Czesław Trzciński

Czesław Trzciński (1935)

Czesław Trzciński (in den deutschen NS-Urkunden Czeslaus Trzcinski, Aussprache ˈtʃɛsɫaf ˈt̪ʃtʂiɲski, * 6. Oktober 1907 in Łódź; † 11. November 1942 in Rappach) war ein polnischer Unteroffizier und Zwangsarbeiter in Deutschland, der ohne Gerichtsverfahren am polnischen Nationalfeiertag hingerichtet wurde.[1]

Vor dem Krieg

Hochzeitsfoto von Czesław Trzciński und Helena Kubiak, 1935
Czesław Trzciński mit seinem Chef und Mitarbeitern, ca. 1936
Czesław Trzciński mit seinen Eltern und Schwestern, 1914

Czesław Trzciński war der Sohn von Stanisław Trzciński und seiner Frau Apolonia, geborene Pankwin. Er wurde in kleinbürgerlichen Verhältnissen in der damals zum russischen Kaiserreich gehörenden Arbeiterstadt Łódź geboren. Seine Eltern hatten vier weitere Kinder: drei Töchter und einen Sohn. Über den Beruf seines Vaters ist nichts bekannt.[2] Czesław Trzciński erlebte als Kind den Ersten Weltkrieg und die Wiedergründung des polnischen Staates. Nach dem Schulabschluss ist er zum Schlosser ausgebildet worden. Dieser Beruf war dann später dafür entscheidend, dass man ihm eine Ausbildung in einer Pionierunteroffiziersschule anbot. Das Angebot nahm er an und machte vom 3. Januar bis zum 18. September 1929 eine Ausbildung an der Unteroffiziersschule des 1. Eisenbahnpionier-Regiments in Kraków, die er erfolgreich absolvierte.[3] Nach der Entlassung ins Zivilleben arbeitete er als Schlosser in einer Fabrik. 1935 heiratete er Helena Kubiak (1912–2002).[4]

Kriegsgefangenschaft und Zwangsarbeit

Im Zusammenhang mit dem deutschen Überfall auf Polen am 1. September 1939 wurde Trzciński eingezogen und diente als „Plutonowy“,[5] d. h. Unteroffizier in einer spezialisierten Pioniereinheit, dem 2. Bataillon für Eisenbahnbrücken. Er geriet am 23. September 1939 bei Kielce in die deutsche Kriegsgefangenschaft. Als Kriegsgefangener (Gef.Nr. 5358) wurde er nach Deutschland gebracht und zunächst im Stalag V A in Ludwigsburg und anschließend im Stalag V C in Malschbach bei Baden-Baden inhaftiert. Von dort wurde er am 29. Juli 1940 als „Z.P.“ (vermutlich: „Zivilpole“, bzw. Zivilperson) entlassen,[6] dem Arbeitsamt Schwäbisch Hall zugeteilt[7] und zur Zwangsarbeit in der Landwirtschaft verpflichtet. Er arbeitete zunächst in der Gemeinde Waldbach bei Bretzfeld in Nordwürttemberg und anschließend im benachbarten Rappach beim Bauern Erhard. Lore E., die damals 12-jährige Tochter des Bauern, hat ihn als einen „sehr angenehmen und freundlichen Mann, der sich um alles kümmerte und bei den Kindern sehr beliebt war“,[8] in Erinnerung behalten.

„Anfangs wurde er morgens von Wachmännern gebracht. Vermutlich von einem Lager in Waldbach. Da trug er seine polnische Uniform. […] Tagsüber trug er dann Arbeitskleider. Abends wurde er wieder in Uniform abgeholt. Später wurde er aus dem Lager entlassen und wohnte dann ganz im Haus, als der Vater in den Krieg musste. […] Natürlich aß er am Tisch mit allen andern mit. Er hatte im Wohnhaus im 1. OG ein Zimmer. Dies musste er später mit einer jungen Russin (Vera) teilen, die als Fremdarbeiterin auf den Hof kam. […] Auch zu den Tieren war er immer sehr sorgsam.“[8]

Verhaftung

Auszug aus dem Gefangenenbuch des Amtsgerichtsgefängnisses Schorndorf mit den Angaben über die Aufnahme und die Weiterleitung von Czesław Trzciński vom 27. Oktober 1942

