Davisit

Davisit
Allgemeines und Klassifikation
Andere Namen

Scandium-Fassait, Sc-Fassait, IMA 2008-030[1]

Chemische FormelCaScAlSiO6
Mineralklasse
(und ggf. Abteilung)
Silikate und Germanate
System-Nr. nach Strunz
und nach Dana
9.DA.15[2]
65.1.3.7[2]
Kristallographische Daten
Kristallsystemmonoklin
Kristallklasse; Symbolmonoklin-prismatisch; 2/m
RaumgruppeC2/c (Nr. 15)Vorlage:Raumgruppe/15[3]
Gitterparametera = synthetisch: 9,884(2) Å; b = synthetisch: 8,988(1) Å; c = synthetisch: 5,446(1) Å
α = 90°; β = synthetisch: 105,86(1)°; γ = 90°[3]
FormeleinheitenZ = 4[3][3]
Physikalische Eigenschaften
Mohshärtenicht bestimmt
Dichte (g/cm3)synthetisch: 3,37(berechnet);[3] natürlich: 3,38(berechnet)[4]
Spaltbarkeitnicht bestimmt
Bruch; Tenazitätnicht bestimmt
Farbefarblos – grau[4]
Strichfarbenicht bestimmt
Transparenztransparent[4]
Glanznicht bestimmt
Radioaktivität-
Magnetismus-
Kristalloptik
Brechungsindexn = natürlich: 1,736 (berechnet)[4]
Doppelbrechungδ = nicht bestimmt
Optischer Charakternicht bestimmt
Achsenwinkel2V = nicht bestimmt

Das Mineral Davisit ist ein extrem seltenes Kettensilikat aus der Pyroxengruppe mit der idealisierten chemischen Zusammensetzung CaScAlSiO6.

Davisit kristallisiert mit monokliner Symmetrie und bildet farblose Kristalle von wenigen µm Größe.

Davisit wurde bislang nur in einigen wenigen Meteoriten nachgewiesen. Es gehört zu den ersten Mineralen, die bei der Entstehung des Sonnensystems aus dem präsolaren Nebel auskristallisierten und wurde in Calcium-Aluminium-reichen Einschlüssen (CAI) einiger Meteorite gefunden. Typlokalität ist der Allende-Meteorit, in dem Davisit zusammen mit Perowskit und Spinell auftritt.[4]

Etymologie und Geschichte

Die ersten Scandium-Pyroxene wurden 1978 von Haruo Ohashi vom "National Institute for Researches in Inorganic Material" (NIRIM) in Sakura (Chiba), Japan, synthetisiert und beschrieben.[5][6][3][7]

Die erste Beschreibung eines natürlichen Sc-reichen Pyroxens lieferte Andrew M. Davis von der University of Chicago. Er beschrieb 1984 einen ungewöhnlichen Einschluss aus Scandium- und Zirkon-reichen Pyroxen, Yttrium-reichen Perowskit, Spinell und Hibonit im Ornans C3 Chondriten.[8]

In den folgenden Jahren wurden nur sehr wenige weitere Scandium-reiche Pyroxene gefunden, z. B. 1996 im Murchison-Meteoriten,[9] 2002 in CAI des Efremovka Meteoriten[10] oder 2003 in CAIs des Ningqiang Kohligen Chondriten.[11]

25 Jahre nach der ersten Beschreibung eines natürlichen Scandium-Pyroxens, wurde Davisit im Jahr 2009 als eigenständiges Mineral durch die International Mineralogical Association (IMA) anerkannt. Chi Ma and George R. Rossman vom California Institute of Technology beschrieben Davisit aus einem CAI des Allende-Meteorit und benannten das neue Mineral nach Andrew M. Davis, dem Professor für Kosmochemie der University of Chicago, der den ersten Calcium-Scandium-Pyroxen im Ornans-Chondriten beschrieben hatte.[4]

Davisit ist eines von nur rund 14 bekannten Scandium-Mineralen und mit Jervisit das zweite aus der Pyroxengruppe.[12]

Klassifikation

In der strukturellen Klassifikation der International Mineralogical Association (IMA) gehört Davisit zusammen mit Augit, Burnettit, Diopsid, Esseneit, Petedunnit, Grossmanit, Hedenbergit, Johannsenit, Kushiroit und Tissintit zu den Kalziumpyroxenen in der Pyroxengruppe.[4]

