage nicht richtig einschätzend – neben ihr im Bett einschläft. Als der Vater am Morgen von der Nachtschicht heimkehrt, ruft er sofort den Rettungsdienst, aber letztendlich kommt jede Hilfe zu spät und sie verstirbt nach einigen Tagen in der Klinik. Für Hans-Peter ist der Suizid der Mutter ein traumatisches Erlebnis. Während der Trauerfeier schleudert er seinen Blumenstrauß plötzlich mit einem Wutschrei vor den Sarg, rennt ins Freie und verkriecht sich dort. Auch in dieser tiefen Krise fängt ihn seine Familie verständnisvoll auf. Er gibt sich eine Mitschuld am Tod der Mutter. Wiederholt ist im Film die Voiceover-Stimme des Jungen zu hören, er hätte sich mehr anstrengen müssen, um seine Mutter zu retten.

Nach dem Tod der Mutter ziehen die Großeltern väterlicherseits ins Haus und übernehmen fürsorglich die weitere Erziehung von Hans-Peter. Bei einem Hausbesuch, auf den Hans-Peter Oma und Opa geschickt vorbereitet hat, stimmt auch Frau Höttermann vom Jugendamt dieser Lösung zu.

Als Hans-Peter in der Schule in einem Theaterstück die Hauptrolle des Hans Dampf übernehmen soll, lehnt er zunächst ab. Als er sich schließlich anders besinnt, ist nur noch eine kleine Nebenrolle als griesgrämiger Nachbar mit einer einzigen Textzeile zu haben. Diesen Auftritt baut er spontan so satirisch aus, dass er den gesamten Saal zum Lachen bringt, wobei seine Verkleidung dem späteren Horst Schlämmer ähnelt.

Am Ende schwenkt die Kamera auf die alte Eckkneipe, die es heute noch gibt. Drinnen läuft auf einem großen Fernseher ein Beitrag von Horst Schlämmer, einer Kunstfigur des heute erfolgreichen Fernsehstars Hape Kerkeling. In der letzten Filmsequenz laufen alle Verwandten und Freunde ausgelassen fröhlich über Wiesen. Der kleine Hans-Peter dreht sich um und erblickt den erwachsenen Hape Kerkeling, der ihm zuwinkt. Im Schlussmonolog aus dem Off wird ihm bewusst, wie sehr ihn all diese Menschen geprägt haben.

Produktion

Regisseurin Caroline Link

Im Jahr 2015 wurde bekannt, dass die Autobiografie Der Junge muss an die frische Luft – Meine Kindheit und ich von Hape Kerkeling aus dem Jahr 2014 von der UFA verfilmt werden wird.[2] Darin erzählt Kerkeling in 19 Kapiteln von seinen ersten Erinnerungen, seinen ersten Kindheitsjahren, dem dramatischen Verlust seiner Mutter sowie von Erlebnissen als Moderator von Unterwegs in der Weltgeschichte und als Horst Schlämmer, der einem schwerkranken Mädchen eine Freude machen soll. Die Oscar-Preisträgerin Caroline Link führte Regie.[3]

Der Film erhielt vom Medienboard Berlin-Brandenburg eine Produktionsförderung in Höhe von 350.000 Euro[4], vom FilmFernsehFonds Bayern von 300.000 Euro, zudem eine Verleihförderung[5], von der Film- und Medienstiftung NRW von 940.400 Euro und von der Filmförderungsanstalt in Höhe von 520.000 Euro. Die Dreharbeiten wurden am 11. Juli 2017 begonnen. Gedreht wurde in Berlin, im Ruhrgebiet und in Bayern. Am 15. September 2017 wurden die Dreharbeiten abgeschlossen. Als Kamerafrau fungierte Judith Kaufmann.

Am 25. Dezember 2018 kam der Film in die deutschen Kinos.[6][7] Die Premiere erfolgte am 18. Dezember 2018 in der Essener Lichtburg.[8]