An einem Frühsommermorgen 1942, als Trzciński im Kuhstall arbeitete, beobachtete ihn Christian Erhard, der auf dem Hof lebende Vater des Bauern, durch ein sehr kleines (etwa 15 × 15 cm großes) Fenster zwischen der Küche und dem etwas tiefer liegenden Stall und bemerkte etwas, was ihn sehr aufbrachte. Er wollte das nicht dulden und entschloss sich gleich, Trzciński bei Heinrich Wenninger anzuzeigen.[9] Trotz der dringenden Bitten seiner Frau, dies sein zu lassen, tat er dies unmittelbar danach doch. Der Grund seiner Aufregung ist nicht näher bekannt, sicher ist jedoch, dass es sich um eine Lappalie handelte. Die Absicht des Altbauern war vermutlich, dass Trzciński auf einen anderen Hof verlegt würde. Er wurde jedoch am gleichen Tag von der Polizei abgeholt. Wie der genaue Ablauf der Haft zunächst war, ist nicht bekannt. Nach einer gewissen Zeit, vermutlich noch im Sommer 1942, suchten Beamte in schwarzen Ledermänteln (wohl Gestapoleute) die Familie Erhard auf und verhörten sie. Sie schauten sich auch sehr genau die Gegebenheiten auf dem Hof an.[10][11] Es ist belegt, dass Trzciński am 27. Oktober 1942 um 12 Uhr in das Amtsgerichtsgefängnis Schorndorf eingeliefert und als „Volksschädling“ verzeichnet wurde; von dort hat man ihn noch am selben Tag um 17 Uhr an das "Polizeigefängnis Welzheim" (das heißt das Konzentrationslager Welzheim) überstellt.[12]

Hinrichtung

Die Gegend zwischen Rappach und Schwabbach im Dezember 1944. Rechts unterhalb der Bildmitte der Geländeeinschnitt Schindersklinge. Durch die obere Bildhälfte zieht sich die Trasse der damals im Bau befindlichen Reichsautobahn Heilbronn – Nürnberg. Auf der linken Seite verläuft von Norden nach Süden die Straße Schwabbach (oben) – Rappach (unten, außerhalb des Bildes). Das bebaute Gebiet von Rappach reicht heute von Süden bis an den Rand der Schindersklinge heran. (Luftbild der US-amerikanischen Luftaufklärung vom 24. Dezember 1944)
Endbereich der Schindersklinge – vermutliche Hinrichtungsstelle (Aussicht 2012)

Am 5. November 1942 erhielten alle Staatspolizeileitstellen im „Reich“, also auch die Stuttgarter Gestapo, ein Fernschreiben aus dem Reichssicherheitshauptamt in Berlin über die neuen Richtlinien der Strafverfolgung gegen „Polen, Russen, Juden und Zigeuner“. Eine entsprechende Vereinbarung war zwischen dem „Reichsführer SS und Chef der Deutschen Polizei“ Himmler und dem Justizminister Thierack getroffen und von Hitler gebilligt worden. Diese neuen Richtlinien entpflichteten die Staatspolizei von richterlicher Kontrolle und Strafvorgabe.[13] Die neue Machtbefugnis machte die Staatspolizeileitstellen zu den Herrinnen des Verfahrens von der Annahme einer Anzeige gegen einen Beschuldigten bis zu dessen Exekution. Der Leiter der Staatspolizeileitstelle Stuttgart Friedrich Mußgay bestimmte den 11. November als Hinrichtungstag von Czesław Trzciński. Dies war der polnische Unabhängigkeitstag.[14] Udo Grausam nimmt an, dass die Wahl dieses Datums beabsichtigt und als besondere Demütigung und Racheakt für die Kriegsniederlage 1918 gedacht war.[15] Bereits ein Jahr zuvor, am 11. November 1941, waren auf Mußgays Anweisung oder mit seiner Billigung im Konzentrationslager Welzheim die beiden polnischen Zwangsarbeiter Franciszek Dembiński und Stefan Szczepaniak hingerichtet worden. Bei der Exekution von Czesław Trzciński, die vermutlich die erste Hinrichtung auf Reichsgebiet nach der Bekanntgabe der neuen Richtlinien vom 5. November 1942 war, entschloss sich Mußgay, noch einen Schritt weiter zu gehen. Er ordnete offenbar an, die Exekution nicht im KZ Welzheim durchzuführen, sondern am früheren Arbeitsort von Trzciński und zwar im Beisein der in der Umgebung arbeitenden polnischen Zwangsarbeiter. Offenbar versprach er sich davon eine besonders wirksame Einschüchterung der polnischen Landsleute des Delinquenten. Da zwischen der Einlieferung von Trzciński in Welzheim und seiner Hinrichtung nur rund zwei Wochen vergingen, kann man vermuten, dass während Trzcińkis Haft etwas Besonderes vorgefallen sein muss, was die SS gerade ihn zum nächsten Opfer bestimmen ließ.[16]

