Cro-Magnon-Mensch

Schädel Cro-Magnon I („alter Mann von Cro-Magnon“)

Cro-Magnon-Mensch (ˌkroːmaˈɲɔ̃) ist eine – in der europäischen Forschungstradition begründete – Bezeichnung für den anatomisch modernen Menschen (Homo sapiens) des westlichen Eurasiens, der während der letzten Kaltzeit lebte. Als Epoche der Cro-Magnon-Menschen gilt die Zeitspanne vom ersten Nachweis von Homo sapiens in Europa vor annähernd 45.000 Jahren bis zum Übergang vom Pleistozän zum Holozän vor etwa 12.000 Jahren.[1]

Die früher gehegte Vermutung, der Cro-Magnon-Mensch sei ein evolutionäres Bindeglied zwischen Neandertaler und modernem Homo sapiens, gilt seit Mitte der 1970er-Jahre als widerlegt, und zwar u. a. aufgrund von anatomischen Merkmalen, die Neandertaler und modernen Homo sapiens trennscharf unterscheiden.[2] In jüngerer Zeit wurde dies anhand genetischer und archäologischer Merkmale bestätigt (vergl. Europäer). „Cro-Magnon-Mensch“ bezeichnet demnach weder eine Art noch eine Unterart.

Typusexemplar Cro-Magnon I

Der Holotyp Cro-Magnon I war der erste von fünf Schädeln und postcranialen Skelettresten, die 1868 durch Louis Lartet, den Sohn von Édouard Lartet, im Abri de Cro-Magnon (Dordogne) bei Ausgrabungen entdeckt wurden.[3][4] Jean Louis Armand de Quatrefages und Ernest Hamy beschrieben auf Basis dieser Funde erstmals 1874 eine „Cro-Magnon-Rasse“.[5] 1877 erfolgte eine vergleichende Darstellung im Buch L’Espèce humaine (Die menschliche Spezies).[6]

Die Bezeichnung ‚Cro-Magnon‘ ist abgeleitet vom okzitanischen Wort cro („Vertiefung“, „Mulde“) sowie von Magnon, dem Familiennamen des ehemaligen Geländebesitzers.

Versuche im späten 20. Jahrhundert, die Menschenreste mittels 14C-Methode direkt zu datieren, scheiterten entweder am zu geringen Kollagengehalt oder an der Tatsache, dass die postcranialen Skelettteile in den Sammlungsbeständen des Musée de l’Homme nicht mehr eindeutig den Schädeln zuzuordnen sind. So wurden die Gräber bislang nur indirekt durch die Beigaben datiert: Eine durchbohrte Meeresschnecke (Littorina littorea), die als Teil einer Halskette einem der Gräber von Cro-Magnon zuzuordnen ist, wurde mit der AMS-Methode auf 27.680 ± 270 BP (Beta 157439) datiert.[7][8] Damit stammen auch die Menschenreste wahrscheinlich aus dem Gravettien, sofern – zum derzeitigen Publikationsstand – keine Störungen des Befundzusammenhangs in Betracht gezogen werden. Da das Gravettien als archäologische Kultur erst um die Mitte des 20. Jahrhunderts etabliert wurde, entspricht es der alten Klassifikation des Oberen Aurignacien und nicht – wie ursprünglich für die Menschenreste von Cro-Magnon angenommen wurde – dem älteren Aurignacien typique.

1899 wurde das Fossil Cro-Magnon I von Georges Vacher de Lapouge als Typusexemplar für die von ihm vorgeschlagene Art Homo spelaeus („Höhlenmensch“) benannt.[9]

Fossilbericht

_ Position des Cro-Magnon-Menschen im Stammbaum der Gattung Homo

Die drei ältesten gefundenen Fossilien des Cro-Magnon-Menschen (im Sinne des europäischen Homo sapiens) stammen aus der Batscho-Kiro-Höhle in Bulgarien, 46.790–42.810 Jahre cal BP,[10] der Grotta del Cavallo (Apulien, 45.000–43.000 cal BP)[11] und aus Kents Cavern (England, 44.200–41.500 cal BP).[12]

