David Klavins

Der Klavierkonstrukteur David Klavins

David Klavins (lettische Schreibweise: Dāvids Kļaviņš) (* 5. Juli 1954 in Bonn) ist ein deutsch-lettischer Klavierbauer. Mit dem „Modell 370“ stellte Klavins 1987 das bis heute weltgrößte Klavier vor. Im Jahr 2012 erschien eine Umsetzung des Instruments als Software-Klavier.

Leben

David Klavins Eltern Paulis und Zeltite kamen 1945 als Flüchtlinge aus Lettland nach Deutschland. David ist das dritte von acht Kindern. Die Mutter spielte Klavier, der Vater – in den 1990er Jahren Abgeordneter in der Saeima – Violine. Nach dem Realschulabschluss 1971 nahm David Klavins eine Lehrstelle zum Klavierbauer bei der Wilhelm Schimmel Pianofortefabrik an und schloss die Lehre 1974 ab. Anschließend arbeitete er als Klavierstimmer und Klaviertechniker in Bonn und gründete dort 1976 das „Klavierhaus Klavins“. Der Handwerksbetrieb restaurierte und verkaufte gebrauchte Instrumente, später auch neue Klaviere und Flügel. 1980 legte Klavins die Meisterprüfung ab.

Das Modell 370

David Klavins zweistöckiges Klavier „Modell 370“
Klaviatur und Mechanik des Modell 370

Durch seine Erfahrungen mit der Restaurierung von Konzertflügeln wurde Klavins zum Kritiker der tradierten Bauweise.[1] Insbesondere die verwendeten Materialien seien nur noch traditionell zu begründen und entsprächen nicht dem Stand der modernen Materialwissenschaften. Mit dieser Prämisse konstruierte Klavins ein Tasteninstrument, dessen Größe und Bauweise vorrangig akustischen Motiven folgen sollte, statt Standardvorgaben und Einschränkungen. So entstand das im November 1987 der Öffentlichkeit vorgestellte „Klavins Klavier Modell 370“. Im Unterschied zu horizontal gebauten Konzertflügeln ist das Modell 370 vertikal aufgebaut. Es wiegt zwei Tonnen und wird wegen seiner Höhe von 3,70 m über zwei Stockwerke geführt. Der Pianist sitzt dabei auf einer Art Empore an der Klaviatur. Die klanglich relevante Resonanzbodenfläche des Instruments ist doppelt so groß wie die eines normalen Konzertflügels, was zu einem volleren Klang und größerem Reichtum an Obertönen führt. Die tiefste Basssaite ist mit 3,03 m etwa dreimal so lang wie bei einem Standardklavier. Zudem verwendet Klavins für das Modell 370 eine neuartige Technik der Saitenverankerung und erhält damit insbesondere im Diskantbereich ein längeres Nachschwingen der Saite (Sustain).[2][3]

Der Pianist, der das Modell 370 offiziell vorstellte, war Cyprien Katsaris. Heute steht das Instrument im Pfleghof in Tübingen (Die Fotos stammen aus einer Mehrzweckhalle in Bochum). Im Mai 2012 gab die Berliner Musiksoftware-Firma Native Instruments eine von Uli Baronowsky erstellte Software-Version des Instruments unter dem Namen „The Giant“ heraus. Die Sampling-Aufnahmen dafür fanden in der Mehrzweckhalle statt.[4]

Klavins schwebte mit dem Modell 370 keine Serienfertigung vor; es blieb bei diesem einzigen Exemplar.

Im März 2015 rief Nils Frahm den Piano Day aus und veröffentlichte ein Album mit Klavier „solo“, welches im Januar 2014 am Klavins Modell 370 aufgenommen worden war.

Konzertflügel Modell 408

Auf die Anfrage zahlreicher Pianisten nach einem mit modernster Technik gebauten (horizontalen) Konzertflügel entwarf Klavins zusammen mit dem Diplomdesigner Frank Lenz das Modell 408. Der Konzertflügel-Entwurf trägt im Wesentlichen die gleiche Klanganlage wie das Vertikalpiano 370. Er soll im Inneren eine neue, noch unbekannte Art der Flügelmechanik bekommen. Ein solcher Flügel wurde bislang nicht gebaut; die Finanzierung für die Weiterentwicklung fehlte. Auf letzten 3D-CAD-Darstellungen des Konzertflügel-Entwurfs waren andere Namen (u. a. Gildemester) zu lesen.

Una Corda

David Klavins stimmt sein für einen Freund gebautes Una Corda Klavier

Im Jahr 2014 entwickelte Klavins in enger Zusammenarbeit mit Nils Frahm ein neuartiges Klavier, das anders als normale Pianos nur eine Saite pro Ton hat, das Una Corda Piano. Daraus folgte die Gründung der Klavins Piano Manufaktur KG in Balingen, wo Una Corda Pianos in Kleinserie gefertigt werden.