Die Exekution von Trzciński verlief ganz nach dem von Mußgay angewendeten ‚Muster’. (Mehr dazu im Artikel Friedrich Mußgay.) Als Hinrichtungsstelle wurde eine nördlich von Rappach in einem Hang gelegene Senke gewählt, die Schindersklinge genannt wird.[17] Am Morgen des 11. November 1942 riegelte die Polizei das Gelände vom Ort ab. Ein Militär-LKW mit hinten offener Plane brachte Trzciński von Bretzfeld her durch die ’’Kirchstraße’’ nach Rappach und fuhr weiter zur Hinrichtungsstelle. Trzciński saß im Führerhaus zwischen zwei uniformierten Wachmännern. Auf der Ladepritsche lag in der Mitte ein Sarg, auf beiden Seiten saßen mehrere polnische Arbeiter und standen zwei weitere uniformierte Wachmänner.[18] Über den Ablauf der Exekution sind keine schriftlichen Unterlagen erhalten. Man weiß jedoch, dass mindestens ein Ortsvorsteher eines der umliegenden Dörfer die polnischen Arbeiter von dort zur Hinrichtungsstelle nach Rappach geführt hat.[19] Es ist anzunehmen, dass auch die Ortsvorsteher der anderen umliegenden und zum Teil näher gelegenen Dörfer auf diese Weise der Gestapo in der Schindersklinge polnische Zwangszeugen zuführten. An der Hinrichtungsstelle hatten die deutschen Uniformierten die Befehlsgewalt inne. Ob der Stuttgarter Gestapochef Mußgay in Rappach selbst befehligte, ist bisher nicht erwiesen; es erscheint in diesem Fall sehr wahrscheinlich. Die erwähnten polnischen Arbeiter, die mit dem LKW vermutlich aus dem Konzentrationslager Welzheim gebracht wurden, waren Teil des Exekutionskommandos: als Handlanger der Befehlsgeber stellten sie den Galgen auf, führten die Exekution durch und mussten anschließend die Leiche in den Sarg legen und diesen auf den Kastenwagen verladen. Nachdem der Exekutionsleiter die Exekutionsverfügung vorgelesen hatte, die von einem polnischsprachigen Dolmetscher übersetzt wurde,[20] wurde Trzciński um 10:10 Uhr erhängt.[21] Es ist anzunehmen, dass der Ablauf der Hinrichtung fotografisch festgehalten wurde, wie das sonst üblich war, und dass die Fotos später in der Polizeileitstelle Stuttgart aufbewahrt wurden, doch dort wurden am Ende des Krieges sämtliche Unterlagen vernichtet. In der Regionalpresse wurde über die Hinrichtung nicht informiert – anders als bei Hinrichtungen, die Urteilen von Sondergerichten folgten.

Verbleib der Leiche

Namenstafel 6 auf dem Gräberfeld X, worauf auch der Name von Czesław Trzciński zu sehen ist

Die Leiche von Czesław Trzciński wurde unmittelbar nach der Exekution zum Anatomischen Institut der Universität Tübingen gefahren.[22] Dort wurde sie mit Karbol, Alkohol und Formalin behandelt und als „Muskel-Leiche“ in „Kiste 17“ verwahrt. Im Wintersemester 1942/43 hat der Präparationskurs sie zu seinen Zwecken verwendet.[23] Nach dem Verbrauch wurde sie im Reutlinger Krematorium am Friedhof „Unter den Linden“ verbrannt und die Asche anschließend auf dem Gräberfeld X des Tübinger Stadtfriedhofs bestattet. Das Gräberfeld X war für die Aschen der Leichen aus dem Anatomischen Institut bestimmt, und sie wurden dort anonym bestattet. Erst 1980 wurden die vernachlässigten Massengräber des Gräberfeldes X neu gestaltet und mit sechs Bronzetafeln mit den Namen eines Teils der dort Bestatteten, unter anderem mit dem Namen von Czesław Trzciński (als Trzcinski Czeslaus), versehen.

