Corpus callosum

Corpus callosum
Corpus callosum (ziemlich in der Mitte, unterhalb des Großhirns, oberhalb des Stammhirns)
Corpus callosum (19), frontaler Schnitt
Corpus callosum mit Anatomography

Das Corpus callosum (lateinisch corpus „Körper“, callus „Schwiele“), auch Commissura magna oder Balken genannt[1], (selten Hirnbalken bzw. Gehirnbalken) ist ein großes Kommissurensystem, das im Gehirn von Plazentatieren, einer Unterklasse der Säugetiere, quer zwischen den beiden Hemisphären des Großhirns verläuft und diese verbindet. Das Corpus callosum gehört zur Weißen Substanz des Endhirns und besteht beim Menschen aus rund 250 Millionen Nervenfasern.

Aufbau und Funktionen

Das Corpus callosum besteht aus den Teilen Rostrum (Schnabel), Genu (Knie), Truncus (Stamm) und Splenium (Hinterende). Es verläuft auf dem Grund der großen Hirnlängsspalte und bildet das Dach der beiden Seitenventrikel.

Der Balken dient dem Informationsaustausch und der Koordination zwischen den beiden Hemisphären, die jede für sich zum Teil unterschiedliche Aufgaben bei der Informationsverarbeitung haben.

Die zum Teil doppelläufigen Fasern des Balkens verbinden hauptsächlich identische Rindenareale der jeweiligen Hemisphären miteinander, vereinzelt aber auch unterschiedliche Gebiete. Da er kürzer ist als die Hemisphären, sind nur seine mittleren Fasern quer gestellt. Die vorderen Fasern, die durch das Balkenknie zu den Frontalpolen ausstrahlen, sowie die hinteren Fasern, die durch das Splenium zu den Occipitalpolen ziehen, sind U-förmig gebogen. Wegen dieser Zangenform werden die frontalen U-Fasern als Forceps frontalis (minor), die occipitalen als Forceps occipitalis (major) zusammengefasst. Die Gesamtheit dieser vom Balken in die Großhirnhemisphären ausstrahlenden Fasern wird als Balkenstrahlung (Radiatio corporis callosi) bezeichnet.[2]

Die Dorsalfläche des Balkens ist von einem dünnen grauen Belag (Indusium griseum) überzogen, welcher den kortikalen limbischen Arealen zuzurechnen ist.

Medizinische Aspekte

Bei einigen Formen der Epilepsie besteht die Behandlung u. a. darin, den Balken chirurgisch zu durchtrennen (dabei wird im Allgemeinen aber mindestens das Splenium intakt gelassen). Damit soll eine Übertragung der Erregung auf die andere Hirnhälfte verhindert werden. Vor allem bei der Sturzepilepsie kann so die Häufigkeit und Schwere der oft mit ernsten Verletzungen verbundenen Stürze meist deutlich vermindert werden. Andererseits ist diese so genannte Split-Brain-Operation oder Callosotomie mit schweren Kognitionsstörungen verbunden, sodass sie heutzutage kaum noch durchgeführt wird. Außerdem tritt wegen der Durchtrennung des Balkens das danach benannte Split-Brain-Syndrom auf. In seinem Buch Der Mann, der seine Frau mit einem Hut verwechselte berichtet Oliver Sacks von einem solchen Patienten und erwähnt, dass in diesem speziellen Fall beide Hirnhälften voneinander getrennt arbeiten. Er zeigt zum Beispiel mittels Experimenten, dass das Sprachzentrum in der linken Hemisphäre nicht mehr mit dem visuellen Zentrum der rechten Hemisphäre kommunizieren kann.

Der Balkenstich ist ein älteres Behandlungsverfahren bei erhöhtem Hirndruck.

Das angeborene Fehlen des Balkens wird als Corpus-callosum-Agenesie bezeichnet.

Die Mild Encephalopathy with Reversible Lesion in the Splenium (MERS) ist eine auf das Hinterende (Splenium) des Balkens beschränkte Enzephalopathie, die meist im Zusammenhang mit Infektionen auftritt.

Literatur

  • Norman D. Cook: The Brain Code. Mechanisms of Information Transfer and the Role of the Corpus Callosum. Routledge, London 1986 u. 2020, ISBN 978-1-138-59151-6.
  • Peter Reuter (Hrsg.): Springer Lexikon Medizin. Springer Verlag, Berlin 2004, Lemma Corpus callosum.
  • Oliver Sacks: Der Mann, der seine Frau mit einem Hut verwechselte. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 1987, ISBN 3-499-18780-9.

Weblinks

Commons: Corpus callosum – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Alfred Benninghoff: Makroskopische und mikroskopische Anatomie des Menschen. Band 3 Nervensystem, Haut und Sinnesorgane. Urban und Schwarzenberg, München 1985, ISBN 3-541-00264-6, S. 158.
  2. Michael Stoffel: Funktionelle Neuroanatomie für die Tiermedizin. Georg Thieme, Stuttgart 2021, ISBN 9783132444553, S. 86.

Auf dieser Seite verwendete Medien

Corpuis callosum.png
Autor/Urheber: Frank Gaillard (Radiopaedia.org), Lizenz: CC BY-SA 3.0
Corpus callosum parts on MRI
Corpus callosum.png
Autor/Urheber: Images are generated by Life Science Databases(LSDB)., Lizenz: CC BY-SA 2.1 jp
corpus callosum. Images are from Anatomography maintained by Life Science Databases(LSDB).
Human brain frontal (coronal) section description 2.JPG
Autor/Urheber:

John A Beal, PhD

Dep't. of Cellular Biology & Anatomy, Louisiana State University Health Sciences Center Shreveport, Lizenz: CC BY 2.5

Frontal (Coronal) section of the brain

  1. Medulla spinalis
  2. Decussatio pyramidum
  3. Hilum nuclei olivaris inferioris
  4. Nucleus olivaris inferior
  5. Pons
  6. Arteria cerebri posterior (?)
  7. (Tractus cerebellorubralis)
  8. Nucleus ruber
  9. Ventriculus tertius
  10. Thalamus
  11. Capsula interna
  12. Putamen
  13. Capsula externa / Claustrum / Capsula extrema
  14. Nucleus caudatus (Corpus)
  15. Stria terminalis et Vena thalamostriata superior
  16. Lamina affixa / Ventriculus lateralis, Pars centralis
  17. Taenia choroidea / Plexus choroideus ventriculi lateralis
  18. Fornix, Crus
  19. Corpus callosum, Truncus
  20. Gyrus cinguli
  21. Fissura longitudinalis cerebri
  22. Gyrus frontalis superior (?)
  23. Insula
  24. Sulcus lateralis
  25. Ventriculus lateralis, Cornu temporale
  26. Hippocampus
  27. Gyrus parahippocampalis
  28. Crus cerebri
  29. Substantia nigra
(font: arial black, size: 8)
CorpusCallosum.svg
Corpus callosum on the medial surface of the right cerebral hemisphere.