2015 konstruierte Klavins im Auftrag von Uli Baronowsky von Native Instruments eine 88-Tasten-Version des Klaviers. Baronowsky erstellte aus dem realen Instrument – wie schon zuvor mit dem Modell 370 – ein Software-Instrument, das sich unter anderem mit Stoff- und Fell-Dämpfern als präpariertes Klavier spielen lässt. Es erschien im Vertrieb von Native Instruments im Dezember 2015 unter dem Namen Una Corda.

Modell 450i

Frahm regte auch den Bau des Klavins Modell 450i an, eines ebenso vertikal (statt horizontal) aufgebauten Konzertklaviers nach dem Vorbild des Modell 370. Es wurde 2016 in einem Konzerthaus in Berlin installiert. Der Preis des Instruments mit Stahlträger-Konstruktion, das frei stehen kann, wandmontiert oder deckenhängend montiert werden kann, liegt bei ca. 450.000 Euro.[5]

Musiklabel und Reisejahre

1988 gründete Klavins sein eigenes Musiklabel, „Klavins Music“ und lud namhafte Pianisten ein, auf dem Modell 370 zu musizieren. Es entstanden elf Veröffentlichungen mit Michael Ponti, Thomas Duis, Joachim Arnold, Gülsin Onay, Michael Denhoff, Simon Nabatov und Wadik Polyonow. Das Label wurde wegen der starken Resonanz im asiatischen Raum von „Elite Music“ in Taiwan gekauft und dann an BMG-Asia weiterverkauft.

1998 zog David Klavins ins Land seiner Eltern, Lettland, und betätigte sich dort politisch. Um seine Klavierkonstruktionen weiterzutreiben, ging er 2006 in die USA nach Woodbridge. 2011 kehrte er nach Deutschland zurück. David Klavins hat acht Kinder und lebte bis 2016 in Balingen.

Weblinks

  • Klavierhaus Klavins in Bonn [1]
  • David Klavins Homepage mit Details zur Klavierkonstruktion und -kritik [2]
  • Vertikal-Konzertinstrument Modell 450i [3]

Einzelnachweise

  1. The Organ, Musical Opinion, 1990, S. 199–202
  2. Edwin M. Good: Giraffes, Black Dragons, and Other Pianos: A Technological History from Cristofori to the Modern Concert Grand. Stanford University Press 2002, S. 306. ISBN 978-0-8047-3316-8
  3. James Parakilas: Piano Roles: A New History of the Piano. Yale University Press, 2002, S. 57. ISBN 978-0-300-09306-3
  4. Bericht über die Sampling-Tätigkeit am Modell 370 in der Musikzeitschrift Sound & Recording, Ausgabe 10/2012, S. 104 ff.
  5. http://www.klavins-pianos.com/mod450_en.htm

Auf dieser Seite verwendete Medien

David Klavins.jpg
Autor/Urheber: Zane Klavins, Lizenz: CC BY-SA 3.0 de
Portrait des deutsch-lettischen Klavierkonstrukteurs David Klavins. Aufgenommen von seiner Tochter Zane. Klavin ist berühmt für das weltgrößte Klavier, das Klavins Klavier Model 370.
David Klavins Modell-370 Klaviatur.jpg
Autor/Urheber: Maximilian Schönherr, Lizenz: CC BY-SA 3.0
Die Tastatur (im oberen Stockwerk) von David Klavins' vertikal konstruiertem Klavier "Modell 370". Klavins hat das Instrument 1987 in Bonn der Öffentlichkeit vorgestellt. Es gilt als das größte Klavier der Welt. 2012 erschien eine Software-Version des Modell 370, mit naturgetreuen Samples, unter dem Namen The Giant.
David Klavins stimmt sein Una Corda Klavier.webm
Autor/Urheber: Maximilian Schönherr, Lizenz: CC BY-SA 4.0
Der Klavierentwickler und -konstrukteur David Klavins stimmt das von ihm exklusiv für einen Freund in Bonn hergestellte Una Corda mit 88 Tasten. Das Una Corda gibt es seit Dezember 2015 auch in einer Software-Version von Native Instruments unter demselben Namen. Seine Eigenheit besteht darin, dass jeder Taste nur eine Saite zugeordnet ist. Bei "normalen" Klavieren sind es dagegen im mittleren Bereich typischer Weise zwei oder drei Saiten pro Taste. Weil das Una Corda offen konstruiert ist, hört man beim Spielen viele mechanische Geräusche und kann das Instrument auch beliebig dämpfen und als präpariertes Klavier für experimentelle akustische Musik einsetzen. David Klavins Expertise besteht auch in der Materialforschung. Der Resonanzboden des Instruments basiert auf solchen Forschungen. Er ist, anders als sonst, nicht gekrümmt, sondern aus zwei gegeneinander gemaserten Schichten plan verleimt.
David Klavins Modell-370 Bochum.jpg
Autor/Urheber: Maximilian Schönherr, Lizenz: CC BY-SA 3.0
David Klavins' vertikal konstruiertes Klavier "Modell 370" in einem Veranstaltungsraum in Bochum. Klavins hat das Instrument 1987 der Öffentlichkeit vorgestellt. Es gilt als das größte Klavier der Welt. 2012 erschien eine Software-Version des Modell 370, mit naturgetreuen Samples, unter dem Namen The Giant.