Strafrechtliche Verfolgung

Mußgay selbst hat im September 1946 in der Internierungshaft der Alliierten Selbstmord begangen, doch war er nicht der einzige Verantwortliche. Auch sein Stellvertreter Hans-Joachim Engelbrecht hatte den Bürgermeistern von Württemberg-Hohenzollern Exekutionen von Zwangsarbeitern angekündigt, der Leiter des Ostarbeiterreferats Gottfried Mauch war nachweisbar in mehreren Fällen Leiter eines Exekutionskommandos[24] gewesen, und der Leiter der Abteilung Schutzhaft Ludwig Thumm fungierte mindestens einmal (in Oberndorf am Neckar) als Leiter eines Exekutionskommandos. Der Name Czesław Trzciński blieb den zuständigen Strafverfolgungsbehörden in der Bundesrepublik offenbar unbekannt. Zumindest der Generalstaatsanwalt bei dem Kammergericht Berlin kannte den Namen nicht, als er Anfang der sechziger Jahre gegen die ehemaligen Angehörigen des Reichssicherheitshauptamtes zu ermitteln begann, die von Berlin aus die 'Erlaubnis' gegeben hatten zur "Sonderbehandlung" ausländischer Zwangsarbeiter, also zu ihrer Ermordung, und zwar an die Leitstellen der Geheimen Staatspolizei bzw. an die Höheren SS- und Polizeiführer der SS-Oberabschnitte im Reich. Die vom Berliner Generalstaatsanwalt im Lauf der 60er Jahre verfassten "Einleitungsvermerke" über den Stand der Ermittlungen gegen mehrere ehemalige RSHA-Angehörige, nennen den Namen Czesław Trzciński nicht. Bis 1975 ist auch kein Ermittlungs- oder Gerichtsverfahren in seinem Fall aufgeführt.[25] Die damalige deutsche Justiz funktionierte zweifelsohne mangelhaft. Damit sie jedoch in solchen Fällen überhaupt tätig werden konnte, war sie auf Anzeigen angewiesen, weil die Gestapo ihre Unterlagen vernichtet hatte. Die Bevölkerung jedoch bevorzugte das Schweigen.[26] Der Mord der nationalsozialistischen Polizei an Czesław Trzciński am polnischen Nationalfeiertag des Jahres 1942 ist juristisch ungesühnt geblieben.

Informationsfluss

Trzcińskis Witwe, Helena Trzcińska, wurde nie offiziell von seinem Tod benachrichtigt. Sie erfuhr vermutlich Ende 1942 davon, durch einen Polen, der extra zu ihr nach Hause gekommen war. Sie ist auf die Nachricht hin ohnmächtig geworden.[27] Außer dass ihr Mann hingerichtet wurde, wusste sie jahrelang nicht mehr. Sie war bei der Kindererziehung und beim Geldverdienen für die Familie auf sich selbst gestellt, und diese Aufgaben forderten ihre ganze Energie. Zum Gedenken an den Ehemann und Vater beteten sie und ihre Töchter auf dem Friedhof in Łódź, am Kreuz für die Toten ohne Grab, und zündeten dort Lichter an. Erst 1989 wandte sich die Tochter Irena Maria Baran im Namen ihrer Mutter und in ihrem eigenen mit einer Suchanfrage an das Polnische Rote Kreuz. Auf diese Anfrage bekamen sie 1992 eine Antwort vom Internationalen Suchdienst des Roten Kreuzes in Bad Arolsen, die Exekutionsort und -datum nannte. Weitere Informationen (etwa über die Grabstätte) enthielt diese Antwort nicht. Erst nach dem Tod von Helena Trzcińska erfuhr die Tochter Irena Maria im Zusammenhang mit den Nachforschungen von Udo Grausam von der Existenz einer Grabstätte ihres Vaters in Tübingen. Nachdem Udo Grausam im September 2008 vom Internationalen Suchdienst erfahren hatte, dass schon länger eine Anfrage der Familienangehörigen vorlag, nahm er den Kontakt auf und lud die Familie über den Internationalen Suchdienst (mit Vermittlung des Polnischen Roten Kreuzes) nach Tübingen ein. Die Tochter nahm die Einladung an und besuchte im Juni 2009 zum ersten Mal in ihrem Leben das Grab ihres Vaters auf dem Stadtfriedhof in Tübingen sowie die Hinrichtungsstelle bei Rappach.

Die Geschehnisse um Czesław Trzciński wurden von der Gemeinde Bretzfeld bisher nicht überliefert, im Brettachtaler Heimatbuch von 1983 fehlt dazu jede Erwähnung. Gemeinderat und Bürgermeister lehnten 2004 die Beteiligung an einem Zeichen des Gedenkens an Czesław Trzciński ab und verweigern seither jedes Gedenken.[28] Damit setzt sich Bretzfeld offenbar in Gegensatz zu anderen Gemeinden, wo es vergleichbare Fälle gab und es inzwischen Zeichen des Gedenkens gibt.[29]

