Der Heinrich aus der Hölle

Operndaten
Titel:Der Heinrich aus der Hölle
Der Heinrich aus der Hölle. sirene Operntheater 2009.jpg

Szenenbild

Form:Kammeroper
Originalsprache:Deutsch
Musik:Gernot Schedlberger
Libretto:Kristine Tornquist
Literarische Vorlage:Leo Perutz: Nachts unter der steinernen Brücke
Uraufführung:10. Juli 2009
Ort der Uraufführung:Wien, sirene Operntheater in der Ankerbrotfabrik
Spieldauer:ca. 1 Stunde
Ort und Zeit der Handlung:Prag um 1600
Personen
  • Rudolf II. (Bassbariton)
  • Philipp Lang (Tenor)
  • Dolmetscher (Tenor)
  • Hanniwald, Geheimsekretär des Kaisers (Sopran)
  • Sternberg, Oberstallmeister (Mezzosopran)
  • Vojtech Bubna, Mundschenk (Countertenor)
  • Heinrich Twaroch, marokkanischer Gesandter (Countertenor)
  • Kuckuck, Hummel, Krähe (Bass)
  • Mutter Twaroch (Bass)
  • Sklaven, Hofherren (Statisten)

Der Heinrich aus der Hölle[1] ist die vierte Kammeroper des österreichischen Komponisten Gernot Schedlberger aus dem Jahr 2009. Es stellt die erste Zusammenarbeit Schedlbergers mit Kristine Tornquist (Libretto) und dem sirene Operntheater Wien dar. Die Geschichte des Heinrich aus der Hölle ist dem Roman Nachts unter der steinernen Brücke von Leo Perutz entnommen. Es ist darin die fünfte von insgesamt vierzehn Erzählungen und trägt auch im Roman den Titel Der Heinrich aus der Hölle.

Handlung

Kaiser Rudolf II. erwacht aus einem Albtraum. Er lässt die Hofleute Hanniwald, Sternberg und Bubna rufen, hält den jungen Mundschenk Bubna aber beharrlich für einen verstorbenen Feldherrn und fürchtet sich vor ihm. Erst nachdem Bubna auf Befehl des Kaisers das Paternoster betet, beruhigt er sich. Der Kaiser erzählt seinen Traum, in dem er vom Teufel versucht wurde. In Gestalt dreier Tiere prophezeite der Teufel ihm, dass ihm der geheime Schatz entgehen und schreckliche Strafen über das Land kommen würden. Die Vertrauten beraten den Kaiser, wie er dem Abgesandten des Teufels antworten soll. Die Formulierung Hanniwalds gefällt dem Kaiser, er beruhigt sich, erkennt auch Bubna wieder und geht schließlich zu Bett.

Am nächsten Tag trifft der marokkanische Gesandte mit reich ausgestatteter Gefolgschaft in Prag ein und wird am Hof empfangen. Doch der Kaiser reagiert seltsam. Er hält den marokkanischen Gesandten für den Heinrich Twaroch, einen ehemaligen Futterknecht in den kaiserlichen Stallungen, der ihm drei Münzen gestohlen hat und dann verschwunden ist. Rudolf II. beschuldigt den Gesandten, der Heinrich aus der Hölle zu sein. Die Hofleute sind peinlich berührt. Der Kaiser lässt sich aber nicht beirren, er sieht im Gesandten den Boten des Teufels, der nun seine Antwort erwarte. So wiederholt er die Worte des Hanniwald: „Ich weiche keines Fingers breit von dem Herrn Jesu.“ Die Audienz ist beendet.

Abends begibt sich der Gesandte als Handwerker verkleidet zu einer kleinen Hütte am Stadtrand von Prag. Der alten Frau darin, seiner Mutter, erzählt er, dass der Kaiser ihn empfangen habe und ihn als einziger am Hof erkannt habe, – ihn, den einstigen Stallburschen Heinrich Twaroch, den aus Prag geflüchteten, zum Islam übergetretenen und in der Ferne unerkannt zu diplomatischen Ehren gekommenen Sohn eines Prager Gärtners.

Historischer Hintergrund

Als Kind eines areligiösen Vaters und der erzkatholischen spanischen Mutterfamilie verliefen die Fronten der europäischen Glaubensfragen mitten durch Rudolf II. Seine ganze Zeit als Herrscher in einem so vielsprachigen wie bekenntnisreichen Reich war er mit den dogmatische Verkrustungen unter religiösen Fahnen konfrontiert. Die Türkenkriege als angstbesetzte muslimische Fratze begleiteten sein gesamtes Leben. Direkt unter dem Hradschin, unterhalb der steinernen Brücke, lag das jüdische Ghetto.

In Nachfolge seines Vaters Maximilian pflegte er eine Politik der Toleranz und des Kräftegleichgewichts. Seine Taktik gegen die Einflussnahme der Religion auf seine Politik war vor allem die der Verzögerung von Entscheidungen. Doch bestätigte er 1577 die Religionsfreiheit der Juden. Er verweigerte sich der Gegenreformation und unterschrieb 1609 den Majestätsbrief zur Religionsfreiheit (der allerdings nicht konsequent umgesetzt wurde). 1603 empfing er den Gesandten des persischen Schah, der seinerseits Christen duldete, zu Verhandlungen. Ausgleichend ließ er den Nuntius oft monatelang auf eine Audienz warten, weil er das Machtstreben der Kurie bedrohlich empfand, führte einen geradezu widerständigen Privatkrieg gegen den Papst. Denn er empfand es als seine Pflicht, alle Untertanen anzuhören. „Auh die anderen (die Protestanten) sind redliche Leute“. Trotzig hielt er bis zuletzt gegen allen katholischen Widerstand den protestantischen Georg Stefan Sternberg als Minister. Persönlich verweigerte der römische Kaiser zwar (wie sein Vater) die Kommunion und sein Beichtvater meinte mit Bedauern: „Der Kaiser denkt nicht im geringsten an Gott“, doch konnte Rudolf seine tiefkatholische Prägung in Spanien auch nicht verleugnen.

