Decimus Iunius Brutus Callaicus

Decimus Iunius Brutus Callaicus war ein bedeutender Politiker der mittleren Römischen Republik und fungierte 138 v. Chr. als Konsul. Während seiner Amtszeit und zwei weiterer Jahre führte er auf der Iberischen Halbinsel erfolgreiche Feldzüge gegen iberische Stämme.

Herkunft

Decimus Iunius Brutus Callaicus entstammte dem römischen Adelsgeschlecht der Junier. Nach Ansicht des Althistorikers Friedrich Münzer war er der Sohn des Konsuls von 178 v. Chr., Marcus Iunius Brutus.[1] Sein älterer Bruder hieß ebenso wie sein Vater Marcus Iunius Brutus und trat zwar nicht politisch, aber als Mitbegründer der römischen Rechtswissenschaft hervor.

Konsulat

Über das frühe Leben des Brutus und die ersten Stationen seines Cursus honorum ist nichts bekannt. Er wird in den erhaltenen Quellen erst anlässlich seines Konsulats im Jahr 138 v. Chr. erwähnt, wobei er Hispania ulterior als Provinz zugewiesen bekam. Sein Amtskollege war Publius Cornelius Scipio Nasica Serapio.[2] Die beiden Konsuln ließen zuerst im Fall von im Silawald begangenen Morden ermitteln,[3] gerieten dann aber mit den zwei Volkstribunen C. Curiatius und S. Licinius[4] in Streit, weil sie nicht gestatten wollten, dass bei der Rekrutierung von Soldaten für die Kämpfe auf der iberischen Halbinsel Ausnahmen gemacht wurden. Auf Anordnung der Volkstribunen wurden die Konsuln daraufhin kurzzeitig eingesperrt, aber das Volk erreichte ihre Begnadigung. Deserteure wurden hingegen von den Konsuln hart bestraft.[5]

Brutus begab sich nun auf den Kriegsschauplatz der Iberischen Halbinsel. Er kämpfte dort nicht nur in seinem Konsulatsjahr, sondern als Prokonsul noch zwei weitere Jahre bis 136 v. Chr. Die erhaltenen Darstellungen über seine dortigen recht erfolgreichen Feldzüge sind einerseits der Bericht des Kriegshistorikers Appian und verstreute Notizen des Geographen Strabon, die sich beide auf Polybios stützen,[6] sowie andererseits Florus, Orosius und andere Epitomatoren des römischen Geschichtsschreibers Titus Livius, der seinerseits in der Ära des Polybios lebende römische Annalisten als Quellen benutzte. Durch die Anfang des 20. Jahrhunderts in Oxyrhynchos (Ägypten) aufgefundenen Fragmente einer weiteren Livius-Epitome konnten einige chronologische Fragen des Verlaufes von Brutus’ Hispanienkriegen erhellt werden.

Als Konsul gründete Brutus die Stadt Valentia (heute Valencia) für Veteranen des Krieges gegen den im Vorjahr (139 v. Chr.) ermordeten Viriathus, der die Lusitaner sehr erfolgreich im Kampf gegen die Römer geführt hatte.[7] Anfangs ging Brutus siegreich gegen die Keltiker vor[8] und gelangte bis zur Mündung des Flusses Tagus (der heutige Tajo). Weil er hohe Verluste befürchtete, wenn er sich auf einen Kleinkrieg gegen die Lusitaner im Gebirge einließ, verwüstete er nun ihre Dörfer und Anbaugebiete im flachen Lande, womit er ihnen die Nahrungsgrundlage zu entziehen suchte. Von seiner Festung Olisipo (heute Lissabon) aus, die ihm als Einfuhrhafen diente, konnte er dagegen die Versorgung seiner Soldaten gewährleisten. Mit seiner Taktik erreichte er auch, dass die Lusitaner oft zum Entsatz ihrer angegriffenen Städte vom Gebirge herabkamen und dabei unter für sie unvorteilhaften Umständen mit den römischen Truppen ringen mussten.[9]