Anmerkungen und Einzelnachweise

  1. Das Schicksal von Czesław Trzciński wurde seit dem Jahr 2000 aus baden-württembergischen und bundesdeutschen Archiven und Behördenbeständen erforscht und mit einer Sammlung von Dokumenten aus diesen Stellen belegt. Die „Textsammlung über die Ermordung des Czesław Trzciński aus Łódź (*6. Oktober 1907 †11. November 1942) in Rappach“ liegt im zuständigen Kreisarchiv des Hohenlohekreises in Neuenstein während der Öffnungszeiten zur Benutzung bereit, Signatur: Kreisarchiv Hohenlohekreis, Manuskriptensammlung, Ms. 10.1.34. Die Umschrift einer Radiosendung des Südwestrundfunks vom 17. November 2007 über das Gedenken an Czesław Trzciński in der Gemeinde Bretzfeld kann ebenfalls im Kreisarchiv eingesehen werden; Signatur: Kreisarchiv Hohenlohekreis, Ortsgeschichtliche Sammlung, Signatur SO 1, Büschel 114. Die Bibliographie und die Weblinks in diesem Artikel nennen die seither erschienenen neueren Texte.
  2. Erhalten ist ein Familienfoto aus dem Sommer 1914, worauf Stanisław Trzciński in einer russischen Soldatenuniform zu sehen ist. Offenbar wurde das Foto angefertigt, um die Familie am Anfang des Ersten Weltkrieges zu verewigen, weil der Familienvater einberufen wurde.
  3. Zeugnis Nr. 49 der Szkoła Podoficerska 1. Pułku Saperów Kolejowych in Kraków vom 18. September 1929.
  4. Heiratsurkunde des Standesamtes Łódź Nr. 373/1936.
  5. Plutonowy ist in der Reihenfolge der fünfte Dienstgrad in der polnischen Armee.
  6. Eintrag in einer Entlassungsliste ist erhalten bei der Deutschen Dienststelle für die Benachrichtigung der nächsten Angehörigen von Gefallenen der ehemaligen deutschen Wehrmacht (kurz: Deutsche Dienststelle), Berlin. – Die Entlassung ging auf die „Richtlinien des Reichsführers SS über die Entlassung polnischer Kriegsgefangenen und deren Behandlung als Zivilarbeiter im Reich“ vom 10. Juli 1940 zurück.
  7. Innerhalb der Fremdarbeiterkartei des Arbeitsamtes Schwäbisch Hall im Staatsarchiv Ludwigsburg ist die Todesfallkarte von Czesław Trzciński erhalten (Signatur FL 20/14 Büschel 750).
  8. a b Brief vom 21. Dezember 2005 an Udo Grausam.
  9. Heinrich Wenninger war Landwirt in Rappach und zu jener Zeit der Stellvertreter des einberufenen Bürgermeisters. Anfangs war er in einer SA-Uniform zu sehen.
  10. Nach Angaben der Augenzeugin Lore E.
  11. Benigna Schönhagen schreibt zum Grund solcher Verhaftungen 1987 in ihrem Buch Das Gräberfeld X. Eine Dokumentation über NS-Opfer auf dem Tübinger Stadtfriedhof, S. 64 zwar: „Es ist wohl anzunehmen, daß […] viele der […] nach Tübingen gebrachten Exekutierten wegen eines sogenannten ‚GV-Delikts’ [Delikts wegen Geschlechtsverkehrs, womit auch eine unerlaubte Beziehung zu einer deutschen Frau gemeint sein konnte] gehängt worden waren. Sie wurden aus ganz Württemberg, aus dem Oberland ebenso wie aus dem Schwarzwald oder dem Hohenlohischen gebracht. Da war z. B. der 21-jährige Anton Wlosinski [korrekt Antoni Włosiński], der im April 1941 in Bolstern im Kreis Saulgau aufgehängt wurde oder der 35-jährige Czeslaus Trzcinski aus Litzmannstadt, dem die Gestapo am 11. November 1942 in Rappach im Kreis Öhringen die Schlinge um den Hals legte.“ – Jedoch widerlegt das spätere Zeugnis der Bauerntochter Lore E. diese Annahme. Auch die Einlieferung Trzcińskis in das Konzentrationslager Welzheim als „Volksschädling“ spricht gegen diese Annahme.
  12. Gefangenenbuch des Amtsgerichtsgefängnisses Schorndorf, erhalten im Staatsarchiv Ludwigsburg (Signatur F299 Band 68). – Trzciński wurde im "Gefangenenbuch" als „Durchgangshäftling“ registriert, d. h., dass nicht das Amtsgericht Schorndorf, sondern eine andere Stelle für seine Einweisung verantwortlich war. Die einliefernde Stelle ist nicht genannt. Nach der Erinnerung von Lore E. lagen zwischen der Verhaftung und der Hinrichtung mehrere Monate (bis zu einem halben Jahr). Dies entsprach durchaus der üblichen mehrfach belegten Praxis der Gestapo, Beschuldigte einige Wochen oder Monate in Haft zu halten, bis sie hingerichtet wurden.