Etwas jünger sind die Knochenfunde aus einer Höhle in Rumänien (Peștera cu Oase):[13] Für den Unterkiefer Oase 1 wurde 2003 ein Alter von rund 40.500 Kalenderjahren (Radiokohlenstoffdatierung, kalibriert) berechnet,[14][15] für den Schädel Oase 2 rund 35.000 BP[16] (was kalibriert ebenfalls ein Alter von rund 40.000 Jahren ergibt); 2020 wurde für Oase 1 eine Neuberechnung publiziert, die für das Fossil ein Alter von 41.770 bis 37.310 Jahren in kalibrierten Kalenderjahren (cal BP) ergab.[17]

Weitere Menschenreste, die älter als 30.000 BP datieren, stammen von Mladeč in Mähren (zirka 31.000 BP)[18][19] und Kostenki am Don (39.000–37.000 cal BP).[20][21] Zwei morphologische Varianten der Menschen des Jungpaläolithikums – eine hochwüchsige und eine grazile – lassen sich deutlich unterscheiden. Die Menschen der Grotte des Enfants 4, Barma Grande 5, Předmosti 3, Pavlov und Sungir 1 gehörten dem sehr hochwüchsigen Typus an, diejenigen von Arene Candide 2, 3, 5 und Riparo Continenza dem ausgesprochen grazilen.[22][23] Eine Mittelstellung nehmen der Cro-Magnon 2, Předmosti 9, Předmosti 14, Paviland, Ohalo 2, und Wadi Kubbaniya ein und, etwas kleiner, die Menschen von Předmosti 5, Arene Candide 12, Riparo Continenza und das weit jüngere Skelett aus der bayerischen Klausenhöhle (zirka 18.000 BP). Von einigen Bearbeitern wird daher der Cro-Magnon-Typ dem Brünn-Typ (früher: Brünn-Rasse) gegenübergestellt.[24][25]

Am Skelett Paglicci 23 aus der Paglicci-Höhle (Italien) wurde die Cambridge reference sequence der mtDNA eines Cro-Magnon-Menschen erstellt.[26] Eine weitere mtDNA-Sequenz liegt vom Grab aus Kostenki 14 vor, das der Haplogruppe U2 angehört.[27] Im Jahre 2013 wurde das Genom des etwa 24.000 Jahre alten Jungen aus Malta in Sibirien publiziert.[28]

Lange Zeit galt die Zuordnung des 1909 entdeckten Grabes von Combe Capelle[29] zum Châtelperronien als gesichert, da Artefakte in der Umgebung des Skeletts als Grabbeigaben interpretiert wurden.[30] Im Jahre 2011 wurden neue AMS-Daten bekannt, die die Bestattung wesentlich jünger ins Mesolithikum datieren.[31]

Werkzeugfunde aus Willendorf, Österreich, die den Cro-Magnon-Menschen zugeschrieben werden, wurden auf ein Alter von 43.500 Jahren cal BP datiert.[32]

Laut einer Berechnung von Isabell Schmidt und Andreas Zimmermann (Universität zu Köln) aus dem Jahr 2019 lebten in der Zeitspanne von etwa 42.000 bis etwa 33.000 Jahren vor heute (cal BP) maximal rund 3300 Individuen in West- und Mitteleuropa.[33] „Nur fünf Gebiete in Europa hatten nach diesen Schätzungen überhaupt eine überlebensfähige Population von etwa 150 Personen oder mehr: Nordspanien, Südwestfrankreich, Belgien, Teile Tschechiens und der obere Donauraum. Dass die Zentren dieser lebensfähigen Populationen etwa 400 Kilometer voneinander entfernt waren, ist ein europaweit einheitliches Muster.“[34] Daneben seien noch weitere Gebiete Europas zumindest zyklisch – während bestimmter Jahreszeiten – besiedelt gewesen. Es habe sich um „hochmobile Jäger-Sammler Gruppen“ gehandelt, „die regelmäßig Distanzen von 200 km zurücklegten und zudem an verschiedene Habitate angepasst waren.“

Die 2022 erfolgte Zuschreibung eines in der Grotte Mandrin (Département Drôme, Südfrankreich) einzeln gefundenen, stark beschädigten Zahns, der auf 56.800 bis 51.700 Jahre (cal BP) datiert wird, zu Homo sapiens, ist umstritten.[35]

