Corpus Vasorum Antiquorum

Das Corpus Vasorum Antiquorum (abgekürzt CVA) ist ein internationales Forschungsprojekt zur Erforschung und Publikation antiker Keramik.

Das Corpus Vasorum Antiquorum geht auf die Initiative des französischen Archäologen Edmond Pottier zurück, der ein erstes vorbereitendes Treffen 1919 in Paris veranstaltete. Es wurde beschlossen, Keramik nach einheitlichen Richtlinien in einem Corpus gesammelt zu publizieren. Der erste Band, Louvre, fasc. 1, von Pottier erschien 1922. Zunächst fanden sich sechs Partnerländer zusammen, heute gehören dem Projekt 26 Länder an. Jedes Land ist für die Publikationen in seinem Wirkungsbereich verantwortlich. Die Union Académique Internationale in Brüssel, deren ältestes Projekt das CVA ist, hat das Patronat für das Gesamtunternehmen übernommen, geleitet wird das CVA traditionell von einem französischen Wissenschaftler; derzeitige Leiterin ist Juliette de La Genière. Die deutschen Bände, das Corpus Vasorum Antiquorum Deutschland, werden von der Kommission für das Corpus Vasorum Antiquorum der Bayerischen Akademie der Wissenschaften in München betreut. Die österreichischen Bände, das Corpus Vasorum Antiquorum Österreich, werden von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften betreut. Die Schweiz wird an der Schweizerischen Akademie der Geistes- und Sozialwissenschaften (Leitung Christoph Reusser) koordiniert. Aufgenommen werden derzeit nur öffentlich zugängliche Sammlungen in Museen.

Leitung

Direktoren des Unternehmens waren bislang:

Publikationen

Das CVA publiziert antike griechische, italische und zypriotische Tongefäße vom 7. Jahrtausend v. Chr. bis zur Spätantike nach Ländern und Museen aufgeteilt in einzelnen Faszikeln. Der ursprüngliche Plan einer Publikation aller Keramik des mediterranen Raumes, Europas, des vorderen und mittleren Orients wurde 1956 aufgrund der offensichtlichen Undurchführbarkeit fallen gelassen. Der ursprüngliche Plan, auch alle Keramik prähistorischer und altorientalischer Kulturen aufzunehmen, wurde in den 1940er Jahren wegen der fehlenden Aussicht auf eine Realisierbarkeit aufgegeben.

Bis heute sind so weit über 100.000 Stücke aus 28 Ländern und mehr als 150 Sammlungen in etwa 395 Bänden beschrieben worden. Davon sind einschließlich drei Bänden der DDR 112 Bände für deutsche Sammlungen publiziert worden (Stand 2021, siehe Corpus Vasorum Antiquorum Deutschland). Seit 2004 sind der Text und die Abbildungen aller bis dahin erschienenen Bände des CVA auch als Datenbank im Internet frei verfügbar. Publikationssprachen sind Englisch, Französisch, Deutsch und Italienisch; ein griechischer Antrag, auch auf Griechisch zu publizieren, wurde abgelehnt. Der Band Marathon Museum erschien 2001 dennoch in neugriechischer Sprache mit einem knappen, listenartigen „English Summary“. Waren die Bände zunächst aus losen kartonierten Bildtafeln und einem dazugehörigen Begleitheft zusammengesetzt, werden einzelne Bände mittlerweile in gebundener Buchform publiziert.

Für die Aufnahme in die Bände müssen Vasen bestimmte Voraussetzungen erfüllen, die häufig zu einer neuen Restaurierung führen. So müssen Vasenfragmente erkennbar und unterscheidbar von modernen Ergänzungen sein. Eine Vase wird zuerst in ihrem Zustand beschrieben, es folgt eine ikonografische Deutung und wenn möglich die Zuweisung an Malerhände oder Werkstätten. Hierzu gehört auch eine zeichnerische und fotografische – seit den 2010er Jahren auch zum Teil farbige – Dokumentation. Der letzte Schritt in der Dokumentation durch das CVA ist eine chronologische Einordnung.

Naturwissenschaftliche und digitale Methoden

Für die Aufnahmen der Gefäßformen wurde 2006 erstmals für das CVA ein 3D-Scanner vom Arbeitskreis in Österreich eingesetzt[1] und bildet damit die Grundlage für die zuletzt erschienenen österreichischen Bände.[2][3] Dafür wurden mit dem GigaMesh Software Framework aus den hoch-aufgelösten 3D-Daten alle Profilschnitte und mehrere Abrollungen als Grundlage für die Abbildungen berechnet. Das österreichische CVA-Teilprojekt ist bisher das Einzige, das naturwissenschaftliche und digitale Methoden einsetzt.