Weitere Feldzüge auf der Iberischen Halbinsel

Brutus bekämpfte 137 v. Chr. als Prokonsul nach Überschreiten des Durius (heute Duero/Douro) die Stämme der Callaici und Brakarer. An den militärischen Konfrontationen waren in den Reihen der iberischen Völker auch den Tod nicht scheuende Frauen beteiligt. Als Brutus mit seinen Truppen am Limia (heute Lima) ankam, wollten seine Krieger aus abergläubischer Angst zunächst den Fluss nicht durchschreiten, da dieser aufgrund seines zweiten Namens Oblivio mit dem sagenhaften Unterweltfluss Lethe identifiziert wurde. Erst als Brutus allein voranging und das Gewässer unbeschadet durchquerte, konnte er seine Soldaten zum Nachkommen bewegen.[10] Sein Feldzug von 137 v. Chr. wird als überaus erfolgreich beschrieben, und es gelang ihm, bis zum Minius (heute Río Miño/Rio Minho) vorzudringen.[11] Einen bedeutenden Sieg in einer Feldschlacht, die angeblich am 9. Juni stattfand,[12] strich er in seiner Darstellung seiner Kriegserfolge offenbar stark heraus. Die römischen Historiker dürften seinen Bericht getreulich übernommen haben, wie man noch heute etwa der weit übertriebenen Angabe des Orosius von 50.000 getöteten Feinden entnehmen kann.[13] Bis zum Ozean habe Brutus die Iberische Halbinsel erobert.[14]

Vermutlich infolge der schmählichen Kapitulation von Gaius Hostilius Mancinus, des Konsuls von 137 v. Chr., vor Numantia kam es Anfang 136 v. Chr. zu einer neuen, wohl in Brutus’ Rücken ausgebrochenen Rebellion. Brutus ging gegen die Aufständischen vor und konnte u. a. in einer von Appian detailliert beschriebenen Aktion die Stadt Talabriga zurückgewinnen. Demnach waren deren Einwohner zur bedingungslosen Kapitulation bereit. Auf Brutus’ Begehr lieferten sie Geiseln, Überläufer und Waffen aus und räumten die Stadt. Doch als sie herauskamen, ließ der Prokonsul sie umzingeln und warf ihnen mehrfache Aufstandsversuche vor, ließ sie dann aber doch nicht, wie von ihnen befürchtet, zu hart bestrafen, sondern begnügte sich damit, ihnen die Nahrungsmittel und Gelder wegzunehmen.[15] Anschließend half Brutus seinem Amtsgenossen Marcus Aemilius Lepidus Porcina, dem Statthalter von Hispania citerior, gegen das keltiberische Volk der Vaccaeer. Aber dessen Hauptstadt Pallantia (heute Palencia) konnten die beiden Feldherren auch mit vereinten Kräften nicht einnehmen.[16]

Nach Rom zurückgekehrt konnte Brutus einen Triumph abhalten, bei dem er seinen Sieg über die Lusitaner und Callaici feiern ließ.[17] Für seinen Erfolg über den letztgenannten Stamm durfte er außerdem den Siegesbeinamen Callaicus annehmen.[18] Während seiner Hispanienkriege hatte er gelobt, der Gottheit Mars einen Tempel zu erbauen. Mit Hilfe von Beutegeldern verwirklichte er nun sein Gelübde, wobei er als Standort des Heiligtums das Marsfeld aussuchte. Zwei hervorragend gefertigte Statuen des griechischen Bildhauers Skopas, die einen sitzenden Ares bzw. eine Aphrodite darstellten, verwendete Brutus zur Verzierung dieses Tempels.[19]

Spätere Karriere

Der Konsul Gaius Sempronius Tuditanus kämpfte 129 v. Chr. in Illyrien gegen den Stamm der Japoden zuerst wenig erfolgreich, erreichte aber mit Hilfe der Feldherrntalente des Brutus, der ihm als Legat diente, doch noch einen Triumph.[20] Als Anhänger der konservativen aristokratischen Kreise unterstützte Brutus 121 v. Chr. den Konsul Lucius Opimius, als dieser rücksichtslos die Parteigänger des reformorientierten Gaius Sempronius Gracchus auf dem Aventin bekämpfte.[21] Die weiteren Lebensumstände und das Todesjahr des Brutus sind nicht bekannt. Brutus war Augur.[22]