Beschreibung

Homo sapiens ist als Taxon vor zirka 200.000 bis 150.000 Jahren in Afrika entstanden (siehe archaischer Homo sapiens). Die Verwendung des Begriffs Cro-Magnon-Mensch im Sinne einer Chronospezies ist weder mit anatomischen Merkmalen noch aufgrund der Untersuchung alter DNA haltbar. Trotz eines sogenannten genetischen Flaschenhalses der Homo-sapiens-Populationen während der letzten Eiszeit konnte in einer 2011 publizierten Studie am menschlichen Genom nachgewiesen werden, dass ein genetischer Austausch der Populationen in Europa, Asien und Afrika bis vor etwa 40.000 bis 20.000 Jahren stattfand.[36]

Cro-Magnon-Menschen waren Jäger und Sammler und lebten überwiegend nomadisch. Viele Fundstellen zeigen lediglich kurzfristige oder über einen längeren Zeitraum jeweils saisonal genutzte Lagerplätze des Menschen an. Länger als ein Jahr wahrscheinlich permanent besiedelte Lagerplätze sind frühestens seit dem Gravettien bekannt, zum Beispiel in Dolní Věstonice und Pavlov (beide Mähren).

Eine Anfang 2013 publizierte Studie zur Genetik der Pigmentation der Haut ergab Anhaltspunkte dafür, dass die Erstbesiedler des Homo sapiens in Europa vermutlich dunklere Haut als heutige Mitteleuropäer hatten. Laut den Forschern war die Hautfarbe der frühen Europäer noch etwas dunkler als bei heutigen Nordafrikanern (etwa den Berbern).[37][38] 2017 erbrachte eine verfeinerte Genanalyse Hinweise darauf, dass auch die für helle Hautfarbe codierenden Gene ihren Ursprung bereits in Afrika hatten, da die relativ hellhäutigen San in Südafrika die gleichen Varianten der Gene HERC2 und OCA2 besitzen, die mit der hellen Haut- und Augenfarbe der Europäer in Verbindung gebracht werden.[39] In einem Begleitartikel in der Fachzeitschrift Science wurde erwogen, dass die aus Afrika ausgewanderten Menschen sowohl Genvarianten für helle als auch für dunkle Hauttönung besaßen und dass die dunklen Varianten später in Eurasien verloren gingen.[40]

Aussterben der Neandertaler

Schädel eines Cro-Magnon-Menschen, Museo civico di Scienze Naturali, Mailand

Der europäische Cro-Magnon-Mensch tritt in seiner materiellen Kultur als Träger des Jungpaläolithikums mit der Klingenkultur des Aurignaciens in Erscheinung. Diese ist mit dem Ahmarien im Vorderen Orient bereits einige Tausend Jahre früher als in Mitteleuropa nachgewiesen. Wahrscheinlich drangen moderne Menschen erstmals vor etwa 42.000 bis 40.000 Jahren (kalibriert, BP) nach Europa vor. Einen starken Bevölkerungsrückgang gab es während des Kältemaximums der Weichseleiszeit (bzw. Würmeiszeit im alpinen Raum) vor etwa 22.000 bis 18.000 Jahren.[41]

Das Aussterben der Neandertaler vor mehr als 35.000 Jahren ist Gegenstand zahlreicher Theorien. 2012 wurde eine Studie der aDNA von Neandertalern veröffentlicht, die nahelegt, dass bereits vor dem Auftreten anatomisch moderner Menschen in Europa eine starke Ausdünnung der Neandertaler-Population erfolgt war, was auf Umwelt- und andere Stressfaktoren zurückgeführt wird.[42] Die geringe Nachweisbarkeit von Neandertalern jünger als 40.000 BP wird durch die Neubewertung von 14C-Datierungen gestützt. Daten ohne Probenaufbereitung mit Ultrafiltration seien nach Ansicht von Forschern der CalPal-Arbeitsgruppe nur als Minimalalter anzusehen.[43][44] Demnach markieren die Fossilien aus der kaukasischen Mesmaiskaja-Höhle (39.700 ± 1.100 BP) sowie aus der kroatischen Vindija-Höhle die jüngsten Neandertalerfunde mit gesicherter 14C-Datierung.