Teilnehmende Staaten

StaatVerantwortliche Institutionaktueller Leiterbisherige Bändeerster Bandletzter BandAnmerkungenWikipedia-Link
AustralienMargaret C. Miller220082008CVA Australien
BelgienJean Balty319261949CVA Belgien
DänemarkBodil Bundgaard Rasmussen1019252004CVA Dänemark
DeutschlandBayerische Akademie der WissenschaftenPaul Zanker10919382021dazu bislang neun Beihefte; unter den 109 Bänden sind ein österreichischer Band und sechs Bände der DDRCVA Deutschland
DDRAkademie der Wissenschaften der DDR319721990zwischen 1959 und 1968 erschienen sechs Bände in der gesamtdeutschen Reihe; nach 1990 wieder fortgesetzt in der gesamtdeutschen ReiheCVA Deutschland
FinnlandLeena Pietilä-Castrén120032003CVA Finnland
FrankreichAcadémie des inscriptions et belles-lettresJuliette de La Genière42192320102020 erschien ein Beiheft (Cahiers du Corpus Vasorum Antiquorum)CVA Frankreich
GriechenlandMaria Pipili1319302012CVA Griechenland
Irland120012001CVA Irland
ItalienUnione accademica nazionaleLuigi M. Todisco80192520151974 und 1999 erschienen BeihefteCVA Italien
JapanJapanische Akademie der WissenschaftenAkira Mizuta219811991CVA Japan
Jugoslawien419341979wird vom CVA Serbien fortgesetztCVA Jugoslawien
Kanada119811981CVA Kanada
Kroatien120082008CVA Kroatien
NeuseelandDick Green119791979CVA Neuseeland
NiederlandeKoninklijke Nederlandse Akademie van WetenschappenRuurd B. Halbertsma1219272009CVA Niederlande
NorwegenAxel Seeberg219642000CVA Norwegen
ÖsterreichÖsterreichische Akademie der WissenschaftenAndreas Pülz819512020Der erste Band zum heutigen Österreich erschien 1942 im Rahmen des CVA Deutschland; seit 2013 erschienen zudem drei Beihefte.CVA Österreich
PolenPolska Akademia UmiejętnościEwdoksia Papuci-Władyka1119322012CVA Polen
RumänienLucia Marinescu219651968CVA Rumänien
RusslandOlga Tugeschewa2119962012CVA Russland
SchwedenCharlotte Scheffer419801995CVA Schweden
SchweizSchweizerische Akademie der Geistes- und SozialwissenschaftenChristoph Reusser1119622021CVA Schweiz
Serbien und Montenegro120042004setzt das CVA Jugoslawien fortCVA Serbien
SpanienRicardo Olmos619301987CVA Spanien
Tschechische RepublikMarie Dufková419782000einschließlich der durch die tschechische Reihe fortgesetzten tschechoslowakischen BändeCVA Tschechien
Türkei120092009CVA Türkei
Ungarn319812017CVA Ungarn
Vereinigtes KönigreichBritish AcademyJohn Boardman2519252010CVA UK
Vereinigte StaatenArchaeological Institute of AmericaJohn H. Oakley3919262015CVA USA
ZypernVassos Karageorghis219631965CVA Zypern

Literatur

  • Donna C. Kurtz: A corpus of ancient vases. Hommage a Edmond Pottier. In: Revue archéologique. 2004, S. 259–286.
  • Charles Dugas, Henri Metzger: Colloque International sur le Corpus Vasorum Antiquorum (Lyon, 3–5 juillet 1956). Centre Nationale de la Recherche Scientifique, Paris 1957.
  • Elisabeth Trinkl (Hrsg.): Interdisziplinäre Dokumentations- und Visualisierungsmethoden (= CVA Österreich Beiheft 1). Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 2013, ISBN 978-3-7001-7145-4, ISBN 978-3-7001-7544-5 (Digitalisat).
  • Summary guide to „Corpus Vasorum Antiquorum“. 2. Auflage. Oxford University Press, Oxford 2000, ISBN 0-19-726203-1 (Zusammengestellt von Thomas H. Carpenter, aktualisiert von Thomas Mannack).

Einzelnachweise

  1. Hubert Mara, Elisabeth Trinkl, Paul Kammerer, Ernestine Zolda: 3D-Acquisition and Multi-Spectral Readings for Documentation of Polychrome Ceramics in the Antiquities Collection of the Kunsthistorisches Museum Vienna. In: Proceedings of the International Cultural Heritage Informatics Meeting (ICHIM). 2007 (archimuse.com).
  2. Elisabeth Trinkl: Attisch rotfigurige Gefäße und Weißgrundige Lekythen. In: Kunsthistorisches Museum – Antikensammlung (Hrsg.): Corpus Vasorum Antiquorum KHM. Band 5, 2011, ISBN 978-3-7001-6612-2 (khm.at).
  3. Claudia Lang-Auinger, Stephan Karl und Bettina Kratzmüller: Bronzezeitliche und eisenzeitliche Gefäße aus Zypern. Attisch geometrische und protoattische Gefäße. In: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften — VÖAW (Hrsg.): Corpus Vasorum Antiquorum Österreich Band 7 KHM Wien. Band 6, 2019, ISBN 978-3-7001-8267-2 (verlag.oeaw.ac.at).

Weblinks