Literarischer Patron

Brutus besaß rednerische Talente, eine ausgeprägte literarische Bildung und förderte den römischen Tragödiendichter Lucius Accius. Dieser erzählte noch dem Redner Marcus Tullius Cicero von seinem Patron. Epigramme des Accius in Saturniern wurden auf Geheiß des Brutus in dem von ihm erbauten Marstempel angebracht.[23]

Familie

Die Gattin des Brutus hieß Clodia. Sie lebte wesentlich länger als ihr Gemahl.[24] Aus dieser Ehe bekam Brutus in relativ hohem Alter (um 120 v. Chr.) den Sohn Decimus Iunius Brutus, der 77 v. Chr. Konsul wurde. Im Gegensatz zu allen anderen Zeugnissen behauptete der römische Biograph Cornelius Nepos, dass Gaius Sempronius Gracchus mit einer Tochter des Brutus verheiratet gewesen sei.[25]

Literatur

Anmerkungen

  1. Cicero (Brutus 107) gibt als Brutus’ Filiation M. f. an, die Fasti Capitolini [M.] f. M. n.; dazu F. Münzer, RE X 1, Sp. 1021.
  2. Fasti Capitolini; Livius, Epitome aus Oxyrhynchos, Buch 55; u. a.
  3. Cicero, Brutus 85–88.
  4. Cicero (de legibus 3,20) nennt nur den Volkstribunen C. Curatius namentlich; die lange bekannte Livius-Epitome (periochae 55) führt keine Namen an; die in Oxyrhynchos aufgefundene Epitome bietet in ihrer Zusammenfassung von Livius’ 55. Buch an einer stark zerstörten Stelle als den Namen des zweiten Volkstribunen S. Licinius, wobei aber die Entzifferung des Praenomens (S. für Sextus) unsicher bleibt und vom Althistoriker Friedrich Münzer (Licinius 2), in: RE XIII 1, Sp. 216) für unwahrscheinlich gehalten wird, so dass nur feststeht, dass es sich dabei um einen Licinier handelte.
  5. Cicero, de legibus 3,20; Livius, periochae 55 und Epitome aus Oxyrhynchos 55.
  6. Appian, Iberica 73–75; Strabon 3,3,1 ff., S. 152 ff.
  7. So María Eugenia Aubet: Valentia 1. In: Der Kleine Pauly. Band 5, Sp. 1092, mit Verweis auf: Appian, Iberica 6,75; Diodor 33,1,3; vgl. Livius, periochae 55.
  8. Florus 1,33,12.
  9. Appian, Iberica 73; Strabo 3,3,1, S. 152; Livius, periochae 55.
  10. Livius, periochae 55 und Epitome aus Oxyrhynchos 55; Florus 1,33,12; Appian, Iberica 74; u. a.
  11. Appian, Iberica 74.
  12. Ovid, fasti 6,461 f.
  13. Orosius 5,5,12; vgl. Velleius Paterculus 2,5,1.
  14. Florus 1,33,12; Livius, periochae 55, 56 und 59; u. a.
  15. Appian, Iberica 75.
  16. Appian, Iberica 80–82 (mit offenbar falscher Datierung in das Jahr 137 v. Chr.).
  17. Eutropius 6,19,1; Plutarch, Tiberius Gracchus 21,1.
  18. Fasti Capitolini; Velleius 2,5,1; u. a.
  19. Plinius der Ältere, Naturgeschichte 36,26.
  20. Livius, periochae 59.
  21. Orosius 5,12,7; Ampelius 19,4 und 26,2.
  22. Cicero, Laelius de amicitia 7.
  23. Cicero, pro Archia poeta 27; de legibus 2,54; Brutus 107; Valerius Maximus 8,14,2.
  24. Cicero, epistulae ad Atticum 12,22,2.
  25. Cornelius Nepos, Fragment 9 ed. Peter bei Plutarch, Tiberius Gracchus 21,1 mit einem Erklärungsversuch von F. Münzer (RE X,1, Sp. 1024f.).