Das Irrlicht (Film)

Film
TitelDas Irrlicht
OriginaltitelLe feu follet
ProduktionslandFrankreich, Italien
OriginalspracheFranzösisch
Erscheinungsjahr1963
Länge108 Minuten
Altersfreigabe
Stab
RegieLouis Malle
DrehbuchLouis Malle
ProduktionAlain Quefféléan
MusikErik Satie,
gespielt von Claude Helffer
KameraGhislain Cloquet
SchnittSuzanne Baron
Besetzung

Das Irrlicht (Originaltitel: Le feu follet) ist ein französischer Spielfilm in Schwarzweiß von Louis Malle aus dem Jahr 1963. Der Regisseur hatte auch das Drehbuch verfasst. Es basiert auf dem gleichnamigen Roman von Pierre Drieu la Rochelle. Die Hauptrolle des Alain Leroy ist mit Maurice Ronet besetzt. In Frankreich kam der Film zum ersten Mal am 15. Oktober 1963 ins Kino; in der Bundesrepublik Deutschland hatte er seine Premiere erst drei Jahre später, am 7. Oktober 1966.[1]

Handlung

Nach seiner Rückkehr aus den USA hat Alain Leroy eine viermonatige Entziehungskur hinter sich. Der Doktor der in Versailles gelegenen Privatklinik hält ihn für geheilt und drängt auf Entlassung, aber Leroy plagt „die Angst“. Der Film schildert die letzten 48 Stunden im Leben von Alain Leroy.

Die Handlung setzt ein nach der Nacht, die Leroy mit Lydia, einer Freundin seiner in den USA lebenden Ehefrau, in einem noblen Hotel verbracht hat. Den Tag verbringt er in der Klinik, mit den anderen Patienten jedoch ist ihm kein Gespräch möglich. In seinem Zimmer sieht man ihn mit einer Luger-Pistole hantieren, die er vor dem Doktor natürlich sofort verbirgt.

Am darauffolgenden Tag fährt Leroy nach Paris und trifft der Reihe nach Freunde aus der Zeit, bevor er in die USA zog: Zuerst Dubourg, der inzwischen mit einer Frau und ihren zwei Töchtern ein glückliches Familienleben führt, dann die Galeristin Eva und den Künstler Urcel, dann die Brüder Minville, die er offenbar seit seiner Zeit als Soldat in Algerien kennt und die anscheinend für die OAS aktiv sind. Schließlich ist er am Abend Gast einer mondänen Gesellschaft im Haus von Cyrille und Solange Lavaud.

Bei allen Begegnungen scheint es einen Moment zu geben, an dem Leroy das immer wieder zu hörende „la vie est bonne“ – „das Leben ist gut“ umstimmen könnte. Aber spätestens als er wieder zum Alkohol greift, ist diese Hoffnung dahin.

Nachdem er am nächsten Morgen seinen Rausch ausgeschlafen hat, packt er sorgsam seinen Koffer, rasiert sich ein letztes Mal, liest die letzten Seiten von The Great Gatsby und schießt sich eine Kugel in die Brust.

Hintergrund

Die Dreharbeiten fanden im Zeitraum von Mitte April bis Anfang Juli 1963 in Paris und Versailles statt.[2] Drehorte waren u. a.:

  • Eine Villa am Boulevard de la Reine in Versailles, die als Maison de Santé des Doktor La Barbinais diente, sowie in Paris
  • Rezeption und Bar des Hôtel du Quai Voltaire, von wo aus Leroy einige Telefonate führt,
  • der Jardin du Luxembourg und das Odéon-Viertel – beim Spaziergang von Leroy und Dubourg,
  • ein Haus unmittelbar neben dem Temple de l’Amitié[3] – dorthin begleitet Leroy Eva, die dort mit dem Künstler Urcel wohnt,
  • und das Café de Flore, wo Leroy auf die mutmaßlichen OAS-Leute, die Brüder Minville, trifft.

Einer der Regieassistenten des Films war Volker Schlöndorff. Für die Ausstattung war Bernard Evein verantwortlich.

Der Text des Inserts am Ende des Films ist ein Zitat aus Drieu La Rochelles Roman:

„Ich bringe mich um, weil Ihr mich nicht geliebt habt, und ich Euch nicht. Ich bringe mich um, weil unsere Beziehung zueinander zu lose war, um sie enger zu knüpfen. Ich hinterlasse Euch einen unauslöschlichen Fleck.“

Pierre Drieu La Rochelle: Das Irrlicht[4]

Rezeption / Deutungen

Die unterschiedlichen Deutungen des Films sind erkennbar an den Antworten auf zwei Fragen – Antworten, die einander nicht unbedingt ausschließen, aber doch die Betonung anders setzen:

Warum begeht Alain Leroy Suizid?