  13. Zwar hatte es auch zuvor Exekutionen gegeben, die nicht auf einem ordentlichen rechtsstaatlichen Gerichtsverfahren gefußt hatten: die Erschießungen durch die Divisionsgerichte der Wehrmacht, die Exekutionen mit dem Fallbeil durch das Sondergericht Stuttgart und die "Sonderbehandlungen" durch den Strick auf Befehl bzw. mit Erlaubnis des Reichssicherheitshauptamtes in Berlin.
  14. Der Unabhängigkeitstag wurde in Polen 1919 als einer der beiden Nationalfeiertage beschlossen. Am 11. November 1918 hatte der Regentschaftsrat, die damalige provisorische Regierung der polnischen Gebiete, den Oberbefehl über die polnischen Truppen Józef Piłsudski übertragen, der kurz zuvor aus dem Magdeburger Gefängnis entlassen worden war. Dieses Ereignis war der entscheidende Schritt zur Wiederherstellung der wirklichen nationalen Unabhängigkeit von Polen.
  15. Udo Grausam: Besuch und Gegenbesuch im Gedenken an Czesław Trzciński. In: Gegen Vergessen – Für Demokratie, Mitgliederzeitschrift Nr. 64, Mai 2010, S. 28.
  16. Nach der Vermutung von Udo Grausam könnte der Grund am 29. Oktober zustande gekommen sein, also zwei Tage nach Trzcińskis Einweisung nach Welzheim. An diesem Tag wurde dort ein 15-jähriger Pole namens Władysław Mendrela (?) hingerichtet. Da die Landsleute des Delinquenten üblicherweise bei der Exekution zusehen mussten, hat wahrscheinlich auch Czesław Trzciński diese Hinrichtung erlebt. Möglicherweise hat er dagegen protestiert und wurde deshalb vom amtierenden Welzheimer Lagerchef Hermann Eberle als nächster Delinquent bestimmt.
  17. Der Name ‚Schindersklinge’ ist bereits seit geraumer Zeit geläufig, doch im Gegensatz zum Namen ‚Thalfeld’, der bereits auf einer Flurkarte von 1830 bezeugt ist, nicht schriftlich als Gewannname nachgewiesen. Es ist nicht geklärt, ob die beiden Namen ein völlig identisches Gelände bezeichnen oder ob die Schindersklinge nur ein Teil des Gewannes Thalfeld ist. Damals betrug die Entfernung bis zu den nächsten Gebäuden von Rappach einige hundert Meter, heute grenzt das Rappacher Wohngebiet Steinsfeld unmittelbar an die Schindersklinge.
  18. Zeugnis der erwähnten Augenzeugin Lore E., Brief an Udo Grausam vom 21. Oktober 2005 – Die Zeugin, die in dem Haus an der Kirche wohnte, war gerade draußen, als das Auto kam. Da damals das Vorbeikommen eines Autos eine Besonderheit war, schaute sie genau hin. Ihr Blick und Blick Trzcińskis trafen sich und sein Blick ist ihr tief in Erinnerung geblieben.
  19. Ein Herr Schultheiss, Schultheiß von Weißlensburg, ein weitläufiger Verwandter von Lore E., kam mit den Polen von dort.
  20. wie etwa für die Hinrichtung von Aleksander Krześciak am 8. Januar 1943 bei Güglingen belegt (Zeugenaussage in einem Ermittlungsverfahren im Jahr 1960/61, archiviert in der Zentralen Stelle der Landesjustizverwaltungen in Ludwigsburg unter 414 AR 10.358/87).
  21. So die Uhrzeit im Sterberegister von Rappach unter diesem Datum. Das Sterberegister wird heute von der Gemeinde Bretzfeld verwaltet. – Als Sterbeort wurde „Markung Rappach, Gewand Thalfeld“, als Todesursache wurde „Erhängen“ eingetragen. Der Eintrag entstand wie eingetragen auf "schriftliche Anzeige" der Geheimen Staatspolizei, Staatspolizeileitstelle Stuttgart, dort mit dem Briefzeichen II E-5464/42. Eingetragen wurde auch die Anschrift der Ehefrau von Trzciński mit dem Straßennamen, den die deutschen Besatzer der Straße in "Litzmannstadt" gegeben hatten. Laut Auskunft des Standesamts der Gemeinde Bretzfeld fehlt heute in den Sammelakten zum Rappacher Sterberegistereintrag die "schriftliche Anzeige" der Gestapo an den Bürgermeister von Rappach bzw. an das damalige Standesamt, während für alle anderen Sterbeeinträge aus dem Jahr 1942 die entsprechenden Unterlagen noch existieren.