Jüngere Rekonstruktion eines frühen Europäers im Neanderthal-Museum nach den Funden aus der Höhle Peștera cu Oase (Rumänien). Eine Untersuchung der DNA hat jedoch ergeben, dass die Population von Peștera cu Oase (Oase 1 und 2) genetisch noch zwischen Ostasiaten und Europäern stand und keinen wesentlichen Beitrag zu späteren Menschen in Europa geleistet hat.[45]

Obwohl im Genom anatomisch moderner Menschen Eurasiens ein Anteil von bis zu 4 % Neandertaler-spezifischer Gene festgestellt wurde,[46] gilt dies für taxonomische Fragen als unerheblich.

  • Allerdings erbrachten in den Jahren 2013 bis 2015 durchgeführte genanalytische Untersuchungen an den Homo-sapiens-Funden von Peștera cu Oase in Rumänien und Ust-Ischim in Sibirien weitere Erkenntnisse zum Thema Hybridisierung: In beiden Fossilien wurde Neandertaler-DNA nachgewiesen.[47]
  • Im Falle des Unterkiefers von Oase1 wurde ein Anteil von 5 bis 11 Prozent an DNA-Abschnitten des Neandertalers nachgewiesen und geschätzt, dass die Hybridisierung vier bis sechs Generationen vor Datierung der Fundlage (40.000 vor heute) stattgefunden hat – auch wenn es sich anscheinend um eine Linie ohne heute nachweisbare Nachkommen handelt.[48] Beim Fund von Ust-Ischim wurde ein Anteil von 2 Prozent an Neandertaler-DNA festgestellt. Der Zeitpunkt des Genflusses wurde auf rund 7.000 bis 13.000 Jahre vor Lebzeiten des Individuums (vor ca. 45.000 Jahren) datiert – mit genetischer Nähe zu den in Eurasien lebenden Menschen.[49]
  • Auch wenn die Studien nichts darüber aussagen, ob der Genfluss im Umfeld der Fundstellen erfolgt ist oder die Hybriden aus entfernteren Gebieten zugewandert sind, belegen sie doch, dass Verpaarungen zwischen Neandertaler und Cro-Magnon-Mensch (bzw. frühem Eurasischen Homo sapiens) nicht nur in der Levante, sondern auch im Osten Europas und in Sibirien stattgefunden haben.[50]

Die Vermutung, dass die Cro-Magnon-Menschen, von Südosten kommend, die „kältegewohnten“ Neandertaler in der Zeit vor diesem Temperaturminimum in nördliche Refugien abgedrängt hätten, scheint jedoch irrig, da Neandertaler kurz vor ihrem Aussterben nur noch in Südeuropa nachgewiesen sind, während Siedlungsplätze der Cro-Magnon-Menschen vielfach nördlich der Alpen belegt sind. In Westeuropa befand sich ein früher Siedlungsraum von Cro-Magnon-Menschen in Südfrankreich und Nordspanien, während die Neandertaler den Süden der Iberischen Halbinsel bis nach Gibraltar besiedelten. In Osteuropa ergibt sich ein ähnliches Bild mit relativ nördlich gelegenen Fundorten moderner Menschen bei Kostenki am Don aus dem Early Upper Palaeolithic (EUP). Zu dieser Zeit lagen die bislang erwiesenen Siedlungsgebiete der Cro-Magnon-Menschen im Grenzgebiet zwischen Tundren-, Kaltsteppen- und Nadelbaumvegetation, während die Neandertaler im wärmeren Grenzgebiet zwischen Nadel- und Laubbaumvegetation siedelten.