Die seit 2001 gültige und bislang von der IMA verwendete 9. Auflage der Strunz’schen Mineralsystematik führt den Davisit noch nicht auf. Er wäre in die Klasse der „Silikate und Germanate“ und dort in die Abteilung der „Ketten- und Bandsilikate (Inosilikate)“ eingeordnet worden. Diese Abteilung ist weiter unterteilt nach der Art der Kettenbildung, so dass das Mineral entsprechend seinem Aufbau in der Unterabteilung „Ketten- und Bandsilikate mit 2-periodischen Einfachketten Si2O6; Pyroxen-Familie“ zu finden wäre, wo es zusammen mit Augit, Diopsid, Esseneite, Petedunnit, Hedenbergit und Johannsenit zur „Ca-Klinopyroxene, Diopsidgruppe“ mit der System-Nr. 9.DA.15 gehörte.

Auch die veraltete, aber noch gebräuchliche 8. Auflage der Mineralsystematik nach Strunz kennt den Davisit nicht. Er würde zur Mineralklasse der „Silikate und Germanate“ und dort zur Abteilung der „Kettensilikate und Bandsilikate (Inosilikate)“ gehören, wo er zusammen mit Aegirin, Augit, Petedunnit, Esseneit, Hedenbergit, Jadeit, Jervisit, Johannsenit, Kanoit, Klinoenstatit, Klinoferrosilit, Kosmochlor, Namansilit, Natalyit, Omphacit, Pigeonit und Spodumen die „Pyroxengruppe, Untergruppe Klinopyroxene“ mit der System-Nr. VIII/F.01 bilden würde.[2]

Die vorwiegend im englischen Sprachraum gebräuchliche Systematik der Minerale nach Dana ordnet den Davisit in die Klasse der „Silikate und Germanate“ und dort in die Abteilung der „Kettensilikatminerale“ ein. Hier ist er zusammen mit Diopsid, Hedenbergit, Augit, Johannsenit, Petedunnite und Kushiroit in der Gruppe der „C2/c Klinopyroxene (Ca-Klinopyroxene)“ mit der System-Nr. 65.01.03.7 innerhalb der Unterabteilung „Kettensilikate: Einfache unverzweigte Ketten, W=1 mit Ketten P=2“ zu finden.[2]

Chemismus

Davisit mit der idealisierten Zusammensetzung [M2]Ca[M1]Sc3+[T](AlSi)O6 ist das Scandium (Sc)- Analog von Kushiroit ([M2]Ca[M1]Al[T](AlSi)O6) und Esseneit ([M2]Ca[M1]Fe3+[T](AlSi)O6), wobei [M2], [M1] und [T] die Positionen in der Pyroxenstruktur sind.[4]

Die Zusammensetzungen des Davisit aus der Typlokalität ist[4]

  • [M2]Ca0,989[M1](Sc3+0,502Mg0,165Ti3+0,152Ti4+0,105Zr4+0,105V0,017Y0,012Fe2+0,010Dy0,003Gd0,002Er0,001)[T](Si1,028Al0,972)O6.

Die Magnesiumgehalte gehen auf eine Mischkristallbildung mit Diopsid zurück,

  • [M1]Sc3+ + [T]Al3+ = [M1]Mg2+ + [T]Si4+ (Diopsid)

und der Titaneinbau in Davisit erfolgt über zwei Mischkristallreichen,[13] entsprechend den Austauschreaktionen

  • [M1]Sc3+ = [M1]Ti3+ (Grossmanit)
  • [M1]Sc3+ + [T]Si4+ = [M1]Ti4+ + [T]Al3+ (Al-Buffonit)

In synthetischen Davisit ist der Al-Buffonit-Gehalt bei 1 bar und 1420 °C auf ~34 Mol-% begrenzt.[7]

Weiterhin bildet Davisit Mischkristalle mit Zr-Pyroxen, Burnettit und Kushiroit:

  • [M1]Sc3+ + [T]Si4+ = [M1]Zr4+ + [T]Al3+
  • [M1]Sc3+ = [M1]V3+ (Burnettit)
  • [M1]Sc3+ = [M1]Al3+ (Kushiroit),[6][13]

wobei der Kushiroit-Anteil bei 1 bar und 1400 °C ~40 Mol-% nicht übersteigt.[6]

