Dammerstock
Dammerstock ist eine Siedlung im Karlsruher Stadtteil Weiherfeld-Dammerstock im Süden der Stadt. Sie liegt an der Alb und hat eine Haltestelle an der ältesten Überlandlinie des Karlsruher Stadtbahnnetzes, der Albtalbahn. Dammerstock ist eines der wichtigsten Zeugnisse für die Kunst des Neuen Bauens in Deutschland.
1928–1929 Neues Bauen
1928 wurde von der Stadt Karlsruhe ein Wettbewerb zur Bebauung des stadteigenen südlichen Teils des Dammerstock-Geländes ausgeschrieben – mit der Vorgabe, das Baugelände bis Mitte des Jahres 1929 zu bebauen. Bei der Ausschreibung stand „der Gebrauchswert der Wohnungen für Familien aus mittleren und unteren Einkommensschichten“ im Vordergrund. Zu dem Wettbewerb wurden unter anderem Walter Gropius, Otto Haesler und Wilhelm Riphahn mit Caspar Maria Grod eingeladen. Auch das Preisgericht entsprach mit Architekten wie Ernst May, Ludwig Mies van der Rohe und Paul Schmitthenner der weit über die örtlichen Verhältnisse hinausreichenden Bedeutung der Ausschreibung.
Den ersten Preis erhielt der Entwurf von Walter Gropius, der kurz zuvor die Leitung des Bauhauses aufgegeben hatte, gefolgt von Otto Haesler. Gropius übernahm die Oberleitung für den ersten Bauabschnitt und hatte die Tätigkeiten der daran beteiligten Architekten – darunter auch Franz Roeckle[1] – zu koordinieren. Die wichtigste, von Gropius in allen Konsequenzen verwirklichte Planungsidee war die Zeilenbauweise. Anstelle der herkömmlichen Blockrandbebauung trat das Bauen in nord-süd-parallel gesetzten Reihen, deren Enden zur Mitte abwechselnd mit quergestellten Kopfbauten versehen sind. Ziel war eine optimale Besonnung – morgens Licht im Schlafzimmer, nachmittags in den Wohnräumen. Die Raumaufteilung war so gestaltet, dass auch bei großer Zahl an Bewohnern pro Wohnfläche noch eine subjektive Trennung der Funktionsbereiche möglich sein sollte.
Die Einweihung der ersten 228 Wohnungen im Oktober 1929 begleitete eine Ausstellung Die Gebrauchswohnung. Die Gestaltung aller Werbemedien lag in den Händen von Kurt Schwitters.
Ab 1934 Weiterbauen
Die Siedlung, nach Adolf Behne das „konsequenteste Beispiel einer Siedlung im Zeilenbau“, wurde aufgrund der Weltwirtschaftskrise 1929 nicht wie geplant fertiggestellt. Nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten, welche das Neue Bauen ablehnten, wurden ab 1934 weitere Häuser in Anlehnung an einen „Heimatstil“ erstellt. Die 1936–1938 nach Plänen von Fridolin Bosch und Anton Ohnmacht errichtete Franziskuskirche ist formal von der Stuttgarter Schule beeinflusst. Nach 1949 kamen Laubenganghäuser dazu, die wieder Elemente des Neuen Bauens aufnahmen.
Die Wohnsiedlung wurde im Volksmund anfänglich als „Jammerstock“ bespöttelt. In Anspielung auf die kleinen Wohneinheiten entstand der Witz, dass für die Bewohner des Dammerstocks spezielle Nachttöpfe angeboten würden, deren Henkel innen angebracht sind. Die Wohnungen waren dann meistens mit weniger Personen als vorgesehen belegt. Damit wurde der Anspruch für untere Einkommensschichten nicht erfüllt. Mit dieser Einschränkung gilt die Siedlung auch heute noch als attraktives Wohngebiet.
Literatur
- Ulrich Coenen: Das Bauhaus und die Siedlung Dammerstock. Die Planungen von Walter Gropius und Otto Haesler für Karlsruhe. In: Badische Heimat. Zeitschrift für Landes- und Volkskunde, Natur-, Umwelt- und Denkmalschutz. 100. Jahrgang, Heft 1, März 2020, S. 82–94 (Gesamtheft als PDF; 13,1 MB).
- Adolf Behne: Dammerstock. In: Janos Frecot (Hrsg.): Zwischen Kunst und Industrie. Der Deutsche Werkbund. Anabas-Verlag, Gießen 1975, ISBN 3-87038-052-7, S. 263 f.
- Brigitte Franzen, Peter Schmitt: Neues Bauen der 20er Jahre. Gropius, Haesler, Schwitters und die Dammerstocksiedlung in Karlsruhe 1929. (Ausstellungskatalog Badisches Landesmuseum Karlsruhe) Info Verlag, Karlsruhe 1997, ISBN 3-88190-217-1.
- Brigitte Franzen: Die Siedlung Dammerstock in Karlsruhe 1929. Zur Vermittlung des Neuen Bauens. Jonas, Marburg 1993, ISBN 3-89445-156-4.
Weblinks
- Paulhans Peters: Währt ehrlich am längsten? - Essay in der Deutschen Bauzeitung (Memento vom 27. September 2007 im Internet Archive) (PDF; 46 kB)
- Dammerstock auf Klassische Moderne Baden-Württemberg
- Linkkatalog zum Thema Dammerstock bei curlie.org (ehemals DMOZ)
Einzelnachweise
- ↑ Dammerstocksiedlung. In: archINFORM. (Dort auch ein Lageplan mit den Positionen der einzelnen Projekte.)
Koordinaten: 48° 59′ N, 8° 24′ O
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Autor/Urheber: Martin Kraft, Lizenz: CC BY-SA 4.0
Die Eingangspavillons der Dammerstock-Siedlung in Karlsruhe; Die ursprünglichen Kassenhäuschen wurden nach der Bauausstellung 1929 demontiert. Der rechte Pavillon wurde im Freibad Rappenwört als Schuppen verwendet. 2006 wurde es wieder an den Ursprungsort zurückversetzt und um den rechten gläsernen Pavillon und das Flachdach ergänzt, so dass die ursprüngliche Kubatur wieder hergestellt wurde.
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de:Dammerstock, Waschhaus [1] von Otto Haesler