Ernährung

Untersuchungen stabiler Isotope (13C- und 15N-Gehalt) im Kollagen der Knochen von Cro-Magnon-Menschen konnten zeigen, dass sich das Nahrungsangebot im Vergleich zu den Neandertalern vervielfältigt hat. Während Neandertaler überwiegend das Fleisch großer Pflanzenfresser verzehrten,[51] ist bei Cro-Magnon-Menschen des mittleren Jungpaläolithikums (Gravettien) ein erhöhter Anteil von Fischen und Muscheln gemessen worden.[52][53][54] Einen prominenten Fall stellt die Analyse am „Prinzen“ aus der Höhle Arene Candide (bei Finale Ligure) dar. Bei diesem Jugendlichen (Datierung 23.440 + 190 BP) konnte Ernährung mit Fischarten aus dem Mittelmeer nachgewiesen werden, die heute nur noch im Atlantik vorkommen.[55] Der Anteil von Fisch an der Gesamtdiät wird mit 20 bis 25 % beziffert. Ernährung mit einem hohen Anteil von Großwild und Fisch (Lachse) wurde auch bei der Magdalénien-Bestattung einer Frau von Saint-Germain-de-la-Rivière festgestellt.[56]

Bei den britischen Fundplätzen Gough’s Cave und Sun Hole Cave aus dem spätpaläolithischen Creswellien lag der Anteil mariner Ressourcen (Fisch, Muscheln) bei etwa 30 %.[57] Dasselbe gilt für den spanischen Fundplatz Balma Guilanyà im südöstlichen Vorland der Pyrenäen.[58]

Archäologische Kulturen

Kratzer, Abri Cro-Magnon (Sammlung Louis Lartet, Museum Toulouse).

Mit dem Auftreten des „modernen Menschen“ beginnt zugleich die Periode des Jungpaläolithikums. Während die Koexistenz mit dem Neandertaler meist auf zirka 10.000 Jahre zwischen 40.000 und 30.000 Jahre beziffert wird,[59] deuten 14C-Daten unter Einbeziehung von Kalibrationsmodellen nur eine recht kurze Koexistenz von Werkzeugkulturen später Neandertaler und des frühen Jungpaläolithikums in einem Zeitfenster von zwei- bis dreitausend Jahren an.[60][61]

Die Werkzeuge und Waffen der Cro-Magnon-Menschen des Aurignacien waren denjenigen der letzten Neandertaler (Szeletien, Châtelperronien bis etwa 35.000 BP) nicht signifikant überlegen, weisen jedoch spezifisch neue Merkmale auf. Eine wechselseitige Beeinflussung der materiellen Kultur (Steinwerkzeuge, Schmuck) wird diskutiert, kann jedoch nur im Fall der Typuslokalität Châtelperron (Département de l’Allier) durch Interstratifikation der Schichten belegt werden.[62][63]

Mit dem Gravettien ist eine erhebliche technische Verfeinerung der Artefakte des Cro-Magnon-Menschen zu verzeichnen, wie das Einkleben von Rückenmessern in Speere, die spätestens seit dem Solutréen mit Speerschleudern abgeworfen wurden. Die Speerschleuder war im Magdalénien Südwesteuropas massenhaft verbreitet und zu dieser Zeit die wichtigste Jagdwaffe. Am Ende des Jungpaläolithikums ist mit zunehmender Bewaldung erstmals der Bogen als Waffe nachgewiesen.

Kunst

Während beim Neandertaler dekorativ-künstlerische Hinterlassenschaften bis dato als Ausnahme in Erscheinung getreten sind (Steinkreise in der Höhle von Bruniquel), entwickelte der Cro-Magnon-Mensch erste Werke der bildenden Kunst.[64] Das betrifft einerseits die Felsbilder (Höhlenmalerei, Felsmalerei und Petroglyphen), andererseits die jungpaläolithische Kleinkunst (zum Beispiel so genannte Venusfigurinen).

Die ältesten Höhlenmalereien von Cro-Magnon-Menschen sind aus der Zeit des Aurignacien und evtl. aus der zuvor liegenden Epoche des Moustérien bekannt (El-Castillo-Höhle, Chauvet-Höhle); meistens handelt es sich dabei um Tierdarstellungen.[65] Zur selben Zeit treten Petroglyphen (Felsritzungen) auf (La Ferrassie, Höhle von Pair-non-Pair). Der quantitative Höhepunkt der Felsbildkunst wurde im Magdalénien erreicht (zum Beispiel Höhle von Lascaux, Höhle von Altamira).