Rudolfs Verhalten legt den Schluss nah, dass er von den Interessenskriegen unter der Fahne der Kirchen genug hatte und sich nicht zuletzt deshalb Kunst und Wissenschaft zuwandte, die sich der Welt unvoreingenommen, ruhig und mit offenem Blick näherten.

Perutz lässt seinen Rudolf nachts von religiösem Spuk verfolgt sein und tagsüber als einziger den klaren Blick durch die Fassaden und Etiketten auf den Menschen dahinter blicken. Ein treffendes Bild für einen Monarchen, der sich bis heute allen Vereinnahmungen entzieht.

Der historische Andreas Hannewaldt war Rechtshofsekretär mit radikalen Ideen. Er riet Rudolf, Bauern, Bürger und Leibeigene zu freien Untertanen zu machen, und mit ihrer Hilfe den Adel zu entmachten und zu enteignen. Denn die Schwächung des Hauses Habsburg durch den Adel nahm zu, doch für die Umsetzung solcher Pläne war es bereits zu spät.

Der historische Georg Stefan Sternberg war ein ewiger Zankapfel zwischen dem päpstlichen Nuntius und Rudolf II: er war der einzige und letzte Protestant unter den Ministern.

Der historische Feldmarschall Hermann Christoph Graf von Rußworm, guter Freund des Kaisers, dem dieser viel zu verdanken hatte, wurde durch eine Intrige am Hof (an der Kammerherr Philipp Lang maßgeblich beteiligt war) zum Tode verurteilt. Der Kaiser unterschrieb das Todesurteil. Knapp darauf wollte es widerrufen, jedoch kam sein Bote um eine Stunde zu spät. Vor seiner Enthauptung verfluchte Rußworm den Kaiser: „… er wird in großes Unglück geraten und um alle seine Königreiche und Länder kommen.“ Das trat schließlich auch ein.

Gestaltung

Szenenfolge

  1. Pantomime: Rudolfs Albtraum
  2. Nacht am Hradschin, der Prager Burg
  3. Orchesterzwischenspiel
  4. Der Morgen im Schlafzimmer des Kaisers
  5. Orchesterzwischenspiel (Einzug des marokkanischen Gesandten und Gefolge)
  6. Die Audienz des marokkanischen Gesandten
  7. Orchesterzwischenspiel
  8. In der Herberge am Stadtrand von Prag

Besetzung

Werkgeschichte

Der Uraufführung[2] fand am 10. Juli 2009 in der Ankerbrotfabrik Wien statt. Es gab eine Folgeaufführung am 11. Juli. Die beiden Aufführungen waren der achte Teil des über neun Wochen angelegten Opernuraufführungsprojektes Nachts[3] des sirene Operntheaters, bei dem neun Erzählungen aus Perutz’ Roman Nachts unter der steinernen Brücke ausgewählt wurden, als Kammeropern ausgearbeitet wurden und wöchentlich eine davon zur Uraufführung (samt einer Folgeaufführung) gebracht wurde.[4]

Die musikalische Leitung übernahm Gernot Schedlberger, Regie führte Kristine Tornquist.

Sänger und Sängerinnen

  • Rupert Bergmann (Kaiser Rudolf II.)
  • Petr Strnad (Philipp Lang / Dolmetscher)
  • Armin Gramer (Bubna / Heinrich Twaroch)
  • Ingrid Haselberger (Hanniwald)
  • Ingrid Habermann (Sternberg)
  • Apostol Milenkov (Mutter Twaroch / Traumstimme)

Leading Team

Musikerinnen

  • Birgit Böhm (Flöte)
  • Gregor Narnhofer (Klarinette)
  • Mathilde Hoursiangou (Tasteninstrumente)
  • Shang-Wu Wu (Violine / Viola)
  • Tomasz Skweres (Violoncello)
  • Berndt Thurner (Schlagwerk)
  • Balduin Wetter (Horn)
  • Stefan Thurner (Posaune)

Den Ehrenschutz der Uraufführung übernahm die damalige Ministerin für Unterricht, Kunst und Kultur der Republik Österreich Claudia Schmied.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Kritik in „Kulturwoche.at“
  2. sirene Operntheater (Archiv)
  3. sirene Operntheater (Archiv)
  4. sirene Operntheater 2009: Festival NACHTS – 8 – DER HEINRICH AUS DER HÖLLE / Gernot Schedlberger. Abgerufen am 10. Dezember 2021 (deutsch).

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Autor/Urheber: Sirene operntheater, Lizenz: CC BY-SA 4.0
Der Heinrich aus der Hölle. Uraufführung der Kammeroper von Kristine Tornquist und Gernot Schedlberger sirene Operntheater 2009. Petr Strnad, Ingrid Habermann, Ingrid Haselberger.