Rezeption

Altersfreigabe und Kritiken

In Deutschland wurde der Film von der FSK ab 6 Jahren freigegeben. In der Freigabebegründung heißt es: „Kinder ab 6 Jahren können der Geschichte folgen und finden in dem jungen Hape Kerkeling eine positive und starke Identifikationsfigur. Vereinzelt gibt es ernste und traurige Szenen, doch diese werden stets schnell aufgelöst und durch den liebevollen Umgang der Familie ausgeglichen. Die Themen Tod und Depression werden in einer Weise behandelt, die Grundschulkinder nicht überfordert.“[9] Jens Maier von Stern Online bemerkt, dass die Verfilmung so viele Menschen zu Tränen rührt, liege zum einen an der Handlung selbst, während der Hape Kerkelings unter starken Depressionen leidende Mutter Suizid begeht: „Der kleine Hape liegt neben ihr im Bett. Ein traumatisches Erlebnis für den kleinen Jungen – und eine herzzerreißende Szene für die Zuschauer.“ Der Junge muss an die frische Luft sei jedoch kein todtrauriges Drama, das permanent auf die Tränendrüse drücke, sondern ein Film mit vielen heiteren Momenten, so Maier weiter: „Er bringt die Zuschauer zum Lachen und zum Weinen. Ein Wechselbad der Gefühle.“[10]

Katrin Hoffmann von epd Film findet, Caroline Link habe aus Hape Kerkelings Autobiografie einen großherzigen und sehr humorvollen Film gemacht, der nie die Grenze zum Klamauk überschreite: „Sie bleibt insofern bei ihrem ganz eigenen Thema, der Familiensaga. Kaum jemandem gelingt es so gut wie Link, die feinen psychologischen Zwischentöne zu treffen, mit Blicken und kleinen Gesten ganze Geschichten zu erzählen.“ Der Film wäre jedoch nichts ohne seinen großartigen jungen Hauptdarsteller Julius Weckauf, der mühelos zwischen Komik und Trauer agiere, so Hoffmann weiter.[11]

Krischan Koch vom Radiosender NDR Info hält den Kinderdarsteller Julius Weckauf, der den jungen Hape Kerkeling darstellt, für einen „Glücksfall“ und glaubt, dass „Hape Kerkeling als Kind genauso ausgesehen und sich aufgeführt haben“ dürfte. Auch „die Atmosphäre im kleinbürgerlichen Ruhrpott der 70er-Jahre“ würde im Film „gut getroffen“. Für den Rezensenten ist Der Junge muss an die frische Luft ein „wunderschöner Familienfilm“.[12]

Die Deutsche Film- und Medienbewertung versah den Film mit dem Prädikat besonders wertvoll. In der Jury-Begründung heißt es: „Die Fröhlichkeit Kerkelings ist aus tiefem Schmerz geboren, dies bringt der unterhaltende Film dem Zuschauer sehr nah. Link blickt mit großer Liebenswürdigkeit und Ehrlichkeit auf diese kleinbürgerliche Welt, sie hält traumwandlerisch sicher die Balance aus Tragikomik und Ernsthaftigkeit. Sie beweist das richtige Gespür für den Ton in jeder Situation, wobei sie einen im deutschen Kino einmaligen Mut zur Sentimentalität beweist, die sie stets richtig dosiert.“[13]

Einsatz im Schulunterricht

Im Dezember 2018 wurde der Film von kinofenster.de als „Film des Monats“ präsentiert. Zudem bietet das Onlineportal Materialien zum Film für den Unterricht ab der 8. Klasse. Dort schreibt Christian Horn, die Regisseurin wende die erprobten Strategien des konventionellen Erzählkinos an, darunter ein Biopic-typischer Voice-Over-Kommentar, der umfangreich in Hans-Peters Lebensumstände einleitet, und der häufige Einsatz von Niki Reisers Filmmusik potenziere die Wirkung der heiteren und traurigen Momente.[14]

Einspielergebnis

Der Film hatte im Jahr 2018 das beste Startwochenende eines deutschen Films in Deutschland und verzeichnete hier 3,87 Millionen Kinobesucher und Einnahmen von 31,8 Millionen Euro, wodurch er sich auf Platz 3 der Jahres-Charts 2018 befindet.[15]

Auszeichnungen

Julius Weckauf, hier bei der Verleihung des Deutschen Filmpreises 2019, spielt im Film Hape Kerkeling
© Superbass / CC BY-SA 4.0 (via Wikimedia Commons)
Hedi Kriegeskotte spielt Oma Änne