Die jungpaläolithische Kleinkunst ist sehr vielfältig. Überliefert sind zum Beispiel Schnitzereien aus Mammutelfenbein, Geweih, Knochen und schnitzfähigem Gestein (Steatit, Kalkstein).[66] Kunstwerke aus anderen organischen Materialien (zum Beispiel Holz) waren wahrscheinlich ebenfalls in Gebrauch, sind archäologisch aber nicht nachweisbar. Auf Tätowierung und/oder Körperbemalung kann aus den oberflächigen Verzierungen einiger figürlicher Darstellungen geschlossen werden. Als mögliche Beispiele können Kerbmuster auf dem Oberarm des Löwenmenschen vom Hohlenstein-Stadel oder der Venus vom Hohlefels angeführt werden. Die Interpretation ist hier insofern unsicher, als auch gleich alte Tierfiguren aus der Vogelherdhöhle und dem Geißenklösterle solche Ornamente aufweisen. Sofern es sich um Totem-Darstellungen handelt, wäre die Übertragung menschlicher Merkmale jedoch plausibel.[67][68]

Kulturen des Cro-Magnon-Menschen im Jung-Paläolithikum – Fund-Darstellung der Hybridisierung mit Neandertalern in Europa und Sibirien – Ende der Cro-Magnon-Periode mit Auslaufen der Höhlenkunst-Kultur im Magdalènien.

Neben der bildenden Kunst sind aus der Zeit des Aurignacien auch die ältesten Musikinstrumente bekannt. Dabei handelt es sich um Flöten aus Tierknochen.

Höhepunkt und Ende der Cro-Magnon-Phase

Während des letzten Kältemaximums (in Norddeutschland als Brandenburg- bzw. Frankfurt-Phase vor ca. 25.000 bis 20.000 Jahren bezeichnet), glich Europa bis in das Gebiet des heutigen Südfrankreichs einer baumlosen Tundra. Die Temperaturen lagen um 5 bis 13 °C niedriger als heute. Der Meeresspiegel lag um etwa 120 m tiefer als jetzt, Gletscher erstreckten sich mit ihren bis zu 3000 m dicken Eisschilden teilweise bis nach Mitteleuropa. Im Süden waren die Alpen bis ins Vorland vergletschert, auch die Pyrenäen. Der Raum zwischen dem nördlichen Eisschild und den Alpen war wie heute in Sibirien von Permafrost­böden gekennzeichnet.[69][70]

In der Jüngeren Dryaszeit (ca. 12.000 vor heute) ging die mittlere Jahrestemperatur nochmals stark zurück. Zu dieser Zeit waren die Höhlenkunst und die Kleinkunst (Venusfiguren) des Cro-Magnon-Menschen bereits im Niedergang begriffen. Es herrschte ein großer Mangel an Nahrung und die Bevölkerungsdichte ging allmählich zurück. Am Ende dieser Phase waren weite Teile Mitteleuropas vom Homo sapiens verlassen.[71]

Erst mit dem Einzug der neolithischen Wirtschaftsweise in Mitteleuropa wurden die wildbeuterisch lebenden Cro-Magnon-Menschen, die im nacheiszeitlichen Mesolithikum genetisch noch fortbestanden, durch eingewanderte neue Populationen abgelöst, was durch Untersuchungen der mtDNA plausibel gemacht werden kann.[72] Demzufolge entstammen die spätglazialen und holozänen europäischen Wildbeuter des Mesolithikums überwiegend der Haplogruppe U, während bei frühneolithischen wie auch heutigen europäischen Menschen die Haplogruppe H dominiert.[73] Beim geographisch unscharf definierten Begriff des Cro-Magnon-Menschen als eiszeitlichem, europäischem Typen lässt sich daraus zwar ableiten, dass es in Mitteleuropa einen Bevölkerungswandel gab. Dieser bezieht sich jedoch nur auf Populationen des modernen Menschen, deren Haplogruppen aus Skelettmaterial der letzten 20.000 Jahre rekonstruiert wurden.