  22. Nach der vertraulichen Anordnung von Bernhard Rust, Reichsminister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung, vom 18. Februar 1939 waren die Leichen Hingerichteter jeweils dem nächsten anatomischen Universitätsinstitut zu übergeben.
  23. Das Leichenbuch des Anatomischen Institutes der Universität Tübingen (aufbewahrt im Universitätsarchiv Tübingen, Signatur 174/8) verzeichnet genau nicht nur den Todestag, Todesart, Verwendung sowie Haarfarbe und Körpergröße, sondern auch den Fuhrlohn. Daher wissen wir, dass Trzciński blond und 172 cm groß war. Der Fuhrlohn für seine Leiche betrug 78,75 RM.
  24. Roland Maier: Gottfried Mauch. Der Schrecken der Zwangsarbeiter, S. 143f
  25. Laut dem Generalstaatsanwalt bei dem Kammergericht Berlin wurden die Ermittlungen gegen Engelbrecht von der Staatsanwaltschaft Ravensburg (Aktenzeichen Js 6447/60) wegen der Hinrichtung des Antoni Włosiński (* am 6. August 1920, hingerichtet am 9. April 1941 in Bolstern im Kreis Saulgau) am 22. Juli 1960 nach § 170 II Strafprozessordnung eingestellt. Bestand: Generalstaatsanwalt bei dem Kammergericht Berlin, Arbeitsgruppe RSHA (Landesarchiv Berlin, Signatur: B Rep. 057-01, (Nr. 110, Nr. 112 und Nr. 121)). – Gegen Gottfried Mauch gab es mehrere Ermittlungsverfahren, doch weil er 1948 einen Schlaganfall erlitten hatte, gelang es seinem Rechtsanwalt weitgehend, eine gerichtliche Ahndung seiner Tätigkeit für die Stuttgarter Gestapo zu verhindern. In zwei Fällen, die vor Gericht verhandelt wurden, erfolgte ein Freispruch, „weil die Täterschaft Mauchs nach Meinung des Gerichts nicht mit allerletzter Sicherheit bewiesen werden konnte“. (Roland Maier: Gottfried Mauch. Der Schrecken der Zwangsarbeiter, S. 145).
  26. Im Juni 1944 waren in Winnenden zwei sowjetische Zwangsarbeiter unter Leitung von Gottfried Mauch öffentlich erhängt worden. Der Vorgang war bei der Ortsbevölkerung bekannt, doch erst 1961 brach ein ehemaliger Patient der Winnender psychiatrischen Anstalt das kollektive Schweigen. (Roland Maier: Gottfried Mauch. Der Schrecken der Zwangsarbeiter, S. 144) Wenn schon in einer Stadt wie Winnenden kaum ein Bereitwilliger sich fand, braucht es nicht zu wundern, dass in dem kleinen Rappach niemand mehr auf das Verbrechen hinwies.
  27. Zeugnis von Irena Maria Baran geb. Trzcińska.
  28. Axel Gagstätter: Opfer des Nationalsozialismus: Zwangsarbeiter in Bretzfeld. Südwestfunk, Landesschau Baden-Württemberg 26. Juni 2020; [1] (abgerufen 18. September 2020)
  29. In Baden-Württemberg bestehen Gedenkzeichen sowohl auf dem Gebiet des ehemaligen Württemberg-Hohenzollern als auch auf dem Gebiet des ehemaligen Baden. Bezüglich Württemberg-Hohenzollern ist dies das Denkmal für Mieczysław Wiecheć bei Ebersbach-Sulpach. Bezüglich Baden sind dies die Denkmale für Jan Kobus in Pfullendorf, für Mirtek Grabowski (richtig: Mietek bzw. Mieczysław Gawłowski) nahe Ruschweiler, für Jan Ciechanowski nahe Haslach im Kinzigtal, für Bernard Perzyński südlich von Schiltach im Kinzigtal, für Marian Lewicki zwischen Villingen und Pfaffenweiler, für Franciszek Zdrojewski und Józef Wójcik bei Ichenheim in der Gemeinde Neuried und für Marian Grudzień, Józef Krakowski und Brunon Orczyński nahe Rütte bei Herrischried. − Vgl. z. B. auch den Fall Walerian Wróbel. Die Namen der auf dem Gebiet der heutigen Regierungsbezirke Freiburg und Tübingen damals von der Geheimen Staatspolizei ermordeten Polen stehen in Grausam 2018, S. 387f..