Kristallstruktur

Davisit kristallisiert mit monokliner Symmetrie in der Raumgruppe C2/c (Raumgruppen-Nr. 15)Vorlage:Raumgruppe/15 mit 4 Formeleinheiten pro Elementarzelle. Die Gitterparameter des synthetischen Endgliedes sind a = 9,884(2) Å, b = 8,988(1)Å, c = 5,446(1)Å und β = 105,86(1)°.[3] Auch Strukturuntersuchungen an natürlichen Davisit sind im Einklang mit diesen Werten.[4]

Die Struktur ist die von Klinopyroxen. Silicium (Si4+) und Aluminium (Al3+) besetzen die tetraedrisch von 4 Sauerstoffionen umgebene T-Position, Calcium (Ca2+) belegt die oktaedrisch von 6 Sauerstoffen umgebene M2-Position und die ebenfalls oktaedrisch koordinierte M1-Position ist mit Scandium (Sc3+) besetzt.[3]

Bildung und Fundorte

Reiner Davisit ist über einen großen Temperatur- und Druckbereich stabil. Bei 1 bar schmilzt Davisit oberhalb von 1530 °C inkongruent zu Scandiumoxid (Sc2O3) und Schmelze. Bei hohen Druck oberhalb von 22 kBar baut sich Davisit ab zu Eringait, einem Scandium-Granat und Oxiden.[5]

Davisit ist bislang ausschließlich in Meteoriten gefunden worden,[14] wo er in Calcium-Aluminium-reichen Einschlüssen (CAI) auftritt. Die hohe Anreicherung von seltenen Elementen mit hohen Schmelzpunkten wie Scandium, Zirkon und verschiedene Metalle der Seltenen Erden lässt zwei Mechanismen für die Bildung von Davisit zu. Einerseits kann sich Davisit bei der Abkühlung des präsolaren Nebels als eine der ersten Verbindungen bei sehr hohen Temperaturen abgeschieden haben. Andererseits kann Davisit ein Rückstand der Erhitzung und Aufschmelzung von CAIs sein, bei der Elemente mit niedrigem Schmelzpunkt wie Natrium, Magnesium und Silizium verdampft sind. Auch dies würde zu einer Anreicherung der hochschmelzenden Elemente in der verbleibenden Schmelze führen.

Typlokalität ist der Allende-Meteoriten, ein Kohliger Chondrit, der am 8. Februar 1969 nahe Parral in Chihuahua in Mexiko einschlug. Davisit wurde hier in CAIs entdeckt, wo er zusammen mit Perowskit und Spinell auftritt. Für dieses Vorkommen wird eine Bildung durch frühzeitige Kondensation aus dem präsolaren Nebel angenommen.[4]

Im Ornans C3 Chondrit wurde Davisit in dem ungewöhnlich Scandium- reichen CAI "OSCAR" nachgewiesen. OSCAR besteht vorwiegend aus Davisit mit Einschlüssen von Perowskit, Spinell, Hibonit und Molybdän- Osmium- und Iridium- reichen Metallkörnchen.[8]

Im Murchison CM2 Chondrit wurde Davisit in dem CAI "HIB-11" gefunden, wo er ebenfalls Einschlüsse von Perowskit und Spinell hat sowie zahlreiche, kleine Hohlräume. Aus dem Verteilungsmuster der Seltenen Erden und Titanisotope wird ebenfalls auf eine Bildung durch frühzeitige Kondensation im präsolaren Nebel geschlossen.[9]

In dem CAI 101.1 aus dem Efremovka Meteoriten, einem Kohligen Chondriten des Typs CV3, tritt Davisit als Umkrustung von Perovskit auf, zusammen mit Spinell und Gehlenit-reichem Melilit, in dem sich Einschlüsse von metallischen NiFe finden. Die Geschichte dieser Einschlüsse ist komplex, beginnend mit der frühen Kondensation von Sc,- Zr- und Selten-Erd-reichen Ca-Al-Verbindungen, erneuter Aufschmelzung und Aggregation verschiedener Einschlüsse sowie späterer Oxidation. Davisit bildete sich nach der teilweisen Aufschmelzung bei der Reaktion von Perowskit mit einer Sc-, Zr-reichen Calciumaluminatschmelze.[10]

Im CAI NQJ3–5–7 des Kohligen Chondrit Ningqiang findet sich Davisit zusammen mit Hedenbergit als Einschluss in Gehlenit.[11]

