Coupe de France 1944/45

Der Wettbewerb um die Coupe de France in der Saison 1944/45 war die 28. Ausspielung des französischen Fußballpokals für Männermannschaften. In diesem Jahr meldeten lediglich 510 Vereine; der bisherige Rekord lag bei 778 Teilnehmern (1940). Es war die letzte der insgesamt sieben Spielzeiten – fünf davon während des Zweiten Weltkriegs –, in der der Wettbewerb unter dem Namen Coupe Charles Simon stattfand.

In der zweiten Jahreshälfte 1944, insbesondere seit der Landung der Alliierten an der französischen Kanalküste (6. Juni), war Frankreich Kampfgebiet. Dies beeinträchtigte die Austragung des Wettbewerbs stark, auch über den Zeitpunkt der Befreiung von Paris (25. August) hinaus. Zwar verlagerte sich das noch unter deutschem (bzw. italienischem) Einfluss stehende Gebiet relativ schnell in östlicher Richtung und verkleinerte sich dabei. Aber noch Anfang Januar 1945 mussten mit Racing Strasbourg und dem FC Mulhouse zwei Mannschaften ihre Spiele des Zweiunddreißigstelfinales absagen, weil es ab Mitte Dezember 1944 zu einer Gegenoffensive der deutschen Streitkräfte gekommen war, in deren Folge lokal – wie etwa im mittleren Elsass, nahe Colmar – noch bis in den Februar 1945 hinein militärische Brückenköpfe der Wehrmacht existierten. Das Endspiel um die Coupe de France fand nur wenige Stunden vor der deutschen Kapitulation und keine 150 km vom Ort ihrer Unterzeichnung (Reims) entfernt statt. Zudem standen weiterhin zahlreiche junge Männer unter Waffen und waren beispielsweise ab April 1945 am Vorstoß der französischen Armee in die Pfalz, nach Baden und Württemberg beteiligt. Die Fußballspieler unter ihnen standen ihren Mannschaften mithin nur sehr eingeschränkt zur Verfügung.

Einen Pokalverteidiger im engeren Sinne gab es nicht, weil in der Vorsaison die Profivereine bzw. deren Spieler städteweise in sogenannten „Équipes fédérales“ (Regionalauswahlen) zusammengefasst worden waren; dieses einjährige, auf Weisung der Vichy-Regierung erfolgte Experiment wurde 1944/45 wieder aufgegeben. Die Spieler der 1944 siegreichen ÉF Nancy-Lorraine waren im Wesentlichen zu ihren alten Klubs (vor allem FC Sochaux und FC Nancy) zurückgekehrt. Gewinner der diesjährigen Trophäe wurde Racing Paris. Dies war nach 1936, 1939 und 1940 bereits Racings vierter Pokalgewinn innerhalb von nur zehn Jahren. Für seinen Endspielgegner Lille Olympique SC hingegen – kurz zuvor durch Fusion der drei traditionsreichen Lokalrivalen Olympique Lille, Iris Club Lillois und SC Fives entstanden – begann eine Serie von fünf Pokalfinals in Folge und der Aufstieg zur dominierenden Mannschaft der unmittelbaren Nachkriegszeit.

Nach den auf regionaler Verbandsebene organisierten Qualifikationsrunden wurden ab dem Zweiunddreißigstelfinale die Paarungen und das Heimrecht ausgelost; bis einschließlich des Achtelfinales kam es dabei zu einer gewissen Vorsortierung der Teilnehmer durch die Pokalkommission (entlang der groben Aufteilung in eine nordwestliche und eine südöstliche Landeshälfte). Erstligisten wurden erneut privilegiert, indem sie in der ersten Runde nicht aufeinandertreffen konnten. Ab dem Achtelfinale wurden die Paarungen frei ausgelost und an einem neutralen Ort ausgetragen.[1] Endete eine Begegnung nach Verlängerung unentschieden, kam es zu einem oder mehreren Wiederholungsspielen, bis zum Sechzehntelfinale auf dem Platz des Gegners.

Zweiunddreißigstelfinale

Spiele am 7., Wiederholungsmatch am 21. Januar 1945. Da es in diesem Jahr noch keine offizielle Landesmeisterschaft gab, werden lediglich die in der auf zwei Staffeln verteilten höchsten Kriegsdivision spielenden Klubs mit D1 markiert, auf Ligazugehörigkeitsangaben bei den anderen Vereinen hingegen verzichtet.

  • CA Valenciennes - Stade Compiègne 6:1
  • AS Saint-Étienne D1 - FC Gueugnon 4:3
  • ES Versailles - AS Trouville-Deauville 0:3
  • Racing Club de France(a) - Arago Sports Orléans 0:3
  • CA Vernon - Red Star Olympique D1 1:7
  • US Auchel - US Tourcoing 0:3
  • FC Toulouse D1 - US Bordeaux-Bouscat 5:1
  • US Saint-Gaudens - FC Sète D1 2:1
  • Olympique Lille D1 - Olympique Saint-Quentin 12:1
  • AS Aix - AS Cannes D1 2:1
  • Olympique Alès D1 - USA Perpignan 3:1
  • AS Angoulême - La Roche Rigault 6:1
  • RCFC Besançon - FC Mulhouse(b)
  • EC Bordeaux - Chamois Niort 6:3
  • ES Mont-de-Marsan - Girondins ASP Bordeaux D1 1:2
  • CS Blénod - FC Metz 5:2

(a) 
Dies war die Amateurelf von Racing Paris

(b) 
Die Gastmannschaft konnte nicht antreten (siehe Artikeleinleitung, 2. Absatz)

Sechzehntelfinale

Spiele am 4./5. und 18., Wiederholungsmatch am 11. Februar 1945

Achtelfinale

Spiele am 3./4., Wiederholungsmatch am 8. März 1945

Viertelfinale

Spiele am 17./18. März 1945

Halbfinale

Spiele am 15. April 1945

Finale

Spiel am 6. Mai 1945 im Stade Olympique Yves-du-Manoir in Colombes vor 49.983 Zuschauern

Mannschaftsaufstellungen

Auswechslungen waren damals nicht möglich.