Für die eine Sicht stehen Formulierungen wie diese: Leroys Suizid sei logische Folge seiner „Erkenntnis eines verpfuschten Lebens“.[5]

Die andere Sicht betont, dass Leroy früher „erfolgreich“ und sogar „Star der Pariser Gesellschaft“ gewesen sei. Die Ursache für seinen Suizid seien also nicht äußere Lebensumstände, sondern seine von „Melancholie, Schwermut und Selbstmitleid“ geprägte Wesensart.[6]

Wäre Alain Leroys Suizid abzuwenden gewesen, wenn seine letzten Begegnungen mit Freunden anders verlaufen wären?

Enno Patalas (oder Uwe Nettelbeck) schrieb 1966 in Die Zeit: „Louis Malles Film … ist der Rechenschaftsbericht, den sich ein Dreißigjähriger am letzten Tage seines Lebens gibt, ehe er den zuvor gefaßten Entschluß zum Selbstmord realisiert. Sein Freitod ist keine Verzweiflungstat.“[7]

Für The Criterion Collection dagegen habe Leroy noch bis zuletzt versucht, aufrichtige Verbindungen zu seinen sehr unterschiedlichen Freunden wieder herzustellen.[8]

Kritik

Das Lexikon des internationalen Films zieht folgendes Fazit: „Louis Malle entwickelt aus der Romanvorlage […] das Porträt eines intellektuellen Rebellen gegen bürgerliche Mittelmäßigkeit, dessen narzißtische Verweigerungshaltung gleichsam die dunkle Seite des französischen Existentialismus verkörpert. Kühl und distanziert beobachtend, setzt der Film das Einzelschicksal zugleich in Beziehung zum gesellschaftlichen Umfeld, das von Materialismus, Egoismus und Gefühlskälte geprägt ist.“[9]

Lobend äußert sich auch der Evangelische Film-Beobachter: „Ein Filmkunstwerk hohen Grades, das Diskussionen auslösen wird und nur von reifen Menschen gesehen werden sollte.“[10]

Auszeichnungen

Bei den Internationalen Filmfestspielen von Venedig wurden dem Film 1963 der Spezialpreis der Jury und der Preis der italienischen Filmkritik zugesprochen.[11]

Die Filmbewertungsstelle Wiesbaden erteilte dem Werk das Prädikat „Besonders wertvoll“.

Literatur

  • Programmheft der Neuen Filmkunst Walter Kirchner zum deutschen Kinostart: Text von Eckhart Schmidt, filmographische Angaben, mehrere Abbildungen. Göttingen 1966.
  • L'Avant-Scène du Cinéma vom Oktober 1963: Dialoge, kurze Szenenbeschreibungen, zahlreiche Abbildungen. Paris 1963. (Französisch.)

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Das Irrlicht. In: Lexikon des internationalen Films. Filmdienst, abgerufen am 10. Januar 2023.
  2. Gemäß Angaben der Bibliothèque du Film, Paris (französisch; abgerufen am 9. Februar 2022).
  3. Erwähnung des Films und einige weitere Informationen zum Temple de l'Amitié bei paris-promeneurs.com (französisch; abgerufen am 9. Februar 2022).
  4. Hier zitiert nach den Untertiteln der DVD des Films (Herausgeber: Alive – Vertrieb und Marketing, 2006). Im französischen Original: „Je me tue parce que vous ne m’avez pas aimé, parce que je ne vous ai pas aimés. Je me tue parce que nos rapports furent lâches, pour resserrer nos rapports. Je laisserai sur vous une tache indélébile.“
  5. Jens Rosteck: Die Verwegene. Jeanne Moreau: Die Biographie. Aufbau Verlag, Berlin 2019, ISBN 978-3351037895.
  6. Covertext der DVD des Films (Herausgeber: Alive – Vertrieb und Marketing, 2006).
  7. Die Zeit vom 28. Oktober 1966, Filmtips, „zusammengestellt und kommentiert von Enno Patalas und Uwe Nettelbeck“ (abgerufen am 10. Februar 2022).
  8. The Criterion Collection über The Fire Within (englischer Verleihtitel des Films): „Alain Leroy ... spends the next twenty-four hours trying to reconnect with a host of wayward friends.“ (Englisch; abgerufen am 10. Februar 2022).
  9. Lexikon des Internationalen Films, rororo-Taschenbuch Nr. 6322 (1988), S. 1832
  10. Evangelischer Filmbeobachter, Evangelischer Presseverband München, Kritik Nr. 72/1967, S. 100–101
  11. Gemäß Information auf mubi.com (abgerufen am 5. Februar 2022).