Bambi-Verleihung 2019

Bayerischer Filmpreis 2018

Deutscher Comedypreis 2019

  • Auszeichnung als Erfolgreichste Kinokomödie

Deutscher Filmpreis 2019

  • Auszeichnung als Bester Spielfilm in Bronze
  • Nominierung für die Beste Regie (Caroline Link)
  • Nominierung für das Beste Drehbuch (Ruth Toma)
  • Nominierung für die Beste Kamera / Bildgestaltung (Judith Kaufmann)
  • Auszeichnung für die Beste weibliche Nebenrolle (Luise Heyer)
  • Auszeichnung als Besucherstärkster Film (Caroline Link)

Deutscher Schauspielpreis 2019

  • Auszeichnung in der Kategorie Schauspielerin in einer komödiantischen Rolle (Ursula Werner)[16]
  • Nominierung in der Kategorie Schauspielerin in einer komödiantischen Rolle (Hedi Kriegeskotte)

Jupiter Award 2019

  • Auszeichnung als Bester Film[17]

New Faces Awards 2019

Romyverleihung 2019

  • Auszeichnung für die Beste Regie Kinofilm (Caroline Link)
  • Auszeichnung für die Beste Bildgestaltung Kinofilm (Judith Kaufmann)
  • Auszeichnung als Bester Nachwuchsdarsteller (Julius Weckauf)[19]

Seattle International Film Festival 2019

  • Auszeichnung mit dem Golden Space Needle Award als Bester Darsteller (Julius Weckauf)[20]

Goldene Henne 2019

  • Auszeichnung Aufsteiger des Jahres an Julius Weckauf

Weblinks

Commons: Der Junge muss an die frische Luft – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Freigabebescheinigung für Der Junge muss an die frische Luft. Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (PDF; Prüf­nummer: 184489/K).Vorlage:FSK/Wartung/typ nicht gesetzt und Par. 1 länger als 4 Zeichen
  2. Der Junge muss an die frische Luft: UFA verfilmt Hape Kerkelings Kindheit, ufa-fiction.de, 21. September 2015
  3. http://www.filmbiznews.de/news-medienboard-foerdert-31-neue-projekte-mit-rund-4800000-euro/6177/2017/06/23/
  4. https://www.medienboard.de/fileadmin/user_upload/pdf/Foerderentscheidungen/Foerderzusagen_Film_Juni_2017.pdf
  5. https://www.media020.filmbiznews.de/f/filmfernsehfonds-bayern/foerderungen-2018-07/FilmFernsehFonds-Bayern-Foerderung-Film-Juli-2018-final.pdf
  6. Der Junge muss an die frische Luft (2018) In: kino-zeit.de. Abgerufen am 25. Dezember 2018
  7. Der Junge muss an die frische Luft (2018) In: kino.de. Abgerufen am 25. Dezember 2018
  8. Bernd Peters: Premiere von Kerkeling-Film: Das denkt Hape über sein junges Alter Ego und den Streifen. In: Hamburger Morgenpost, 18. Dezember 2018.
  9. Freigabebegründung für Der Junge muss an die frische Luft In: Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft. Abgerufen am 3. Januar 2019.
  10. Jens Maier: „Der Junge muss an die frische Luft“: Warum uns der Hape-Kerkeling-Film zu Tränen rührt. In: Stern Online, 2. Januar 2019.
  11. Katrin Hoffmann: Kritik zu 'Der Junge muss an die frische Luft '. In: epd Film, 19. Dezember 2018.
  12. Kerkelings Kindheit voller tragischer Momente, ndr.de, 24. Dezember 2018
  13. Der Junge muss an die frische Luft. Jury-Begründung: Prädikat besonders wertvoll. In: Deutsche Film- und Medienbewertung. Abgerufen am 20. Dezember 2018.
  14. Der Junge muss an die frische Luft. In: kinofenster.de.
  15. Top 100 Deutschland 2018. In: insidekino.com. Abgerufen am 5. Dezember 2021.
  16. Schauspielpreis für Valerie Pachner und Rainer Bock. In: Wetterauer Zeitung. 13. September 2019, abgerufen am 13. September 2019.
  17. Jupiter Award 2019: „Der Junge muss an die frische Luft“ ist „Bester Film“. In: UFA. 28. März 2019, abgerufen am 17. Juli 2019.
  18. New Faces Awards verliehen. In: Stern Online. Abgerufen am 4. Mai 2019.
  19. Akademie ROMY: Die Preise für die Stars hinter den Stars. In: kurier.at, 11. April 2019.
  20. Pat Saperstein: 'Tel Aviv on Fire', 'We Are the Radical Monarchs' Win Seattle Film Festival Awards. In: Variety, 9. Juni 2019.

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