Siehe auch

Literatur

  • Yaping Shao et al.: Reconstruction of human dispersal during Aurignacian on pan-European scale. In: Nature Communications. Band 15, Artikel-Nr. 7406, 2024, doi:10.1038/s41467-024-51349-y, Zusammenfassung (englisch).
  • Hannes Rathmann et al.: Human population dynamics in Upper Paleolithic Europe inferred from fossil dental phenotypes. In: Science Advances. Band 10, Nr. 33, 2024, doi:10.1126/sciadv.adn8129 (freier Volltext, deutsche Zusammenfassung).
  • Friedemann Schrenk: Die Frühzeit des Menschen. Der Weg zum Homo sapiens (= Beck’sche Reihe. 2059). C. H. Beck, München 1997, ISBN 3-406-41059-6, S. 114.
  • Henri-Victor Vallois: La Découverte des hommes de Cro-Magnon, son importance anthropologique. In: L’homme de Cro-Magnon. Anthropologie et archéologie. 1868–1968. Avant-propos de Gabriel Camps et Georges Olivier. Arts et métiers graphiques, Paris 1970, S. 11–20.
Commons: Cro-Magnon-Mensch – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. www.talkorigins.org
  2. Chris Stringer: Population relationships of later Pleistocene hominids: A multivariate study of available crania. In: Journal of Archaeological Science. Band 1, Nr. 4, 1974, S. 317–342, doi:10.1016/0305-4403(74)90051-X.
  3. Louis Lartet: Une sépultre des Troglodytes du Périgord (crânes des Eyzies). In: Bulletins de la Société d’Anthropologie de Paris. Band 3, 1868, S. 335–49.
  4. Louis Lartet: Mémoire sur une sépulture des anciens troglodytes de Périgord. In: Annales des sciences naturelles II Zoologie. 5ème Série, X, 1868.
  5. Jean Louis Armand de Quatrefages, Ernest Hamy: La race de Cro-Magnon dans l’espace et dans le temps. In: Bulletins de la Société d’Anthropologie de Paris. Band 9, 1874, S. 260–266.
  6. Jean Louis Armand de Quatrefages, Ernest Hamy: L’Espèce humaine. 1877.
  7. D. Henry-Gambier, R. W. White: New chrono-cultural data on the Cro-Magnon and Combe-Capelle human remains (Dordogne, France): consequences for the biocultural origins of modern humans in Europe. In: Annual Meetings of the Paleoanthropology Society. Tempe, Arizona 2003.
  8. D. Henry-Gambier: Les fossiles de Cro-Magnon (Les Eyzies-de-Tayac, Dordogne): Nouvelles donnees sur leur Position chronologique et leur attribution culturelle. In: Bull. et Mém. de la Société d’Anthropologie de Paris. Band 14, 2002, S. 89–112.
  9. Georges Vacher de Lapouge: L'Aryen, son rôle social. Cours libre de science politique, professé à l'Université de Montpellier (1889–1890). Ancienne Librairie Thorin et Fils, Paris 1899, S. 178, Digitalisat.
  10. Jean-Jacques Hublin, Nikolay Sirakov, Vera Aldeias et al.: Initial Upper Palaeolithic Homo sapiens from Bacho Kiro Cave, Bulgaria. In: Nature. Band 581, Nr. 7808, 2020, S. 1–4, doi:10.1038/s41586-020-2259-z.
  11. Stefano Benazzi et al.: Early dispersal of modern humans in Europe and implications for Neanderthal behaviour. In: Nature. Band 479, 2011, S. 525–528, doi:10.1038/nature10617.
  12. Tom Higham et al.: The earliest evidence for anatomically modern humans in northwestern Europe. In: Nature. Band 479, 2011, S. 521–524, doi:10.1038/nature10484.
  13. Erik Trinkaus: European early modern humans and the fate of the Neandertals. In: PNAS. Band 104, 2007, S. 7367–7372, doi:10.1073/pnas.0702214104.
  14. Erik Trinkaus et al.: Early modern human cranial remains from the Peștera cu Oase, Romania. In: Journal of Human Evolution. Band 45, 2003, S. 255–259, doi:10.1016/j.jhevol.2003.08.003.
  15. Erik Trinkaus et al.: An early modern human from Peștera cu Oase, Romania. In: PNAS. Band 100, Nr. 20, 2003, S. 11231–11236, doi:10.1073/pnas.2035108100.