Racing Paris: José MolinuevoMaurice Dupuis, August Jordan Mannschaftskapitän, Marcel SalvaJean-Claude Samuel, Lucien JasseronAndré Philippot, Oscar Heisserer, Émile Bongiorni, Pierre Ponsetti, Ernest Vaast
Trainer : Paul Baron

Olympique Lille: Julien DaruiJoseph Jadrejak, Casimir Stefaniak, Jean CardonFrançois Bourbotte Mannschaftskapitän, Jules BigotRoger Vandooren, Jean Baratte, René Bihel, Roger Carré, Jean Lechantre
Trainer : George Berry

Schiedsrichter: Georges Capdeville (Bordeaux)

Tore

1:0 Philippot (30.)
2:0 Ponsetti (40.)
3:0 Heisserer (65.)

Besondere Vorkommnisse

Mit Salva, Samuel, Jasseron, Philippot und Ponsetti – die beiden Letztgenannten auch Torschützen im Endspiel – bestand die halbe Mannschaft des siegreichen Racing Club aus im französischen Algerien geborenen „Pieds-noirs“, die bei den nahe Paris stationierten Luftstreitkräften Frankreichs als Soldaten dienten. Maurice Dupuis und „Gusti“ Jordan trugen bereits bei den vorangehenden drei Endspielsiegen seit 1936 den himmelblauen Dress des Hauptstadtvereins; damit stellten sie Jean Boyers Rekord aus dem Jahr 1927 ein, den Paul Nicolas als bis dahin einziger 1928 hatte egalisieren können. Diese Höchstmarke wurde erst zehn Jahre später von einem anderen französischen Fußballer, Marceau Somerlinck, übertroffen.[2] Für Oscar Heisserer war es seit 1939 der dritte Pokalgewinn mit Racing.
Schiedsrichter Capdeville, der auch schon das Weltmeisterschaftsendspiel 1938 gepfiffen hatte,[3][4] leitete nach 1936 und 1942 bereits sein drittes Pokalfinale.

Es gab bis heute (2018) drei Endspiele zwischen Racing und Lille – außer dem von 1945 auch 1939 und 1949. Jedes Mal verließ am Ende Olympique Lille den Platz nur als „zweiter Sieger“.

Zu den großen Favoriten des Wettbewerbs zählte Racing Lens – aufgrund seines „Bombensturms“, aus dem namentlich Stefan Dembicki („Stanis“) und Ladislas Smid („Siklo“) herausragten. Tatsächlich übertrafen die Nordfranzosen alle Erwartungen und erzielten in den ersten drei Pokalrunden 33 Treffer. Im Viertelfinale allerdings gelang dies gegen Toulouse nur noch dreimal, was das überraschende Aus bedeutete.[5][6]

Die zeitgenössische Berichterstattung über diesen Wettbewerb war vergleichsweise lückenhaft: Fachzeitschriften wie L’Auto und Football waren im August 1944 eingestellt worden, L’Équipe erschien erstmals im Februar 1946.[7] Es gab allerdings den Miroir des Sports und die Sportberichte in den Tageszeitungen, wenngleich auch deren Erscheinen in dieser Zeit aufgrund der Kriegssituation nur eingeschränkt möglich war.

Siehe auch

Literatur

  • L’Équipe, Gérard Ejnès: Coupe de France. La folle épopée. L’Équipe, Issy-les-Moulineaux 2007, ISBN 978-2-915535-62-4.
  • Hubert Beaudet: La Coupe de France. Ses vainqueurs, ses surprises. Alan Sutton, Saint-Cyr-sur-Loire 2003, ISBN 2-84253-958-3.

Weblinks

Anmerkungen

  1. L’Équipe/Ejnès, S. 332/333
  2. L’Équipe/Gérard Ejnès, Coupe, S. 429.
  3. Robert Franta: Fußballweltmeisterschaft 1938 Frankreich. Agon, Kassel 2002, ISBN 3-89784-018-9, S. 76
  4. Hardy Grüne: Fußball-WM-Enzyklopädie 1930–2006. Agon, Kassel 2004, ISBN 3-89784-261-0, S. 87.
  5. Hubert Beaudet: La Coupe de France. Ses vainqueurs, ses surprises. Alan Sutton, Saint-Cyr-sur-Loire 2003, S. 51
  6. Paul Hurseau, Jacques Verhaeghe: Les immortels du football nordiste. Alan Sutton, Saint-Cyr-sur-Loire 2003, ISBN 2-84253-867-6, S. 117 und 127
  7. L’Équipe, Gérard Ejnès: Coupe de France. La folle épopée. L’Équipe, Issy-les-Moulineaux 2007, S. 361.

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