Bibliographie

alphabetisch

  • Hans A. Graef: Denkmal zur Herstellung der Würde von Czesław Trzciński. In: Deutsch-Polnische Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland (Hrsg.): Polen und wir. Zeitschrift für deutsch-polnische Verständigung, Nr. 4/2010, S. 18–19. PDF
  • Hans A. Graef: Denkmal zur Herstellung der Würde von Czesław Trzciński. In: „Gegen Vergessen – Für Demokratie“, Nr. 66, November 2010, S. 28.
  • Udo Grausam: Besuch und Gegenbesuch im Gedenken an Czesław Trzciński. In: „Gegen Vergessen – Für Demokratie“, Vereinszeitschrift Nr. 64, Mai 2010, S. 28–30.
  • Udo Grausam: Eugen Weber: „Dass Angehörige der Gestapo schwer misshandelt worden sind“. In: Wolfgang Proske (Hrsg.): NS-Belastete aus dem Norden des heutigen Baden-Württemberg, Kugelberg Verlag: Gerstetten 2018, S. 384–396. (=Täter Helfer Trittbrettfahrer, Band 8) ISBN 978-3-945893-09-8.
  • Oonagh Hayes: Gedenken anstoßen? Warum am Gräberfeld X (der Opfer) gedacht wird. In: Ludger M. Hermanns/Albrecht Hirschmüller (Hrsg.): Vom Sammeln, Bedenken und Deuten in Geschichte, Kunst und Psychoanalyse. Gerhard Fichtner zu Ehren, frommann-holzboog Verlag e.K.: Stuttgart-Bad Cannstatt 2013, S. 37–60. (=Jahrbuch der Psychoanalyse, Beiheft 25) ISBN 978-3-7728-2640-5.
  • Gerd Keller; Graham Wilson: Konzentrationslager Welzheim. Zwei Dokumentationen über das Konzentrationslager mit einem Vorwort von Alfred Hausser, Welzheim o. J. (nach 1988).
  • Otfried Kies: Ein Opfer der Nazis im Zabergäu: der Pole Aleksander Krześciak. In: Heimatblätter aus dem Zabergäu. Zeitschrift des Zabergäuvereins, Heft 3, Jahrgang 2013, S. 1–6.
  • Roland Maier: Gottfried Mauch. Der Schrecken der Zwangsarbeiter. In: Hermann G. Abmayr (Hrsg.): Stuttgarter NS-Täter. Vom Mitläufer bis zum Massenmörder, Schmetterling Verlag: Stuttgart 2009, S. 140–145. ISBN 978-3-896571-36-6.
  • Friedrich Schlotterbeck: Je dunkler die Nacht, desto heller die Sterne. Erinnerungen eines deutschen Arbeiters 1933–1945. Mit einem Nachwort von Christa Wolf, Gabriele Walter Verlag: Stuttgart 1986, ISBN 3-925440-10-0 [erste Veröffentlichungen: Europa-Verlag: Zürich 1945 u. Dietz Verlag: Berlin 1948].
  • Benigna Schönhagen: Das Gräberfeld X. Eine Dokumentation über NS-Opfer auf dem Tübinger Stadtfriedhof. Tübingen 1987 (=Kleine Tübinger Schriften; Heft 11).
  • Weitere Hinweise auf Gedenkzeichen und Namen von Ermordeten in der Broschüre des Denkstättenkuratoriums NS-Dokumentation Oberschwaben (Hrsg.): Denkorte an oberschwäbischen Erinnerungswegen in den Landkreisen Bodenseekreis und Sigmaringen. 2012.

Weblinks

Commons: Czesław Trzciński – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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Czesław Trzciński mit seinem Chef und Arbeitskollegen
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Luftbild der US-amerikanischen Luftaufklärung: Gegend zwischen Rappach und Schwabbach. Das Bild ist vermutlich eingenordet, d. h. oben=Norden, unten=Süden. Rechts unterhalb der Bildmitte ist der Geländeeinschnitt Schindersklinge erkennbar. Durch die obere Hälfte des Bildes verläuft in einem von links nach rechts ansteigenden Bogen die Trasse der damals im Bau befindlichen Reichsautobahn Heilbronn – Nürnberg. In der linken Bildhälfte verläuft die Straße Schwabbach (oben) – Rappach (unten, außerhalb des Bildes). Die Bebauung von Rappach reicht heute von Süden her bis an den Rand der Schindersklinge.
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Namenstafel 6 auf dem Gräberfeld X des Stadtfriedhof Tübingen.
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Auszug aus dem Gefangenenbuch des Amtsgerichtsgefängnisses Schorndorf mit den Angaben über die Aufnahme und die Weiterleitung von Czesław Trzciński vom 27. Oktober 1942 (Staatsarchiv Ludwigsburg, Signatur F299 Band 68)
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