  16. Hélène Rougier et al.: Peștera cu Oase 2 and the cranial morphology of early modern Europeans. In: PNAS. Band 104, Nr. 4, 2007, S. 1165–1170, doi:10.1073/pnas.0610538104.
  17. Johannes van der Plicht et al.: Recent developments in calibration for archaeological and environmental samples. In: Radiocarbon. Online-Veröffentlichung vom 21. April 2020, doi:10.1017/RDC.2020.22.
  18. E. M. Wild, M. Teschler-Nicola, W. Kutschera, P. Steier, E. Trinkaus, W. Wanek: Direct dating of Early Upper Palaeolithic human remains from Mladeč. In: Nature. Band 435, 2005, S. 332–335 doi:10.1038/nature03585.
  19. Zur Datierung von Mladeč.
  20. Rob Dinnis et al.: New data for the Early Upper Paleolithic of Kostenki (Russia). In: Journal of Human Evolution. Band 127, 2019, S. 21–40, doi:10.1016/j.jhevol.2018.11.012.
  21. A. A. Sinitsyn, P. Allsworth-Jones, R. A. Housley: Kostenki 14 (markina gora): New AMS dates and their significance within the context of the site as a whole. In: Prehistoire Europeene. 1996, S. 269–271.
    A. A. Sinitsyn: Kostenki 14 (markina gora): Data, problems, and perspectives. In: Prehistoire Europeene. 1996, S. 273–313.
  22. Paul B. Pettitt, M. Richards, R. Maggi and V. Formicola: The Gravettian burial known as the Prince („Il Principe“): new evidence for his age and diet. In: Antiquity. Band 77, Nr. 295, 2003, S. 15–19.
  23. K. Absolon, B. Klíma: Předmosti. Ein Mammutjägerplatz in Mähren. In: Fonte Archaeologiae Moraviae. VIII (Praha), 1977.
  24. E. Vlček: Relations morphologiquies des types humains fossiles de Brno et Cro-Magnon au Pleistocene Supérieur d’Europe. In: G. Camps, G. Olivier (Hrsg.): L’Homme de Cro-Magnon. Arts et Métiers Graphiques. Paris, 1970, S. 59–72.
  25. Martin Oliva: The Brno II Upper Palaeolithic burial. In: Wil Roebroeks, Margherita Mussi, J. Svoboda, K. Fennema (Hrsg.): Hunters of the Golden Age. Kolloquium Pavlov. Annalecta Praehistorica Leidensia 31. Leiden. 2000, S. 143–154.
  26. David Caramelli et al.: A 28,000 years old Cro-Magnon mtDNA sequence differs from all potentially contaminating modern sequences. In: PLOS ONE. Band 3, Nr. 7, e2700 (2008), doi:10.1371/journal.pone.0002700.
  27. Johannes Krause et al.: A complete mtDNA genome of an early modern human from Kostenki, Russia. In: Current Biology. Band 20, Nr. 3, 2010, S. 231–236, doi:10.1016/j.cub.2009.11.068.
  28. Maanasa Raghavan, Pontus Skoglund et al.: Upper Palaeolithic Siberian genome reveals dual ancestry of Native Americans. In: Nature. Band 505, 2014, S. 87–91, doi:10.1038/nature12736.
  29. H. Klaatsch, O. Hauser: Homo Aurignaciensis Hauseri – Ein paläolithischer Skelettfund aus dem unteren Aurignacien der Station Combe Capelle bei Montferrand (Périgord). In: Prähistorische Zeitschrift I. Band 3, Nr. 4, 1910, S. 273–338.
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Homo sapiens fossilis Francia milano.JPG
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Milan, Italy. Replica Cro-Magnon 1.
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evolution of Homo - lumper version; highlighted: era of Cro Magnon
Cro-Magnon.jpg
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crâne de l'un des individus de l'abri de Cro-Magnon (Cro-Magnon 1), moulage vitrine du Musée de l'Homme, Paris
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Mehrere Ansichten des gleichen Exemplars.
Homo sapiens sapiens, Oase, Rumänien (Daniela Hitzemann).jpg
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EiszeitSteinzeit4.png
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Kulturstufen des Cro-Magnon-Menschen im Jung-Paläolithikum bis zum Übergang ins Mesolithikum