Im Vingarano CV3 Meteorit wurde Davisit zusammen mit Scandium-reichen Diopsid, Hexaferrum und Spinell in amöboiden Forsterit gefunden. Davisit umschließt hier Einschlüsse von Eringait und Tazheranit, aus denen der sich bei einer Reaktion mit Spinell oder dem Gas des präsolarem Nebels gebildet hat.[15]

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Davisit in: IMA Database of Mineral Properties
  2. a b c d Davisit bei mindat.org
  3. a b c d e f g Haruo Ohashi, Nobuo Ii: Structure of calcium scandium aluminum silicate (CaScAlSiO6)-pyroxene. In: Journal of the Japanese Association of Mineralogists, Petrologists and Economic Geologists. Band 73, 1978, S. 267–273 (rruff.info [PDF; 453 kB; abgerufen am 13. Februar 2019]).
  4. a b c d e f g h i j k Chi Ma, George R. Rossman: Davisite, CaScAlSiO6, a new pyroxene from the Allende meteorite. In: American Mineralogist. Band 94, 2009, S. 845–848 (rruff.info [PDF; 407 kB; abgerufen am 13. Februar 2019]).
  5. a b Haruo Ohashi: STUDIES ON CaScAlSiO6-PYROXENE. In: Journal of the Japanese Association of Mineralogists, Petrologists and Economic Geologists. Band 73, 1978, S. 58–61 (jst.go.jp [PDF; 198 kB; abgerufen am 15. Februar 2019]).
  6. a b c Haruo Ohashi: SOLUBILITY OF CaAl2SiO6 IN CaScAlSiO6-PYROXENE. In: Journal of the Japanese Association of Mineralogists, Petrologists and Economic Geologists. Band 73, 1978, S. 191–196 (jst.go.jp [PDF; 337 kB; abgerufen am 15. Februar 2019]).
  7. a b Haruo Ohashi, Masami Sekita: Raman spectroscopic study of clinopyroxenes in the join CaScAlSiO6-CaTiAl2O6. In: Journal of the Japanese Association of Mineralogists, Petrologists and Economic Geologists. Band 78, 1983, S. 239–245 (jst.go.jp [PDF; 419 kB; abgerufen am 15. Februar 2019]).
  8. a b A. M. Davis: A scandalously refractory inclusion in Ornans. In: Meteoritics. Band 19, 1984, S. 214 (harvard.edu [PDF; 142 kB; abgerufen am 13. Februar 2019]).
  9. a b Steven B. Simon, Andrew M. Davis, Lawrence Grossman: A unique ultrarefractory inclusion from the Murchison meteorite. In: Meteoritics & Planelay Science. Band 31, 1996, S. 106–115 (wiley.com [PDF; 1,2 MB; abgerufen am 13. Februar 2019]).
  10. a b A. el Goresy, E.Zinner, S. Matsunami, H. Palme, B. Spettel, Y. Lin, M. Nazarov: Efremovka 101.1: A CAI with ultrarefractory REE patterns and enormous enrichments of Sc, Zr, and Y in Fassaite and Perovskite. In: Geochimica et Cosmochimica Acta. Band 66(8), 2002, S. 1459–1491 (semanticscholar.org [PDF; 1,6 MB; abgerufen am 13. Februar 2019]).
  11. a b Yangting Lin, Makoto Kimura, Daode Wang: Fassaites in compact type A Ca-Al-rich inclusions in the Ningqiang carbonaceous chondrite: Evidence for partial melting in the nebula. In: Meteoritics & Planetary Science. Band 38(3), 2003, S. 407–417 (wiley.com [PDF; 6,5 MB; abgerufen am 13. Februar 2019]).
  12. Webmineral – Mineral Species containing Scandium.
  13. a b Chi Ma, John R. Beckett, George R. Rossman: Grossmanite, Davisite, and Kushiroite: Three Newly-approved Diopside-Group Clinopyroxenes in CAIs. In: Lunar and Planetary Science Conference. Band 41, 2010 (usra.edu [PDF; 996 kB; abgerufen am 13. Februar 2019]).
  14. Fundortliste für Davisit beim Mineralienatlas und bei Mindat
  15. Chi Ma: DISCOVERY OF METEORITIC ERINGAITE, Ca3(Sc,Y,Ti)2Si3O12, THE FIRST SOLAR GARNET? In: 75th Annual Meteoritical Society Meeting (2012). 2012 (usra.edu [PDF; 70 kB; abgerufen am 9. September 2017]).